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Die in diesem Sammelband enthaltenen Geschichten "Vom Kätzchen Miesemau", "Unser kleiner Esel Jan", "Sechs kleine Igelchen" und "Wisky stellt alles auf den Kopf" berichten über amüsante Abenteuer mit verspielten Tieren – Lustig und humorvoll erzählte Tiergeschichten. Lesenswert! -
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Seitenzahl: 87
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Lise Gast
Saga
Alles dreht sich um die Tiere
German
© 1977 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhart sog Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711508220
1. e-bogsudgave, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
Das Forsthaus ist alt, schon Julchens Großvater hat darin gewohnt. Wilder Wein wächst an den Wänden, und die Küche ist niedrig, dunkel und wunderbar gemütlich. Im Garten gibt es einen Hundezwinger, mit Efeu überwachsen, und hohe alte Bäume. Lange stand das Haus allein hier, außerhalb des Dorfes, dort, wo der Wald anfängt. Erst vor ein paar Jahren hat sich ein anderes Haus dazugesellt, ein niedriges, modernes mit vielen großen Glasfenstern und einem Spielplatz davor: ein Kinderheim.
„Das ist schön für dich, Julchen, da bekommst du Spielkameraden“, hatte Mutter gesagt.
Julchen war damals noch winzig klein. Sie konnte gerade laufen. Ihre Brüder waren schon groß, sie sind viel älter als sie. Jetzt ist Julchen sieben, sie geht also schon zur Schule. Einen Spielkameraden aus dem Kinderheim hat sie aber noch immer nicht.
„Sie ist eigentlich ein Einzelkind“, sagt Mutter, „weil sie so viele Jahre nach den Brüdern geboren ist. Wenn sie doch wenigstens mit den Hunden spielte!“
Aber die Hunde gehören den Brüdern. Sie gehen mit ihnen auf die Jagd. Julchen will ein eigenes Tier. Sie wünscht sich eins, das sie auf den Schoß nehmen und streicheln, liebhaben, jeden Tag selbst füttern kann. Es müßte auch in ihrem Zimmer schlafen dürfen. Dann wäre Julchen nicht mehr so allein.
„Für einen eigenen Hund ist sie noch zu klein“, sagt Vater. „Die Jungen haben auch erst mit zehn einen bekommen. Hunde müssen von Anfang an richtig erzogen werden. Das kann man mit sieben Jahren noch nicht.“
Mutter sieht das ein. Sie versucht, es Julchen zu erklären. Julchen aber will gar keinen Hund, sie möchte am liebsten eine Katze. Mutter schüttelt den Kopf.
„Wir haben doch oft verletzte Vögel hier, die wir gesund pflegen. Manchmal auch junge Hasen, die uns die Bauern bringen, wenn sie sie beim Mähen gefunden haben. Dazu paßt eine Katze nicht“, sagt Mutter.
Julchen sieht sie schweigend an. Sie tut Mutter leid.
„Wie wäre es mit einem Meerschweinchen? Es gibt so hübsche, puschelige“, versucht sie Julchen zu trösten. Aber Julchen schüttelt den Kopf.
Kein Meerschweinchen, auch kein Kaninchen. Auch keine Schildkröte. Julchen wünscht sich eine Katze.
„Katzen sind schön, ihr Fell ist wie Seide“, sagt sie zu Mutter. „Und sie schnurren, wenn man sie streichelt. Sie bellen nicht wie Hunde, daß es einem in den Ohren gellt. Sie springen auch nicht an einem herauf. Lux hat mich gestern beinahe umgeworfen. Das täte ein Kätzchen nie. Ich wünsche mir ein Kätzchen.“
Und dann ist eines Tages wahrhaftig eine Katze im Haus. Das kommt so:
Vater hat Besuch. Es sind zwei Herren in grüner Uniform, die Büchsen am Riemen auf der Schulter, das Jagdhorn an der Seite. Mit ihnen kommen zwei Dackel. Die heißen Max und Moritz. Der eine der Herren führt sie an einer Doppelleine. Aber kurz vor dem Haus macht er sie los. Die Dackel schnüffeln natürlich überall herum, stecken die Nasen in die Hecke, die den Vorgarten umgibt, und bellen laut und eifrig. Und da saust aus der Hecke etwas Schwarzes heraus.
Eine Katze!
Wohin rettet sie sich wohl vor den beiden Dackeln? Haargenau: ins Haus hinein, dessen Türen offen stehen, durch den Flur und in die Küche.
Dort steht Julchen. Sie sieht die Katze, die in einem Nu hereinfegt und gleich darauf schon wieder verschwunden ist. Verschwunden in dem Loch unter dem alten Herd, der nicht mehr benützt wird.
Früher wurde dieser Herd richtig angefeuert, und die Asche sammelte sich in dem tiefen Loch darunter. Jetzt kocht Mutter auf einem elektrischen Herd, der daneben steht. Es gibt genug Platz in dieser Küche. In dieses dunkle und ziemlich tiefe Loch hinein hat sich die Katze gerettet. Und weil sie schwarz ist, kann man sie darin nicht sehen. Julchen aber weiß, daß sie dort hineingewitscht ist, und steht atemlos daneben. Mutter, die die beiden Herren begrüßt hat, schließt die Küchentür von außen.
Eine Katze! Eine lebendige, samtschwarze Katze, die ins Haus gekommen ist, gerade zu Julchen in die Küche! Das ist eine Überraschung! Die hat ihr der liebe Gott geschickt, Julchen ist jedenfalls fest davon überzeugt. Sie hockt sich vor das schwarze Loch und flüstert zärtlich mit ihr, lockt und ruft.
„Miesemiesemau“, wispert sie, „du brauchst dich nicht zu fürchten! Wir haben ja noch keine Katze, da kannst du bei uns bleiben. Ich sag’ es Mutter. Und hier in dem Loch bist du sicher. Da kommt kein Hund hinein.“
Julchen läuft eifrig zum Kühlschrank.
„Warte, Miesemau, du mußt doch etwas zum Schlecken bekommen!“
Im Kühlschrank ist Milch. Julchen holt einen Blumentopf-Untersetzer aus Ton und gießt ihn halbvoll. Vorsichtig stellt sie ihn vor das Aschenloch, ja, sie schiebt ihn halb hinein.
„Miesemau, das ist für dich!“
Aber kein Kätzchen kommt. Aus der Dunkelheit des Aschenloches hört man nur ein Murren. „Rrrrr – rrrrrr“, es klingt gleichzeitig drohend und gemütlich.
So findet Mutter ihr Julchen, als sie den Kaffee für den Besuch holt.
„Was machst du denn hier?“ fragt sie.
Julchen sieht strahlend zu ihr auf. Ihre Augen sind weit aufgerissen.
„Wir haben eine Katze! Eine lebendige Katze. Ist das nicht eine Überraschung?“
„Eine Katze? Da drin? Wahrhaftig?“ fragt Mutter. „Du hast dir doch immer eine gewünscht.“ Sie nimmt den Kaffee und geht wieder. Julchen bleibt hocken.
Sie hockt noch immer da, als Mutter mit dem Tablett voller Tassen zurückkommt, nachdem der Besuch gegangen ist.
„Aber Julchen, hast du die ganze Zeit hier gesessen? Und du wartest noch immer darauf, daß die Katze herauskommt?“
„Sie wird schon“, sagt Julchen, tief überzeugt. „Sie kommt bestimmt, Mutter. O Mutter, sie will sicherlich bei uns bleiben!“
Die Mutter setzt das Tablett ab und kommt zu Julchen herüber.
„Aber sie gehört doch sicherlich jemandem! Und der macht sich Sorgen um sie.“
„Wenn sie aber so gern zu uns will? Zu mir? Ich wünsche mir doch seit vielen, vielen Jahren eine Katze, und jetzt hat der liebe Gott mir endlich eine geschickt!“
Mutter schweigt. Dann setzt sie sich auf einen Schemel neben das Katzenloch und sieht ihr Kind an.
„Vielleicht, Julchen. Es gibt ja Katzen, die niemandem gehören. Aber erst müssen wir wissen, ob nicht jemand nach ihr sucht. Morgen gehen wir ins Dorf und fragen.“
„Aber heute nacht darf sie bleiben?“
Julchens Augen leuchten vor Glück, und Mutter bringt es nicht übers Herz, nein zu sagen. Trotzdem hat sie Bedenken.
„Anfassen läßt sie sich nicht? Hast du es versucht?“
„Ja. Sie faucht, wenn ich hineinlange. Vielleicht hat sie noch Angst vor mir. Sie kann ja nicht wissen, daß ich es gut mit ihr meine.“
„Wahrscheinlich hat sie schlimme Erfahrungen gemacht. Und wenn sie nachts einmal muß?“
„Dann stellen wir den Sandkasten auf.“
Julchen hat es oft erlebt, wie man es mit kleinen Hunden macht. Behält man sie nachts im Zimmer, so müssen sie ein Sandkästchen haben, das sie als Klo benützen. In einem Forsthaus ist man mit solchen Dingen ausgerüstet.
Mutter sagt nicht nein. Miteinander suchen sie im Abstellraum nach dem Blechkästchen und finden es auch, und Julchen füllt es mit Sand, trägt es herein und stellt es vor das Katzenloch.
„So, nun hast du alles, was du brauchst, Miesemau“, sagt sie zufrieden. „Und ich darf hier schlafen, nicht wahr, Mutter? Bitte! Damit sie nicht allein ist. Ich hol’ mir die Gartenliege!“
Mutter lächelt. Sie ist von ihren großen Söhnen her an allerlei gewöhnt, die schliefen auch manchmal auf dem Rasen, auf dem Balkon, in der Jagdhütte und einmal sogar auf dem Schuppendach. Warum soll Julchen dann nicht in der Küche schlafen, wenn sie es sich so sehr wünscht?
Julchen schleppt also die Liege herbei. Sie holt eine Decke, und Mutter deckt sie zu. Nun ist Julchen allein mit ihrem Kätzchen Miesemau.
„Du kannst ruhig herauskommen, ich tu’ dir nichts“, wispert sie. Nach einem Weilchen hört sie ein kleines Geräusch, ein winziges Schlappern: Miesemau trinkt ihre Milch. Selig dreht sich Julchen auf die andere Seite, faltet die Hände und sagt ganz leise: „Danke, lieber Gott!“
Gleich darauf ist sie eingeschlafen.
Am nächsten Morgen, als Mutter in die Küche kommt, hockt Julchen bereits wieder vor dem Katzenloch.
„Sie hat gefressen!“ berichtet sie strahlend. „Die Milch ist alle!“ Mutter lacht.
„Ja, ja. Aber herauskommen tut sie nicht? Hast du sie schon einmal gestreichelt? Nein? So ein armes, verscheuchtes Tierchen! Wer weiß, wie die Leute damit umgegangen sind! Sie scheint schreckliche Angst vor Menschen zu haben.“
„Nicht wahr? Sie kann ja nicht wissen, daß ich es gut mit ihr meine!“
„Natürlich weiß sie das nicht. Aber sie wird es merken.“
Als sie etwas später nach Einkaufstasche und Geldbeutel greift, hängt Julchen sich an ihre Hand.
„Darf ich mit, Mutter?“
Das hat sie noch nie gefragt. Mutter macht sich ihre Gedanken, sagt aber nichts.
Hand in Hand gehen sie ins Dorf, einkaufen. In dem großen Supermarkt, der erst vor kurzem aufgemacht worden ist, stehen viele Leute. Alle grüßen die Frau Forstmeister freundlich. Sie ist bekannt und überall beliebt. Sie fragt jeden, mit dem sie ein wenig schwätzt, dasselbe:
„Wissen Sie vielleicht, wo eine schwarze Katze fehlen kann? Uns ist eine zugelaufen, und wir möchten gern wissen, wem sie gehört.“
Julchens Herz macht jedesmal einen schmerzhaften Rucker, wenn sie diese Frage hört. Aber immer lautet die Antwort zum Glück:
„Nein, ich wüßte nicht. Bei uns ist jedenfalls keine weggelaufen.“ Die Leute haben eine schwarzweiße – oder eine gelbe – oder einen Tiger, je nachdem. Jedesmal atmet Julchen auf.
„Nicht wahr, wenn sie niemandem gehört, behalten wir sie?“ fragt sie hoffnungsvoll und sieht zu Mutter auf, als sie endlich wieder auf dem Rückweg sind. Mutter sieht sie zärtlich an, sagt aber nicht ja und nicht nein.
Als sie am Haus ankommen und schon die Tür zum Vorgarten aufmachen, hält Mutter auf einmal inne.
„Im Kinderheim müßten wir noch fragen“, sagt sie. Julchen geht es wie ein Stich durch das Herz. Mutter stellt die Einkaufstasche ab.
„Komm. Frau Fröhlich ist um diese Zeit sicherlich zu sprechen.“
Sie geht los. Julchen trabt mit schwerem Herzen hinterher.