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Nichts hat die schöne junge Bäuerin Mariann Einegger darauf vorbereitet, als ihr Mann sie um die Scheidung bittet. Und der Dolch bohrt sich noch tiefer in ihr Herz, als sie den Grund erfährt: Martin hat sich in die Witwe Rena Ott verliebt, die zwei niedliche Kinder besitzt.
Für Mariann ist klar, dass vor allem die Kinder der Trumpf der anderen sind. Verzweifelt räumt sie ihren Platz an Martins Seite und wagt die ersten Schritte in ihr neues Leben als geschiedene Frau. Sie will es schaffen - als sie eines Tages einen Brief von Martin erhält. Es sind nur wenige Zeilen, doch sie reichen, um ihr Leben erneut aus der Bahn zu werfen ...
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Seitenzahl: 107
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Du sollst die Scheidung haben
Vorschau
Impressum
Du sollst die Scheidung haben
Eine verzweifelte Frau weicht der Geliebten ihres Mannes
Von Carola Martin
Nichts hat die schöne junge Bäuerin Mariann Einegger darauf vorbereitet, als ihr Mann sie um die Scheidung bittet. Und der Dolch bohrt sich noch tiefer in ihr Herz, als sie den Grund erfährt: Martin hat sich in die Witwe Rena Ott verliebt, die zwei niedliche Kinder besitzt.
Für Mariann ist klar, dass vor allem die Kinder der Trumpf der anderen sind. Verzweifelt räumt sie ihren Platz an Martins Seite und wagt die ersten Schritte in ihr neues Leben als geschiedene Frau. Sie will es schaffen – als sie eines Tages einen Brief von Martin erhält. Es sind nur wenige Zeilen, doch sie reichen, um ihr Leben erneut aus der Bahn zu werfen ...
Im Hinterzimmer der »Sirius-Apotheke« in Bad Ischl herrschte eine drückende Schwüle. Zum offenen Fenster zog der schwere Duft der blühenden Linden herein.
Mariann Einegger merkte nichts davon. Zerstreut nahm sie ein altes Porzellangefäß aus dem Regal, es entfiel ihrer Hand und zerbrach klirrend am Boden.
Ihr Aufschrei lockte den Apotheker Sixtus Menardi herbei. Seine Haushälterin stand mit dem Rücken zu ihm, das Gesicht in den Händen versteckt, ihre Schultern zuckten.
Menardi erschrak. Noch nie hatte Mariann während der ganzen Jahre, in denen sie der gute Geist seines Hauses war, die Fassung verloren.
»Mei, Mariann, wegen der paar Scherben werden Sie doch nicht weinen«, versuchte er sie zu trösten. »Was haben Sie denn nur, schon den ganzen Tag merke ich, dass Sie was bedrückt.«
Langsam ließ sie die Hände sinken.
»Ich soll Sie verlassen, Herr Menardi, auf den Einegger-Hof soll ich zurück!«
Verständnislos sah er sie an. Er war fünfzig Jahre alt und hatte einen schmächtigen Körper. Das graue Haar wich ihm in tiefen Winkeln aus der schmalen Stirn.
Der eingefleischte Junggeselle verdankte Mariann sein behagliches Heim. Keine Ehefrau hätte ihn mehr verwöhnen können als die geschiedene Frau des Gutsbesitzers Martin Einegger. Über ihre Ehe hatte sie nie geredet. Er begriff nicht, wie dieser Mann die tüchtige und herzenswarme Frau hatte gehen lassen können.
»Ihr Mann will Sie wiederhaben, Mariann? Er hat aber doch wieder geheiratet.« Plötzlich fiel es ihm ein. »Verloren hat er seine zweite Frau. Witwer ist er geworden, vor zwei Jahren war's, gell?«
»Ja. Und jetzt ist auch der Martin tot, einen Herzinfarkt hat er gehabt. Und der Notar Doktor Wachter hat mir mitgeteilt, dass er mich als Erbin eingesetzt hat!«
Jetzt kamen ihr wieder die Tränen. Die Fünfunddreißigjährige hatte ein ruhiges Madonnengesicht, ihr braunes Haar war in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einer Rolle gekämmt. Schön an ihr waren die dunklen, warmen Augen, ihr Blick nahm jeden für sie ein.
»Das tut mir leid, ich habe nicht gewusst, dass Sie ihn noch mögen.«
»Freilich tut's mir leid um ihn, abgerackert hat er sich. Das Gut hat ihn auf dem Gewissen und vielleicht auch ...« Sie stockte. Bekannte hatten ihr zugetragen, dass er es in seiner zweiten Ehe nicht leicht gehabt hatte, vor allem seine Schwiegermutter wäre schwierig gewesen.
»Sind da nicht zwei Kinder, warum erben die nicht?«, hörte sie Menardi fragen.
»Die beiden hat seine Frau mit in die Ehe gebracht.«
»Und die hat er nicht bedacht?«
»In seinem Testament bittet er mich, dass ich sie im Haus behalte und für alle sorge.«
Der Apotheker legte ihr leicht die Hände auf die Arme und sah sie bittend an.
»Mariann, tun Sie mir das nicht an, verlassen Sie mich nicht. Ich brauche Sie, ohne Sie wäre ich verloren!«
»Sie täten schon wieder eine kriegen, die gut für Sie sorgt.«
»Aber keine tät's so wie Sie, das wissen Sie ja auch.«
»Und ich bin gern bei Ihnen, in nichts reden Sie mir drein, die Arbeit hier macht mir Freude! Und was mich auf dem Gut erwartet, das ist gewiss nicht leicht!«
»Haben Sie sich schon entschieden?«, fragte er bang.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Lieber Herrgott, ich weiß es nicht! Am liebsten tät ich die Erbschaft nicht annehmen!« Sie schaute ihn hilflos an.
»Und was tät dann mit dem Einegger-Hof geschehen?«
Mariann zuckte mit den Schultern.
»Seien Sie mir nicht böse, wenn ich jetzt in die Küche gehe, sonst kriegen Sie heut nichts zum Nachtmahl.« Sie warf einen Blick auf die Reihe alter Porzellangefäße. »Die lass ich lieber in Ruhe, ich hab so unruhige Hände.«
Bedrückt sah er ihr nach. Sie war eine stattliche Person, groß gewachsen und vollschlank. Dazu kam ihr liebes Gesicht, an das er sich so gewöhnt hatte. Angst und bang wurde ihm bei dem Gedanken, sie nicht mehr im Haus zu haben!
***
Als Mariann Einegger vor Jahren die Stellung bei Sixtus Menardi angenommen hatte, war der Garten hinter der Apotheke eine Wildnis gewesen. Aus ihm hatte sie ein Schmuckkästchen gemacht, Gärtnern war ihre ganze Freude. Wenn sie in dem kleinen von Mauern eingefriedeten Garten tätig war, fühlte sie sich wohl.
Auch als sie an diesem Vormittag die Hecke stutzte, wich die Bedrückung der letzten Stunden etwas in ihr. In der Nacht hatte sie kaum geschlafen. Beim Frühstück war sie dem forschenden Blick ihres Dienstherrn ausgewichen, noch immer hatte sie keinen Entschluss gefasst.
In der heißen Sonne duftete der Dill in ihrem Kräutergarten so stark, dass sie sich an ihre erste Zeit auf dem Einegger-Hof erinnerte. Auch dort hatte es so würzig gerochen.
Lehrerin hatte sie werden wollen. Während der Semesterferien hatte sie ihre Tante besucht, die in dem lieblich in einem Bergtal gelegenen Moosbach ihre Sommerfrische verbracht hatte.
Im Gasthof, wo sie gewohnt hatten, war der Gutsbesitzer Martin Einegger auf Mariann aufmerksam geworden. Bei ihm war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte gezögert, aber er hatte keine Ruhe gegeben. Nach Salzburg war er ihr nachgekommen. Endlich hatte er es erreicht, dass sie ihm vor dem Traualtar das Jawort gegeben hatte.
Der Martin war ein guter Mensch gewesen, nur ein bisserl schwach. Die ersten Jahre mit ihm waren glücklich. Sie war eine richtige Landfrau geworden. Die Dienstboten hatten sie gemocht und sie »eine Gute« genannt. Ihre größte Freude war der Garten hinter dem Gutshaus gewesen.
Zu dem rhythmischen Klipp-Klapp ihrer Gartenschere, mit der sie die Hecke stutzte, wanderten ihre Gedanken weiter.
In dem gleichen Gasthof, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte Martin dann später die Rena Ott kennengelernt. Den Sommer hatte die Witwe dort mit ihren Kindern verbracht. Um den Martin war es gleich geschehen gewesen. Er hatte mit der jungen Witwe eine Liebschaft angefangen. Als es Mariann erfahren hatte, war es bereits zu spät für seine Rückkehr gewesen. Denn die Rena hatte behauptet, von ihm ein Kind zu erwarten.
Ein Seufzer entrang sich Mariann, ihr größter Kummer war, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Der Martin aber war ein richtiger Kindernarr gewesen, und der Hof brauchte einen Erben. Sie hatte ihn freigegeben, und er war ihr dafür dankbar gewesen. Sie waren nicht als Feinde auseinandergegangen.
Aus Stolz hatte Mariann auf Unterhalt verzichtet und sofort eine Stellung angenommen. Sie hatte es gut in der Apotheke angetroffen. In der harmonischen Welt hier hatte sie ihren Seelenfrieden wiedergefunden, die Wunde in ihrem Herzen konnte heilen.
Aber jetzt musste der Martin ihr noch nach seinem Tod dieses friedliche Leben zerstören und ihr die Verantwortung für das Gut anlasten!
»Unsere Frau Einegger hat halt noch immer grüne Finger!«, rief ein heiserer Bass hinter ihr.
Mariann blickte auf, vor ihr stand die endslange Gestalt vom Ladroner, dem Großknecht vom Einegger-Hof. Das breite Lachen ließ sein wettergegerbtes Gesicht noch zerknitterter erscheinen.
»Ladroner, was machen denn Sie bei uns in der Apotheke?« Ihre Freude über das Wiedersehen mit dem alten Faktotum wich einer bangen Vorahnung.
»Reden muss ich mit Ihnen, dringend ist es«, sagte er schwer.
Sie setzte sich mit ihm auf die grün gestrichene Holzbank unter der Linde, über ihnen summte das Bienenvolk. Der Ladroner sah sich im Garten um.
»Schön haben Sie es hier, die vielen Blumen, so war auch Ihr Garten, als Sie noch die Gutsherrin bei uns waren!«
»Ist der Garten jetzt nicht mehr in Ordnung?«
»Wer soll sich schon drum kümmern, eine Wildnis ist er, ganz grauslich schaut's in ihm aus.«
Seine Stimme wurde leiser.
»Zwei Wochen ist es her, dass sie unseren Herrn begraben haben. Eine schöne Leiche war es, die Leute haben ihn geschätzt, von weit her sind sie gekommen, um ihm die letzte Ehre zu geben!«
»Sie haben mich doch nicht aufgesucht, um mir das zu erzählen?«
»Nein, Ihnen gehört doch jetzt das Gut. Wann kommen Sie auf den Einegger-Hof? Fast hätte ich vergessen, Sie von der Rosina zu grüßen.« Das war die Wirtschafterin. »Erwarten kann sie's gar nicht, bis Sie wieder bei uns sind und Ordnung im Haus herrscht!«
Mariann senkte den Blick.
»Ich hab mich noch nicht entschlossen, ob ich das Erbe überhaupt annehme.« Ihre Stimme war so leise, dass das Summen und der warme Sommerwind, der durch die Bäume strich, fast lauter waren.
Fassungslos starrte der alte Mann sie an.
»Aber das können Sie doch nicht tun! Bei uns geht's drunter und drüber. Der Verwalter, der Willie Windisch, arbeitet in seine Tasche. Schon zu Lebzeiten von unserem Herrn hat er ihn betrogen!«
»Zu meiner Zeit hat der Martin keinen Verwalter gebraucht.«
»Da war er ja auch gesund und hat es noch nicht mit dem Herzen gehabt. Sie waren ihm eine gute Frau, mitgearbeitet haben Sie, so gut Sie es halt konnten. Aber dann hat er die andere auf das Gut bringen müssen, mitsamt den Kindern und ihrer Mutter!«
»Aber sie soll doch eine nette Frau gewesen sein und hübsch, sonst hätte mein Mann«, sagte Mariann begütigend und verbesserte sich rasch, »sonst hätte doch der Martin sie sich nicht in den Kopf gesetzt!«
»Keiner von uns am Hof hat das verstanden! Mit Ihnen hat den Einegger-Hof das Glück verlassen! Das können Sie mir glauben, Frau Einegger! Sehen Sie, die neue Frau war ja nicht uneben, ein Dummerl war sie, regiert hat ihre Mutter, die Frau Berger!« Seine Stimme wurde scharf. »Ein böses Weibsstück ist das, in alles hat sie sich hineingemischt, nix konnte man ihr recht machen. Unser Herr hat's bald schon aufgegeben, gegen sie anzukämpfen. Und dann ist die junge Frau gestorben und jetzt auch noch der Herr Einegger«, schloss er tieftraurig.
»Was Sie mir erzählen, Ladroner, macht mir die Rückkehr nicht leichter. Es schreckt mich eher ab. Wenn schon der Martin mit dieser Frau nicht fertig geworden ist, wie soll dann ich es schaffen? Sie wird mir nie verzeihen, dass der Martin den Einegger-Hof nicht ihren Enkeln hinterlassen hat!«
»Sie war auch schon beim Notar, dem Doktor Wachter, und wollte das Testament anfechten«, erklärte er. »Froh soll sie sein, hat er ihr bedeutet, dass sie mit den Kindern das Wohnrecht im Haus hat und von Ihnen versorgt werden muss!«
»Ladroner, ich fürchte mich, ich glaube, ich verzichte lieber!«
»Das dürfen Sie unserem Herrn, Gott hab ihn selig, nicht antun. Seit Generationen ist der Einegger-Hof im Besitz der Familie. Im Grab tät er sich umdrehen, wenn er wüsste, dass Sie mit dem Gut nix zu tun haben wollen. Der Windisch ist ein schlechter Verwalter, ein Spitzbub ist das, ein Dieb!«
»Ja, schaut ihm die Frau Berger denn nicht auf die Finger?«
»Sehen Sie, der ist ja ein ganz raffinierter Bursche. Schön tut er ihr, eingewickelt hat er sie, für sie ist er der Größte, dieser Hallodri.«
»Da käme ich ja in einen richtigen Hexenkessel. O lieber Gott, was soll ich nur tun? Ich hab's hier gut, so friedlich ist es, und das soll ich aufgeben und mich mit einer herrischen Frau einlassen und einem unehrlichen Verwalter?« Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander. »Wie sind denn die Kinder?«, fragte Mariann.
»Der Bub, der Micha, ist jetzt zehn und ein liebes Buberl. Die Lorie mit ihren siebzehn Jahren ist ein von der Großmutter verwöhnter Fratz, eitel ist sie und kokett, auf die müsste einer gut achtgeben!«
»Auch das noch, gewiss hält sie zur Großmutter. Die beiden und der Verwalter werden gegen mich sein, Ladroner! Ich bring's nicht über mich, ich bleibe lieber hier!«
»Ich bin auf dem Gut nur der Altknecht, aber ich bin bald ein Menschenalter dort, auch meine Heimat ist der Einegger-Hof. Ich glaube nicht, dass Sie sich um die Verantwortung drücken dürfen. Der Windisch verscherbelt das Vieh, der bringt's fertig, den Hof ganz zu ruinieren, und er wird ihn mit vollen Taschen verlassen. Der Besitz ist doch was Lebendiges. Denken Sie nur an die schöne Herde, das alte Haus, den Wald, und vergessen Sie auch nicht uns Leute, die wir uns schon so lang für die Familie abrackern!«
Immer bedrückter hatte sie ihm zugehört. Er war nur ein Knecht, aber er war eine starke Persönlichkeit, eine Art ländlicher Philosoph.
»Wollen Sie einen Becher Kaffee?«, fragte Mariann kleinlaut.