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Als die blutjunge, zarte Larissa Prinzessin von Langenburg erfährt, dass ihr Großonkel, Prinzregent Franz Ferdinand, erkrankt ist, weiß sie, dass das schwere Amt der Thronfolgerin auf sie wartet. Doch sie scheut weder die große Verantwortung noch den Verlust ihrer Freiheit. Entsetzen bereitet ihr nur der Gedanke an die Ehe, die sie nun schließen muss - mit einem Mann, den sie niemals lieben kann!
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Seitenzahl: 133
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Die Thronfolgerin
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Impressum
Die Thronfolgerin
Bewegender Roman um die Seelengröße einer Frau
Von Carola Martin
Als die blutjunge, zarte Larissa Prinzessin von Langenburg erfährt, dass ihr Großonkel, Prinzregent Franz Ferdinand, erkrankt ist, weiß sie, dass das schwere Amt der Thronfolgerin auf sie wartet. Doch sie scheut weder die große Verantwortung noch den Verlust ihrer Freiheit. Entsetzen bereitet ihr nur der Gedanke an die Ehe, die sie nun schließen muss – mit einem Mann, den sie niemals lieben kann!
Die Vorlesung war zu Ende. Die Hörer des Staatswissenschaftlichen Seminars erhoben sich und strebten dem Ausgang zu.
Höflich traten sie vor den beiden einzigen Studentinnen zurück. Unwillkürlich verstummten ihre Gespräche. Bewundernd sahen sie dem größeren der beiden Mädchen nach. Es war ein hochgewachsenes, graziles Geschöpf von aparter Schönheit. Um das zarte Gesicht schmiegte sich in weichen Wellen silberblondes Haar. In reizvollem Gegensatz dazu waren ihre Augen von einem samtenen Braun. Die Oberlippe ihres weichen Mundes war wie ein Amorbogen zärtlich geschwungen.
Um die junge Schönheit war ein gewisses Etwas, eine Kühle, als stamme sie aus einer anderen Welt. Auch der Unternehmungslustigste unter den Studenten hätte nicht gewagt, sich ihr zu nähern.
Auf dem Korridor griff das kleinere der Mädchen, das unscheinbarer war, nach der Mappe seiner Begleiterin.
»Durchlaucht, geben Sie mir die Unterlagen«, bat Margret Baroness von Hesseler.
Larissa Erbprinzessin von Langenburg wehrte ab.
»Ach, Margi, musst du mich auch hier in Genf an unsere höfische Etikette erinnern, an der Großonkel Ferdinand so strikt festhält?«, meinte sie vorwurfsvoll.
»Wie Sie wünschen, Durchlaucht«, antwortete die Hofdame der jungen Erbprinzessin einsilbig.
Larissa warf ihr einen verwunderten Seitenblick zu.
»Margi, was ist los mit dir? Seit Tagen bist du so sonderbar – ganz so, als würde dich etwas bedrücken! Liebeskummer kann es nicht sein, wir beide gelten ja hier als Eiszapfen«, lächelte sie. Dann erschien auf ihrer Stirn eine steile kleine Falte. »Du hast doch hoffentlich keine schlechten Nachrichten aus Langenburg?«
»Durchlaucht, ich habe seit ein paar Tagen Kopfschmerzen«, log die Baroness unsicher.
»Du und Kopfschmerzen!«, rief Larissa. »Das gibt's doch gar nicht!«
In Gedanken versunken folgte sie ihrer Hofdame die breite Treppe in die Aula hinunter. Margret war nicht hübsch, aber sehr sympathisch. Eine schwarz gefasste Brille machte ihr kluges Gesicht noch schmäler, das braune Haar trug sie kurz geschnitten.
Plötzlich fragte Larissa bang: »Großonkel Franz Ferdinand ist doch nicht erkrankt?«
Viel zu rasch erwiderte Margret: »Durchlaucht, wie kommen Sie nur auf eine solche Idee?«
»Du weißt genau, was das für mich bedeuten würde«, meinte Larissa sehr leise.
Ihr entging der mitleidige Blick der Baroness. Wie Larissa hatte auch sie ihre Eltern früh verloren. Ihr Vater war ein hoher Beamter des Herzogtums Langenburg gewesen. Der Regent Prinz Franz Ferdinand hatte Margret ins Schloss geholt und sie mit der gleichaltrigen Larissa erziehen und unterrichten lassen. Auch nach Genf hatte sie Larissa begleitet, wo die beiden Mädchen ihren Doktor der Staatswissenschaften machen wollten.
Margret kämpfte mit sich, ob sie zu Larissa, der sie wie einer Schwester zugetan war, auch weiter schweigen durfte. Schon vor ein paar Tagen hatte das Hofmeisteramt von Langenburg ihr eine katastrophale Nachricht mitgeteilt und sie ersucht, die Erbprinzessin schonend davon zu unterrichten. Bis heute aber hatte sie es nicht über sich gebracht.
Und so sagte sie auch jetzt: »Larissa, ich bitte dich, mach dir keine überflüssigen Gedanken, genieße die Tage, die wir hier in Genf sein dürfen.« Nach kurzem Zögern log sie mit schlechten Gewissen: »Glaube mir, daheim in Langenburg ist alles in bester Ordnung!«
Margret war nicht bewusst, dass sie ihre Prinzessin wie einst du genannt hatte. Bei ihrer Großjährigkeit hatte Regent Prinz Franz Ferdinand die Baroness zur Hofdame ernannt und gleichzeitig darauf bestanden, dass sie ihre junge Herrin nun »Sie« und mit ihrem Titel anredete, obwohl die Prinzessin sich heftig dagegen gewehrt hatte.
Jetzt atmete Larissa auf.
»Und ich dachte schon, das Ende unserer herrlichen Freiheit wäre gekommen!«
Als sie nun ins Freie traten, war ihr liebliches Gesicht gelöst und heiter. Der Märztag war frühlingshaft schön, ein seidig blauer Himmel spannte sich über der Stadt, die Luft war lind. Die Forsythien begannen goldgelb zu blühen, und bunte Krokusse bestickten den Rasen.
»Weißt du was, Margi«, rief Larissa unternehmungslustig, »wir werfen unsere Bücher in die Ecke, setzen uns in meinen Wagen und machen eine Fahrt in den Frühling! Heute wollen wir so richtig faul und vergnügt sein, wir beide!« Lächelnd seufzte sie: »O Gott, wie schön ist es, noch frei und ungebunden zu sein und nicht in einem goldenen Käfig sitzen zu müssen, sondern tun und lassen können, was einem Freude macht!«
***
Die Hand unter Margrets Arm geschoben, schlenderte die Prinzessin auf den kleinen Platz zu, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte.
Plötzlich zuckte Margret zusammen.
»Was hast du?«, fragte Larissa und folgte dem starr gewordenen Blick ihrer Hofdame.
Neben ihrem blauen Wagen hielt ein schwarzer Rolls-Royce. Davor stand die schmale Gestalt eines alten Herrn.
Larissa stieß einen überraschten Laut aus: »Aber das ist doch Graf Feury!« Ihre Hand umklammerte Margrets Arm. »Schau nur, was er für ein ernstes Gesicht macht! Ich fürchte, sein Kommen bedeutet nichts Gutes!«
Doch dann streckte sich ihr schlanker Körper. Den schönen Kopf hochgetragen, ging sie, ganz große Dame, auf den alten Herrn mit dem silberweißen Haar und dem aristokratisch fein geschnittenen Gesicht zu.
»Liebster Graf, was führt Sie nach Genf?«, fragte sie und streckte ihm die Hand hin.
Der Kammerherr beugte sich darüber und deutete einen Handkuss an.
»Ich begrüße Sie untertänigst, Königliche Hoheit!«, sagte er dann.
Larissas Augen weiteten sich. »Warum reden Sie mich nicht mit ›Durchlaucht‹ an, wenn Sie mich schon nicht einfach Larissa nennen können, Graf?«, fragte sie überrascht.
Graf Feury versuchte zu lächeln. »Nun, ich komme der Geschichte unseres Landes nur etwas voraus und nenne Sie, Großherzogin, schon jetzt mit dem Ihnen in Kürze gebührenden Titel«, antwortete er bedeutungsvoll.
Larissa war sehr blass geworden.
»Ist etwas mit Onkel Franz Ferdinand, geht es ihm nicht gut?«, stieß sie hervor.
»Leider kann ich Ihnen keine befriedigende Antwort geben«, sagte der Graf schwer. »Der Regent hat einen Anfall von Angina Pectoris gehabt.«
»Mein Gott, der Ärmste, wie entsetzlich!«, rief sie bestürzt.
»Beruhigen Sie sich, Königliche Hoheit, für den Augenblick ist die schlimmste Gefahr gebannt.«
»Wie ist das nur so plötzlich gekommen?« Larissas Augen waren feucht geworden. Trotz seiner Strenge liebte sie ihren einzigen Verwandten von ganzem Herzen.
»Der gesundheitliche Zustand des Regenten hat schon seit Tagen Anlass zu Besorgnis gegeben. Hat die Baroness Ihnen das nicht mitgeteilt?« Die Stimme Graf Feurys klang vorwurfsvoll.
Margret war tief errötet. »Ich wollte Ihrer Hoheit die böse Nachricht ersparen«, meinte sie schuldbewusst.
»Ich weiß, du hast es gut gemeint. Bitte, machen Sie Margret keine Vorwürfe, Graf«, bat Larissa. »Geht es Onkel Ferdinand wirklich besser?«, fragte sie bang.
Der Graf antwortete nicht gleich. »Der Leibarzt hat ihm jede weitere anstrengende Tätigkeit untersagt – und das für immer.« Seine weisen, alten Augen waren voll Mitleid auf Larissa gerichtet.
»Und darum werde ich die Regentschaft übernehmen müssen«, folgerte diese sehr leise.
Graf Feury nickte. »Ich bin gekommen, um Hoheit sofort heimzuholen. Glauben Sie mir, es war für mich keine leichte Mission. Ich weiß, wie gerne Sie hier waren, Hoheit.«
Larissa stand wie betäubt da. »Das alles kommt so plötzlich ... Ich muss doch zuerst noch hier einiges erledigen, mich an der Universität abmelden, unser Appartement aufgeben ...«
»Das alles wird Baroness von Hesseler besorgen, nicht wahr, Baroness? Und Sie können dann mit dem Wagen Ihrer Hoheit nachkommen«, bestimmte er.
»Aber zuerst muss ich doch in unsere Wohnung. Margret wird mir helfen, das Notwendigste einzupacken«, meinte sie verwirrt.
»Das hat bereits Johannes besorgt«, erklärte Graf Feury und deutete auf den jungen Chauffeur – in der blauen Livree mit den Goldknöpfen der Herzoglich Langenburgischen Hofbediensteten.
Johannes stand mit abgezogener Kappe vor dem Rolls-Royce, auf dessen Tür das herzogliche Wappen zu sehen war.
»Danke, Johannes«, flüsterte Larissa. »Aber warum diese Eile, wenn es Onkel Franz Ferdinand doch besser geht? Warum will er mich unbedingt noch heute sehen?«
»Hoheit, er hat etwas, das ihm sehr am Herzen liegt, mit Ihnen zu besprechen«, antwortete der Graf langsam. »Er wird erst ruhig sein, wenn er mit Ihnen geredet hat.«
»Und das wäre?«, fragte sie von einer bösen Ahnung überkommen.
»Hoheit, er möchte mit Ihnen über Ihre Vermählung reden«, fing Graf Feury vorsichtig an.
Sofort fiel sie ihm ins Wort: »Aber ich bin doch gar nicht verlobt! Was soll das heißen?«
»Königliche Hoheit, als Herzogin von Langenburg wird es notwendig sein, dass Sie sich so bald wie möglich vermählen«, antwortete er mitfühlend.
Larissas schöne Augen blickten verstört. »Und mit wem will Onkel Franz Ferdinand mich zusammengeben?« Ihre Stimme bebte vor Erregung.
»Das wird Ihnen der Prinzregent selbst sagen ... Hoheit, bitte, die Zeit drängt. Der Prinzregent wartet schon ungeduldig auf Sie«, mahnte der Graf.
Wortlos ging Larissa auf den Wagen zu. Johannes verneigte sich tief vor ihr und half ihr in den Fond. Margret war ihr gefolgt und stand beim offenen Fenster.
»Es tut mir auch für dich leid, Margi, dass du nun auch dein Studium abbrechen musst«, meinte Larissa.
»Warum soll es mir besser gehen als Ihnen, Hoheit?«, versuchte die Baroness zu scherzen.
Nie würde sie Larissas folgende Worte vergessen: »Siehst du, nun wird nichts aus unserer Fahrt ins Blaue, die Pflicht ruft!« Und so leise, dass nur ihre Vertraute es hören konnte, fügte sie hinzu: »Ich bin sehr unglücklich, Margi. Warum nur kann ich nicht irgendein bürgerliches Mädchen ohne Verpflichtungen sein«, schloss sie verzweifelt.
***
Die ersten Sterne erstrahlten am Himmel, als der Rolls-Royce die Höhenstraße erreichte. Tief unten im Tal sah man in der warmen Dämmerung das Herzogtum Langenburg sich in dem Hügelland verlieren.
Graf Feury hatte sie während der Fahrt taktvoll ihren Gedanken überlassen. Er sah ihr an, wie hart es für sie war, sich mit der plötzlichen Veränderung in ihrem Leben abzufinden. Nun, als sie ihr kleines Reich tief unter sich liegen sah, wurden ihre Züge weich.
»Ist unsere Heimat nicht landschaftlich reizvoll gelegen?«, fragte sie. »Ich wollte nur, ich hätte schon die Unterredung mit Onkel Franz Ferdinand hinter mir«, fügte sie bedrückt hinzu.
»Hoheit, Ihr Großonkel hat sicher einen Mann von starker Persönlichkeit für Sie als Prinzgemahl gewählt«, meinte der Graf.
»Aber ich möchte noch nicht heiraten. Ich weiß, dass ich ohne Hilfe den Regierungsgeschäften gewachsen bin. Ich habe mein Studium ernst genommen.« Sehr bestimmt schloss sie. »Und ich möchte mir meinen Ehemann selbst aussuchen. Das werde ich auch meinem Onkel klarzumachen versuchen, Graf Feury!«
Der alte Edelmann kannte den starren Sinn des Regenten. Mit einem mitleidigen Blick streifte er Larissas edles Profil, dem das energische kleine Kinn Festigkeit gab.
Die Lindenallee dicht vor dem Schloss öffnete sich auf eine weite Rasenfläche. Vor ihnen lag jetzt das prachtvolle Barockschloss. Auf der Freitreppe wartete die Dienerschaft in der traditionellen Livree des spanischen Hofzeremoniells. Alle waren in weißen Perücken, die Lakaien im langen, reich verzierten Frack, die Kammerdiener dunkel gekleidet, auch sie in Kniehosen und Schnallenschuhen.
Franz Ferdinands persönlicher Kammerdiener Schubert öffnete, sich tief verneigend, Larissa den Schlag. Im Gegensatz zu ihrem Onkel empfand sie das höfische Zeremoniell als lästig. Sie musste sich zu einem freundlichen Lächeln zwingen, als sie an den sich vor ihr verbeugenden Lakaien vorbei die Treppe hinaufeilte.
Kammerdiener Schubert hielt sich an ihrer Seite. In respektvollem Ton fragte er:
»Wünschen Hoheit erst etwas zu ruhen?«
»Nein, ich möchte sofort mit meinem Onkel reden!«
»Ihre Königliche Hoheit hat damit gerechnet.« Damit verneigte er sich vor Larissa. »Im Braunen Zimmer wird Hoheit ein Imbiss serviert werden.«
***
Das Braune Zimmer im ersten Stock gehörte zur Suite des Regenten. An den Wänden hing Franz Ferdinands kostbare Sammlung von Hinterglasbildern. Eine Kommode mit persischer Einlegearbeit aus Perlmutt enthielt seine Sammlung französischer Stiche. Die englischen Sheratonstühle mit ihren geraden Lehnen, der Mahagonischreibtisch und der dunkelrote Perserteppich passten zu dem strengen Wesen des alten Herrn.
Sich sehr gerade haltend, lehnte Franz Ferdinand Prinz von Langenburg in seinem Ohrensessel. Der Regent, hoch in den Siebzigern, war mit dem schmalen, blassen Gesicht, der Adlernase und dem grau melierten Haar eine vornehme Erscheinung. Der Blick seiner trübblauen Augen hatte durch die schweren Lider etwas Hochmütiges.
Bei Larissas Eintritt wollte er die Decke von den Knien streifen, um sich zu erheben. Aber schon war die Prinzessin bei ihm und drückte ihn sanft nieder.
»Liebster Onkel Franz Ferdinand«, sagte sie herzlich, »bitte, du wirst doch wegen deines Töchterchens nicht aufstehen wollen!« Dies war ein Kosewort für die Großnichte, die er innig liebte und auf die er stolz war, auch wenn es ihm nicht gegeben war, dies alles offen zu zeigen. »Wie geht es dir, Lieber? Du machst ja schöne Geschichten!«
Sein Gesicht verdüsterte sich. »Ich habe gedacht, ich überlebe den Herzanfall nicht«, meinte er leise. »Am meisten hat mich geängstigt, dass ich dich nicht mehr sehen könnte, Töchterchen!«
»Ach, Onkel, wenn du nicht mehr die ganze Last der Regierungsgeschäfte auf dir hast, wirst du dich ganz rasch erholen!«
»Ich bin erleichtert, dass du es nicht schwernimmst«, fing er an.
»Es ist doch selbstverständlich, dass ich dich endlich von deinen Pflichten als Regent befreie. Und so schwierig wird es für mich schon nicht sein, unser kleines Land zu regieren«, schloss sie mit einem Lächeln, das ihr nicht recht glückte.
»Setze dich endlich«, bat er und wies auf den Gobelinstuhl neben dem seinen. »Du wirst etwas zu dir nehmen wollen, Larissa!« Seine aristokratisch schmale Hand mit der starken blauen Äderung winkte dem Kammerdiener. »Bitte, servieren Sie meiner Nichte!«
»Bitte, bitte, nicht, ich habe keinen Hunger«, wehrte Larissa ab. »Ich könnte jetzt doch keinen Bissen herunterkriegen.«
»Du wirst etwas essen«, bestimmte Franz Ferdinand, ohne die Stimme zu heben.
Kammerdiener Schubert trat, gefolgt von einem Lakai, ein, der ein Serviertischchen vor Larissa schob. Auf echtem Meißner Porzellan waren Sandwiches und Salate angerichtet. Neben der blauweißen Teekanne standen zwei Tassen.
Franz Ferdinand entließ den Diener. »Du trinkst doch eine Tasse Tee mit mir?«, fragte Larissa. Mit dem goldenen Löffel rührte sie Milch und Zucker in der für ihren Onkel bestimmten Tasse um. Sie selbst trank ihren Tee schwarz und ungesüßt.
Ihrem alten Verwandten zuliebe aß die Prinzessin ein Kaviarbrötchen und nahm ein paar Gabeln von dem delikat angerichteten Fruchtsalat. Den bitteren Tee trank sie durstig aus.
Endlich nahm sie Franz Ferdinand die geleerte Tasse ab und schob das Tischchen zurück. Ihre Hände verschlangen sich im Schoß, als sie leise sagte:
»Onkel Franz Ferdinand, du willst mit mir sprechen. Bitte, bringen wir es hinter uns!«
»Graf Feury dürfte dir angedeutet haben, was mir so sehr am Herzen liegt«, begann er. »Ich möchte, dass dir bei den Regierungsgeschäften ein Mann zur Seite steht.«
»Ich habe doch dich, lieber Onkel, und Graf Feury. Außerdem fühle ich mich durchaus befähigt, unser kleines Land selbst zu regieren«, sagte sie sehr bestimmt.
»Möglich«, erwiderte er, »aber als Großherzogin von Langenburg ist es noch aus einem anderen Grund notwendig, dass du dir einen Gemahl nimmst. Du bist unserer Familie und unserem Land einen Sohn und Erben schuldig.«
Larissas Teint überzog sich mit lichter Röte.
»Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal, Onkel, dass ich die Regentschaft antreten und auch gleich heiraten soll?«
»Dein zukünftiger Mann ist dein Vertreter, wenn deine Mutterpflichten dich am Regieren hindern.«
Larissa sah den alten Herrn bittend an. »Bürde mir nicht gleich zu viel auf einmal auf, bitte! Ich möchte mich erst in meinen neuen Aufgaben einarbeiten. Zum Heiraten habe ich immer noch Zeit. Ich bin doch erst dreiundzwanzig Jahre alt.«
»Aber ich bin hoch in den Siebzig, Töchterchen, ich werde keine Ruhe haben, wenn ich nicht dich und unser Land in guten Händen weiß!«
»Und wen hast du als Mann für mich ausgewählt?«, fragte sie, tief aufseufzend.
»Hubertus Prinz Rohan«, antwortete er. »Im Augenblick ist er an der Botschaft in Rom tätig. Hubertus ist ein Weltmann, er sieht blendend aus und ist ein vorzüglicher Diplomat. Sein Vater war mein Freund, die Rohans haben edelstes Blut.«
Larissa war erblasst. Sie sprang auf.
»Der alte Prinz Rohan hat den Ruf gehabt, ein großer Damenfreund zu sein«, stieß sie hervor.