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Nach dem Tod ihres Mannes zieht die hübsche Goldschmiedemeisterin Almut Bruhns aus der Stadt zurück in ihr Heimatdorf. Hier will sie mit ihrer kleinen Tochter Belinda im Haus ihrer Großeltern leben, arbeiten und - wenn möglich - die Vergangenheit vergessen.
Aber der Neuanfang gestaltet sich schwieriger, als sie vermutet hat. Die Dörfler begegnen der "Städtischen" mit Misstrauen, und Belinda wird von den Dorfkindern gehänselt und verspottet. Immer neue Gemeinheiten denken sie sich aus, um das Madl zu traktieren. Als der Nachbarsbub Belinda einen besonders bösen Streich spielt, der das Madl in größte Gefahr bringt, ist Almut fest entschlossen, die Zelte in Heufeld wieder abzubrechen. Doch da kommt es plötzlich zu einer überraschenden Wende ...
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Veröffentlichungsjahr: 2023
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Wie ein Licht nach dunkler Nacht
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Impressum
Wie ein Licht nach dunkler Nacht
Eine schöne Witwe will endlich wieder glücklich sein
Von Margit Hellberg
Nach dem Tod ihres Mannes zieht die hübsche Goldschmiedemeisterin Almut Bruhns aus der Stadt zurück in ihr Heimatdorf. Hier will sie mit ihrer kleinen Tochter Belinda im Haus ihrer Großeltern leben, arbeiten und – wenn möglich – die Vergangenheit vergessen.
Aber der Neuanfang gestaltet sich schwieriger, als sie vermutet hat. Die Dörfler begegnen der »Städtischen« mit Misstrauen, und Belinda wird von den Dorfkindern gehänselt und verspottet. Immer neue Gemeinheiten denken sie sich aus, um das Madl zu traktieren. Als der Nachbarsbub Belinda einen besonders bösen Streich spielt, der das Madl in größte Gefahr bringt, ist Almut fest entschlossen, die Zelte in Heufeld wieder abzubrechen. Doch da kommt es plötzlich zu einer überraschenden Wende ...
Ein Möbelwagen schwankte über den Kirchberg in Heufeld. Es sah beängstigend aus, denn die Straße war schmal und führte an ihrer höchsten Stelle in einer scharfen Kurve ins Dorf hinunter. Der Fahrer musste Millimeterarbeit leisten, um nicht die Hausecke des Gasthauses »Pilgerklause« mitzunehmen.
Der Wirt war schon vor die Tür geeilt, um notfalls sofort Krach zu schlagen. Seine Frau trat neugierig hinter ihn, wobei sie allerdings Mühe hatte, über die breiten Schultern und den kräftigen Nacken ihres Mannes hinwegzuschauen.
»Das ist bestimmt die Schönthaler-Enkelin«, meinte sie. »Die soll doch aus Nürnberg sein.«
»Du bist wieder unkorrekt«, tadelte der Wirt seine Frau. »Das ist nicht die Schönthaler-Enkelin, sondern nur ihre Wohnungseinrichtung.«
»Du mit deiner Wortklauberei«, regte sich Emmi Wiesbäck auf. »Dabei kommt doch das Auto gleich hinterher! Da sitzt sie drin, oder kannst du das nicht erkennen? Na ja, kein Wunder, warst ja gestern wieder mal dein bester Gast. Da bist du heut noch nicht wach.«
»Ich hab dir schon hundertmal gesagt, dass ich nur mittrinke, um die Gäste zu animieren. Sonst hockt mancher den ganzen Abend lang an einer Mass. Es wird Zeit, dass die Sommergäste wieder antanzen, die bringen wenigstens ein bisserl Geld in die Kasse. Und jetzt schau zu, dass du in die Küche kommst. Es ist gleich zwölf, und die Stammgäste wollen pünktlich bedient sein.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen, mein Lieber. Kümmere du dich lieber darum, dass der Kellner saubere Fingernägel hat.«
Nachdem es nichts mehr zu sehen gab, verschwanden Sepp Wiesbäck und seine Frau ins Innere ihres Gasthauses. Das Interesse an dem Neuzuzug erlosch schnell, denn an der Schönthaler-Enkelin konnten sie bestimmt nichts verdienen.
Der alte Anton Schönthaler war ein regelmäßiger Stammtischgast in der »Pilgerklause« gewesen. Aber er hatte stets nur mäßig getrunken und nur ab und zu einmal eine Brotzeit bestellt. Seine Enkelin, die anscheinend keinen Mann mehr hatte, würde bestimmt nicht ins Wirtshaus gehen.
Es gab aber noch zwei Paar Augen, die die Ankunft des Möbelwagens gespannt verfolgten. Die gehörten Bärbel Grainer, der achtzehnjährigen Tochter des Grainer-Bauern, und ihrem zehnjährigen Bruder Stefan. Stefan war soeben aus der Schule heimgekommen. Die letzte Stunde, Schwimmen im Heufelder Hallenbad, war ausgefallen.
Er war ein ganzes Stück hinter den beiden Wagen hergetrabt, um zu sehen, wie die Möbelpacker die großen Türen öffneten und eine junge Frau mit einem kleinen Madl das Haus betrat. Eilig rannte er zum elterlichen Hof weiter, der dem Schönthaler-Anwesen benachbart war.
»Sie sind da!«, schrie er noch immer keuchend durch das stille Haus. »Bärbel, komm, sie sind da!«
»Ich hab's schon gesehen, Stefl«, antwortete die Schwester aus der Küche. »Sie fangen mit dem Ausräumen an. Schau, es ist auch ein kleines Dirndl dabei. Vielleicht kannst du ab und zu mal mit dem Madl spielen. Ganz bestimmt ist das arme Hascherl froh, wenn sich gleich am Anfang jemand um sie kümmert.«
Stefan stieß einen empörten Laut aus.
»Ich spiel doch nicht mit Dirndln! Meinst du, ich lass mich von den anderen Buben auslachen? Die soll doch schauen, wie sie zurechtkommt. Die und ihre Mutter dazu. Es hat sie keiner eingeladen, nach Heufeld zu ziehen.«
»Stefl, du bist ein ganz dummer Bub. Solange Opa und Oma Schönthaler noch nebenan wohnten, bist du viel zu gern hinübergerannt. Da haben wir manches Mal schimpfen müssen, weil du auf den Landmaschinen herumgeklettert bist. Und jetzt willst du von den beiden Verwandten nichts wissen?«
»Die kommen aus der Stadt. Bestimmt sind sie furchtbar eingebildet.«
»So etwas darf man nicht sagen, bevor man sie nicht kennengelernt hat. Früher war Almut ein paarmal bei den Großeltern zu Besuch. Dann hatte sie immer weniger Zeit dazu.«
»Quatsch.« Stefan wusste es besser. »Es war ihr zu primitiv in Heufeld. Bestimmt ist sie lieber nach Mallorca geflogen oder nach Gran Canaria. Thommi hat eine Cousine, die verzieht auch immer ihre Goschen, wenn sie zu Besuch kommt und es riecht ein bisserl nach Kuhstall im Haus. Die fährt meist nach Rimini.«
»Jetzt bring den Schulranzen in dein Zimmer, Stefl. Gleich gibt's Mittagessen.«
»Wo sind denn Mama und Papa?«
»Sie sind zur Alm hinaufgefahren.«
Stefl stampfte wütend mit dem Fuß auf.
»So eine Gemeinheit! Ich wollte doch mit!«
»Du, benimm dich! Wenn das der Vater sieht, gibt's eine saftige Watschen. Außerdem wirst du noch genug Gelegenheit haben, auf die Alm mitzufahren. Du weißt, dass Korbinian berichtet hat, wie der harte Winter der alten Hütte zugesetzt hat. Da ist viel zu reparieren. Vater wird es recht sein, wenn du ihm dabei helfen willst.«
»Helfen, dass ich nicht lache!«, ereiferte der Bub sich. »Nicht mal einen Nagel lässt er mich einschlagen. Man macht ihm ja nix gut genug.«
Bärbel seufzte. Da hatte Stefl allerdings etwas Wahres gesagt. Rupert Grainer war ein ganz Genauer. Er ließ sich Zeit bei der Arbeit, dafür stimmte nachher aber auch alles hundertprozentig. Sein Vater war ebenso gewesen, und das Gesinde hatte bei ihm nichts zu lachen gehabt.
Heute gab es auf dem Grainer-Hof nur noch einen landwirtschaftlichen Gehilfen, denn die vielerlei Maschinen hatten den Menschen die Arbeit erleichtert. Eine große Arbeitslast blieb allerdings nach wie vor an der Bäuerin hängen. Maria Grainer war daher froh, dass die Tochter Bärbel nach dem Besuch der Hauswirtschaftsschule ein Jahr lang daheimbleiben wollte.
Als das Auto des Grainer-Bauern auf den Hof fuhr, rannte Stefl schnell die Treppe hinauf, um den Schulranzen in sein Zimmer zu bringen und sich die Hände zu waschen. Der Vater achtete streng auf Ordnung und Sauberkeit. Und oft genügte ein scharfer Blick aus seinen grauen Augen, um dem Sohn Beine zu machen.
Stefl nahm sich aber trotzdem noch die Zeit, vom Fenster zum Schönthaler-Grundstück hinüberzuschauen. Von hier oben konnte er das Anwesen noch besser überblicken. Es bestand aus dem Wohnhaus und einem dahinterliegenden Werksgelände. Dort hatte Anton Schönthaler einen Landmaschinenhandel mit Reparaturwerkstatt betrieben. Aus Altersgründen ruhte die Firma »LWS« seit etwa fünf Jahren, und heuer waren die beiden Schönthalers in ein Seniorenheim übergesiedelt.
»Stefl!«, rief jetzt die Schwester. »Wo bleibst du denn!«
Oh mei, dachte Stefl erschrocken. Eilig hastete er die Treppe hinunter. Zum Glück war der Vater noch gar zu sehr mit dem verheerenden Zustand der Almhütte beschäftigt, um Stefls Unpünktlichkeit zu bemerken. Nicht einmal die dampfenden Semmelknödel und das Geselchte mit Sauerkraut konnten die Falten auf seiner Stirn glätten.
»Fast lohnt es sich nicht mehr, die uralte Hütte wieder herzurichten«, sagte er zu seiner Frau Maria, die ihm die Knödelschüssel zuschob. »Da steckt man mehr Geld hinein als bei einer neuen Hütte. Was meinst du, Maria, soll ich mal beim Schreiner-Pauli fragen, was er fürs Bauholz verlangt?«
Maria füllte ihrem geistesabwesenden Mann den Teller voll.
»Jetzt iss erst mal, Rupp. Ich meine, wir sollten nachher in Ruhe darüber nachdenken. Bretter haben wir doch selber genug herumliegen. Die musst du dir erst anschauen, bevor du zum Pauli gehst.«
Stefl war schon unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht. Er wollte die Neuigkeit endlich loswerden. Und so platzte er in die Unterhaltung der Eltern hinein.
»Ein Möbelwagen ist gekommen. Sie laden schon aus nebenan beim alten Schönthaler-Haus.«
Ärgerlich runzelte sein Vater erneut die Stirn.
»Hat dich wer was gefragt, he?«
»So lass ihn doch, Rupp«, stand Maria ihrem Sohn bei. »Es ist für den Buben doch eine kleine Sensation, dass Schönthalers Enkelin nach Heufeld kommt. Er kennt sie ja kaum von früher. Da hat er noch in den Windeln gelegen, als sie die Großeltern besuchte.«
»Wird was werden mit der Almut«, grantelte Rupert weiter. »Was will die hier mit einem Goldschmiedeladen anfangen? So ein Blödsinn.«
»Sie wird schon wissen, was sie macht, Rupert.« Maria suchte stets nach einem ausgleichenden Wort. »Vielleicht hat sie einen festen Auftraggeber.«
»Meinetwegen soll sie machen, was sie will. Hauptsache, sie lässt uns in Ruhe und kommt nicht dauernd dahergerannt, um dies oder das von uns zu verlangen. Wir haben mit uns zu tun. Und du, Stefan«, wandte er sich an seinen Sohn, »du schnüffelst mir nicht auf dem Schönthaler-Grundstück herum, verstanden? Grüß Gott und guten Weg, mehr nicht. Man soll freundlich sein, aber sich nicht anbiedern, eh man nicht weiß, mit wem man es zu tun hat.«
Maria Grainer wollte zwar noch dazu bemerken, dass man der Enkelin von Anton und Agathe Schönthaler wohl doch ein wenig Hilfsbereitschaft zeigen sollte. Aber sie war klug genug, die schlechte Stimmung ihres Mannes erst abklingen zu lassen. Es kam auch wieder eine bessere Stunde, um mit ihm über das neue Nachbarschaftsverhältnis zu reden.
***
Das kleine Dirndl, von dem Stefl Grainer nichts wissen wollte, hockte zu dieser Zeit vergessen und verloren in einer Ecke des dunklen Flures. Dem Weinen war das arme Ding nahe, denn es war ja alles noch viel schlimmer, als sich Belinda diesen Umzug vorgestellt hatte. Das Schönthaler-Haus hatte viele Zimmer, für die die mitgebrachten Möbel gar nicht ausreichten.
Die Schritte der Möbelpacker hallten durch die kahlen Stockwerke. Sie schrien und schimpften miteinander, dass es Belinda angst und bange wurde. Immer tiefer verkroch sie sich in dem Winkel unter der Treppe.
Die Mutter merkte nichts davon. Sie war so sehr beschäftigt, dass sie das verschreckte Töchterchen nicht trösten konnte. Im Grunde genommen war es ihr ja selber bang ums Herz. Denn der Entschluss zur Übersiedlung nach Heufeld war spontan gefasst worden. Ohne lange zu überlegen, hatte Almut zugegriffen, als ihr die Großeltern das Haus angeboten hatten.
Der Möbelwagen war schnell ausgeräumt. Die Schränke, Stühle und Tische verloren sich fast in den großen Stuben.
»Mehr gibt's nicht zum Reintragen, junge Frau«, sagte einer der Packer fast mitleidig. »Da werden Sie noch allerlei nachkaufen müssen, damit die vielen Zimmer nicht alle leer bleiben.«
»Ja, allerdings. Ich hätte doch lieber auf meine Großmutter hören sollen. Sie hatte mir angeboten, ihre Einrichtung zu übernehmen. Aber ich wollte in meinen eigenen Sachen wohnen. Jetzt sehe ich, dass sie gar nicht richtig in das alte Haus passen.«
Der Mann sah interessiert zu der altersschwarzen Balkendecke hinauf.
»Hat wohl ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel, gell?«
»Die Jahreszahl steht über der Eingangstür. Siebzehnhundertfünfundachtzig. Damals war der Schönthaler-Hof ein kleines Bauerngut. Erst mein Großvater hat die Landwirtschaft aufgegeben. Er hat sich mehr für Technik begeistert als für Kühe.«
»Nix für ungut, junge Frau, aber ich wundere mich doch sehr, dass Sie aus der Stadt aufs Land ziehen.«
Jäh verschloss sich Almuts bis dahin freundliches Gesicht.
»Ich habe meine Gründe.«
»Ich wollte ja nicht neugierig sein«, murmelte der Mann verlegen. Er merkte, dass in dem schroffen Ton ein Kummer mitschwang. »Wir sind also fertig«, fuhr er in geschäftsmäßiger Weise fort. »Oder möchten Sie irgendetwas noch anders hingestellt haben?«
»Nein, nein, danke. Es ist alles in Ordnung so. Die Rechnung wird mir zugeschickt?«
»Ja. Das macht das Büro. Also dann, alles Gute für die Zukunft.«
Almut nickte. Ach, wie sehr wünschte sie sich, dass die Zukunft nur Gutes für sie und ihre kleine Tochter bereithielt! Ob sie in Heufeld wirklich die Vergangenheit abschütteln und neu beginnen konnte?
Sie gab den Möbelpackern ein großzügiges Trinkgeld, für das sie sich überschwänglich bedankten. Dann verklangen die Schritte im Hof. Die Wagentüren schlugen zu. Laut brummte der Motor auf, der Lärm entfernte sich mehr und mehr. Und dann war Stille im Haus, eine Stille, die Almut in schmerzhafter Weise deutlich machte, dass sie jetzt mehr denn je auf sich allein gestellt war.
Ein leises Wimmern riss Almut aus ihren traurigen Gedanken.