Amerikas Albtraum - Mary L. Trump - E-Book

Amerikas Albtraum E-Book

Mary L. Trump

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wie ist es möglich, dass Donald Trump wieder Präsident werden kann? – Die Autorin des Nr.-1-Bestsellers »Zu viel und nie genug« stellt die Diagnose für ihr zerrüttetes Land

Das Trauma der USA, tief verwurzelt in der amerikanischen Geschichte — Sklaverei, Bürgerkrieg und Rassentrennung — gärt seit Jahrzehnten unter der Oberfläche der einstigen Vorbild-Demokratie. Trumps korruptes und unmoralisches Regime versetzte der Gesellschaft einen vernichtenden Stoß und hinterließ ein zutiefst gespaltenes, geschwächtes Land. Wie ein Krebsgeschwür wuchs das Trauma. Ausbrüche von Wut und Hass, aber auch Hoffnungslosigkeit und Apathie sind die Folge. Mary Trump, als Nichte des früheren US-Präsidenten wie als Psychologin, liefert eine bestechende Analyse — ungemein erhellend für alle, die gerade an den Nachrichten aus den USA verzweifeln.

Erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe von »Das amerikanische Trauma«.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 312

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über die Autorin:

Mary L. Trump promovierte am Derner Institute of Advanced Psychological Studies in New York und lehrte in den Fachbereichen Traumatherapie, Psychopathologie und Entwicklungspsychologie. Sie lebt zusammen mit ihrer Tochter in New York. Ihr erstes Buch Zu viel und nie genug – Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf war ein Nr. 1 Spiegel-Bestseller.

Mary L. Trump

AMERIKAS ALBTRAUM

Warum Donald Trump nicht zu stoppen ist – Psychogramm einer gespaltenen Nation

Aus dem Amerikanischen vonEva Schestag, Monika Köpfer, Gisela Fichtl,Christiane Bernhardt, Astrid Becker und Pieke Biermann

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die deutsche Erstausgabe erschien 2021 unter dem Titel Das amerikanische Trauma.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel The Reckoning: Our Nation’s Trauma and Finding a Way to Heal bei St. Martin’s Press, einem Imprint der St. Martin’s Publishing Group.

Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin’s Press durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover, vermittelt.

Die Teil-Übersetzung durch Eva Schestag wurde durch ein Stipendium des Übersetzerhauses Looren unterstützt.

Dieses Buch enthält Beschreibungen von grausamen rassistischen Gewaltakten, die historisch belegt sind. In wörtlichen Zitaten relevanter rassistischer Äußerungen von Personen der Zeitgeschichte wurden nach heutigem Verständnis unangebrachte und verächtliche Begrifflichkeiten zur Wahrung des Kontextes unkommentiert übernommen. Die Großschreibung von Weiß und Schwarz folgt den Empfehlungen von Amnesty International.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe 10/2024

© 2021 by Compson Enterprises LLC.

Published by arrangement with St. Martin’s Publishing Group.

All rights reserved.

© der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kristian Wachinger, Redaktion Vorwort: Barbara Häusler

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch, Zollikon

Umschlagabbildung: picture alliance / abaca | Douliery Olivier/ABACA USA

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-33096-5V001

www.heyne.de

Vorwort

Hätte mir jemand unmittelbar nach Joe Bidens Wahlsieg 2020 erzählt, es stünde vier Jahre später existenziell und sogar real schlechter um die Vereinigten Staaten, ich hätte es nicht geglaubt. Bis zum ersten (und einzigen) TV-Duell zwischen Joe Biden, damals noch Kandidat, und Donald Trump hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass Donald zum dritten Mal von den Republikanern zum Präsidentschaftskandidaten nominiert würde. Nach allem, was Sie in diesem Buch zu lesen bekommen, werden Sie nicht weniger verblüfft sein als ich.

Die Partei der Republikaner im Allgemeinen und Donalds Wahlkampf 2024 im Besonderen sind viel unverhohlener faschistisch, heftiger und haben sich von den Regeln, die unsere Politik und den grundlegenden menschlichen Anstand bestimmen, weiter entfernt, als ich es während des ersten Wahlkampfs 2016 für möglich gehalten hätte. Dabei hätten wir uns nach der Wahl 2020 darauf einstellen können, vor allem angesichts dessen, was in den Monaten danach geschah.

Ich war gebeten worden, beim Rededuell der Präsidentschaftskandidaten am 27. Juni 2024 in Atlanta, Georgia, als Wahlkampfhelferin für Biden aufzutreten. Ich stand zu hundert Prozent hinter dem Kandidaten der Demokraten und fühlte mich geehrt von diesem Angebot. Doch die amerikanischen Medien sind nun einmal, wie sie sind, und die gesamte Aufmerksamkeit im Anschluss galt Bidens Alter, während Donald mit seiner zunehmend autoritären Rhetorik einmal mehr davonkam. Sein eigenes Alter (er ist nur drei Jahre jünger als Biden), seine konfusen Gedankengänge und all die anderen kognitiven Einschränkungen blieben fast völlig unkommentiert.

Die Debatte selbst war ein Desaster. Doch wenn man sie aus dem Presseraum des Biden-Wahlkampfteams verfolgte, erwies sich Donalds Auftritt als unendlich viel schlimmer – obwohl Präsident Biden in der ersten Hälfte zweifellos ein miserables Bild abgab, herumschwafelte, undeutlich sprach und nicht in der Lage zu sein schien, Trump Paroli zu bieten. Doch Trump reihte eine Lüge an die andere, verbreitete gefährliche Desinformationen, weigerte sich, die ihm gestellten Fragen zu beantworten, und mogelte sich stattdessen rücksichtslos an den Vorgaben für die Debatte vorbei. Zudem schien er oft völlig abgekoppelt von der Wirklichkeit. Noch miserabler war wohl nur noch die Leistung der Moderatoren, da sie nicht einmal bei Donalds ungeheuerlichsten Lügen einen Fakten-Check zuließen, es nicht schafften, ihn dazu zu bewegen, ihre Fragen zu beantworten, und ihm unbegrenzt Zeit einräumten, sich aufzuspielen, Verzögerungstaktik zu betreiben und einfach über das Debattenformat hinwegzutrampeln.

Es war eine Art Schock, dass die amerikanischen Medien in den nächsten dreieinhalb Wochen in Berichten über die Debatte ausschließlich Joe Bidens Auftritt kommentierten. Unverzüglich riefen ihn angesehene Kolumnisten und leitende Redakteure vieler großer Zeitungen – darunter die New York Times – dazu auf, aus dem Wahlkampf auszusteigen, etwas, das sie von Donald Trump nie gefordert hatten. Es ist kaum nachvollziehbar, wie verrückt das ist. Vor weniger als vier Jahren stachelte Donald zu einem gewalttätigen Aufstand gegen seine eigene Regierung auf. Er wurde wegen Diebstahls streng geheimer Dokumente und der Beteiligung an einer Verschwörung im Zusammenhang mit Wahlbetrug bei den Wahlen 2020 angeklagt, seine Anwälte aber konnten den Beginn der Gerichtsverhandlungen auf die Zeit nach der Wahl verzögern. Allein im vergangenen Jahr wurde Donald des Betrugs für schuldig befunden und zur Zahlung von 450 Millionen US-Dollar einschließlich Bußgeldern und Zinsen verurteilt. Noch schlimmer ist, dass er wegen sexueller Übergriffe und Verleumdung der von ihm sexuell genötigten Frau verurteilt wurde. In beiden Fällen hat er aber gegen die Urteile Berufung einlegen lassen, sodass darüber erst nach der Wahl entschieden werden wird. Doch es war Biden, der nach einem schlechten Abend aufgefordert wurde, sich zurückzuziehen. Eine entsprechend große Gegenkraft, die die Lügen und die Propaganda von Donald, seinen Erfüllungsgehilfen und Speichelleckern zurückweisen würde, suchte und sucht man umgekehrt in den Medienkonzernen noch immer vergeblich. 

Seit ich mich erinnern kann, waren die Demokraten untereinander noch nie so zerstritten, noch nie hatte ich eine derartige Verzweiflung, ein solches Gefühl des drohenden Untergangs empfunden. Wir schienen kollektiv in einem amorphen Zustand des Unbehagens gefangen. Wir waren unzufrieden, ohne so recht zu wissen, warum. Selbst jetzt noch sind wir dermaßen am Boden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Amerikanerinnen und Amerikanern glaubt, es wäre ihnen vor vier Jahren besser gegangen als heute.

Gehen wir dem doch einen Moment lang etwas genauer nach.

Trotz zahlreicher Beweise des Gegenteils glauben mehr Menschen, die Lage am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft sei unter der Trump-Regierung besser gewesen als unter Biden. Mehr Menschen halten Donald für die stärkere und entschlossenere Führungspersönlichkeit als Biden. Mehr Menschen glauben, Donald habe in der Krise gutes Urteilsvermögen bewiesen und den Staat besser gelenkt.

In welchem Universum befinden wir uns, dass eine solche Einschätzung überhaupt möglich ist? Wie konnten so viele Menschen glauben, dass der Mann, dessen fahrlässige Corona-Politik für den Tod Hunderttausender Amerikanerinnen und Amerikanern mitursächlich war, der zum bewaffneten Aufstand gegen seine eigene Regierung aufstachelte und der mit der Big Lie, der Verschwörungserzählung, ihm sei die Wahl gestohlen worden, seit fast vier Jahren versucht, das Vertrauen der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger in freie und faire Wahlen zu erschüttern, dass dieser Mann die bessere Alternative zu Joe Biden ist?

Ich bin versucht, es für Massensuggestion zu halten, aber die Erklärung ist viel einfacher.

Die klinischen Psychiater George Makari und Richard A. Friedman schrieben kürzlich in The Atlantic:

Die Auswirkungen eines solchen Gefühlschaos beobachten wir täglich. Und wir wissen, dass es ein allgemeines Gefühl von Wut und Unzufriedenheit zur Folge haben kann, wenn es nicht angemessen aufgearbeitet wird – also genau den negativen emotionalen Zustand, der eine Nation dazu bringt, ihr Geschick falsch einzuschätzen.

Konfrontiert mit einer erdrückenden, schmerzhaften Realität wie der Corona-Pandemie kann Vergessen hilfreich sein – bis zu einem gewissen Grad sogar gesund. Auf diese Weise kann man die Angst und Verzweiflung vorübergehend beiseiteschieben, sich auf die Annehmlichkeiten und Anforderungen des Alltags konzentrieren und dadurch ein Gefühl von Kontrolle zurückerlangen. Auf diese Weise werden die Verluste nicht zur Belastung, sondern sie wirken beherrschbar.

Vergessen ist durchaus ein Faktor. Menschen wählen es oft, um weitermachen zu können. Die Pandemie von 1918 zum Beispiel, die allein in den USA 675 000 Menschen und weltweit mehr als 15 Millionen Menschen tötete, kommt in der Literatur oder anderswo so gut wie nicht vor. Derzeit scheinen zwei Dinge gleichzeitig abzulaufen: Erstens, auch wenn es schwer zu glauben ist, wurde es 2020 mit Joe Bidens Wahlsieg nicht besser, sondern schlimmer. Es fing mit Donalds Weigerung an, seine Niederlage einzuräumen, setzte sich mit dem 6. Januar fort und wurde noch verschlimmert durch die Entscheidung fast aller gewählten Republikanerinnen und Republikaner, Donald an der Parteispitze zu halten und die Big Lie zu unterstützen. Und dann taten sie auch noch so, als wäre der Sturm auf das Kapitol, bei dem ihr eigenes Leben in Gefahr war, letztlich gar keine so große Sache gewesen. Zweitens: Man kann von einem Trauma nicht geheilt werden, solange man noch mittendrin steckt beziehungsweise retraumatisiert wird.

Diejenigen von uns, die aufmerksam bleiben – weil es uns wichtig ist, weil wir müssen, weil wir viel zu besorgt sind, um uns abwenden zu können – verbringen einen Großteil ihrer Zeit damit, wegen der bevorstehenden Wahlen im November und deren möglichen Folgen halb durchzudrehen, was viel Kraft kostet. So zieht sich die Beklemmung durch alle Bereiche unseres Lebens. Wir erleben und bewerten alles durch den Schleier unseres nicht aufgearbeiteten komplexen Traumas. Wir sind so durcheinander, dass viele von uns just dem Mann die Schuld geben, der in Wirklichkeit versucht, den entsetzlichen Schaden, den sein Vorgänger uns allen zugefügt hat, zu beheben, während wir es dem Mann, der uns so weit gebracht hat, durchgehen lassen. Und nicht nur das, mehrere zig Millionen Amerikaner wollen Donald fast unbegrenzte Macht verleihen, die er dazu nutzen wird, uns zu zerstören. Und das wissen wir, weil er und seine antiamerikanischen Mitverschwörer uns laut und unmissverständlich darüber aufklären.

Es ist bemerkenswert, wie verzweifelt wir nach dem unbearbeiteten Schmerz weitermachen wollen, als könnte nur eine Lüge all dem Sinn verleihen. Natürlich ist das kontraproduktiv, doch der Wunsch, einfach weiterzumachen, besonders nach einem Verrat dieses Ausmaßes, ist unwiderstehlich. Sobald sich der Staub gelegt hat, erzählen uns die Politiker, alles wäre gut, es bestünde keine Notwendigkeit zurückzublicken. Und wer wollte all die Untaten schließlich nicht hinter sich lassen? Welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit holt man schon gern ans Licht?

Werden die traumatisierenden Umstände unnötigerweise noch verstärkt von den Menschen, die 1. dafür verantwortlich sind und die sie 2. hätten entschärfen können, ist die Erfahrung, verraten worden zu sein, zumindest im übertragenen Sinne damit vergleichbar, als würde jemand, der mitbekommt, dass man sich in einer potenziell tödlichen Extremsituation befindet, und der die Macht hätte zu helfen, diese Hilfe verweigern. Denn wird das eigene Leben von der Person, die einen retten könnte, in Gefahr gebracht, kann das Gefühl des Verrats unerträglich werden.

Einer der wenigen Faktoren, die ein Massentrauma abschwächen können, ist das Gefühl, dass wir alle gleichermaßen betroffen sind. Die Mitglieder der Trump-Regierung aber machten das unmöglich, nicht etwa, weil sie inkompetent waren, sondern weil sie die Spaltung der Gesellschaft für eine erfolgreiche Strategie hielten. Und ich fürchte, damit lagen sie richtig.

Das Schüren von Uneinigkeit diente ihren Zielen ebenso wie das Aufstellen einer falschen Dichotomie zwischen Pandemie und Wirtschaft. Im direkten Erleben war es nicht leicht zu ermessen, wie zynisch und grausam dieser Trick war, im Rückblick freilich ist das Ausmaß dieser vorsätzlichen Sabotage atemberaubend. Es fällt schwer, sich damit zu konfrontieren, was uns genommen wurde, und noch schwerer, das Maß an Verderbtheit derjenigen auszuloten, die uns das angetan haben.

Trotzdem sind wir angesichts der Versäumnisse bei der Aufarbeitung dieses Verrats und seiner Ursachen kurz davor, just den Mann wieder ins Oval Office zu bringen, der die Umstände unseres Unbehagens herbeigeführt hat, der den Tod so vieler Menschen zu verantworten hat, in zynischer Weise eine entsetzliche Spaltung zwischen uns allen erzeugte und der uns zerstören will, sobald er nur die Gelegenheit dazu erhält. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend.

Die Auswirkungen eines uneingestandenen Traumas können katastrophal sein – sowohl auf persönlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene. Und obwohl man einem Trauma nicht davonlaufen kann, ist es ein menschlicher Impuls es zu versuchen. Wenn wir eine Zukunft abwenden wollen, in der wir weiterhin der Gnade von autoritären Gegnern einer Mehrheitsdemokratie ausgeliefert sind, dann müssen wir innehalten und uns darüber klar werden, wie wir hierher geraten sind. Die Wahrheit ist, dass nur das Erinnern Heilung bringt. Es könnte uns retten und uns sogar befreien.

Wie sich herausstellte, waren das TV-Duell und die Berichterstattung darüber lediglich der erste Akt in einem Monat, der mit ziemlicher Sicherheit als der bizarrste, gefährlichste und folgenreichste der modernen amerikanischen Politik in die Geschichte eingehen wird. Zwei Wochen nach seinem Auftritt in Atlanta wurde Donald am 13. Juli bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania angeschossen.

Einer von Donalds Anhängern wurde getötet, aber da Donald selbst nur geringfügige Verletzungen davontrug, beschloss er, den für zwei Tage später angesetzten Parteitag der Republikaner nicht zu verschieben. Am 19. Juli wurde er offiziell von der Partei zum Präsidentschaftskandidaten nominiert.

Nach dem Attentat versprachen uns die Medien – ohne jegliche Beweisgrundlage –, Donald habe sich gewandelt, sei vernünftig und maßvoll, bescheiden und gottesfürchtig und irgendwie plötzlich daran interessiert, uns zu einen.

Donald Trump ist genauso wenig in der Lage, dieses Land zu einen, wie er in der Lage war, staatsmännisch zu sein. Der Mann, der den gewaltsamen Angriff auf das Kapitol der Vereinigten Staaten initiierte, weil er nicht ertragen konnte, eine Wahl verloren zu haben, schert sich in Wirklichkeit einen Dreck um die Einheit. Und trotzdem erwarten viel zu viele Menschen in den Medienkonzernen genau das und versichern uns tatsächlich immer wieder, dies würde passieren.

Doch Donald ist noch genau derselbe, der für 173 verletzte Polizeibeamte sorgte, indem er die Erstürmung des Kapitols anstachelte. Er ist derselbe, der friedliche Demonstranten mit Tränengas auseinandertreiben ließ, damit er vor einer Kirche einen Fototermin wahrnehmen konnte. Er ist derselbe, der Golf spielte und mit seinen Einschaltquoten im Fernsehen prahlte, während täglich 3500 Amerikaner an Covid starben.

Er ist derselbe, der damit prahlte, nationale Sicherheitsdokumente gestohlen zu haben und (dank der von ihm eingesetzten Bundesrichterin Aileen Cannon) damit davonkam. Er ist derselbe, der die Geburtsurkunde des ersten Schwarzen Präsidenten der USA einforderte. Er ist derselbe, der, nachdem er sich geweigert hatte, seine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2020 einzuräumen, dem Übergangsteam des gewählten Präsidenten Biden auf dem Höhepunkt einer weltweiten Pandemie den Zugang zu wichtigen Informationen verwehrte und sich dann weigerte, an dessen Amtseinführung teilzunehmen.

Er ist derselbe, der E. Jean Carroll sexuell belästigt hat, was durch ein noch nicht rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde, und sie nach wie vor verleumdet. Er ist derselbe, der sich auf dem »Access Hollywood«-Video genau dieser Art sexueller Übergriffe brüstet. Er ist derselbe, der den Supreme Court manipulierte, die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht Roe versus Wade zu kippen. Er ist derselbe, der, sobald er ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, die neuen, erweiterten Befugnisse, die ihm der Oberste Gerichtshof verliehen hat, nutzen will, um gegen Amerikanerinnen und Amerikaner vorzugehen, die ihn kritisieren.

Das ist noch nicht einmal eine vollständige Liste. Sie vermittelt lediglich eine Ahnung, was für ein schrecklicher, feiger und grausamer Mann mein Onkel ist, immer schon war und immer sein wird. In welchem Universum würde man davon ausgehen, dass ein solcher Mensch je fähig wäre, sich zu ändern?

Wir werden wohl noch etwas Abstand und gewiss mehr Stabilität brauchen, bevor wir endgültig der Frage auf den Grund gehen können, warum es eine der beiden großen politischen Parteien und der überwiegende Teil der Medienkonzerne zuließ, die offensichtlichen und schweren Psychopathologien eines Mannes zu normalisieren, der seit er das Weiße Haus im Januar 2021 verließ, den Glauben in freie und faire Wahlen unterminierte, indem er die Big Lie verbreitete, die Wahl 2020 sei ihm gestohlen worden; der behauptet, die nach dem Sturm auf das Kapitol Verurteilten seien »Helden«, denen er die Begnadigung in Aussicht stellt, wenn er wieder an die Macht kommt; und der sich auf Schritt und Tritt als untauglich, gestört und als eine reale und gegenwärtige Gefahr für die Zukunft der amerikanischen Demokratie sowie der westlichen liberalen Demokratie im Allgemeinen erwiesen hat.

Seine unwidersprochenen Lügen setzen sich jedoch durch und verstärken das Gefühl – wider allen Anstand, die Wahrheit und die amerikanische Demokratie –, sie hätten sich bereits »eingebrannt« und die Wahrheit zu ermitteln oder Donald zur Rechenschaft zu ziehen wären nur noch hohles Getöse.

Donald Trump ist nicht der Einzige, der unter kognitivem Verfall leidet – auch die USA scheinen davon betroffen. Nur so lässt sich das kurze Gedächtnis erklären, das die Schrecken der vier katastrophalen Jahre meines Onkels Donald im Oval Office ausgelöscht hat. Nur so lässt sich erklären, warum das Rennen um die Präsidentschaft so knapp ist und Donald – der wegen sexueller Übergriffe und Betrug erstinstanzlich verurteilte Straftäter – eine erhebliche Bedrohung unserer Demokratie bleibt.

Anfang Juli 2024 veröffentlichte die Huffington Post einen Artikel darüber, wie sich der Parteitag der Republikaner die »kollektive Amnesie« der Nation mit einer Strategie zunutze machen will, welche den Amerikanern all die guten Zeiten von Trumps Regierungszeit in Erinnerung ruft. Denn diese guten Zeiten sind reine Fiktion – es sei denn natürlich, man hält sich an Stephen Miller, einen von Donalds grausamsten und zutiefst faschistischen Beratern, und hat Spaß an der Entführung und am Einsperren kleiner Kinder.

Der Autor des Artikels, S. V. Date, schreibt:

Als Donald Trump das Weiße Haus verließ, war die Gewaltkriminalität in die Höhe geschossen, Tausende Amerikanerinnen und Amerikaner starben jeden Tag an einer Krankheit, von der er behauptete, sie sei nicht schlimmer als eine gewöhnliche Erkältung, und er unternahm einen Putschversuch, um sich trotz seiner Wahlniederlage im Amt zu halten.

Der ehemalige und womöglich künftige Präsident und das Republican National Committee [das Parteigremium der Republikaner] veröffentlichten am Montag einen Themenplan für den Parteitag, der darauf setzt, dass die Amerikaner all das vergessen und stattdessen zunehmend nostalgisch auf seine Amtszeit zurückblicken.

Zunehmend nostalgisch? Ja, ich mache mir Sorgen um uns.

Verstehen Sie mich nicht falsch – auch ich wünschte, ich könnte vergessen. Ich wünschte, ich könnte die gekühlten Leichenwagen vergessen, die durch New York City fuhren, während Donald damit drohte, unserem medizinischen Personal an vorderster Front die lebenswichtige persönliche Schutzausrüstung zu verweigern, sollte ihm der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, nicht den Hintern küssen.

Ich wünschte, ich könnte vergessen, wie oft Donald Lügen verbreitete und Golf spielte, während die Amerikaner starben.

Ich wünschte, ich könnte vergessen, wie er Nicht-MAGA-Anhänger mit seinen Dauer-Tweets triezte.

Ich wünschte, ich könnte vergessen, wie er die Proud Boys und anderen weißen Rassisten aufforderte: »Stand back and stand by« – »Bleibt im Hintergrund und haltet euch bereit.«

Ich wünschte, ich könnte die Schmerzensschreie der Polizisten vergessen, als sie von Donalds Anhängern am 6. Januar 2021 verprügelt und misshandelt wurden.

Und ich wünschte, ich könnte vergessen, wie er den Supreme Court mit christlichen Nationalisten besetzte, die gerade zig Millionen Frauen ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubten und anschließend ihn – ihn – belohnten, indem sie ihn durch ein neues Urteil zum König machten.

Doch ich kann nichts davon vergessen. Und ich bin entschlossen, auch nicht zuzulassen, dass es der Rest des Landes vergisst. Es muss eines unserer Ziele sein, dieses Land daran zu erinnern, wie schlimm es war, und die Menschen zu warnen, damit es nicht noch viel schlimmer kommt – wenn wir die Erinnerung nicht zulassen.

Die Amerikaner haben ein kurzes Gedächtnis. Und nach den schweren Traumata, die wir in den letzten acht Jahren durchlebt haben, ist es absolut verständlich, dass die Menschen vergessen wollen. So funktionieren Traumata nun mal. Es fühlt sich so an, als wäre noch immer alles schlimm, trotz der Beweise des Gegenteils, denn wir haben uns nie davon erholt, wie schlimm es damals war, was zu einer völlig unpassenden, misstönenden Nostalgie für die übelsten vier Jahre meines Lebens geführt hat.

Der Umstand, dass es eine Erklärung dafür gibt, macht es nicht weniger erschreckend.

Am Eröffnungsabend des Parteitags der Republikaner lautete das Thema: »Make America Wealthy Once Again« – »Macht Amerika wieder wohlhabend«.

Wirklich?

Donald schied mit einer miserablen Wirtschaftslage und der schlechtesten Beschäftigungsbilanz seit Herbert Hoover aus dem Amt. Unter Joe Biden bricht der Aktienmarkt immer wieder Rekorde, die Arbeitslosigkeit ist auf einem beeindruckenden Tiefstand, die Löhne steigen, und die Produktion läuft wieder. Amerika ist deutlich wohlhabender als während der Zeit meines Onkels im Weißen Haus.

Am zweiten Tag lautete das Thema: »Make America Safe Once Again« – »Macht Amerika wieder sicher«.

Wirklich?

Wir würden gern den Polizisten Brian Sicknick fragen, ob Donald Amerika sicherer gemacht hat, aber das können wir nicht, denn Sicknick starb, nachdem er bei Donalds Sturm auf das Kapitol brutal niedergeschlagen wurde. Wir könnten den damaligen Vizepräsidenten Mike Pence fragen, den Donalds Anhänger hängen wollten, was Trump laut seinem damaligen Stabschef unterstützte.

Und am dritten Tag war das Motto: »Make America Strong Once Again« – »Macht Amerika wieder stark«.

Das ist nun völlig jenseits des Akzeptablen.

Donald ist der schwächste Mann, der mir je untergekommen ist. Er umschmeichelt Diktatoren wie Putin und Kim Jong-un oder Saudi-Arabiens Mohammed bin Salman und Ungarns Viktor Orbán, weil er sich nach ihrer Macht sehnt und hofft, seine Kriecherei werde sie davon überzeugen, ihm etwas davon abzugeben. Er glaubt, er könne unsere Verbündeten zur Hölle schicken, weil er mit großer Unterstützung der Republikaner darauf setzt, dass die Amerikaner vergessen, wer unsere wirklichen Feinde sind.

Er wettet darauf, dass wir eine Menge Dinge vergessen haben. Und vielleicht haben wir das. Vielleicht sind wir nicht nur eine Demokratie im Verfall – vielleicht sind wir eine Nation, die unter kognitivem Verfall leidet.

Wie auch immer, es bleiben uns nur wenige kurze Monate, die Amerikanerinnen und Amerikaner daran zu erinnern, wie es wirklich aussah, als Donald im Amt war, und ihnen die Augen zu öffnen, wie die Zukunft aussehen wird, wenn Donald und seine Braunhemden wieder ins Oval Office einziehen, indem wir über das republikanische Narrativ sprechen und die faschistische Agenda ihres Manifests Project 2025 offenlegen.

Sollten wir damit scheitern, fürchte ich, dass er diesem Land und seinen Menschen Dinge antun wird, die wir niemals werden vergessen können. Oder verzeihen.

Donalds Rede als frisch gekürter Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag der Republikaner brach den Rekord als längste (und langweiligste) Parteitagsrede, die je gehalten wurde. Er sagte, er würde nie wieder eine Wahlniederlage zulassen. Er attackierte die »verrückte Nancy« Pelosi, die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, während er die Geste nachahmte, wie ein Hammer geschwungen wird (ein von den Gewalttätigkeiten des 6. Januars angespornter Mann war in Pelosis Haus eingebrochen, hatte ihren 82-jährigen Ehemann mit einem Hammer angegriffen, ihm einen Schädelbruch zugefügt und ihn fast getötet), und er beschuldigte Präsident Biden, das Land zu zerstören.

Selbst nach dem geradezu grotesken Spektakel von häuslichen Gewalttätern, Rassisten und Frauenhassern des World Wrestling Entertainment (WWE) und der United Fight Alliance (UFA), selbst nach dieser abschweifenden, selbstverherrlichenden, wahnhaften Rede porträtierten die Zeitungen Donald am nächsten Morgen so, als wäre er ein neuer Mensch, der nette Kerl, der das Kriegsbeil begraben möchte und für alle Amerikaner nur das Beste will.

Und dann kam noch Präsident Bidens Covid-Erkrankung hinzu. Die Konzernmedien scheinen es weitgehend aufgegeben zu haben, über meinen Onkel zu berichten wie über einen wirklichen Kandidaten. Sie waren dermaßen darauf fixiert, ein Narrativ zu kreieren, das Joe Biden aus dem Rennen wirft, dass sie nicht einmal die journalistische Basisarbeit über das Wochenende des Mordversuchs geleistet haben. Die Tatsache, dass wir über Bidens Covid-Diagnose mehr wissen als über das Attentat auf einen Präsidentschaftskandidaten, ist ein so vernichtendes Armutszeugnis für den sogenannten Journalismus, dass ich mir nicht sicher bin, wie er das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen will.

Die himmelschreiende Ungerechtigkeit war schwer zu ertragen. Viel schlimmer noch war das heillose Chaos, in das die Demokraten gestürzt sind (die einzige Partei, die sich für den Schutz unserer Demokratie einsetzt und an ihrem Schutz interessiert ist). Dank korrupter Medienkonzerne und einer schwachen Republikanischen Partei erschien es immer wahrscheinlicher, dass Donald ins Weiße Haus zurückkehren könnte, trotz der Gefahr, die er darstellt, und trotz der Tatsache, dass er, offen gesagt, nicht mehr bei Sinnen ist.

Nur drei Tage nach Donalds Rede kündigte Präsident Biden an, nicht mehr für eine zweite Amtsperiode anzutreten. Nachdrücklich befürwortete er, dass stattdessen seine Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rennen gehen sollte. Plötzlich befanden wir uns auf unbekanntem Terrain und kein Mensch wusste, wie es weitergehen würde.

Was sich freilich nicht geändert hatte, war die Qualität der Berichterstattung. Nun, da Donald Trump der älteste Präsidentschaftskandidat in der amerikanischen Geschichte war, spielte das Alter plötzlich keine Rolle mehr. Man konzentrierte sich jetzt auf Kamala Harris – ihre Qualifikation, ihre Fähigkeit, die Partei zu einen und unentschiedene Wähler zu überzeugen – obwohl Donald Trump nur eine Woche zuvor, genau wie schon in seinen Wahlkämpfen vergangener Jahre, bei seiner Parteitagsrede verstörende Anzeichen von psychischen Störungen und kognitivem Verfall gezeigt hatte.

Als Reaktion auf eine nicht repräsentative Umfrage unter Psychiatern, ob sie den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika für psychisch geeignet hielten, veröffentlicht im Politmagazin Fact, erließ die American Psychiatric Association (APA) im Jahr 1969 die sogenannte Goldwater-Regel, die es ihren Mitgliedern untersagt, Personen des öffentlichen Lebens zu diagnostizieren. Dort heißt es: »Es ist unethisch, eine psychiatrische Meinung abzugeben, ohne eine Untersuchung durchgeführt zu haben und ohne eine ordnungsgemäße Berechtigung für eine solche Aussage zu haben.« Das ist so weit angemessen. Doch im März 2017, kurz nach der Amtseinführung meines Onkels Donald Trump, hat die APA diese Regel nicht nur bekräftigt – sie hat sie vielmehr über die Grenzen der Schlüssigkeit hinaus erweitert. Den Mitgliedern wurde nicht nur verboten, Personen des öffentlichen Lebens zu diagnostizieren, sie durften jetzt nicht einmal mehr eine professionelle Meinung äußern, ganz gleich wie fundiert oder evidenzbasiert sie sei, selbst dann nicht, wenn sie davon überzeugt wären, dass eine Person des öffentlichen Lebens eine Bedrohung für die Bürgerinnen und Bürger des Landes oder die nationale Sicherheit darstellt.

Das ist schon oberflächlich betrachtet absurd und hat möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für die Sicherheit des amerikanischen Volkes. Selbstverständlich erfordert eine psychiatrische Diagnose eine professionelle Untersuchung, es ist allerdings durchaus im Rahmen, aus einem beobachteten Verhalten Schlüsse zu ziehen. Es ist eine Sache, einer Person definitiv eine antisoziale Persönlichkeitsstörung zuzuschreiben (eine klassifizierte Diagnose), eine andere ist es, auf Verhaltensweisen hinzuweisen – etwa pathologisches Lügen, andere absichtlich und ohne erkennbaren Grund außer Eigeninteresse in Gefahr zu bringen – und daraus den allgemeinen Schluss zu ziehen, dass es gefährlich ist, jemanden im Oval Office zu haben, der unfähig ist, Empathie zu empfinden.

Die APA hat auch erklärt: »Psychiater sind Ärzte; die Diagnose psychischer Erkrankungen erfolgt nicht weniger sorgfältig als die Diagnose von Diabetes oder Herzkrankheiten.« Das ist wahr – aber was würde ein Kardiologe sagen, wenn eine Person des öffentlichen Lebens immer wieder Herzanfälle erleidet? Müsste sie einer »sorgfältigen« Diagnostik unterzogen werden, damit ein Arzt die Vermutung äußern darf, dass ein Herzleiden vorliegen könnte? Wenn die Person mit den gehäuften Herzattacken ein Pilot wäre, der eine medizinische Untersuchung verweigert, wäre es da nicht ärztliches Fehlverhalten, sich nicht zu äußern? Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Donald ein pathologisches Verhalten zeigt, das nicht minder alarmierend ist – dies wurde beispielsweise offensichtlich, als er seine eigene Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung gleichgültig ignorierte, indem er das Walter-Reed-Hospital verließ, obwohl er das Corona-Virus noch übertrug, oder indem er bei Wahlkampfauftritten Tausende von Menschen aufforderte, keine Masken zu tragen und sich nicht an Abstandsregeln zu halten, nur um das eigene Ego zu untermauern.

Die amerikanische Öffentlichkeit ist unzureichend über psychische Gesundheit informiert. Es wäre eine ernsthafte, kontinuierliche Aufklärung nötig, die von der Autorität und Reichweite einer Fachgesellschaft getragen sein müsste, um ein Verständnis dafür zu erzeugen, warum die emotionale und psychische Stabilität unserer Politiker von Belang ist und Einfluss auf uns alle haben kann. Täglich äußern sich Juristen über Donalds verfassungswidriges und Normen missachtendes Verhalten. Mediziner spekulieren seit seiner Covid-19-Diagnose über seinen Krankheitsverlauf und die potenziell gefährlichen Nebenwirkungen der experimentellen Behandlungen, die er erhalten hatte. Lediglich die Psychologen und Psychiater wurden erfolgreich ruhiggestellt.

Das bedeutet nicht, dass keine Meinungen über Donalds psychische Verfassung kursieren. Mitunter hat es den Anschein, als hätten sich alle dazu geäußert, außer den Experten.

Das ist ein Problem. Nicht unbedingt, weil diese Charakterisierungen nicht fundiert sind, sondern weil solche Beurteilungen ungewollt die Seriosität des Falls untergraben können, wenn die eigentlichen Fachleute es versäumen, einen angemessenen Kontext zu liefern, in dem die psychische Erkrankungen verstanden werden kann. In den vier Jahren seiner Amtszeit und wenn wir die letzten dreieinhalb Jahre betrachten, hat Donald öffentlich mehr als 30 000 Mal gelogen; er missachtete impulsiv und gegen jede Vernunft den Rat von Experten, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie hätten beitragen können, während er gleichzeitig Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft traf; er brachte Privatleute in Gefahr, indem er sie auf Twitter attackierte, weil sie ihn kritisiert hatten; er erwies sich als unfähig, Verantwortung zu übernehmen, den Kurs zu ändern oder Empathie zu zeigen. Courtney Fingar schrieb kürzlich in der britischen Wochenzeitung New Statesman: »Die Öffentlichkeit kann all das ebenfalls beobachten, sie tut es jedoch weitgehend ohne die Einordnung oder Erläuterung echter Experten. Eine Regel, die ursprünglich dazu gedacht war, Spekulationen Einhalt zu gebieten, hat letztlich dazu geführt, dass sie nun erst recht grassieren.«

So haben Donalds Rhetorik und sein Verhalten also weiterhin enorme Auswirkungen und spielen eine immense Rolle im Alltag von zig Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern. Da er ein Präsidentschaftskandidat ist und somit einen enormen Stellenwert in der amerikanischen Politik einnimmt, stehen wir alle in einer Beziehung zu ihm, auch wenn sie zwangsläufig einseitig ist. Während es unmöglich ist, ihm eine professionelle Diagnose zu stellen – weil dies ein streng geregeltes Verfahren ist, das die Einhaltung bestimmter Schritte und die Erhebung spezifischer Daten in einer genau festgelegten Weise erfordert –, ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, unser Hauptaugenmerk weg von der Diagnose und stattdessen darauf zu richten, welche Auswirkungen ein unberechenbares, impulsives, psychisch auffälliges Verhalten auf diejenigen hat, die mit dieser Person in einer Beziehung stehen, gleichgültig wie einseitig oder unfreiwillig diese ist.

Ich bin klinische Psychologin von Beruf und war praktisch tätig. Wäre Donald zu einer Beurteilung in meine Praxis gekommen, hätte ich in einem normalen Erstgespräch weniger Informationen über ihn sammeln können, als mir aus den unzähligen Stunden an Videomaterial aus den Jahrzehnten, die er in der Öffentlichkeit steht, zur Verfügung stehen. Sind keine Selbstauskünfte verfügbar – etwa, weil der Patient dazu nicht in der Lage oder bereit ist – wendet sich der Therapeut häufig an dem Patienten nahestehende Menschen, um die Lücke zu füllen. Doch all das ist hier nicht nötig, da Beispiele für Donalds gestörtes, impulsives, selbstzerstörerisches und destruktives Verhalten, wie sie sich im Umfeld einer psychologischen Praxis in aller Regel nicht zeigen, ausführlich dokumentiert sind.

In diesem Fall eine neutrale Haltung einzunehmen, lässt nicht nur eine Lücke entstehen, wo professionelle Expertise gefragt wäre, sondern führt überdies dazu, dysfunktionales Verhalten zu normalisieren. Paradoxerweise scheint man damit zu suggerieren, das Sprechen über psychische Störungen sei das Problem. In Wahrheit ist es jedoch das Verschweigen von Donalds offenkundigen psychischen Beeinträchtigungen, das stigmatisierend ist. Durch die Behauptung, ihr Schweigen sei neutral, gewährt die APA Donalds Wahlkampf im Grunde eine Art Sachspende, während das amerikanische Volk seinem häufig gestörten und unvorhersehbaren Verhalten ausgesetzt bleibt, ohne das notwendige Wissen, um bewerten oder verstehen zu können, inwiefern ihn dies für das Amt, das er bekleidet, ungeeignet macht.

Das Debattendebakel wurde durch eine Entscheidung unseres Obersten Gerichts noch verschärft: Nur vier Tage später entlastete es Donald von seinen Straftaten (zwei der schwerwiegendsten Verfahren gegen ihn sind auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, ein weiteres wurde von Donalds Lieblingsrichterin Aileen Cannon aus sachfremden und gegenstandslosen Gründen abgewiesen).

An diesem besagten Montag hat der Supreme Court 248 Jahre Demokratie sowie die Gewaltenteilung als System der gegenseitigen Kontrolle, das eine mächtige Exekutive in Schranken halten sollte, zugunsten eines einzigen Mannes zunichtegemacht – Donald Trump. Meine schlimmste Befürchtung vor der Entscheidung über die Immunität des Präsidenten bestand nicht darin, dass die Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs dem Amtsinhaber im Weißen Haus, wer immer es auch sei, absolute Immunität gewähren würden. Ich befürchtete vielmehr, dass sie, wie im Fall Bush versus Gore, mit Vorschlaghammer und Skalpell versuchen würden, allein Donald Trump zu begünstigen, indem sie ihm nicht nur bisher undenkbare Macht verleihen, sondern es rückwirkend und künftig unmöglich machen, ihn überhaupt für irgendetwas strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Sie haben offenbar vergessen, wer wir sind. Wir sind Amerikaner. Wir haben es nicht mit Königen.

Es passt jedoch völlig ins Bild, dass der Oberste Gerichtshof eine derart verfehlte und unamerikanische Entscheidung fällt. Schließlich fehlt den obersten Richtern inzwischen jeglicher Bezug zum amerikanischen Volk, und sie sind so verliebt in ihre uneingeschränkte Macht, dass sie sich in eine illegitime Supermajority, eine qualifizierte Mehrheit, kurzsichtiger Solipsisten verwandelt haben.

Doch wir haben nicht vergessen, wer sie sind. Und ich sage es noch einmal – wir sind Amerikaner. Wir haben es nicht mit Königen.

Wir werden den Supreme Court und meinen Onkel daran erinnern müssen, wer in diesem Land wirklich die Macht hat. Wir müssen, metaphorisch gesprochen, wie 1773 bei der Boston Tea Party eine Ladung Tee in den Hafen werfen und unsere Unabhängigkeit von den ignoranten, grausamen und gefährlichen rechten Fanatikern erklären, die uns unsere Rechte und unser Land nehmen wollen.

Die Auffassung, dass mit großer Macht auch große Verantwortung einhergeht, wurde komplett auf den Kopf gestellt. In Amerika verfügen die Mächtigsten über sämtliche Vorteile dieser außergewöhnlichen Machtfülle, tragen jedoch nicht die Verantwortung und die Risiken, die mit ihrer Ausübung einhergehen müssten.

Thomas Jefferson hatte gegen dieses anti-amerikanische, anti-demokratische Prinzip schwere Einwände, und sie waren nicht theoretischer, sondern praktischer Natur. Nachdem er zwei Amtszeiten lang Oberbefehlshaber war, erkannte er: »Es obliegt denjenigen, die große Aufgaben auf sich nehmen, in großen Momenten selbst große Risiken zu tragen, wenn die Sicherheit der Nation oder ihre wichtigsten Belange auf dem Spiel stehen.«

Und weiter: »[E]ine Person, die ein öffentliches Amt bekleidet, muss auf eigene Gefahr handeln und sich ganz auf die Justiz ihres Landes und die Aufrichtigkeit ihrer Beweggründe verlassen.«

Eine ganz besondere der vielfältigen Ironien liegt natürlich in der Tatsache, dass nie zuvor ein amerikanischer Präsident derartige Schutzmaßnahmen nötig hatte und dass Donald, für den sie erweitert wurden, nie irgendetwas – ob kriminell oder nicht – für sein Land getan hat. Seine Verbrechen waren auf diese oder jene Weise immer eigennützig, und was der Supreme Court nun gebilligt hat, sind solche Verbrechen und das Begehen weiterer Verbrechen dieser Art in der Zukunft.

Dieser Supreme Court ist so offensichtlich korrupt, dass ich nicht fassen kann, dass man dagegen nichts unternehmen kann. In der Verfassung wird an keiner Stelle eine absolute Immunität für den Präsidenten erwähnt (schon weil den Gründervätern ein solcher Gedanke ein Gräuel war), und so schrieb auch Jefferson in der Unabhängigkeitserklärung:

»Ein Fürst, dessen Charakter ihn durch alle seine Handlungen als Tyrannen ausweist, ist unfähig, ein freies Volk zu regieren.«

Es herrscht derzeit große Furcht und Ungewissheit, und es ist nur allzu verständlich, wenn einem nicht gerade nach Feiern zumute ist. Die Kluft zwischen dem, wer wir sind, und dem, worauf wir zustreben, hat sich gerade in jüngster Zeit beträchtlich vertieft, weshalb es absolut in Ordnung ist, einmal kurz durchzuatmen.

Zu allem Überfluss erklärte Kevin Roberts, der Präsident der Heritage Foundation und einer der Architekten des faschistischen Strategieplans Project 2025, dieses Land befinde sich »in der zweiten Amerikanischen Revolution, die unblutig bleiben wird, sofern die Linke es zulässt«. Das ist eine Drohung und eine unverhohlene Ankündigung, dass sie das Amerika, das wir kennen und lieben, zerstören wollen.

Diese dreiste Verachtung der Verfassung, des Rechtsstaatsprinzips und des amerikanischen Experiments spornt mich an, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, dass die Rechte ihre Drohungen nie wird umsetzen können. Deshalb stehe ich auf der Seite von Präsident Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris und werde jeden einzelnen Tag bis zur Wahl dafür arbeiten, dass Kamala Harris im November gewählt wird.

Bei all den internen Streitigkeiten, die wir jüngst ausgefochten haben, weiß ich, dass wir zusammenstehen werden, wenn es darauf ankommt, weil wir uns tatsächlich inmitten einer neuen Amerikanischen Revolution befinden. Und wie bei der ursprünglichen Amerikanischen Revolution werden wir die Loyalisten schlagen, die wollen, dass wir uns den Monarchisten beugen; und wie im Zweiten Weltkrieg werden wir die Faschisten besiegen. 

Die Gründerväter haben viele, mitunter auch ungeheure, Fehler gemacht, aber sie wussten, wofür sie kämpften, und sie wussten, wogegen sie sich auf jeden Fall stellen mussten: einen Monarchen mit absoluter Macht. Ich glaube, man kann davon ausgehen, dass sie sich heutzutage in ihren Gräbern umdrehen würden angesichts der schockierenden Richtung, in die sich die Dinge seit acht Jahren bewegen – eine finstere Talfahrt, die sich aktuell noch einmal exponentiell beschleunigt hat.

Donald Trump erklärte einmal, dass er lediglich »Diktator für einen Tag« sein wolle. Der Supreme Court hörte das und gab pünktlich zum 4. Juli, dem Tag, an dem die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ihre Unabhängigkeit von der Tyrannei eines absoluten Herrschers feiern sollten, mit seiner illegitimen qualifizierten Mehrheit in seiner unendlichen Weisheit die Antwort: »Nein, Donald, du und nur du kannst jeden Tag Diktator sein.«

Hoffentlich werden wir auch im kommenden Jahr am 4. Juli noch etwas zu feiern haben – ein gestärktes Gefühl für unsere Bestimmung und einen neuen Impuls für eine Demokratie, die für uns alle arbeitet.

Supreme-Court-Richterin Sonia Sotomayor schrieb als Antwort auf die Mehrheitsmeinung, die das 248 Jahre alte Prinzip, dass niemand über dem Gesetz steht, auslöscht: »With fear for our democracy, I respectfully dissent.« – »Ich widerspreche ergebenst, aus Sorge um unsere Demokratie.«

Das soll unser Schlachtruf sein:

Wir widersprechen. We dissent.

Wir geben nicht nach.

Wir geben für all dies nicht unsere Zustimmung.

Wir werden keinen Zentimeter weichen.