Angela Constantine - Terry Goodkind - E-Book

Angela Constantine E-Book

Terry Goodkind

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Beschreibung

Sorgenkind: Die junge Frau liegt nackt und bestialisch zugerichtet im Schnee, als Angela Constantine sie findet. Ein Wolf stillt seinen Hunger an der Leiche. Doch einige der Bissspuren sind menschlichen Ursprungs! Angela, die selbst ein dunkles Geheimnis hütet, gerät ins Visier eines brutalen Serienmörders – und trifft auf einen mysteriösen, blinden Prediger … Die verrückte Wanda: Wanda handelt lieber, bevor sie nachdenkt – und so läuft die Affäre mit einem verheirateten Mann völlig aus dem Ruder. Als Wanda in einem blutigen Amoklauf durchdreht, versucht Angela ihre Freundin aufzuhalten. Zwei packende kurze Thriller von Bestsellerautor Terry Goodkind über Rache und Gerechtigkeit aus der Welt von Teufelsnest. Ein spannungsgeladener Auftakt für Mädchen vom Mond, Goodkinds nächstem Roman mit Angela Constantine. Nelson DeMille: »Rasant, fesselnd und beängstigend!« Dean Koontz: »Goodkind schreibt Spannungsliteratur mit einem fantastischen Einschlag – ein echter Page-Turner!«

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Seitenzahl: 212

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Aus dem Amerikanischen von Patrick Baumann

Impressum

Die amerikanische Originalausgaben

Trouble’s Child (Skyhorse Publishing)

und Crazy Wanda (Swallow’s End Publishing)

erschienen 2018.

Copyright © 2018 by Terry Goodkind

Copyright © dieser Ausgabe 2022 by Festa Verlag GmbH, Leipzig

Titelbild unter Verwendung von AdobeStock/nizas

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-973-2

www.Festa-Verlag.de

SORGENKIND

Angela griff langsam nach der Waffe unter ihrem Mantel, während sie vorsichtig einen Schritt zurückging, um sich von der Leiche der jungen Frau zu entfernen.

Sie zwang sich, keine plötzlichen Bewegungen zu machen und vor allem nicht davonzurennen. Mit beiden Händen umklammerte sie die Pistole und zielte zwischen die stechenden Augen des Raubtiers, das seine Mahlzeit bewachte.

Verstohlen warf sie einen kurzen Blick in den stillen, verschneiten Wald und hielt Ausschau nach weiteren Bedrohungen. Sie sah keine, aber sie wusste, dass sich leicht jemand oder etwas im schwindenden grauen Licht im Wald, hinter Gestrüpp und jungen Tannen verbergen konnte.

Obwohl die Kreatur, die sich über die Leiche beugte, wie eine Kreuzung aus Wolf und Schäferhund aussah, handelte es sich nicht um ein Haustier.

Unter dem hauptsächlich schwarzen Fell war ein Hauch von Färbung zu erkennen. Sein Winterfell war längst gewachsen, sodass das Tier eine dicke Halskrause bekommen hatte. Auf dem weißen Schnee bot es einen einschüchternden Anblick.

Angela wusste, dass Wölfe manchmal den Weg hierher fanden. Sie konnte nur vermuten, dass sich irgendwo eine Wölfin mit einem großen Schäferhund gepaart hatte. Der daraus resultierende Wolfshund, der sie anknurrte, war ohne Zweifel gefährlich und kraftvoll.

Sie suchte die umliegenden Wälder nach anderen Wölfen ab. Er schien allein zu sein. Wenn es ein Rudel gäbe, hätte es sich an der Mahlzeit beteiligen wollen.

Rudel hin oder her, die gefletschten Reißzähne dieses Wolfs verrieten ihr, dass er mehr als bereit war, um seine Beute zu kämpfen. Oder sie zu seiner Beute zu machen.

Am Hals der toten Frau waren Würgemale und Schnittwunden zu sehen, was Angela verriet, dass der Wolf sie nicht getötet hatte. Sie war ermordet worden. Grellrote menschliche Bisswunden an den Brüsten sagten ihr, dass es sich um einen Mord aus Hass und Wut gehandelt hatte. Es war nicht das erste Mal für den Täter. Angela wusste, dass ein solcher Mörder wieder töten würde, wenn man ihn nicht aufhielt.

Sie war oft erstaunt, dass es ihr nicht selbst wie dieser toten Frau ergangen war. Das hätte ihr schon öfter passieren können, als ihr lieb war. Dadurch empfand sie ein einzigartiges Mitgefühl für diese Art von Opfern – Frauen, die nicht das Glück gehabt hatten zu überleben. Außerdem gab es ihrem Leben einen Sinn.

Der leichte, lockere Schnee hatte gerade erst begonnen, den Boden und die Bäume zu bedecken und den Wald allmählich weiß zu färben, aber er sammelte sich nur auf den Händen der Toten, die über ihrem Kopf ausgestreckt waren. Die Leiche war noch warm genug, um die großen Flocken zu schmelzen. Sie war noch nicht lange tot.

Der Wolf hatte beide Vorderpfoten schützend über den nackten Leichnam gelegt, offensichtlich bereit, sein Mahl zu verteidigen. Von seiner Schnauze tropfte Blut. Dampfschwaden stiegen aus dem offenen Bauch in die kalte, stille Luft auf. Wölfe waren Raubtiere, die große Huftiere wie Hirsche, Rehe und Elche jagten, aber sie waren auch Aas nicht abgeneigt.

Das mochte zwar der Natur entsprechen, aber Angela sah es nicht gern, wie ein Tier die frische Leiche eines Menschen fraß. Es war ihr klar, dass es keine böswillige Tat war, und sie hatte ganz sicher nicht den Wunsch, ein so prächtiges Geschöpf zu töten.

Sie wollte einen Schuss abfeuern, um den Wolf zu verscheuchen, aber da die Frau noch nicht lange tot war, war es möglich, dass der Mörder sich noch in der Nähe aufhielt. In diesem Fall wollte sie ihm nicht verraten, dass sie hier war, und ihm nicht die Gelegenheit geben, sie aus dem Hinterhalt anzugreifen. Sie wollte nicht sein zweites Mordopfer an diesem Tag werden.

Angela durchlief eine heiße Welle der Aufregung bei der Aussicht, dass der Mörder noch in der Nähe sein könnte und dass sie vielleicht in der Lage wäre, ihn zu fangen. Es war schon eine ganze Weile her, dass diese inneren Bedürfnisse gestillt worden waren. Jetzt erwachten sie knisternd wieder zum Leben.

Als Angela weit genug zurückgewichen war, riss das Tier wieder blutige Stücke heraus und verschlang sie. Es sah aus, als wäre es am Verhungern.

Um die Leiche herum waren die Spuren der Raben zu erkennen, die in der Nähe darauf warteten, sich an dem Fleisch laben zu können. Ab und zu näherte sich einer der Vögel vorsichtig der Toten, setzte einen Fuß vor und sprang wieder zurück, wenn der Wolf nach ihm schnappte. Raben waren opportunistisch und folgten oft den Wölfen, weil dabei Reste für sie abfielen.

Angela sah, dass es auch menschliche Spuren gab, aber der Schnee war leicht und locker, und es gab noch nicht genug davon, um die Fußabdrücke gut identifizieren zu können. Sie sah, dass diese sowie einige Schleifspuren rechts von ihr in Richtung Highway führten. Es schneite jetzt stärker und sie wusste, dass diese Hinweise bald unter einer wachsenden weißen Decke verschwinden würden.

Der Wolf bewachte seine Mahlzeit, während Angela die Spuren untersuchte, die durch die Bäume zur Straße führten.

Angela überließ das Tier widerwillig seinem Mahl, um den Schleifspuren zu folgen in der Hoffnung, mit etwas Glück den Mann zu erwischen, der dies getan hatte. Trotz des zunehmenden Schnees war die Spur noch gut zu verfolgen.

Ihr war bewusst, dass der Vorfall noch nicht lange zurücklag. Um nicht das nächste Opfer zu werden, bewegte sie sich vorsichtig und leise, behielt den Wald um sich herum im Auge und hielt ihre Waffe bereit.

Die Leiche hatte die meisten Fußspuren verwischt, als man sie durch das Laub in den Wald geschleift und dort abgelegt hatte. Angela konnte feststellen, dass der Mörder den Schleifspuren zurück dorthin gefolgt war, wo er hergekommen war.

Als sie den Highway erreichte, war von dem Mörder nichts mehr zu sehen. Sie entdeckte Reifenspuren im Kies, wo er ein kurzes Stück in den Wald gefahren war, damit sein Fahrzeug aus vorbeifahrenden Autos nicht gesehen werden konnte.

Die Trittspuren waren nicht deutlich genug, um identifizierbar zu sein. Es gab Schlieren im Schnee, wo die Leiche auf den Boden geworfen und dann wie ein Müllsack in den Wald geschleppt worden war.

Angela schaute in beide Richtungen den Highway entlang und entspannte sich endlich ein wenig. Der Mörder war verschwunden, aber Frustration machte sich breit, weil sie die Chance verpasst hatte, ihn zu kriegen. Sie war so nahe dran gewesen, und jetzt hatte sie keine Ahnung, wer er war oder wohin er gegangen war.

Aber wenn sie jemals die Chance bekäme, ihm in die Augen zu sehen, würde sie ihn erkennen und wissen, was er getan hatte.

Angela zückte ihr Handy. Sie war zu weit von Milford Falls entfernt, um die Polizei zu erreichen, also ging sie davon aus, dass ihr Notruf stattdessen an das Büro des Sheriffs gehen würde.

Sie blickte auf, als sie ein Auto um die Kurve der einsamen Straße kommen hörte. Der Schnee und der Wind hatten zugenommen. Sie sah die blinkenden Lichter an der entfernten Wand aus schneebedeckten Bäumen. Da sie nicht wollte, dass ein Hilfssheriff sah, dass sie eine Waffe trug, steckte Angela ihre Glock zurück in das Holster an ihrem Rücken.

In der Regel tat sie immer ihr Bestes, um nicht mit der Polizei sprechen zu müssen, aber dieses Mal war es notwendig. Angela gefiel der Gedanke nicht, die Überreste der Frau in diesen Wäldern zurückzulassen. Man musste sie wegbringen und mit Würde beerdigen. Da die Behörden die Leiche wahrscheinlich niemals selbst finden würden, musste Angela ihnen zeigen, wo sie war, und dazu musste sie mit den Gesetzeshütern sprechen.

Als das Auto des Sheriffs mit Blaulicht um die Kurve kam, trat sie an den Straßenrand und hob einen Arm, damit der Polizist sie sehen konnte. Das Auto wurde langsamer und hielt an. Die Reifen knirschten auf dem verschneiten Kies.

Der Deputy setzte sich einen schwarzen Stetson-Hut auf und stieg aus dem Wagen. Seine Uniform war schwarz und er trug eine schwarze Lederjacke. Er war groß, hatte faltige, eingefallene Wangen und die Art von Augen, die jeden für schuldig hielten. Er schien etwa 20 Jahre älter zu sein als Angela, vielleicht Anfang bis Mitte 40.

Sein stählerner Blick blieb auf ihr haften, während er die Tür schloss und zielstrebig zur Vorderseite seines Autos ging.

»Sind Sie diejenige, die uns angerufen hat?«

»Ja.« Angela deutete in den Wald. »Ich habe da oben die Leiche einer Frau gefunden.«

Er drehte sich nicht um, um zu sehen, wohin sie zeigte, sondern starrte sie weiter an. »Und was haben Sie da gemacht?«

»Heute ist mein freier Tag. Ich wollte wandern.«

»Eine Wanderung. In einem Naturschutzgebiet.« Daran war nichts Illegales, aber er ließ es klingen, als würde es sich um ein Verbrechen handeln. »Sie haben also frei. Was machen Sie beruflich?«

»Ich betreibe einen Kurierdienst. Und ich bin Barkeeperin.«

»Aha.« Er sah sie an, als könnte sie selbst die Mörderin sein. »Wie heißen Sie?«

»Angela Constantine.«

Sein goldenes Namensschild, auf dem in schwarzen Buchstaben ›A. Nolan‹ stand, hob sich von seinem schwarzen Hemd ab. Er war ein knallharter Profi. Und gefährlich. Sie bedauerte bereits, den Anruf getätigt zu haben.

Sein Blick fiel auf ihr platinblondes Haar mit roten Spitzen, ihre Ohrringe und schließlich auf die Tätowierung an ihrem Hals.

»Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«

Sie hätte ihn gern gefragt, weshalb, doch sie hatte sich vorgenommen, niemals mit den Behörden zu streiten. Sie wollte immer über jeden Verdacht erhaben sein und nie als Problem angesehen werden. Sie holte ihren Führerschein aus der Tasche und reichte ihn ihm, wobei sie versuchte, freundlich und kooperativ zu wirken.

Er nahm ihn wortlos entgegen und ging zurück zu seinem Auto, um ihren Namen in das System einzugeben. Nach ein paar Minuten kam er zurück, und sie gewann den Eindruck, dass er ein wenig enttäuscht war, weil es sich bei ihr nicht um eine gesuchte Mörderin handelte.

»Constantine«, sagte er zu sich selbst, während er vor ihr stand und ihren Führerschein sorgfältig überprüfte. Er blickte auf. »Auf Ihrem Führerscheinfoto sind Ihre Haare blau.«

Angela zuckte mit den Schultern. »Ich probiere gern verschiedene Farben aus.«

Er nickte unzufrieden vor sich hin und kniff die Augen zusammen. »Ich kenne den Wohnsitz einer Familie Constantine – in der Wohnwagensiedlung in Milford Falls.«

»Da lebt meine Mutter«, gab Angela rasch zu Protokoll, bevor er ihr unterstellen konnte, dort zu wohnen, oder sie für die Sünden ihrer Mutter verantwortlich machte.

Er sah sie an, als hätte er den Verdacht, dass sie Drogen bei sich hatte. »Ich war schon ein paarmal da. Sie müssen noch dort gewohnt haben, als ich da Leute rausgeholt habe, für die es einen Haftbefehl gab. Zusammen mit einer Menge Rauschgift.«

Angela wollte erwidern, dass sie keine Drogen nahm, aber sie wusste, dass es sich gerade dann so anhören würde, als wäre das Gegenteil der Fall, also hielt sie den Mund.

»Da wohnen nur zwielichtige Gestalten«, fuhr er fort, »die Tag und Nacht high sind. Die trinken, prügeln sich, verkaufen Diebesgut.«

Er kannte den Ort tatsächlich. Angela war inmitten von alledem aufgewachsen. Weil ihre Mutter während der Schwangerschaft viel Crystal Meth, Heroin und Alkohol konsumiert hatte, war Angela von Geburt an anders gewesen als andere Menschen. Sie wusste, dass sie niemals normal sein könnte. Sie war ein Freak.

»Ich bin sicher, dass ich Ihre Mutter mal zusammen mit ein paar dreckigen Dealern in diesem Wohnwagen verhaftet habe.«

»Wahrscheinlich« war alles, was Angela dazu sagte.

»Ihre Mutter ist drogensüchtig. Immer wenn ich sie gesehen habe, war sie auf Crystal Meth.«

»Ja, deshalb bin ich ausgezogen.«

Er tippte nachlässig mit den Fingerknöcheln auf ihren Führerschein. »Wer ist Ihr Vater?«

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Angela mit einem Schulterzucken.

Zweifellos war er einer der Dealer ihrer Mutter oder irgendeiner der Junkies. Sie hatte sich ständig flachlegen lassen.

Der Hilfssheriff schien seinen stechenden Blick so oft einzusetzen, dass dieser dauerhaft Falten in seiner Stirn hinterlassen hatte. »Jeder in diesem Wohnwagen war ein Problemfall. Sie sind dort aufgewachsen. Und jetzt machen Sie einen Spaziergang, wandern in diesen riesigen Wäldern herum und finden ganz zufällig eine Leiche.«

»Ja, deshalb habe ich den Notruf gewählt.«

Er gab ihr den Führerschein zurück. »Zeigen Sie mir Ihre Hände. Beide. Halten Sie sie hoch.«

Angela tat, was er verlangte, spreizte die Finger und zeigte ihm die Vorder- und Rückseiten beider Hände. Sie wusste, dass er nach Abwehrverletzungen suchte. Er wollte sich davon überzeugen, dass sie nicht in einen Kampf verwickelt gewesen war und die Frau selbst getötet hatte.

Er brummte unzufrieden, als er feststellte, dass ihre Hände sauber und frei von Wunden waren. »Ihre Mutter hat uns ständig Sorgen gemacht. Das macht auch Sie zu einem Sorgenkind.«

Angela blickte die Straße hinunter. Sie wollte ihm gerade sagen, dass er die verdammte Leiche doch allein finden sollte, als er eine Geste in Richtung des Waldes machte.

»Na los. Zeigen Sie mir, was Sie gefunden haben.« Er betonte das Wort gefunden, als ob er der Ansicht wäre, sie habe sich die Geschichte nur ausgedacht.

Ohne ein Wort zu sagen, drehte Angela sich um und ging in den Wald. Die dicken Schneeflocken fielen immer schneller. Die Schleifspuren waren bereits größtenteils verwischt, ebenso wie ihre eigenen Fußspuren, aber sie kannte den Weg.

Als sie die Zweige der Balsamtannen aus dem Weg schoben und aus dem dichten Wald hervortraten, sahen sie die Leiche in einem niedrigen Bereich der Lichtung liegen.

»Mein Gott!«, rief Deputy Nolan und zog seine Waffe.

Der Wolf, der immer noch seine Beute bewachte, erhob sich, knurrte und schnappte nach ihm.

Ohne Zögern gab Nolan zwei schnelle Schüsse ab. Die erste Kugel traf die Leiche in die Brust. Der zweite Schuss war zu hoch gezielt und streifte nur die Nackenhaare des Tiers. Der Wolf rannte davon. Beim Knall der Schüsse erhoben sich sämtliche Raben in die Luft und krächzten vor Schreck. Sie flogen in alle Richtungen davon und verschwanden zwischen den Bäumen.

Der Hilfssheriff machte zwei Schritte nach vorn und schoss, so schnell er konnte, auf den Wolf, der davonrannte und dabei Schnee aufwirbelte. »Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass ein verdammtes Tier an der Leiche frisst?«

»Der war vorhin noch nicht hier«, log sie.

»Nun«, knurrte er, während er das leere Magazin herausnahm und ein volles einsteckte, »das sollte das Mistvieh fernhalten. Ich glaube, ich habe ihn getroffen.«

Deputy Nolan zog den Schlitten zurück, um eine Patrone zu laden, und steckte die Pistole dann ins Holster, bevor er sich der Leiche näherte. Er sah sich sorgfältig nach Spuren um. Alle, die es einmal gegeben hatte, waren jetzt mit Schnee bedeckt. Er zog immer engere Kreise, während er sich der toten Frau näherte. Schließlich kniete er neben der Leiche nieder und zeigte auf den Hals.

»Sehen Sie das? Sieht aus, als wäre sie erwürgt worden.«

Angela wollte »Ach was!« erwidern, doch sie hielt den Mund. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie schrecklich es war, erwürgt zu werden, wie schrecklich es war, nicht mehr atmen zu können.

Deputy Nolan sah sich die vielen menschlichen Bisswunden auf der Brust an, erwähnte sie aber nicht.

»Sieht aus, als wären ihre Rippen gebrochen«, sagte er beim genaueren Betrachten der Bisswunden an ihrer Seite.

Angela zeigte auf ihn. »Ihr erster Schuss hat ihre Rippen getroffen.« Er warf ihr einen säuerlichen Blick zu, erwiderte aber nichts.

Schließlich stand er auf und setzte einen Funkspruch ab. Er berichtete, was er gefunden hatte, und forderte ein Spurensicherungsteam und den Gerichtsmediziner an.

Obwohl es Angela nicht gefiel, mit der Polizei zu tun zu haben, fühlte sie sich besser, weil sich nun endlich jemand um den Leichnam der Frau kümmerte.

Als der Deputy mit dem Funkgerät fertig war, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Angela zu.

»Haben Sie irgendjemanden oder irgendetwas Ungewöhnliches gesehen – abgesehen von der Leiche?«

Angela schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.«

Er sah nach unten und betrachtete einen Moment lang das Gesicht der Frau. »Kennen Sie sie?«

Angela hatte sie ein paarmal in der Bar gesehen, aber nicht oft genug, um ihren Namen zu kennen. »Nein.«

Er schüttelte den Kopf. »Sie ist eine Prostituierte.«

Angela war nicht überrascht. »Woher wissen Sie das?«

»Ihr Name ist Kristi irgendwas.« Er überlegte einen Moment. »Kristi Green, glaube ich. Sie wurde schon mehrmals wegen Prostitution verhaftet. Ich erinnere mich an ihr Gesicht. Sie hat sich in der Nähe des Riley Motels herumgetrieben. Huren nutzen das Riley für ihre Geschäfte.«

Angela betrieb eine Bar in der Nähe des Riley, daher wusste sie darüber Bescheid.

»Ich habe Ihnen gezeigt, wo ich sie gefunden habe. Mehr weiß ich nicht«, sagte sie. »Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gern nach Hause gehen, bevor es zu dunkel wird. Und mir wird furchtbar kalt, wenn ich nur herumstehe«, fügte sie hinzu, um dem Mann etwas Mitgefühl zu entlocken.

Er bedachte sie mit einem Blick, dem es an jeglichem Mitgefühl fehlte. »Wo wohnen Sie?«

Angela zeigte in eine Richtung. »Ich habe dort ein Haus. Gleich neben dem Naturschutzgebiet.«

»Wenn Sie warten, bis Hilfe eintrifft und die Sache erledigt ist, kann ich Sie mitnehmen.«

»Nun ja …« Angela zog die Worte in die Länge, als ob sie es tatsächlich in Erwägung ziehen würde. Aber mit diesem Quälgeist in ein Polizeiauto zu steigen und ihn zu ihrem Haus zu führen war das Letzte, was sie wollte. »So weit ist es nicht zu Fuß. Ich würde gern nach Hause gehen.«

»Ja, sicher«, sagte er mit einer Handbewegung. »Gehen Sie nur. Ich muss zurück zu meinem Auto und mit dem Schreiben anfangen, während ich warte. Ich habe Ihre Daten aus dem Führerschein. Falls wir noch was brauchen, melden wir uns bei Ihnen.« Er öffnete seine Brieftasche. »Wenn Ihnen noch was einfällt, das wir wissen sollten, rufen Sie mich an. Hier ist meine Karte.«

Auf der Karte stand ›Deputy A. Nolan‹ links neben einem Sheriffsabzeichen. Unter seinem Namen war eine Telefonnummer zu lesen. Es war eine von denen, in denen sich einige Zahlen wiederholten und die ihr daher im Gedächtnis blieben. Manchmal war das bei ihr mit Nummern so – sie wurde sie einfach nicht mehr los. Aber sie wusste, dass sie nie einen Grund haben würde, ihn anzurufen.

»Okay, wenn mir noch was einfällt, rufe ich Sie an.« Angela steckte die Karte mit ihrem Führerschein in die Tasche. »Darf ich Sie nach Ihrem Vornamen fragen?«

Sein stechender Blick war wieder da. »Sie dürfen nicht. Für Sie heiße ich Deputy.«

Na gut, dachte sie. Dann eben ›Arschloch‹.

Es war viel später am Tag, als ihr lieb war: Erst hatte Angela lange auf den Deputy warten müssen, anschließend verbrachten sie beide eine lange Zeit bei der Toten. Das Licht war sehr düster und es fiel immer mehr Schnee.

Wenn es dunkel wurde, wollte Angela lieber auf einer Straße als im stockdunklen Wald sein. Sie trug zwar eine kleine Taschenlampe bei sich, aber im Wald wäre es trotzdem ein mühsames und gefährliches Unterfangen.

Es war eine weite Strecke, wenn sie dorthin ging, wo Deputy Nolans Auto geparkt war, und von dort aus nach Hause lief. Die Straße schlängelte sich zunächst um einen Berg im Süden, bevor sie wieder nach Norden und dann an ihrem Haus vorbeiführte. Wenn sie eine Abkürzung über den Gebirgskamm nahm, gelangte sie auf dieselbe Straße, sparte sich aber diesen Umweg.

Als sie den Hügel hinaufstapfte und den Kopf senkte, weil der um die Tannen herumwirbelnde Schnee ihr ins Gesicht wehte, entdeckte sie Spuren. Sie führten in die gleiche Richtung, in die sie unterwegs war. Nachdem sie ihnen eine Weile gefolgt war, erkannte sie im frischen Schnee, dass die Abdrücke von dem Wolf stammen mussten, der weggelaufen war, als Deputy Nolan auf ihn geschossen hatte.

Sie entfernte mit dem Fuß etwas von dem frischen Schnee und fand Blut unter der obersten weißen Schicht. Das Tier war offenbar von mindestens einer der Kugeln des Deputys getroffen worden.

Je weiter Angela ging, desto näher musste sie dem Wolf kommen. Er schien langsamer zu werden. Sie zog ihre Pistole und hielt sie bereit, während sie den Kamm überquerte. Sie wollte nicht auf einen verletzten Wolf treffen und wehrlos sein, wenn er sie angriff.

Als sie die andere Seite des Bergkamms erreichte, stieß sie nicht weit vom Highway entfernt auf das verletzte Tier. Es lag auf der Seite im Schnee und hechelte verzweifelt. Im Schnee war eine Menge Blut zu sehen.

Ihr erster Gedanke war, das Tier von seinem Elend zu befreien. Es litt eindeutig und würde nicht überleben. Sie trat zurück und richtete ihre Waffe auf den Kopf des Wolfs. Er verdrehte ein Auge und beobachtete sie. Sie stellte sich über ihn und schaute in dieses Auge. Sie hasste es, das Tier erschießen zu müssen, aber sie wollte auch nicht, dass es einen langen, qualvollen Tod starb.

Dann fiel ihr ein, dass Deputy Nolan, der gleich hinter dem Kamm war, den Schuss hören würde. Daraufhin käme er und würde Nachforschungen anstellen.. Und er würde entdecken, dass sie eine versteckte Waffe bei sich trug. Selbst wenn er es ihr durchgehen ließ, was sie ernsthaft bezweifelte, hätte sie sich damit auffällig verhalten. Das war etwas, das sie immer vermieden hatte. Sie wollte ihre Methoden nicht ändern, nur um diese Kreatur aus ihrem Elend zu befreien.

Versuchsweise ging sie vorsichtig in die Hocke, behielt die Waffe weiter auf das Tier gerichtet und streckte langsam die Hand aus.

Der Wolf bewegte sich nicht. Er lag hechelnd da und beobachtete sie, während sie ganz langsam eine Hand auf seine bebende Brust legte und sanft über sein Fell strich.

Sie hatte mit irgendeiner Art von Abwehr, sogar einem Angriff gerechnet, doch dazu kam es nicht. Es war, als würde das Tier sagen: Ich bin erledigt. Mach, was du willst. Ich habe nicht die Kraft, dich aufzuhalten.

Wie gebannt streichelte sie das warme schwarze Fell.

»Es tut mir leid, dass du verletzt wurdest«, flüsterte sie ihm zu. »Ich wollte nicht, dass das passiert.«

Das große dunkle Auge beobachtete sie weiterhin, aber der Wolf machte keine Anstalten, sich zu wehren.

»Ich schätze, das ist meine Schuld. Ich bin diejenige, die die Polizei gerufen hat. Tut mir so leid, dass dieser Idiot dich verletzt hat.«

Während sie das schwarze Fell streichelte, stieß der Wolf einen Seufzer aus, als ob ihn Angelas sanfte Berührung und ihre leisen Worte zumindest ein wenig trösteten.

Sie seufzte ebenfalls. »Was soll ich jetzt tun? Ich kann dich nicht leiden lassen.«

Ihre Stimme schien das Keuchen zu verringern. Angela stand langsam auf und versuchte, das Geschöpf nicht zu erschrecken.

»Ich sag dir was. Ich geh nach Hause und hole meinen Wagen. Wenn du mich lässt, bringe ich dich zu einem Tierarzt, damit dir geholfen wird. In Ordnung? Wirst du mich dir helfen lassen?«

Zur Antwort gab der Wolf ein leises Wimmern von sich. Angela wusste, dass sie Tieren, vor allem wilden Tieren, keine menschlichen Reaktionen oder Verständnis zuschreiben sollte, aber in diesem Fall kam ihr der Laut wie ein Ja vor.

Sie hielt ihren Mantel geschlossen und den Kragen aus Lammwolle eng an Hals und Ohren, während sie direkt neben dem flachen Straßengraben entlangeilte. Die Straße führte schließlich an ihrem Haus vorbei, daher wusste sie, dass sie sich nicht verirren konnte. Da auf dieser abgelegenen Strecke kaum Verkehr herrschte, bereitete es ihr keine allzu großen Sorgen, dass sie durch das Verdecken ihrer Ohren vielleicht nicht mehr in der Lage wäre, sich nähernde Autos zu hören. In dem riesigen Naturschutzgebiet, das ihr Haus umgab, war weder Jagen noch Holz zu schlagen erlaubt, sodass es für niemanden einen Grund gab, diese Straße zu benutzen oder sich dort aufzuhalten, es sei denn, man fuhr zu der kleinen Stadt Bradley oder kam von dort.

Sie nahm an, dass dies ein Grund dafür war, dass der Mörder diese einsame Gegend gewählt hatte, um Kristi Green zu ermorden und ihre Leiche zu entsorgen. Es war nicht das erste Mal, dass eine Leiche in den Wäldern um Milford Falls zurückgelassen wurde, und es würde auch nicht das letzte Mal sein.

Angela war ein wenig überrascht, als hinter ihr Autoscheinwerfer aufleuchteten. Als das Fahrzeug vorbeifuhr und das Licht von der schneebedeckten Straße und den Bäumen reflektiert wurde, erkannte sie, dass es sich um einen mehrere Jahrzehnte alten Lincoln handelte.

Der eckige alte Wagen verlangsamte seine Fahrt und hielt an. Als er rückwärtszufahren begann, schob Angela die rechte Hand unter ihren Mantel und umfasste den Griff ihrer Pistole. Sie konnte sehen, dass das Fahrzeug hellbraun war und ein Vinyldach in einem dunkleren Braunton hatte. Die Schweller unter den Türen und der untere Teil des Kotflügels hinter dem Hinterrad waren rostzerfressen.

Mit quietschenden Bremsen kam der alte Wagen zum Stehen. Angela umklammerte die Waffe fester, zog sie jedoch nicht. Wenn es ein Mann war, der beim Anblick einer Frau, die ganz allein auf einer einsamen Straße stand, auf dumme Gedanken kam, würde er bald herausfinden, wie dumm diese Gedanken wirklich waren. Die Beifahrertür wurde mit einem Knirschen und Knacken geöffnet.

Die Innenbeleuchtung schaltete sich ein und sie konnte sehen, dass sich zwei Personen im Inneren befanden.

Die Fahrerin war eine altmodisch gekleidete Frau mit dünnem, krausem Haar. Sie trug ein kragenloses blassblaues Kleid mit einem Muster aus kleinen Blumen. Es sah aus, als hätte man es in einem Secondhand-Laden am Boden eines Kartons gefunden. Da das Deckenlicht hinter ihr war, lag ihr Gesicht im Schatten.

Der Beifahrer war ein Mann mittleren Alters in einem dunklen Anzug, der ein schwarzes, bis oben zugeknöpftes Hemd ohne Krawatte trug. Er stützte sich mit beiden Händen auf einen weißen Gehstock, der zwischen seinen Knien stand. Er trug eine dunkle Brille, obwohl es draußen bereits dunkel war.