Angewandte Sozialpsychologie -  - E-Book

Angewandte Sozialpsychologie E-Book

0,0

Beschreibung

Die Angewandte Sozialpsychologie stellt die Schnittstelle zwischen erfolgreichen Theorien der Sozialpsychologie und deren Anwendung im Alltag sowie ihre Umsetzung in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern dar. Dabei geht es immer auch um die Nutzung psychologischen Wissens, um die Praxis zu optimieren und Probleme effektiv zu lösen. Daher beantwortet dieses Lehrbuch einerseits wichtige Grundlagenfragen, wie "Was ist Selbstregulation?", "Wie funktioniert zwischenmenschliche Kommunikation?", und behandelt andererseits verschiedene klassische und aktuelle Anwendungsthemen der Sozialpsychologie kompakt und gut verständlich. Das Werk ist sowohl für Bachelor- als auch für Masterstudierende der Pädagogik, Psychologie und Soziologie sowie für Studierende und Praktizierende aus allen psychosozialen Berufsfeldern instruktiv und hilfreich.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 580

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Titelei

Danksagung

1 Angewandte Sozialpsychologie: Eine Einführung

1.1 Wie lässt sich angewandte Sozialpsychologie definieren?

1.2 Wie lässt sich der Weg von einem Problem zu seiner Lösung aus methodischer Sicht gestalten?

1.2.1 Phase 1 des Anwendungsprozesses: Problem

1.2.2 Phase 2 des Anwendungsprozesses: Analyse

1.2.3 Phase 3 des Anwendungsprozesses: Test

1.2.4 Phase 4 des Anwendungsprozesses: Helfen

1.2.5 Phase 5 des Anwendungsprozesses: Erfolgsbewertung

1.3 Welches Wissen zur Veränderung und Optimierung von unerwünschten Sachverhalten steht in unterschiedlichen Anwendungsbereichen zur Verfügung?

1.4 Welche Schwerpunkte werden in diesem Lehrbuch gesetzt?

Literatur

Teil I Grundlagen

2 Soziale Vergleiche

2.1 Wozu dienen soziale Vergleiche?

2.1.1 Das Motiv akkurater Selbsteinschätzung

2.1.2 Das Motiv der Selbstverbesserung

2.1.3 Das Streben nach positivem Selbstwert

2.2 Mit wem vergleichen sich Menschen?

2.2.1 Vergleiche mit Ähnlichen

2.2.2 Richtung des Vergleichs

2.3 Welche Konsequenzen haben soziale Vergleiche?

2.3.1 Assimilation und Kontrast als Folge von sozialen Vergleichen

2.3.2 Emotionale und motivationale Folgen von sozialen Vergleichen

2.4 Fazit: Von den Grundlagen zur Anwendung

Literatur

3 Zielverfolgung: Selbstregulation und -kontrolle

3.1 Selbstregulation

3.1.1 Theorie des regulatorischen Fokus

3.1.2 Regulatorischer Mode

3.1.3 Motivationssteigerung durch regulatorischen Fit

3.1.4 Zusammenfassung Selbstregulation

3.2 Selbstkontrolle

3.2.1 Ist Selbstkontrolle anstrengend?

3.2.2 Selbstkontrolle ist mehr als das Unterdrücken von Impulsen

3.2.3 Hedonistische Zielverfolgung als wichtiges Gegenstück zur Selbstkontrolle?

3.2.4 Zusammenfassung Selbstkontrolle

Literatur

4 Kommunikation

4.1 Der Kommunikationsprozess

4.1.1 Kommunikationsquellen

4.1.2 Kommunikationssender

4.1.3 Kommunikationssignale

4.1.4 Kommunikationskanäle

4.1.5 Kommunikationsempfänger

4.1.6 Kommunikationsziele

4.2 Begriffsbestimmungen

4.2.1 Definition von Humankommunikation

4.2.2 Verbale Kommunikation

4.2.3 Vokale Kommunikation

4.2.4 Nonverbale Kommunikation

4.2.5 Aufmerksamkeitsprozesse während der Kommunikation

4.2.6 Massenkommunikation

4.3 Was ist keine Kommunikation?

4.3.1 Fehlende Kommunikationskomponenten

4.3.2 Information ohne Kommunikation

4.3.3 Interaktion ohne Kommunikation

4.3.4 Einflüsse auf und Folgen von Kommunikation

Literatur

5 Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung

5.1 Vorurteile

5.1.1 Vorurteile als Ideologien

5.1.2 Autoritarismus

5.1.3 Soziale Dominanz

5.1.4 Rassismus

5.1.5 Sexismus

5.1.6 Ageism

5.2 Stereotype

5.2.1 Arten und Merkmale von Stereotypen

5.2.2 Stereotype Threat

5.3 Diskriminierungen

5.4 Funktionen und Ziele von Vorurteilen und Stereotypen

5.5 Strategien und Änderungen zur Reduktion von Vorurteilen und Stereotypen

5.6 Perspektiven und Ausblicke

Literatur

6 Achtsamkeit

6.1 Einleitung

6.2 Achtsamkeitsbasierte und -informierte Behandlungsansätze zur Behandlung von Stress, körperlichen und psychischen Störungen

6.2.1 Achtsamkeitsbasierte Behandlungsansätze

6.2.2 Achtsamkeitsinformierte Ansätze

6.3 Achtsamkeitsansätze in der Sozialpsychologie

6.3.1 Kognitiver Bias und Stereotype

6.3.2 Motivation, Intention und Verhalten

6.3.3 Veränderung von Emotionen und Emotionsregulation

6.3.4 Soziale Beziehungen und der Umgang mit sozialen Bedrohungen

6.4 Kritische Diskussionen im Zusammenhang mit Achtsamkeit

6.4.1 Nebenwirkungen von Achtsamkeitsübungen

6.4.2 Meditation: Überwindung von Egozentriertheit oder Selbsterhöhung?

6.5 Ausblick

Literatur

Teil II Anwendung: Positive Psychologie

7 Glück und Flow-Erleben

7.1 Einleitung

7.2 Glück und subjektives Wohlbefinden

7.2.1 Einflussfaktoren auf das subjektive Wohlbefinden

7.2.2 Konsequenzen von subjektivem Wohlbefinden

7.3 Flow

7.3.1 Konsequenzen von Flow

7.4 Zusammenfassung

Literatur

8 Freiwilligenarbeit: Solidarität und Commitment im Zeitalter der Selbstbestimmung

8.1 Freiwilligenarbeit in repräsentativen Umfragen

8.2 Persönlichkeitsunterschiede und Einstellungsfunktionen

8.2.1 Welche Rolle spielt die Persönlichkeit?

8.2.2 Motive der Freiwilligenarbeit: Welche Funktionen hat sie?

8.2.3 Messung der Einstellungsfunktionen durch die Skalen der Einstellungsstruktur ehrenamtlich Helfender (SEEH)

8.2.4 Faktoren zweiter Ordnung: egoistische und altruistische Orientierung

8.2.5 Validität der SEEH

8.2.6 Anwendungspotenzial

Literatur

9 Freundschaft, Liebe und Partnerschaft

9.1 Einleitung

9.2 Merkmale von Freundschaften

9.2.1 Definition von Freundschaften

9.2.2 Typen von Freundschaften

9.2.3 Entwicklung und Funktionen von Freundschaften

9.2.4 Freundschaften in verschiedenen Altersgruppen und in Abhängigkeit vom Geschlecht

9.3 Liebe

9.3.1 Liebe in Partnerschaften als mehrdimensionales Konstrukt

9.3.2 Dreieckstheorie der Liebe

9.3.3 Theorie der Liebesstile

9.4 Partnerschaft

9.4.1 Was fördert das Glück und die Stabilität der Partnerschaft?

9.4.2 Konflikte, Kommunikation und Partnerschaftsqualität

9.4.3 Beratung und Therapie

Literatur

Teil III Anwendung: Beratung und Intervention

10 Beratung und Coaching

10.1 Einleitung

10.2 Beratung

10.2.1 Beratungsfelder

10.2.2 Anlässe und Formen von Beratung im Kontext von Arbeit und Organisation

10.3 Coaching

10.3.1 Verschiedene Coaching-Themen

10.3.2 Coaching-Varianten

10.3.3 Der Coaching-Prozess

10.3.4 Coaching-Rahmenbedingungen

10.3.5 Wirkfaktoren im Coaching-Prozess

10.3.6 Negative Effekte und Nebenwirkungen von Coaching

10.3.7 Qualität und Evaluation von Coaching

10.3.8 Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit von Coaching

10.4 Zusammenfassung

Literatur

11 Konfliktmanagement und Mediation

11.1 Einleitung

11.2 Soziale Konflikte

11.2.1 Gerechtigkeit und soziale Konflikte

11.2.2 Konflikttypen

11.2.3 Dynamiken von Konflikten und ihren Eskalationen

11.3 Konfliktmanagement

11.4 Mediation

11.4.1 Die Rolle der Mediatorin/des Mediators

11.4.2 Phasen der Mediation

11.4.3 Konfliktanalyse und -bearbeitung

11.4.4 Grenzen und Risiken der Mediation

Literatur

Teil IV Anwendung: Neue Medien

12 Warum wir soziale Medien nutzen

12.1 Einleitung

12.2 Motive zur Nutzung sozialer Medien

12.2.1 Need for Self-Presentation – das Bedürfnis, sich (positiv) darzustellen

12.2.2 Need to Belong – das Bedürfnis nach Verbundenheit

12.2.3 Need to Compare – das Bedürfnis, sich zu vergleichen

12.3 Die Soziale Online-Selbstregulationstheorie (SOS-T)

12.4 Fazit

Literatur

13 Was soziale Medien mit uns machen

13.1 Soziale Medien und subjektives Wohlbefinden

13.1.1 Auswirkungen der passiven Medien-Nutzung am Beispiel Facebook

13.1.2 Auswirkungen der aktiven Medien-Nutzung am Beispiel Facebook

13.1.3 Fazit

Literatur

14 Digitalisierung in der Arbeitswelt

14.1 Kommunikation in einer digitalisierten Arbeitswelt

14.1.1 Aspekte der digitalen Kommunikation und ihre Auswirkungen

14.1.2 Kollege Computer – Mensch-Computer- und Mensch-Technik-Interaktion

14.2 Stress und Personalwesen

14.2.1 Aktuelle Erkenntnisse zu digitalem Stress im Personalmanagement

14.2.2 Herkunft und Faktoren von digitalem Stress

14.2.3 Hinweise zum Umgang im Rahmen des Personalmanagements

14.3 Der Faktor Vertrauen

14.3.1 Was ist Vertrauen?

14.3.2 Vertrauen im Zusammenhang mit Technologienutzung

Literatur

Teil V Anwendung: Aktuelle Themen praxisfeldübergreifender angewandter Sozialpsychologie

15 Haben und Sein

15.1 Einleitung

15.2 Psychologische Forschung

15.2.1 Gegenstandsbereich und Forschungsfragen

15.2.2 Auswirkungen von Habenwollen

15.2.3 Auswirkungen von Sein

15.3 Kontexte und Funktionalitäten von Haben und Sein

15.4 Haben oder Sein als Vergleich

15.5 Neuere Theorien

Literatur

16 Psychologie der Nachhaltigkeit

16.1 Nachhaltige Entwicklung als Thema der Umweltpsychologie

16.2 Handlungsmodelle zur Veränderung umweltbezogenen Verhaltens

16.3 Vom Marketing- zum Transformationsmodus

16.4 Psychische Ressourcen für nachhaltige Lebensstile

16.5 Settings zur Förderung psychischer Ressourcen für nachhaltige Lebensstile

Literatur

17 Verhaltensökonomie und Nudging

17.1 Verhaltensökonomie und Nudging

17.1.1 Choice Architecture

17.1.2 Nudge – ein kleiner Stups in die richtige Richtung

17.1.3 Nudge als öffentliche Maßnahme

17.1.4 Was halten die Angestupsten von Nudges?

Literatur

18 Narzissmus als selbstregulatorisches System

18.1 Einleitung

18.2 Narzissmus als Persönlichkeitsdimension

18.2.1 Zwei Gesichter des Narzissmus: grandioser und vulnerabler Narzissmus

18.2.2 Narzissmus als selbstregulatorisches System

18.3 Erklärungsmodelle des Narzissmus

18.3.1 Das erweiterte agentische Modell

18.3.2 Das Narcissistic Admiration and Rivalry Concept

18.3.3 Ein Syntheseansatz zur narzisstischen Persönlichkeit: das Narzissmus-Spektrum-Modell

18.4 Anwendungsbeispiel: Konsum als Selbstregulationsstrategie

18.5 Fazit

Literatur

19 Klinische Sozialpsychologie

19.1 Sozialpsychologische Phänomene als Symptome psychischer Störungen

19.1.1 Soziale Kognitionen in der Psychopathologie

19.1.2 Soziale Interaktion in der Psychopathologie

19.1.3 Das Selbstwertgefühl bei psychischen Erkrankungen

19.2 Sozialpsychologische Faktoren in der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen

19.2.1 Lebensgeschichtlich frühe soziale Einflüsse auf die Entstehung psychischer Erkrankungen

19.2.2 Lebensgeschichtlich spätere soziale Einflüsse auf Entstehung und Aufrechterhaltung

19.3 Sozialpsychologische Prozesse in der Wahrnehmung und Diagnostik psychischer Störungen

19.3.1 Das Erstgespräch als wegweisende soziale Situation

19.3.2 Stigmatisierung von psychischer Erkrankung

19.4 Sozialpsychologische Prozesse in der Psychotherapie

19.4.1 Wirkfaktor Beziehung

19.4.2 Psychotherapie und sozialer Einfluss

19.4.3 Gruppenpsychotherapie und Selbsthilfegruppen

Literatur

20 Grundlagen der Forensischen Psychologie am Beispiel der »Sexualdelinquenz«

20.1 Methodische und erkenntnistheoretische Probleme

20.2 Kriminalitätstheorien zur Sexualdelinquenz

20.3 Gefährlichkeit und deliktorientierte Kriminalprävention

Literatur

21 Diversity und Migration: Ein kritischer Überblick

21.1 Diversity

21.2 Akkulturationsforschung

21.3 Kulturelles Lernen

21.4 Stresstheoretischer Ansatz

Literatur

Teil VI Verzeichnisse

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Stichwortverzeichnis

Die Herausgebenden

Dr. Phillip Ozimek, Leiter des FURIOSA-Projektes zur Entwicklung von Selbsttests für Studieninteressierte an der FernUniversität in Hagen, ist Sozial- und Medienpsychologe und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für positiv-psychologische Forschung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Selbstregulation, Soziale Medien, Soziale Vergleiche und psychisches Wohlbefinden.

Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, von 1992 bis 2014 Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. 2002 bis 2004 Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). 2005 – 2013 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Leibniz-Zentrums für Psychologische Information und Dokumentation. Die Arbeitsschwerpunkte umfassen prosoziales Verhalten, Narzissmus, soziale Medien und Sozialpsychologie der Partnerschaft.

PD Dr. Elke Rohmann ist in der Forschung und Lehre an der Arbeitseinheit Sozialpsychologie der Fakultät für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum tätig und Psychologische Psychotherapeutin. Ihre Arbeitsschwerpunkte in der Forschung sind die Themen Sozialpsychologie der Partnerschaft, Narzissmus, soziale Medien, Gerechtigkeit und prosoziales Verhalten. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für positiv-psychologische Forschung (DGPPF), der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (dgvt) und der Milton H. Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose (M. E.G.).

Dr. Stephanie Hanke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Psychologie der FernUniversität in Hagen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Narzissmus, Materialismus sowie Selbstregulation.

Phillip OzimekHans-Werner BierhoffElke RohmannStephanie Hanke (Hrsg.)

Angewandte Sozialpsychologie

Ein Lehrbuch

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-038428-6

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-038429-3epub: ISBN 978-3-17-038430-9

Danksagung

Ein Herausgeberwerk wie dieses wäre ohne die Hilfe und Unterstützung vieler Personen nicht vorstellbar. Dazu zählen an erster Stelle die Beiträgerinnen und Beiträger der Lehrbuchkapitel. Das sind neben Stephanie Hanke (FeU Hagen), Elke Rohmann (Ruhr-Universität Bochum), Hans-Werner Bierhoff (Ruhr-Universität Bochum) und Phillip Ozimek (FeU Hagen) im Einzelnen: Jan Crusius (Tilburg University), Kai Sassenberg (Leibniz-Institut für Wissensmedien und Eberhard-Karls Universität Tübingen), Daniela Becker (Behavioural Science Institute, Radboud University) und Michael L. W. Vliek (Leiden University und Knowledge Centre for Psychology and Economic Behaviour), Mathias Blanz (Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg), Bernd Six (MSH Medical School Hamburg), Johannes Michalak (Universität Witten-Herdecke), Thomas Heidenreich, (Hochschule Esslingen) und Christine Hofheinz (Universität Hildesheim), Corinna Peifer (Universität Lübeck) und Christopher Rauen (RAUEN Group), Anke Blöbaum (Otto-von-Guericke Universität Magdeburg), Gabriel Brandenberg (TU Dortmund), Julia Brailovskaia (Ruhr-Universität Bochum), Gesa Linnemann (Katho Köln), Eik-Henning Tappe und Julian Löhe (FH Münster), Jens Förster (Systemisches Institut für Positive Psychologie Köln), Marcel Hunecke (FH Dortmund), Sonja Grelle und Wilhelm Hofmann (Ruhr-Universität Bochum), Annette van Randenborgh (FH Münster), Andrej König (FH Dortmund) und Petia Genkova (Hochschule Osnabrück).

Weiterhin ist die Unterstützung des Gesamtprojekts durch Frau M. Sc. Linda Reimann zu erwähnen, die wesentlich zur Überarbeitung und Optimierung der Kapitel beigetragen hat. Liebe Linda, du warst uns eine riesige Hilfe. Danke!

Schließlich gilt unser Dank Frau Annika Grupp, Frau Kathrin Kastl und Frau Stefanie Reutter vom Lektorat des Kohlhammer Verlags, die jederzeit mit Rat und Tat zum Erfolg des Gesamtprojekts beigetragen und uns stets ein gutes Gefühl vermittelt haben.

Phillip Ozimek, Hans-Werner Bierhoff, Elke Rohmann und Stephanie Hanke

1 Angewandte Sozialpsychologie: Eine Einführung

Hans-Werner Bierhoff, Elke Rohmann, Phillip Ozimek und Stephanie Hanke

In diesem Kapitel wird der Ansatz der angewandten Sozialpsychologie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, die sich durch folgende Fragestellungen beschreiben lassen:

·

Wie lässt sich die angewandte Sozialpsychologie definieren?

·

Wie lässt sich der Weg von einem Problem zu seiner Lösung aus methodischer Sicht gestalten?

·

Welches Wissen zur Veränderung und Optimierung von unerwünschten Sachverhalten steht in unterschiedlichen Anwendungsbereichen zur Verfügung?

·

Welche besonderen Schwerpunkte werden in diesem Lehrbuch hervorgehoben?

Das Kapitel dient der ersten Orientierung im Sinne einer definitorischen Abklärung von angewandter Sozialpsychologie sowie der Darstellung der Prozesse der Anwendung in einem Ablaufmodell und dem Verweis auf erforderliches Wissen zur Veränderung und Optimierung von problematischen Ausgangsbedingungen. Dabei wird Wissen, das sich in der aktuellen sozialen und politischen Situation unter Berücksichtigung neuer Technologien und Kommunikationsansätze als besonders wertvoll erweist, in den Vordergrund gestellt.

1.1 Wie lässt sich angewandte Sozialpsychologie definieren?

Der erste angewandte Psychologe, der diesen Namen verdient, war Hugo Münsterberg, der an verschiedenen deutschen Universitäten (u. a. an der Universität Freiburg) und der Harvard University lehrte. Sein Buch Psychology and industrial efficiency (1913) befasste sich hauptsächlich mit Arbeits- und Organisationspsychologie. Seitdem hat sich die angewandte Psychologie natürlich weiter differenziert. Wir legen den Schwerpunkt auf die angewandte Sozialpsychologie, die in den letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwung genommen hat, der mit der Gründung der Zeitschrift Journal of Applied Social Psychology 1971 begonnen hat, die im Jahre 2020 im 50. Jahrgang erschienen ist. Inzwischen gibt es weitere Zeitschriften in der Sozialpsychologie, die auf Anwendung fokussiert sind, wie das Journal of Community & Applied Social Psychology (seit 1991, 2020 Jahrgang 30). Das verweist auf die große Forschungstätigkeit in diesem Bereich und das breite Interesse in Psychologie, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Kultur- und Gemeindewissenschaften an den Ergebnissen.

Wir verwenden folgende Definition der angewandten Sozialpsychologie von Bierhoff und Auhagen (2003), die auf verschiedenen Definitionsvorschläge der angewandten Psychologie/angewandten Sozialpsychologie aufbaut (vgl. Bierhoff & Herner, 2002; Feger & von Hecker, 1999; Kleinbeck, 1992; Haisch, 1983; Graf Hoyos, 2000; Lösel, 1987; von Rosenstiel, 1994).

Definition

Angewandte Sozialpsychologie kann als Teilbereich der Sozialpsychologie verstanden werden. Sie vermittelt Veränderungs- und Optimierungswissen mit Hilfe eines Wechselspiels verschiedener Strategien zwischen Forschung und Praxis im Feld sozialer Gegebenheiten. Das soziale Feld lässt sich aufspannen durch eine individuumbezogene Ebene, eine interaktionsbezogene Ebene und eine Ebene sozialer Strukturen. Angewandte Sozialpsychologie setzt sich zusammen aus Kommunikation und Interaktion sowie Praxisfeldern, in denen die sozialen Aspekte das vorrangige Thema sind (nach Bierhoff & Auhagen, 2003, S. 5).

Ein zentraler Bestandteil der Definition ist der Verweis auf Veränderungs- und Optimierungswissen. Ausgangspunkt ist ein unerwünschter Tatbestand, der verändert werden soll. Einerseits geht es darum, bestimmte Einstellungen, Verhaltensweisen oder Emotionen in eine wünschenswerte Richtung zu verschieben. Die Anwendung der Sozialpsychologie bezweckt bei Vorliegen unerwünschter Tatbestände eine Verbesserung dieser Gegebenheiten (also positive Veränderung im Sinne einer Problemlösung) und eine Optimierung der vorhandenen Alltagspraxis durch Ausschaltung von störenden Einflüssen (beispielsweise durch Beseitigung von Stereotypen und Vorurteilen) und durch Nutzung psychologischen Wissens.

Die Betonung von Veränderungs- und Optimierungswissen in der angewandten Sozialpsychologie verdeutlicht, dass sie nicht nur eine Zusammenfassung der Erkenntnisse der Sozialpsychologie darstellt. Vielmehr beinhaltet sie auch genuines Wissen über Veränderungs- und Optimierungsprozesse, das für den Erfolg der angewandten Problemlösungen in der Praxis ausschlaggebend ist. Die Durchführung der Anwendung beruht auf eigenen prozeduralen Grundlagen und Empfehlungen (Buunk et al., 2021), die im Folgenden skizzenartig beschrieben werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass angewandte Sozialpsychologie sinnvollerweise von praktischer Sozialpsychologie abgegrenzt wird. Letztere beinhaltet die Überwindung von sozialen Konflikten und sozialen Dilemmata sowie die Schaffung von Bedingungen für eine harmonische Kooperation in einer Vielzahl von Alltagsfeldern durch ausgebildete Expertinnen und Experten, die über sozialpsychologisches Hintergrundwissen verfügen. Erstere ist demgegenüber auf einer Metaebene angesiedelt, auf der Veränderungs- und Optimierungswissen gewonnen und zur Verfügung gestellt wird.

Was ist angewandte Sozialpsychologie? Diese Frage lässt sich in zweifacher Hinsicht beantworten.

Zum einen kann es darum gehen, das Wissen über die Anwendung der Forschung in unterschiedlichen Problemfeldern der realen Welt zu strukturieren und zusammenzufassen. Das Standardwerk »Fields of Applied Psychology« von Anne Anastasi (1964) folgt diesem Ansatz. Dabei kommt es darauf an, Schwerpunkte zu bilden, die den aktuellen Forschungstrends und Fragestellungen entsprechen. Beispiele sind etwa das menschliche Verhalten unter Berücksichtigung seiner Auswirkungen auf die Umwelt, die Bewältigung von sozialen Konflikten oder die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Wohlbefinden der Nutzer. Diese Vorgehensweise entspricht dem Ansatz, der diesem Buchprojekt zugrunde liegt. Sie stellt aktuelle Erkenntnisse bereit, um Lösungsvorschläge für angewandte Fragestellungen zu generieren.

Zum anderen kann systematisiert werden, wie die Anwendung der Sozialpsychologie auf bestimmte Problemfelder durchgeführt wird, indem verschiedene Phasen des Vorgehens unterschieden werden und in einem Ablaufmodell (von dem Problem bis zu seiner Lösung) zusammengefasst werden. In diesem Kontext geht es um die Generierung von allgemeinen Empfehlungen für eine erfolgreiche Anwendung, wie sie von den niederländischen Kollegen Bram Buunk und Mark van Vugt vorgestellt (2008) und von Bram Buunk, Pieternel Dijkstra und Mark van Vugt (2021) weiterentwickelt wurde. Diese Perspektive wird im folgenden Teil dieses Kapitels kurz skizziert, um den Anwendungsprozess zu konkretisieren.

1.2 Wie lässt sich der Weg von einem Problem zu seiner Lösung aus methodischer Sicht gestalten?

Buunk et al. (2021) unterscheiden in ihrem Ablaufmodell fünf Phasen des Anwendungsprozesses: Problem, Analyse, Test, Hilfe und Erfolg. Unter Zugrundelegung der englischen Begriffe für diese Phasen (problem, analysis, test, help, success) wird dieser Ansatz als PATHS-Methode bezeichnet. Die fünf Phasen werden im Folgenden im Einzelnen diskutiert.

1.2.1 Phase 1 des Anwendungsprozesses: Problem

Die erste Phase umfasst die Problemdefinition. Darunter fallen Antworten auf verschiedene grundsätzliche Fragen: (1) Was ist das Problem? (2) Warum ist es ein Problem? (3) Für wen ist es ein Problem? (4) Was sind die möglichen Ursachen für das Problem. (5) Welche Gruppen sind die Zielgruppen einer möglichen Intervention? (6) Was sind die Schlüsselmerkmale des Problems?

·

Zu (1): Es kommt darauf an, das Problem als konkrete Fragestellung zu beschreiben (nicht als allgemeine wissenschaftliche Fragestellung) und möglichst viele Facetten des Problems im Detail zu berücksichtigen.

·

Zu (2): Der Ursprung des Problems wird abgeleitet und verschiedene Auswirkungen des Problems werden unterschieden. Die Herleitung des Problemursprungs verwendet häufig eine historisch-politische Betrachtungsweise. Nehmen wir als Beispiel eine Auseinandersetzung zwischen Verwaltung und Bürgerinitiativen um die Einhaltung von Umweltstandards bei einem Bauprojekt zur Errichtung von Stromtrassen. Es kann z. B. sein, dass die Verwaltung nur über unzureichendes Fachwissen über die Folgen der Errichtung von Stromtrassen in bewohnten Regionen und alternative Möglichkeiten der Planung verfügt. Tatsächlich wird die Lösung vieler Konflikte durch Vorannahmen und Vorurteile erschwert, die von beteiligten Konfliktparteien vertreten werden.

·

Zu (3): Diese Fragestellung verweist auf konkurrierende Interessen, deren Existenz viele Probleme auszeichnen. Es geht darum, wer das Problem verursacht hat, wer darunter leidet und wer aus seinem Bestehen Vorteile ableitet. Sind die Interessen der beteiligten Parteien kompatibel oder im Widerspruch zueinander? Bei mehreren Parteien kann auch betrachtet werden, welche Parteien ähnliche Interessen haben und Allianzen bilden.

·

Zu (4): Die Verursachung verweist auf technische Entwicklungen und den sozialen Hintergrund, auf dem das Problem entstanden ist bzw. besteht. Welche Erklärungen bieten sich dafür an, dass das Problem ursprünglich aufgetreten ist? Wie wirken sich einzelne Ursachen auf die Problemlage aus?

·

Zu (5): Welche Zielgruppen lassen sich für eine Intervention, die das Problem reduziert, ausmachen? Welche Gruppen müssen gewonnen werden, um eine Problemlösung in Gang zu setzen?

·

Zu (6): Was die Schlüsselmerkmale des Problems betrifft, ermöglicht ihre Identifizierung eine Antwort auf die Frage, ob es sich um ein konkretes angewandtes Problem handelt, das auf der Grundlage von sozialpsychologischen Konzepten gelöst werden kann, oder ob andere Konzepte wie technische Vorgaben oder juristische Interpretationen im Vordergrund stehen.

1.2.2 Phase 2 des Anwendungsprozesses: Analyse

Der wissenschaftliche Forschungsprozess lässt sich in vier Phasen unterscheiden: Problembezug, Logik, Methodik und Organisation der Forschung (Bierhoff & Petermann, 2014, S. 69). Die erste und zweite Phase der PATHS-Methode (Problem, Analyse) gleicht dem Vorgehen des wissenschaftlichen Forschungsprozesses, was den Problembezug und die Logik der Forschung angeht. Analog zur Forschungslogik beschreiben Buunk et al. (2021) die Phase der Analyse, die sich auf die Ableitung von Erklärungen aus psychologischen Theorien bezieht. Während der Forschungsprozess darauf ausgerichtet ist, aus Theorien Hypothesen und Prüfbedingungen für die Hypothesen abzuleiten, steht stattdessen im Anwendungskontext im Mittelpunkt, Bedingungen zu identifizieren, die die Lösung des Problems erleichtern. Wenn mehrere solcher Bedingungen erkennbar sind, bietet es sich an, diese in einem Prozessmodell zusammenzufassen.

Fallbeispiel

Buunk und van Vugt (2008)/Buunk et al. (2021) geben folgendes Beispiel ausgehend von der Frage, wie sich die Spendenbereitschaft für ein Projekt in Afrika fördern lässt, das Menschen hilft, die an Aids/HIV erkrankt sind. Welche möglichen Einflussfaktoren sind zu berücksichtigen?

·

Personmerkmale (Wird Aids/HIV als vermeidbar eingeschätzt, wird das Auftreten der Krankheit auf Sorglosigkeit zurückgeführt und wird die Krankheitsbewältigung von Menschen in Afrika, die an Aids/HIV erkranken, als unzureichend eingeschätzt?),

·

Gerechte-Welt Glaube (Inwieweit wird das Schicksal der Menschen in Afrika, die an Aids/HIV erkrankt sind, als gerechtfertigt eingeschätzt?),

·

persönliche Betroffenheit (Kann es die spendende Person selbst treffen?),

·

negative Einstellung gegenüber Menschen, die in Afrika an Aids/HIV erkranken,

·

der Standpunkt, der in der Öffentlichkeit vertreten wird, und

·

sozialer Druck, Menschen, die in Afrika an Aids/HIV erkranken, zu helfen.

Diese Einflussfaktoren sind (neben anderen) zu berücksichtigen, wenn eine Kampagne geplant wird, die die Spendenbereitschaft erhöht. Wenn z. B. in der empirischen Forschung festgestellt wurde, dass Menschen eher geholfen wird, die ihre Notlage nicht selbst verursacht haben, dann ergibt sich die Folgerung, dass die Kampagne dagegen argumentieren sollte, dass Menschen in Afrika, die an Aids/HIV erkranken, ihr Schicksal selbst verschuldet haben und somit selbst verantwortlich sind.

In diesem Zusammenhang stellt sich für die Anwendung die Frage, welche Konzepte und Variablen im Mittelpunkt der Analyse stehen. Buunk et al. (2021) empfehlen solche Konzepte/Variablen, die sich auf Verhalten, Einstellung und/oder Emotionen beziehen. Der Grund für diese Empfehlung ist, dass sich Sozialpsychologie auf solche Bereiche am ehesten erfolgreich anwenden lässt, für die sie über umfangreiches und spezifisches Fachwissen verfügt. Das ist in Bezug auf die drei genannten Bereiche der Fall. Wenn stattdessen beispielsweise der Schwerpunkt der Anwendung auf die Interpretation von Gesetzestexten gelegt wird, ist die erfolgreiche Anwendung sozialpsychologischen Wissens von vorneherein unwahrscheinlich.

Wie lässt sich überhaupt herausfinden, welche Erklärungen für das Auftreten eines Problems aus der Perspektive der angewandten Sozialpsychologie plausibel sind? Um das Bezugssystem der Einflussfaktoren zu entwickeln, ist es sinnvoll und notwendig, sich auf sozialpsychologisches Wissen zu berufen. Allerdings treten bei der Bewertung dieses Wissens Schwierigkeiten auf, die damit zu tun haben, dass es nicht perfekt ist.

Exkurs

Im Mittelpunkt der sozialpsychologischen Forschung steht häufig das Experiment. Drei Schwierigkeiten bei der Anwendung experimenteller Ergebnisse auf die Praxis sind besonders hervorzuheben (Buunk et al., 2021): Vereinfachung, Mangel an externer Validität und widersprüchliche Ergebnisse.

·

Vereinfachung entsteht im Forschungsprozess, wenn eine Fragestellung in einen experimentellen Ansatz übersetzt wird. Damit geht eine Reduktion der Komplexität der Wirklichkeit einher.

·

Externe Validität bezieht sich auf die Frage, ob Ergebnisse nur für die untersuchte Stichprobe in der gegebenen Versuchsanordnung gelten oder über unterschiedliche Stichproben und Situationen hinweg generalisiert werden können (Bierhoff & Petermann, 2014). Damit ist die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse angesprochen, die in der Regel eingeschränkt ist.

·

Schließlich lassen sich in vielen Forschungsbereichen widersprüchliche Ergebnisse finden, die eine erfolgreiche Anwendung der entsprechenden Forschung erschweren.

Um diesen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, besteht die Möglichkeit auf eine Vielfalt von Forschungsmethoden jenseits des Experiments zurückzugreifen. Das entspricht einem multiplen Operationalismus, der es ermöglicht, die speziellen Fehlerquellen jedes einzelnen Verfahrens auszugleichen (Bierhoff & Petermann, 2014). Alternative Forschungsstrategien verwenden die Befragung von beteiligten oder betroffenen Personen, die Experience-Sampling-Methode, Tagebuchstudien, die Beobachtung spontaner Verhaltensweisen in der teilnehmenden Beobachtung, Brainstorming auf der Basis freier Assoziation oder retrospektive Berichte und Aktenanalysen.

In diesem Zusammenhang sind auch hermeneutische Verfahren zu nennen, die das Verständnis des Problems auf verschiedenen Ebenen der Betrachtung verbessern, indem von einem Vorverständnis ausgegangen wird, das durch qualitative Forschung zu einem Gegenstandsverständnis führt, das durch weitere Forschungsschritte erweitert werden kann (Bierhoff & Auhagen, 2003). Hermeneutische Verfahren verwenden häufig Inhaltsanalysen.

Fallbeispiel

Ein Beispiel ist eine Studie von Fox und Moreland (2015), in der Narrative über negative Erfahrungen von aktiven Nutzern von Facebook gesammelt wurden. Insofern handelt es sich um eine beschreibende Studie, in der die Verbreitung bestimmter Probleme der Facebook-Nutzung aufgedeckt wird. Dazu wurden Diskussionsgruppen unter Leitung von Moderatoren gebildet (sog. Fokusgruppen), um dann die Diskussionsbeiträge inhaltsanalytisch im Hinblick auf mögliche Stressoren der Facebook-Nutzung auszuwerten.

Der Vorteil von Fokusgruppen liegt darin, dass die Teilnehmenden ihre Meinung frei äußern können und dabei tiefergehende Betrachtungen zum Thema anstellen können. Auf der Basis der Auswertung der Diskussionsgruppen, die auf Video aufgezeichnet wurden, konnten fünf Stressoren identifiziert werden: Konfrontation mit unangemessenen Inhalten, Angebundensein (statt Loslassenkönnen), Verlust an Privatheit und Kontrolle, sozialer Vergleich, der zu Eifersucht führt, und Beziehungskonflikt.

Warum Personen Facebook nutzen, wenn sie sich dabei häufig gestresst fühlen, wird mit Hinweis darauf, dass sie sich verpflichtet fühlen, Facebook zu starten, um nichts zu verpassen, beantwortet. Die Befragung wurde aufgrund eines Vorverständnisses der Facebook-Nutzung entwickelt. Durch die narrative Analyse wurde ein verbessertes Gegenstandsverständnis erzielt. Dieses kann genutzt werden, um darauf aufbauend in weiteren Studien das Gegenstandverständnis zu erweitern. Damit wird die Testphase der PATHS-Methode eingeleitet.

1.2.3 Phase 3 des Anwendungsprozesses: Test

Die dritte Phase der Anwendung ist die Testphase. Sie bezieht sich darauf, das Erklärungsmodell, das in der zweiten Phase entworfen wurde und idealerweise als Prozessmodell darstellbar ist, zu optimieren und zu überprüfen. Im oben genannten Beispiel besteht das Prozessmodell aus der Annahme, dass aus Sorge etwas zu verpassen eine intensive Facebook-Nutzung ausgelöst wird, die dann verschiedene Stressoren beinhaltet.

In der Testphase ist als Erstes zu klären, worum es geht bzw. welches konkrete Ziel erreicht werden soll. Im Beispiel des Spendenaufrufs wäre das Ziel, möglichst viele Spenden zu erhalten. Im Beispiel der Stressoren der Facebook-Nutzung wäre das eine Reduktion der Stressoren auf den fünf Stressdimensionen, die in der Studie von Fox und Moreland (2015) identifiziert wurden. Diese Ziele werden in der PATHS-Methode als die Kriterien aufgefasst. Die Auswahl solcher Kriterien sollte bestimmten Empfehlungen folgen, die besagen, dass Relevanz für das Problem bestehen sollte und dass die Kriterien spezifisch und konkret formuliert sowie quantitativ abstufbar sein sollten. Letztere Empfehlung wird deshalb gegeben, weil sich Voraussagen bezogen auf »mehr« und »weniger« gut nachvollziehen lassen und weil quantitative Verfahren bei der Evaluation des Erfolgs der Intervention besonders aussagekräftig sind.

Im Beispiel des Spendenaufrufs sind diese Kriterien erfüllt, wenn der Betrag des Spendenaufkommens gemessen wird. Beim zweiten Beispiel (Stressfaktoren der Facebook-Nutzung) ergibt sich die Notwendigkeit, die fünf Stressdimensionen zu operationalisieren. Die Natur der Stressfaktoren führt zu der Annahme, dass sie quantitativ messbar sind. Tatsächlich werden in der Stressforschung häufig quantitative Stressskalen verwendet (Taylor et al., 2003). Merkmale wie die Auslösung von Beziehungskonflikten lassen sich durch Interviewfragen quantifizieren (z. B. Wie häufig führt die Facebook-Nutzung zu der Auslösung von Beziehungskonflikten im privaten Umfeld: sehr häufig, häufig, manchmal, selten, nie).

Das Prozessmodell verbindet in Diagrammform verschiedene Einflussvariablen mit dem Kriterium. Dabei wird danach unterschieden, ob der erwartete Zusammenhang positiv oder negativ ist. Außerdem wird gelegentlich zwischen verschiedenen Facetten einer Einflussvariable unterschieden, die das Kriterium beeinflusst. Im o. g. Beispiel der Angst, etwas auf Facebook zu verpassen, könnte unterschieden werden, ob sich die Angst darauf bezieht, Rückmeldungen über die eigene Selbstdarstellung zu verpassen, oder darauf, dass den Nutzenden wichtige Informationen über bevorstehende Ereignisse entgehen.

1.2.4 Phase 4 des Anwendungsprozesses: Helfen

Die vierte Phase der PATHS-Methode, die mit Helfen bezeichnet wird, bezieht sich auf die Entwicklung einer Intervention. Diese wird so gestaltet, dass Variablen modifiziert werden, die in dem Prozessmodell enthalten sind. Dabei wird nicht verlangt, dass alle Einflussfaktoren, die in dem Prozessmodell enthalten sind, gleichzeitig verändert werden. Vielmehr liegt es aus pragmatischer Sicht nahe, solche Einflussfaktoren auf das Kriterium zu modifizieren, die sich leicht verändern lassen und die einen möglichst großen Effekt auf das Kriterium haben.

Typischerweise lassen sich Einflussfaktoren wie Persönlichkeit nur geringfügig oder überhaupt nicht verändern. Daher sind Interventionen, die auf Persönlichkeitsveränderung abzielen, nicht empfehlenswert. Hingegen sind situative Veränderungen vielversprechender. Dazu zählen auch staatliche Regulierungen, wie sie beispielsweise dadurch zustande kommen, dass Produkte, deren Konsum gesundheitsschädlich ist, mit hohen Steuern belegt werden. Was die vermutete Effektgröße angeht, kann sich die Anwendung an empirischen Forschungsergebnissen orientieren oder an plausiblen Einschätzungen, die auf früheren Erfahrungen oder Generalisierungen aus ähnlichen Situationen resultieren.

Kommunikation (▶ Kap. 4) ist ein zentrales Mittel der Implementierung einer Intervention. Denn die Umsetzung der Intervention beruht in der Regel auf gelungener Kommunikation auf der Basis von standardisierten Botschaften. Nehmen wir das Beispiel der Reduktion von Facebook-Stress. Die Zielgruppe für eine entsprechende Intervention ist eher jung. Erfolgreiche Kommunikation verwendet solche Kanäle, die die Zielgruppe gut erreichen können. Die meisten Menschen werden z. B. keine Fachliteratur lesen, sodass diese keinen geeigneten Kanal der Beeinflussung darstellt. Stattdessen wird der Schwerpunkt auf solchen Kanälen liegen, durch die die Zielpersonen regelmäßig erreicht werden. Wenn es beispielsweise um die Beseitigung von Informationsdefiziten in der Zielgruppe geht, kann eine Informationskampagne sinnvoll sein, die Printmedien verwendet. Ein Beispiel ist das Magazin »Metropole Ruhr« im Ruhrgebiet, das kostenlos verteilt wird und eine große Verbreitung gerade auch bei jungen Leuten erreicht. Ähnliches gilt für viele Stadt‍(teil)‌zeitungen, die in Städten über Bibliotheken, Kneipen und Mensen regelmäßig verteilt werden, und regionale und überregionale Studierendenzeitungen.

Im Weiteren geht es auch darum, den Inhalt der Kommunikation zu optimieren. Dabei ist zu bedenken, dass viele Zielpersonen die Glaubwürdigkeit einer Kommunikation anzweifeln und wenig Vertrauen in die Öffentlichkeit haben. Diese Kommunikationshindernisse können durch Verwendung bewährter Methoden wie die Darstellung von Vorbildern und Modellen, Verwendung von Anreiz- und Feedbacksystemen, die erwünschtes Verhalten belohnen und unerwünschtes Verhalten mit negativer Rückmeldung verbinden, Zielvereinbarung und andere Kommunikationstechniken reduziert werden.

Die Anwendung von sozialpsychologischem Wissen findet in der gesellschaftlichen Wirklichkeit statt, die in vielen Fällen komplex determiniert ist. Daher ist für eine umfassende Diagnose der Ausgangslage vor einer Intervention Einsicht in die Gegebenheiten vor Ort erforderlich (Bierhoff & Auhagen, 2004). Dafür ist die genaue Kenntnis der Besonderheiten des Anwendungsbereichs wünschenswert, außerdem sollte Hintergrundwissen über die Entwicklung des Anwendungsbereichs von der Vergangenheit bis zur Gegenwart vorhanden sein. Die dritte Kompetenz, die für eine erfolgreiche Anwendung grundlegend ist, besteht in der einschlägigen Fachkompetenz, die auf Anwendungswissen beruht. Das Anwendungswissen bezieht sich sowohl auf die erforderlichen Spezialgebiete als auch auf das Wissen über die Methoden einer erfolgreichen Anwendung.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen angewandter Sozialpsychologie und sozialpsychologischen Theorien? Eine überzeugende Antwort ergibt sich auf der Grundlage von Kurt Lewins Motto: »Es gibt nichts, was so praktisch wäre wie eine gute Theorie« (Hauser, Frey & Bierhoff, 2016). Lewin bringt Theorie und Praxis in unmittelbaren Zusammenhang. Er betont, dass gute sozialpsychologische Theorien für die Praxis als Orientierungssysteme relevant sind. Gute Theorien sind solche, die Sachverhalte beschreiben, erklären und vorhersagen sowie Interventionen zur Lösung vorhandener Probleme nahelegen (Hauser et al., 2016, S. 63). Danach lassen sich Theorien in der Praxis nutzen. Dieser Gedanke wurde weiter oben schon in Zusammenhang mit der PATHS-Methode thematisiert. Denn die Phase der Analyse beinhaltet die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem zu lösenden Problem und psychologischen Variablen, auf deren Basis sich die Ursachen des Problems verstehen lassen (Buunk et al., 2021).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bei der Anwendung in Übereinstimmung mit Kurt Lewins Motto darum geht, dass ein (unerwünschter) Tatbestand gegeben ist (= Problem), der zu Ursachen in Beziehung gesetzt wird (= Analyse). Dies führt zur Generierung von Zielen bzw. Kriterien (= Test), die angestrebt werden sollen, indem eine Intervention geplant wird (= Hilfe), die dazu dient, die unerwünschten Gegebenheiten zu verringern oder ganz zu beseitigen.

1.2.5 Phase 5 des Anwendungsprozesses: Erfolgsbewertung

Eine Intervention kann gut gemeint sein, aber sie kann trotzdem erfolglos sein. Zur Bewertung des Erfolgs der Intervention ist eine Erfolgsbewertung erforderlich. Dazu werden im günstigsten Fall verschiedene experimentelle und quasiexperimentelle Techniken verwendet (vgl. Bierhoff & Petermann, 2014). Im Einzelnen lässt sich eine »Leiter« der Aussagekraft der Interventionsbewertungen aufstellen (Buunk et al., 2021):

·

Die schwächsten Evidenzen für den Erfolg der Intervention (und damit die untersten Stufen der Leiter) resultieren aus deskriptiven Studien, Metaanalysen auf der Basis bestimmter umfangreicher Forschungen über ganze Forschungsbereiche sowie Gruppeninterviews,

·

während überzeugendere Evidenz (und damit die höchsten Stufen der Leiter) auf Vorher-Nachher-Vergleichen, Übereinstimmung mit einem Benchmark (also mit einem festgelegten Vergleichsmaßstab) und Quasiexperimenten bzw. Experimenten beruht.

Natürlich wird für die Evaluation nach Möglichkeit stärkere Evidenz gegenüber schwächerer Evidenz bevorzugt. Neben dieser Evaluation von Effekten der Intervention ist es auch sinnvoll, den Erfolg der Implementation der Intervention als Prozess zu bewerten. Unter diese Prozessbewertung fallen die Beurteilung der Frage, ob alle Zielpersonen der Intervention ausgesetzt wurden und ob sie die Intervention positiv bewertet haben. Außerdem kann nachverfolgt werden, wie die Zielpersonen gewonnen wurden und in welchem sozialen/politischen Kontext die Intervention stattfand. So kann es z. B. sein, dass eine bestimmte Kommunikation mit der dominanten Meinungsbildung in der öffentlichen Diskussion übereinstimmt oder ihr widerspricht. Im erstgenannten Fall kann die Intervention vermutlich erfolgreicher umgesetzt werden als im letztgenannten Fall.

1.3 Welches Wissen zur Veränderung und Optimierung von unerwünschten Sachverhalten steht in unterschiedlichen Anwendungsbereichen zur Verfügung?

Die Teilgebiete der angewandten Sozialpsychologie sind: Politische Psychologie, Wirtschaftspsychologie, Medienpsychologie, Werbepsychologie, Sportpsychologie, Rechtspsychologie, Gesundheitspsychologie, Positive Psychologie, Arbeitspsychologie, Personalpsychologie, Organisationspsychologie, Familienpsychologie, Rehabilitationspsychologie, Klinische Psychologie, Schulpsychologie und Umweltpsychologie (vgl. Bierhoff & Herner, 2002). Die in diesem Buch behandelten Themen lassen sich den folgenden Teilgebieten zuordnen: der Klinischen und Gesundheitspsychologie (z. B. »Klinische Sozialpsychologie«), der Positiven Psychologie (z. B. »Freiwilligenarbeit: Solidarität und Commitment im Zeitalter der Selbstbestimmung«) und Familienpsychologie (»Freundschaft, Liebe und Partnerschaft«), der Arbeits-‍, Wirtschafts- und Organisationspsychologie (z. B. »Digitalisierung in der Arbeitswelt«), der Medienpsychologie (z. B. »Warum wir soziale Medien nutzen«, »Was soziale Medien mit uns machen«), der Umweltpsychologie (z. B. »Psychologie der Nachhaltigkeit«) und Rechtspsychologie (»Grundlagen der Forensischen Psychologie am Beispiel der ›Sexualdelinquenz‹«) sowie der Politischen Psychologie (»Diversity und Migration: Ein kritischer Überblick«).

1.4 Welche Schwerpunkte werden in diesem Lehrbuch gesetzt?

Dieses Lehrbuch ist für Studierende und Interessierte gedacht, die ein psychosoziales Berufsfeld anstreben, sowie für sozialwissenschaftliche Studiengänge, in denen gesellschaftlich relevante Themen gelehrt und erforscht werden. In diesem Buch werden theoretische Ansätze und Erkenntnisse aus Forschungsbefunden in Bezug zu Praxisfeldern gestellt (z. B. Mediation eines Umweltkonflikts). Um die Lesbarkeit zu erhöhen, werden die folgenden didaktischen Mittel eingesetzt: Definitionen, Merksätze, Exkurse, Studien und Fallbeispiele. Grundsätzlich kann in unserem Lehrbuch zwischen einem Grundlagen- und einem Anwendungsteil unterschieden werden.

Im Grundlagenteil werden auf dem aktuellen Forschungsstand grundständige und basale Themen und Theorien der Sozialpsychologie behandelt, die vor allem auch für ihre praktische Umsetzung und Anwendung bedeutsam sind. Dazu zählen: »Soziale Vergleiche« von Jan Crusius (▶ Kap. 2), »Zielverfolgung: Selbstregulation und -kontrolle« von Kai Sassenberg und Team (▶ Kap. 3), »Kommunikation« von Mathias Blanz (▶ Kap. 4), »Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung« von Bernd Six (▶ Kap. 5) und »Achtsamkeit« von Johannes Michalak und Team (▶ Kap. 6). Die Kapitel zu »Sozialen Vergleichen« und »Zielverfolgung: Selbstregulation und -kontrolle« geben dabei einen Überblick zu grundlegenden motivationspsychologischen Überlegungen und dadurch bedingten Gefühlen, Gedanken und zwischenmenschlichem Verhalten. Eine weitere Grundlage für zwischenmenschliches Verhalten stellt dabei die interpersonale Kommunikation dar, die in Kapitel 4 behandelt wird (▶ Kap. 4). Kapitel 5 und 6 (▶ Kap. 5, ▶ Kap. 6) stellen eine Schnittmenge aus theoretischen Gesichtspunkten (wie dispositionelle Gründe für Rassismus, Sexismus oder soziale Diskriminierung) und deren angewandte Umsetzung dar (Abnahme von Vorurteilen durch Förderung von Intergruppenkontakt).

Der Anwendungsteil umfasst 15 Kapitel, die verschiedenen Themenbereichen zugeordnet sind:

Positive Psychologie: »Glück und Flow-Erleben« von Corinna Peifer (▶ Kap. 7), »Freiwilligenarbeit: Solidarität und Commitment im Zeitalter der Selbstbestimmung« von Hans-Werner Bierhoff (▶ Kap. 8), »Freundschaft, Liebe und Partnerschaft« von Elke Rohmann (▶ Kap. 9), »Beratung und Coaching« von Corinna Peifer und Christopher Rauen (▶ Kap. 10) sowie »Konfliktmanagement und Mediation« von Anke Blöbaum (▶ Kap. 11); Neue Medien: »Warum wir soziale Medien nutzen« von Phillip Ozimek und Gabriel Brandenberg (▶ Kap. 12), »Was soziale Medien mit uns machen« von Julia Brailovskaia (▶ Kap. 13) und »Digitalisierung in der Arbeitswelt« von Gesa Linnemann und Team (▶ Kap. 14) sowie aktuelle Themen der angewandten Sozialpsychologie wie »Haben und Sein« von Jens Förster (▶ Kap. 15), »Psychologie der Nachhaltigkeit« von Marcel Hunecke (▶ Kap. 16), »Verhaltensökonomie und Nudging« von Sonja Grelle und Wilhelm Hofmann (▶ Kap. 17), »Narzissmus als selbstregulatorisches System« von Stephanie Hanke (▶ Kap. 18), »Klinische Sozialpsychologie« von Annette van Randenborgh (▶ Kap. 19), »Grundlagen der Forensischen Psychologie am Beispiel der ›Sexualdelinquenz‹« von Andrej König (▶ Kap. 20) sowie »Diversity und Migration: Ein kritischer Überblick« von Petia Genkova (▶ Kap. 21).

Den Lesenden werden vielfältige Bereiche der angewandten Sozialpsychologie (exemplarisch) vorgestellt, sodass sie einen umfassenden Eindruck und einen ersten vertieften Einblick in die Materie gewinnen können. Dabei werden Fallbeispiele zur Veranschaulichung vorgestellt sowie bedeutsame und spannende Studien z. B. im Rahmen von Exkursen vertieft. Zuletzt finden Sie in jedem Kapitel dieses Buches offene Klausurfragen, über deren mögliche Beantwortung Sie vertiefend nachdenken können und die Ihnen eine gute Grundlage für eine mögliche Klausur in angewandter Sozialpsychologie bieten können.

Liebe Lesende,

wir hoffen, dass wir Sie für das überaus spannende Fach der angewandten Sozialpsychologie begeistern können, und wünschen Ihnen viel Erfolg beim Studium dieses Lehrbuches und selbstverständlich viel Spaß beim Lesen!

Phillip Ozimek, Hans-Werner Bierhoff, Elke Rohmann und Stephanie HankeDie Herausgebenden

Literatur

Anastasi, A. (1964). Fields of applied psychology. McGraw-Hill.

Buunk, A. P., Dijkstra, P. & van Vugt, M. (2021). Applying social psychology. From problems to solutions (3. Auflage). London: Sage.

Buunk, A. P. & van Vugt, M. (2008). Applying social psychology. From problems to solutions. Los Angeles: Sage.

Bierhoff, H.-W. & Auhagen, A. E. (2003). Angewandte Sozialpsychologie: Eine Standortbestimmung. In A. E. Auhagen & H.-W. Bierhoff (Hrsg.), Angewandte Sozialpsychologie. Das Praxishandbuch (S. 1 – 16). Weinheim: Beltz.

Bierhoff, H.-W. & Herner, M. (2002). Begriffswörterbuch Sozialpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.

Bierhoff, H.-W. & Petermann, F. (2014). Forschungsmethoden der Psychologie. Göttingen: Hogrefe.

Feger, H. & von Hecker (1999). Einführung in die Sozialpsychologie. Band 1: Die intraindividuelle Perspektive. Lengerich: Pabst.

Fox, J. & Moreland, J. J. (2015). The dark side of social networking sites: An exploration of the relational and psychological stressors associated with Facebook use and affordances. Computers in Human Behavior, 45, 168 – 176.

Hauser, A., Frey, D. & Bierhoff, H.-W. (2016). Was die Psychologie im Innersten zusammenhält: Leben und Werk des Kurt Lewin. In H.-W. Bierhoff & D. Frey (Hrsg.), Selbst und soziale Kognition (Enzyklopädie der Psychologie, Serie Sozialpsychologie, Bd. 1, S. 55 – 77). Göttingen: Hogrefe.

Graf Hoyos C. (2000). Angewandte Psychologie. In G. Wenninger (Hrsg.), Lexikon der Psychologie (Band 1, S. 78 – 81). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

Haisch, J. (1983). Bedingungen der Anwendung sozialpsychologischen Wissens auf Fragestellungen der Praxis. Methodologische Regeln. In J. Haisch (Hrsg.), Angewandte Sozialpsychologie (S. 11 – 22). Bern: Huber.

Kleinbeck, U. (1992). Grundlagenforschung und Anwendung – ein Spannungsfeld zum Nutzen der Psychologie. In D. Frey, C. Graf Hoyos & D. Stahlberg (Hrsg.), Angewandte Psychologie. Ein Lehrbuch (S. 607 – 623). Weinheim: Beltz PVU.

Lösel, F. (1987). Konzeptuelle Probleme und Heuristiken der angewandten Sozialpsychologie. In J. Schultz-Gambard (Hrsg.), Angewandte Sozialpsychologie: Konzepte, Ergebnisse und Perspektiven (S. 29 – 42). Weinheim: Beltz PVU.

Münsterberg, H. (1913). Psychology and industrial efficiency. Boston: Houghton Mifflin.

Rosenstiel, L. v. (1994). Begriff der angewandten Psychologie. In L. v. Rosenstiel, C. M. Hockel & W. Molt (Hrsg.), Handbuch der Angewandten Psychologie: Grundlagen – Methoden – Praxis (S. 1 – 13). Landsberg/Lech: ecomed.

Taylor, S. E., Klein, L. C., Gruenewald, T. L., Gurung, R. A. R. & Fernandes-Taylor, S. (2003). Affiliation, social support, and biobehavioral responses. In J. Suls & K. A. Wallston (Eds.), Social psychological foundations of health and illness (S. 314 – 331). Oxford: Blackwell.

Teil IGrundlagen

2 Soziale Vergleiche

Jan Crusius

McKayla Maroney war bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London auf dem Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere als Turnerin. Ihre Vorbereitung hatte unter einem schlechten Stern gestanden. Sie trainierte mit einem gebrochenen Zeh und konnte so nicht bei allen ihrer Disziplinen antreten. Beim Sprung, ihrer Paradedisziplin, glänzte sie dennoch. Im ersten Versuch des Finales gelang ihr eine nahezu perfekte Leistung. Leider konnte sie den zweiten Versuch nicht landen, da sie sich vom Sprungtisch nicht richtig abgedrückt hatte. Die Leistung reichte zur Silbermedaille, aber Gold verfehlte sie nur ganz knapp. Ihr enttäuschtes Gesicht auf der zweiten Stufe des Podiums ging wenig später um die Welt (▶ Abb. 2.1).

Abb. 2.1:Die Turnerin MacKayla Maroney stellt zusammen mit Barack Obama den Gesichtsausdruck nach, mit dem sie nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen im Turnen über den Sport hinaus bekannt wurde (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barack_Obama_with_artistic_gymnastic_McKayla_Maroney_2.jpg).

Tatsächlich ist McKayla Maroneys verhaltene Freude über ihre eigentlich exzellente sportliche Leistung nicht ungewöhnlich. Das ergab beispielsweise eine Analyse spontan gezeigter Freude bei Olympia-Siegerehrungen. Gewinnerinnen und Gewinner von Bronzemedaillen freuten sich durchschnittlich mehr als jene mit Silbermedaillen – obwohl diese eigentlich besser abgeschnitten hatten (Medvec, Madey & Gilovich, 1995). Eine Erklärung dafür liegt in den unterschiedlichen Vergleichen, die sich bei Silber im Gegensatz zu Gold aufdrängen. Bei einer Silbermedaille liegt eher das Bedauern nahe, eine Goldmedaille gerade verpasst zu haben und auf dem Treppchen eine Stufe niedriger zu stehen. Hingegen dominiert bei einer Bronzemedaille womöglich eher die Erleichterung darüber, überhaupt auf dem Podium zu stehen und nicht auf dem undankbaren vierten Platz gelandet zu sein.

Das Beispiel zeigt, dass es sehr darauf ankommen kann, wie wir über uns in Relation zu anderen um uns herum nachdenken und fühlen. Diesen mentalen Prozess, bei dem Menschen ihre Einschätzungen über sich selbst in Beziehung zu anderen Menschen setzen, nennt man sozialen Vergleich.

Definition

Als sozialen Vergleich bezeichnet man den mentalen Prozess, bei dem Menschen die Einschätzungen über sich selbst in Beziehung zu anderen Menschen setzen.

Vergleiche mit anderen spielen eine wichtige Rolle dabei, wie Menschen sich selbst und andere ergründen. Es kann hier, wie bei McKayla Maroney, um Leistungen in wichtigen Lebensbereichen gehen. Soziale Vergleiche kennzeichnen auch, wie wir über unsere Charaktereigenschaften, unseren Besitz, unser Aussehen oder über unsere Überzeugungen und Einstellungen denken. Vielfältige psychologische Forschung legt nahe, dass soziale Vergleiche über diesen Weg einen starken Einfluss darauf haben können, wie motiviert Menschen lernen, welche Konsumentscheidungen sie treffen, welchen sozialen Gruppen sie sich anschließen, wie sie mit schweren Krankheiten umgehen, wie sie auf soziale Ungerechtigkeit reagieren und vieles andere mehr. Ziel dieser Forschung ist zu bestimmen, warum sich Menschen mit anderen vergleichen, mit wem sie sich vergleichen und auf welchen Wegen Vergleiche Denken, Fühlen und Verhalten beeinflussen. Die Hoffnung: Wenn wir die Mechanismen sozialer Vergleiche verstehen, ergeben sich nützliche Ansätze dafür, soziales Verhalten zu erklären und zu verändern.

2.1 Wozu dienen soziale Vergleiche?

Die Forschung zu sozialen Vergleichen wurde in den 1950er Jahren durch Leon Festinger begründet. Er interessierte sich dafür, warum Menschen sich in ihren Einstellungen und Meinungen anderen Menschen in ihrem Umfeld angleichen. Er war davon überzeugt, dass dabei soziale Vergleiche eine wichtige Rolle spielen. Aus diesen Überlegungen entwickelte er schließlich seine Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger, 1954).

2.1.1 Das Motiv akkurater Selbsteinschätzung

Eine zentrale Annahme der Theorie ist, dass es Menschen ein wichtiges Bedürfnis ist, genaues Wissen über sich selbst zu haben. Welche Fähigkeiten habe ich? Sind meine Überzeugungen korrekt? Dafür suchen sie nach Informationen über Vergleiche mit anderen Menschen. Festinger vermutete also, dass soziale Vergleiche in erster Linie der akkuraten Selbsteinschätzung dienen.

Festinger argumentierte, dass Menschen dann auf soziale Vergleiche als Informationsquelle zurückgreifen, wenn Daten über objektive Kriterien nicht verfügbar sind. Für Festinger stellen soziale Vergleiche also nur die zweite Wahl in der Selbsterkenntnis dar. Ironischerweise ist es gerade diese Annahme der Theorie, die von späterer Forschung angezweifelt wurde. Einiges spricht dafür, dass soziale Vergleiche sogar bedeutsamer sind, als Festinger glaubte. Das zeigt zum Beispiel Forschung, in der objektive und soziale Informationen gegenübergestellt wurden.

Studie

Wirken soziale Vergleiche selbst dann, wenn sie eigentlich nicht informativ sind? Klein (1997) gab den Teilnehmenden an einer Studie unterschiedliche Arten von Feedback über ihre vorgebliche Leistung in einem Fähigkeitstest, der über mehrere Runden ging. Sie mussten dabei einen bestimmten Punktwert erreichen, um einen Preis erhalten zu können. Die Teilnehmenden erhielten zum einen absolute Information darüber, wie nah sie an dem Kriterium waren (40 % oder 60 % richtige Lösungen). Die Teilnehmenden erhielten aber auch relative Information darüber, ob sie im Vergleich zum Durchschnitt der Leistungen der anderen Teilnehmenden besser oder schlechter abschnitten.

Es zeigte sich, dass das objektive Feedback über die absoluten Punktwerte kaum Einfluss auf die Zufriedenheit mit der eigenen Leistung hatte. Hingegen war die relative Information aus dem sozialen Vergleich umso wichtiger. Vor allem aber wirkte sich diese soziale Information auf die Entscheidung aus, an einer weiteren Runde teilzunehmen, obwohl die Chance auf die Belohnung in der Studie nur von dem objektiven Kriterium abhing. Die Studie ist also ein Hinweis darauf, dass Menschen die Information aus sozialen Vergleichen sogar dann heranziehen, wenn sie nicht aussagekräftig ist.

Auf ihre Weise offenbart diese Forschung die Schwierigkeit, sich überhaupt Situationen vorzustellen, in denen soziale Information irrelevant ist. Klein (1997, siehe Studie oben) erreicht das über sehr geschicktes Vorgehen in einem etwas künstlich wirkenden Experiment. In der Realität bezieht sich Selbstbewertung aber typischerweise auf Dimensionen, deren Bedeutung nur durch den sozialen Vergleich entsteht. So kann McKayla Maroney ihre Leistung zwar an objektiven Kriterien wie ihrer erreichten Körperhaltung festmachen. Was das bedeutet, ist aber durch das soziale Umfeld definiert. Sportlich, intelligent oder musikalisch zu sein, heißt, dass man sportlicher, intelligenter oder musikalischer ist als andere. Aus dieser Sicht stehen objektive Informationen nur in vermeintlichem Gegensatz zu sozialen Informationen (Alicke, 2007).

Das heißt nicht, dass soziale Vergleiche unfehlbare Informationen über uns liefern oder dass wir immer die aussagekräftigsten Vergleiche heranziehen. Der Effekt der lokalen Dominanz (Zell & Alicke, 2010) zeigt, dass Menschen besonders stark durch Vergleiche mit »lokalen« Standards beeinflusst werden. Damit sind einzelne andere Personen gemeint, die sich in der unmittelbaren Umgebung befinden, also zum Beispiel Familienmitglieder, ein Klassenkamerad oder eine Kollegin. Aussagekräftigere Information liegt eigentlich in Vergleichen mit größeren Gruppen.

Ein Beispiel: Für Studierende wäre bei der Einschätzung der eigenen Studienleistung der Prozentrang im Vergleich zu den Studierenden im eigenen Fach besonders informativ. Solche abstrakten Informationen werden im Vergleich zu konkreten, lokalen Vergleichsstandards in der Selbsteinschätzung aber vernachlässigt. Zell und Alicke (2010) mutmaßen, dass selbst der moderne Mensch nur selten Zugriff auf zusammengefasste Informationen über sein soziales Umfeld hat. Im Normalfall sei aber auch der Vergleich mit den wenigen Personen aus unserer unmittelbaren Umgebung nützlich. Aus diesem Grund könnten wir dazu neigen, lokale Informationen heranzuziehen, selbst wenn uns eigentlich aussagekräftigere Vergleiche zur Verfügung stehen.

Vergleiche mit Menschen aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld sind also besonders wahrscheinlich und effektvoll. Die Folgen dieser Tendenz lassen sich in wichtigen Lebensbereichen nachweisen, in denen Leistungsfeedback bedeutsam ist. Viel beforscht wurde die Frage, wie es sich auswirkt, wenn Schülerinnen und Schüler in weiterführende Schulen kommen, in denen stärker oder weniger stark nach Vorleistungen selektiert wurde. Diese Forschung zum sogenannten Fischteich-Effekt (siehe Exkurs) zeigt, dass dies die Selbsteinschätzung von schulischen Leistungen beeinflusst.

Exkurs: Der Fischteich-Effekt

Der Fischteich-Effekt (▶ Abb. 2.2) ist ein Beispiel für die Folgen der unmittelbaren Referenzgruppe. Der Name des Effekts (in der englischsprachigen Literatur »Big-Fish-Little-Pond Effect« genannt) ergibt sich aus einer Analogie: Ist es besser, ein »großer Fisch« in »einem kleinen Teich« zu sein, oder umgekehrt? Vor dieser Entscheidung stehen beispielsweise Schülerinnen und Schüler, die eine weiterführende Schule wählen müssen. Eine Möglichkeit ist, als gute Schülerin in eine Schule mit normalem Leistungsniveau zu gehen und damit ein großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein. Eine andere Möglichkeit ist, eine Schule vorzuziehen, in der ein besonders hohes Leistungsniveau herrscht und damit ein kleiner Fisch in einem großen Teich zu sein.

Umfangreiche Forschung belegt, dass Schülerinnen und Schüler weniger von ihren eigenen schulischen Leistungen und Kompetenzen überzeugt sind, wenn das Leistungsniveau in ihrer Schule überdurchschnittlich hoch ist. Der Vergleich mit den überdurchschnittlich guten Mitschülerinnen und Mitschülern hat einen negativen Effekt auf das Selbstkonzept. Dieser Fischteich-Effekt ist über Kulturen und Altersstufen hinweg feststellbar. Er zeigt sich auch in anderen Leistungskontexten wie dem Sport. Längsschnittliche Studien legen zudem nahe, dass die Befunde kausal interpretierbar sind und langfristige Folgen haben (Marsh & Seaton, 2015).

Die paradoxe Wirkung des Fischteich-Effekts kann mit positiven Folgen von sozialen Vergleichen koexistieren. So zeigte sich in einer Untersuchung mit Schülerinnen und Schülern, dass Vergleiche mit selbstgewählten, moderat besseren Vorbildern im Klassenumfeld mit einer positiveren Selbsteinschätzung verbunden waren (Huguet et al., 2009). Dies war unabhängig von der negativen Wirkung des Fischteichs, die insgesamt aber stärker hervortrat. Die Erkenntnisse zum Fischteich-Effekt unterstreichen, dass eine zu starke Leistungsselektion Selbstkonzept und damit Entscheidungen, Motivation und Leistungen beeinträchtigen kann.

Abb. 2.2:Der Fischteich-Effekt. A) Sie kennen diese optische Täuschung sicher. Die Fische in der Mitte sind identisch. Das ist hier als Sinnbild für den Fischteich-Effekt gedacht: Auch in der Einschätzung von unseren Fähigkeiten kommt es auf den Kontext an. B) Der Fischteich-Effekt zeigt sich in einer schlechteren Selbsteinschätzung in einem Umfeld von besonders hoher Leistung (Abbildung angelehnt an Marsh & Seaton, 2015, S. 129).

Auch wenn der soziale Vergleich mit anderen nicht immer ohne Komplikationen abläuft, ist unsere Relation zu Eigenschaften, Meinungen und Leistungen anderer vermutlich dennoch eine äußerst nützliche Informationsquelle. Man kann Menschen also unterstellen, über soziale Vergleiche zu akkuraten Selbsteinschätzungen gelangen zu wollen.

2.1.2 Das Motiv der Selbstverbesserung

Soziale Vergleiche geben nicht nur darüber Auskunft, wo wir in Bezug auf wichtige Eigenschaften stehen. Es ist naheliegend, dass sie uns auch Handlungsanleitungen darüber liefern können, wie wir uns verbessern können (Taylor & Lobel, 1989). Der Vergleich mit anderen kann Vorhersagen darüber erlauben, ob wir Herausforderungen, die vor uns liegen, meistern können (Wheeler, Martin & Suls, 1997). Andere Menschen können zu höheren Leistungen inspirieren, indem sie uns als positive Rollenvorbilder (Lockwood & Kunda, 1997) oder als abschreckende Warnung vor Misserfolgen dienen (Lockwood, Jordan & Kunda, 2002). Ein weiteres Motiv für soziale Vergleiche kann also in der Selbstverbesserung liegen.

2.1.3 Das Streben nach positivem Selbstwert

Ein drittes Motiv für soziale Vergleiche ergibt sich aus einer allzu menschlichen Eigenschaft: Menschen wollen vor sich und vor anderen gut dastehen! Dass sich dieses Streben nach einem positiven Selbstwert (siehe z. B. Alicke & Sedikides, 2009) wenigstens mental gut erreichen lässt, zeigt sich zum Beispiel am sogenannten Better-Than-Average-Effekt. Fragt man Menschen danach, wie gut sie Auto fahren können, wie es um ihre Gesundheit steht oder wie moralisch sie sind, glaubt mehr als die Hälfte, dass sie überdurchschnittlich gut sind (Zell, Strickhouser, Sedikides & Alicke, 2020). Das Phänomen zeigt (im Mittel) also auch eine Abweichung von akkurater Selbsteinschätzung. Eine Erklärung dafür ist eine gewisse Flexibilität darin, mit wem wir uns vergleichen. Wir können uns geschickter, gesünder und moralischer fühlen, wenn wir uns gezielt mit anderen vergleichen, die in diesen Eigenschaften schlechter sind. Soziale Vergleiche können also dem Ziel dienen, sich die eigene Überlegenheit vor Augen zu führen und so den Selbstwert zu erhöhen (Taylor & Lobel, 1989; Wills, 1981).

Merke

Es gibt verschiedene Motive für soziale Vergleiche.

·

Akkurate Selbsteinschätzung: Welche Fähigkeiten habe ich? Sind meine Einstellungen und Werte korrekt?

·

Selbstverbesserung: Wie kann ich meine Leistung und Position verbessern?

·

Positiver Selbstwert: Wie kann ich ein positives Bild von mir selbst aufrechterhalten?

2.2 Mit wem vergleichen sich Menschen?

Vom Klassenzimmer bis zum Podium – das Leben bringt uns sicher häufig in Situationen, die uns andere Personen als sogenannte Vergleichsstandards geradezu aufdrängen. Wir haben aber auch Einfluss darauf, mit wem wir uns vergleichen. Dieser Wahl sind im Grunde keine Grenzen gesetzt. Ein Beispiel sind Vergleiche mit anderen, denen wir wegen ihrer herausragenden Leistungen oder Eigenschaften Bewunderung oder gar Verehrung entgegenbringen: Das sind oft enge Freundschaften (▶ Kap. 9), Verwandtschaften, Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte, also Personen aus dem nahen Umfeld. Menschen bewundern aber auch Stars, politische Führungspersonen, und gelegentlich sogar fiktive Personen oder religiöse Figuren (Schindler, Paech & Löwenbrück, 2015).

2.2.1 Vergleiche mit Ähnlichen

Die Forschung hat sich umfassend mit der Frage beschäftigt, was die Wahl dieser »Vergleichsstandards« bestimmt. Manche Vorhersagen ergeben sich bereits aus den möglichen Motiven für soziale Vergleiche. Festinger (1954) vermutete, dass wir uns vor allem mit anderen Menschen vergleichen, die uns auf der fraglichen Vergleichsdimension sehr ähnlich sind. Das ist insofern plausibel, da ein Vergleich mit sehr unähnlichen Menschen nicht diagnostisch für eine akkurate Selbsteinschätzung wäre. Beispielsweise würde eine Turnerin, die gerade mit dem Training begonnen hat, unweigerlich schlechter sein als McKayla Maroney auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, über Talent und Leistungen würde das nicht viel aussagen. Spätere Forschung spricht dafür, dass nicht allein die Ähnlichkeit auf der Vergleichsdimension die Bedeutsamkeit eines Vergleichsstandards bestimmen sollte. Besonders wichtig sollte die Vergleichbarkeit in Bezug auf mit der Vergleichsdimension verknüpften Eigenschaften sein (sog. related attributes, Goethals & Darley, 1977; Wheeler et al., 1997). Besonders aussagekräftig ist ein Vergleich dann, wenn die andere Person ähnliche Voraussetzungen hat, also zum Beispiel genauso alt ist, die gleichen Vorerfahrungen hat und ähnlich motiviert ist.

2.2.2 Richtung des Vergleichs

Bei Vergleichsdimensionen, die eine soziale Rangordnung von Fähigkeiten oder anderen Eigenschaften abbilden, spricht man bei Vergleichen mit ähnlichen Personen von lateralen Vergleichen. Wie häufig Menschen solche Vergleiche unternehmen, wurde beispielsweise mit dem Rank-Order-Paradigma untersucht (Wheeler, 1966). Darin erfahren Versuchsteilnehmende zunächst ihre eigene Leistung und ihren Rangplatz in einer Leistungsaufgabe, zum Beispiel einem Intelligenztest. Anschließend haben sie die Möglichkeit, mehr über andere Teilnehmende herauszufinden, von denen sie nur den Rangplatz kennen. Welche Person wählen sie als Vergleichsstandard? Eine Metaanalyse der Befunde von Studien zur Wahl von Vergleichsstandards (Gerber, Wheeler & Suls, 2018) zeigt, dass laterale Vergleiche in den Studien nicht selten vorkamen. Allerdings verglichen sich die Teilnehmenden häufiger in sogenannten Abwärtsvergleichen mit anderen, die schlechter abgeschnitten hatten als sie selbst. Am häufigsten waren aber Aufwärtsvergleiche, also Vergleiche mit anderen, die besser abgeschnitten hatten.

Wenn Sie an die Motive für soziale Vergleiche denken, können Sie bereits mögliche Gründe für Aufwärtsvergleiche und Abwärtsvergleiche identifizieren. Welche Funktionen die Wahl von bestimmten Vergleichsstandards erfüllt, wurde beispielsweise bei Menschen untersucht, die plötzlich schwer erkranken. Solche Gesundheitskrisen erfüllen alle Kriterien, für die Festinger (1954) eine besondere Nützlichkeit von sozialen Vergleiche vermutete: Gesundheit ist von höchster Bedeutung für uns. Zudem finden sich erkrankte Menschen in einer Situation mit unsicherer Zukunft und geringen objektiven Verhaltensstandards. In der Tat belegt ein breites Forschungsprogramm, wie bedeutsam soziale Vergleiche beim Beginn und im Verlauf von schweren Erkrankungen sind (Buunk & Gibbons, 1997).

Viele dieser Studien haben sich mit der Wahl von Vergleichsstandards beschäftigt. Beispielsweise berichtete die große Mehrheit der befragten Brustkrebspatientinnen einer klassischen Studie von Taylor, Wood und Lichtman (1985) von selbstberuhigenden Abwärtsvergleichen mit anderen Patientinnen, denen es noch schlechter ging. In anderen Studien zeigt sich, dass in einer solchen Situation Aufwärtsvergleiche ebenso nützlich sind und nicht notwendigerweise vermieden werden. Aufwärtsvergleiche könnten vor allem das Motiv der Selbstverbesserung unterstützen, indem sie Kontakt mit Rollenvorbildern fördern, die Motivation und Hoffnung auf Besserung steigern (Taylor & Lobel, 1989). Das sollte besonders bei Vergleichsstandards der Fall sein, deren Umgang mit der Krankheit etwas besser ist und die wahrgenommene Selbstwirksamkeit durch ein erreichbares Ziel darstellen (Lockwood & Kunda, 1997).

Ein Beispiel für die komplementären Funktionen von Aufwärts- und Abwärtsvergleichen ist eine Studie, in der Krebspatientinnen und -patienten Tonaufnahmen von Interviews mit anderen Erkrankten hören durften (Stanton et al., 1999). Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer waren besonders an emotionaler Unterstützung und Informationen von Aufwärtsstandards interessiert, die im Umgang mit der Krankheit erfolgreich waren. Die Interviews mit Personen, die weniger gut zurechtkamen, reduzierten die Sorge über den eigenen Gesundheitszustand. Unabhängig von der Wahl des Vergleichsstandards führte das Hören der Interviews zu einer positiveren Einschätzung der eigenen Situation. Diese Befunde sind ein Hinweis darauf, dass sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsvergleiche für Patientinnen und Patienten nützlich sein können.

Merke

Man unterscheidet laterale Vergleiche, Aufwärtsvergleiche und Abwärtsvergleiche. Die Wahl der Vergleichsstandards kann durch unterschiedliche Motive für soziale Vergleiche mitbestimmt sein. Mit wem sich Menschen vergleichen, kann aber auch durch die Situation vorgegeben sein.

2.3 Welche Konsequenzen haben soziale Vergleiche?

2.3.1 Assimilation und Kontrast als Folge von sozialen Vergleichen

Fühlen wir uns von einem erfolgreichen Vorbild beflügelt oder entmutigt? Die Beispiele aus Sport, Bildung und Gesundheit deuten bereits an, dass sich soziale Vergleiche auf vielfältige Weise auf die menschliche Psyche auswirken können. Am meisten beforscht wurden die Folgen sozialer Vergleiche dafür, wie Menschen ihre eigenen Einstellungen oder Fähigkeiten einschätzen. Manchmal zeigt sich in dieser Forschung, dass sich die Selbsteinschätzung an die wahrgenommenen Eigenschaften der Vergleichsstandards annähert. Man spricht dann von Assimilation. Auf Leistungsdimensionen führen Vergleiche mit besseren Personen dann zu einer höheren Selbsteinschätzung, während Vergleiche mit schlechteren Personen zu einer niedrigen Selbsteinschätzung führen. Phänomene wie der Fischteich-Effekt (siehe Exkurs) zeigen aber, dass Vergleiche auch zu Kontrast in der Selbsteinschätzung führen können. Ein besonders hohes Leistungsniveau in einer Schulklasse kann dann dazu führen, dass sich Schülerinnen und Schüler durch den anspruchsvollen Vergleich schlechter bewerten.

Ob Vergleiche häufiger assimilative oder eher kontrastive Folgen haben, ist sehr umstritten. Eine jüngere Metaanalyse (Gerber et al., 2018) legt nahe, dass Kontrast die dominierende Folge von sozialen Vergleichen ist. Die Analyse beruht vor allem auf einer Zusammenschau von Laborstudien, in denen Versuchsteilnehmende mit hohen oder niedrigen Vergleichsstandards konfrontiert wurden. Dies veränderte die Selbsteinschätzung in diesen »Reaktionsstudien« häufig in die entgegengesetzte Richtung. Allerdings ist unklar, ob die in den Laborstudien ausgewählten Vergleichsstandards und Vergleichsdimensionen ein repräsentatives Abbild der Vergleiche darstellen, die im menschlichen Alltag relevant sind. Bedeutsamer für die Anwendung ist vielleicht auch die Frage, welche Faktoren zu kontrastiven oder assimilative Vergleichen beitragen können. Wenn wir dies wissen, eröffnen sich möglicherweise Wege, schädliche Folgen von bedrohlichen Vergleichen abzumildern und nützliche Konsequenzen von Vergleichen zu fördern.

Eine einflussreiche Theorie zur Erklärung von Assimilation und Kontrast in sozialen Vergleichen ist das Modell selektiver Zugänglichkeit (Mussweiler, 2003). Die Theorie besagt, dass Menschen beim Vergleichen zuerst einen initialen Gesamteindruck bilden: Ist mir die andere Person eher ähnlich oder unähnlich? Im Anschluss überprüfen sie diese Ähnlichkeitshypothese, indem sie bestätigende Information suchen und in den meisten Fällen auch finden. Diese Information ist dann mental besonders gut zugänglich. Bei der anfänglichen Vermutung, dass die andere Person ähnlich ist, führt die bestätigende Ähnlichkeitsinformation zu Assimilation in der Selbsteinschätzung. Bei der anfänglichen Vermutung, dass die andere Person unähnlich ist, führt die bestätigende Unähnlichkeitsinformation zu Kontrast in der Selbsteinschätzung.

Eine Stärke der Theorie ist, dass sie ein einheitliches Erklärungsmodell für die vielen unterschiedliche Faktoren darstellt, die laut der vielfältigen Forschung zu Assimilation und Kontrast führen können. Beispielsweise sind kontrastive Vergleiche wahrscheinlicher, wenn Menschen mit sehr viel besseren oder schlechteren, also extremen Vergleichsstandards konfrontiert werden. Hingegen führen moderate Vergleichsstandards eher zu Assimilation. Ebenso führen Vergleiche mit anderen Menschen, die anderen sozialen Gruppen angehören als wir selbst oder mit denen wir im Wettbewerb stehen, eher zu Kontrast als Vergleiche mit Gruppenmitgliedern und Menschen, mit denen wir kooperieren (siehe Mussweiler, 2003 für eine Zusammenfassung der Forschung). Aus der Sicht des Modells der selektiven Zugänglichkeit beeinflussen all diese Faktoren über die anfängliche Ähnlichkeits- bzw. Unähnlichkeitshypothese die Suche nach bestätigender Information im Vergleich, die spätere Folgen für Selbsteinschätzung bestimmt. Die Metaanalyse von Gerber et al. (2018) findet Belege dafür, dass schon die gedankliche Ausrichtung auf Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit vor dem Vergleich die Neigung zu Assimilation und Kontrast beeinflussen kann. Die Gesamtschau der Datenlage zeigt aber auch, dass die Befunde teilweise mit Vorsicht interpretiert werden sollten und dass weitere Forschung mit höherer statistischer Aussagekraft nötig ist.

Merke

Soziale Vergleiche können zu Assimilation und Kontrast in der Selbsteinschätzung führen. Eine Erklärung dafür liegt in der Suche nach bestätigender Information für initiale Ähnlichkeitsurteile. Diese können von zahlreichen Kontextfaktoren beeinflusst werden und so das Ergebnis des Vergleichs mitbestimmen.

2.3.2 Emotionale und motivationale Folgen von sozialen Vergleichen

Das Modell selektiver Zugänglichkeit zielt darauf ab, grundlegende kognitive Mechanismen von Vergleichen und deren Konsequenzen für Urteile zusammenzufassen. Andere theoretische Ansätze fokussieren hingegen auf emotionale und motivationale Folgen von spezifischen sozialen Vergleichen. Ein wichtiges Beispiel ist die Theorie der Selbstwerterhaltung von Tesser (1988), die sich mit bedrohlichen Aufwärtsvergleichen beschäftigt. Laut der Theorie sind solche kontrastiven sozialen Vergleiche besonders wahrscheinlich und schmerzhaft, wenn uns andere Menschen überflügeln, die uns sehr ähnlich und psychologisch nah sind, und wenn die Domäne des Vergleichs eine hohe persönliche Relevanz besitzt. Wenn eine WG-Mitbewohnerin aus dem gleichen Studienfach mit einem besseren Notendurchschnitt ein Stipendium bekommt, auf dass Sie sich auch beworben haben, sollte das besonders weh tun. Beruht ihr Erfolg auf Leistungen in einem anderen Fach, hat dies für Ihren Selbstwert hingegen weniger Bedeutung und die gemeinsame Freude überwiegt möglicherweise.