ANNA - Ein Sommer in Cefalù - Hermann Braun - E-Book

ANNA - Ein Sommer in Cefalù E-Book

Hermann Braun

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Beschreibung

Enzo, ein junger Fischer aus Cefalù, einem beschaulichen Städtchen, gelegen an der Nordküste von Sizilien, kommt Ende der fünfziger Jahre als Gastarbeiter nach Mülheim an der Ruhr, wo er eine Anstellung auf der Zeche Wiesche findet. Nicht lange, und schon verstrickt er sich in amouröse Abenteuer bizarrster Art, geprägt von einer unersättlichen Gier nach sexueller Befriedung, was zu einem Doppelleben führt und zur Folge hat, dass er neben seinen beiden ehelichen Töchtern – Giulia und Alessia – mit Viola, zwei weitere Kinder – Anna und Sophia – mit Marga, seiner deutschen Geliebten, zeugt. Anna, inzwischen eine studierte Archäologin, begibt sich getrieben von einer unstillbaren Sehnsucht, was ihre jüngere Schwester Sophia nicht mit ihr teilt, auf die Suche nach ihrem Vater.

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Hermann Braun

ANNA

Ein Sommer in Cefalù

Engelsdorfer VerlagLeipzig2020

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

https://dnb.de/DE/Home/home_node.html abrufbar.

Copyright (2020) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Erster Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Zweiter Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Dritter Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Vierter Teil

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

ERSTER TEIL

Erstes Kapitel

Ein weiteres Mal richtet Enzo seinen, mit einem jetzt fast schon verzweifelten Blick auf seine Armbanduhr, die einst seinem Vater gehört hat, der kurz nach Kriegsende am 15. Mai 1946 mit 34 Jahren das bedauernswerte Opfer einer tragischen Verwechselung – zumindest nach Aussagen seiner Mutter – geworden war und sein Leben lassen musste.

Doch was sich vor vielen Jahren wirklich abgespielt hat, konnte er bis auf den heutigen Tag trotz hartnäckigen Nachfragens nicht in Erfahrung bringen. Denn immer stieß er auf eisiges Schweigen, wenn er seine Mutter darauf ansprach. Was ihn vermuten lässt, und woran er inzwischen sogar fest glaubt, dass etwas ganz Schlimmes dahintersteckt. Zumal er von seinem väterlichen Freund, Adriano, ein Freund seines verstorbenen Vaters seit Kindertagen, bislang ebenfalls nur ausweichende Antworten bekam, so, als bestünde ein Schweigekartell, das nicht umgangen werden kann oder darf. Und so saß er jetzt erwartungsvoll und in sich gekehrt in der kleinen, aber feinen Trattoria am Hafen, wobei seine Gedanken einzig um die reizende Schönheit kreisten, der er gestern erst vor dem kleinen Textilgeschäft begegnet war, bei dem sie eine Anstellung hat, auf der Via Giovanni Verga nahe der Via Roma von Cefalù. Und deren Bekanntschaft er nur machen konnte, indem er sich ein Herz gefasst und sie ganz spontan, aber mit einem bis zum Hals hinauf laut pochendem Herzen angesprochen hatte, um sie auf einen Espresso einzuladen. Worauf sie zu seiner Überraschung sofort, ohne groß zu zögern, eingegangen war, als wäre es verboten, nein zu sagen. Sei es wie es sei. Zumindest wartet er voller Sehnsucht darauf, dass sie ihr Versprechen einhält und kommt.

Und doch waren seine Gedanken plötzlich bei seinem Onkel Enrico in Germania, der ihm aus Mülheim an der Ruhr schrieb, dass die Möglichkeit bestünde, ihm auf der Zeche eine Anstellung zu verschaffen, bei der er selbst seit Anfang der Vierziger, inzwischen in der Werkzeugausgabe, arbeitet. Er müsste sich nur sehr schnell entscheiden. Was er auch sofort getan hätte, wenn da nicht seine kranke und pflegebedürftige Mutter wäre, der er nicht zumuten wollte, ihn nicht mehr in ihrer Nähe zu haben, für deren Unterhalt und Pflege er maßgeblich als der Älteste der Geschwister und einziger Sohn aufzukommen hat. Was ihn finanziell allerdings geradezu überfordert, denn der Verdienst ist sehr karg, den er bei einem alten Freund seines Vaters, dem guten Adriano, als Fischer verdient.

Und wie er jetzt so dasaß mit seinen gerade einmal 18 Jahren und seine Gedanken um zwei ganz entscheidende Dinge in seinem noch so jungen Leben kreisen, betrat endlich seine neue, genauso charmante wie schöne Bekanntschaft die Trattoria mit einem Lächeln im Gesicht, das sein Herz wie ein Sonnenstrahl im März traf. Aber nicht, ohne sich sogleich mit liebevollen Worten, gestenreich bei ihm zu entschuldigen, dass sie ihn so lange hatte warten lassen. Allerdings erreichten ihre Worte sein Ohr gar nicht, denn er schaute dabei geradezu wie hypnotisiert unablässig in ihre nachtschwarzen Augen. Kaum, dass sie an dem kleinen Tisch auf der überdachten Terrasse Platz genommen hatte, von wo aus man einen wunderschönen Blick über den Hafen genoss, kam der Wirt, für Enzos Geschmack viel zu schnell, an ihren Tisch geeilt, um sie mit einem geradezu provozierenden Lächeln nach ihren Wünschen zu fragen. Was von ihm durchaus zweideutig gemeint war.

Ja, auch der war sofort von ihr begeistert. Warum auch nicht, da er sich schon von weit weniger attraktiven Frauen in deren Bann gezogen fühlt! Was allerdings Enzo nicht verborgen geblieben war, weshalb er ihn mit einem unmissverständlichen Blick ansah, um ihn gleichzeitig ziemlich unwirsch anzufahren: „Mensch, lass das, Giovanni. Wir wollten sowieso gleich wieder gehen.“ Und dabei hatte er sie doch ganz bewusst in diese Trattoria eingeladen. Aber so viel Aufmerksamkeit durch den Casanova von einem Wirt für seine neue Freundin empfand er mehr als störend. Sodass er es nicht mehr für angebracht hielt, dem guten Giovanni seine neue Bekanntschaft persönlich vorzustellen.

Kaum dass sie beide hinausgegangen waren, steuerte Enzo bewusst auf eine kleine enge Gasse zu, in der sich eine kleine Cafeteria befand – nicht weit entfernt von der öffentliche Wäscherei, die durch eine Quelle aus dem oberhalb der Stadt liegenden Bergmassiv gespeist wurde – in der seine Mutter dereinst schon (als er noch ein kleiner Junge war) und mit ihr der halbe Ort, wie auch heute noch, für die ganze Familie die Wäsche wusch. Um sich gleich der Zeit zu erinnern, wie er dort unbeschwert mit all den anderen Kindern, während die Mütter die Wäsche wuschen, in dem Kellergewölbe herumgetollt war.

Viola bedeutete Enzo aber sofort, dass sie nicht sehr viel Zeit hätte, weil sie noch mit ihrer langjährigen Freundin verabredet sei, die sie schon von Kindesbeinen an kannte. Woran sie aber leider in dem Moment nicht gedacht hatte, als sie beide sich verabredeten. „Ach, wie schade“, entgegnete Enzo enttäuscht. „Gut, dann holen wir das eben nach. Sagen wir morgen?“ „Also gut, „rendez-vous ici, demain, même heure“, was eine Redewendung von ihr geworden war, nachdem sie Gennaro kennengelernt hatte, dessen Großeltern mütterlicherseits in jungen Jahren aus dem beschaulichen Fischerörtchen Le Lavandou in Südfrankreich nach Cefalù gezogen waren, und heißen soll: „Morgen um die gleiche Zeit am selben Ort!“ „Aber nein, nicht am selben Ort“, warf Enzo entsetzt ein. „Nein, nein! Besser dort in der Cafeteria. Einverstanden?“ Denn Enzo missfiel nun mal Giovannis Benehmen, das von zu viel an Eigeninteresse geprägt war.

Zumindest war das sein Gefühl. Weshalb er der Meinung war, solange der Besen noch nicht eingestielt ist, sollte er besondere Vorsicht walten lassen. Man weiß ja nie. Und doch empfand Enzo, dass sie beide, obwohl einander noch völlig fremd, sich schon sehr nah waren. Was aber auch Viola offensichtlich so empfand. Dadurch ermutigt fragte er sie, ob er sie ein Stück des Weges begleiten dürfe – ja, sogar bis nach Hause, sofern gestattet. Und sie stimmte zu. Auf dass beide gemeinsam zur nächstgelegenen Bushaltestation gingen, die ganz in der Nähe des Bahnhofes lag. Kaum dort angekommen, sahen sie auch schon den blau-gelb lackierten Bus der öffentlichen Verkehrsbetriebe um die Ecke biegen, der ziemlich ruckartig, als wären die Bremsen nicht in Ordnung, genau vor deren Nase hielt.

Der Busfahrer lachte freundlich, als er Viola sah, als würden sie sich schon sehr lange kennen, zumindest aber sehr gute Bekannte seien. Was Enzo nicht verborgen blieb und sofort einen Feuerstoß der Eifersucht in ihm auslöste. Worüber Viola nur milde zu lächeln wagte, begleitet von einer gewissen Besorgnis, da ihr die Folgen einer übersteigerten Eifersucht nicht fremd, ja, sogar in genauso schlechter wie bester Erinnerung sind.

Weshalb sie sich unversehens an ihren ehemaligen Freund Gennaro erinnert sah, mit dem sie bis vor kurzem noch im Briefwechsel stand, und der genau aus einer solchen Eifersucht heraus (sie war damals gerade erst 14 Jahre alt) einen anderen, jungen Mann umgebracht hatte. Wofür er für viele Jahre ins Jugendgefängnis wanderte. Und diese Strafe nunmehr bis auf den Tag genau seit über drei Jahren in einem Gefängnis in Palermo verbüßt.

Dem sie jetzt aber nicht mehr verbunden war, obwohl sie ihm damals ewige Treue versprochen und geschworen hatte, bis zum Tage seiner Entlassung auf ihn zu warten, und zwar aus purer Liebe zu ihm. Woran sie sich auch gehalten hätte, wenn er nicht von sich aus dieses ihm einst gegebene Versprechen mit der Begründung zurückgegeben hätte, dass er ihrer Zukunft nicht mehr im Wege stehen wollte, zumal sie letztlich keinerlei Schuld daran trüge.

Was allerdings nicht ganz der vollen Wahrheit entsprach. Da der eigentliche Grund in ihrem Verhalten Jungen gegenüber lag, wodurch sie letztlich mit verantwortlich für den unseligen Ausraster von Gennaro war und der sich in der Folge daraus ergebenen Tragödie, ausgelöst durch ihre mitunter sehr lockere und aufreizende Art mit den Jungen umzugehen, indem er den vermeintlichen Rivalen mit seinem Auto überfuhr. Was ihm aber nicht als Mord, sondern als Totschlag im Affekt mit Todesfolge ausgelegt worden war und zu einer langjährigen Freiheitsstrafe geführt hat.

Was bei Enzo, der sie die ganze Zeit über ansah, ein sichtbares Stirnrunzeln hervorrief, da er nicht wusste, wie er ihr langes Schweigen zu deuten hatte. Ach, wenn er doch nur wüsste, dachte er sich, was jetzt in ihrem schönen Kopf vorging. Sollte sie vielleicht daran denken, sich mit ihm nicht mehr treffen zu wollen, ihn, dessen Eifersucht sie vielleicht an Gennaro erinnert?

Es dauerte gar nicht lange und schon hielt der Bus ganz in der Nähe von Violas Wohnung. Worauf sie sich aber sofort voneinander verabschiedeten, da der Bus, der in entgegengesetzte Richtung fuhr, und den Enzo besteigen musste, um nach Hause zu kommen, schon hielt. Nach Hause jedoch ging er nicht, nachdem er am Bahnhof ausgestiegen war. Was sollte er denn auch dort, wo ihn niemand erwartet.

Also kehrte er wieder zur kleinen Trattoria zurück, um dort an genau demselben Tisch Platz zu nehmen, wo er vor einer Stunde schon mal gesessen hatte.

Ja, er verspürte wirklich keine Lust, in seine triste Zweizimmerwohnung zurückzukehren, die ihm eigentlich mehr eine Schlafstatt als ein Zuhause war. Also saß er wieder dort und schlürfte ein weiteres Mal seinen geliebten Espresso, den er aber, wenn er ihn dann an den Mund führte, nicht trank, sondern mit den Lippen nur kurz berührte.

Gegen 23 Uhr erhob er sich abrupt, um sich endlich auf den Weg zu seiner Wohnung zu machen. In der er sich, kaum angekommen, auch sofort schlafen legte. Die Nacht jedoch mehr durchwachte, als dass er sie durchschlief. Weil nebenan ein geradezu handfester Ehekrach ausgebrochen zu sein schien, bei dem er allerdings, bedingt durch die Hellhörigkeit der Wohnung, nicht nur den allgemeinen Lärm mitbekam, sondern bis ins kleinste Detail auch, worum es eigentlich ging. Was ihn jedoch gar nicht überraschte, denn auch er war vor diesem unausrottbaren Virus Eifersucht nicht gefeit.

Und als er gerade in Gedanken bei seiner neuen Bekanntschaft verweilte, wurde er unsanft durch rhythmisch quietschendes Bettgestell-Geräusch, das aus Richtung der besagten Nachbarwohnung kam, in die Realität zurückgeführt. Was er mit einem verständnisvollen Kopfnicken quittierte und als Signal deutete, dass damit der Ehekrach, zumindest für den Rest der Nacht, beendet sein durfte.

Irgendwie schlief er dann doch noch ein, um bis in den späten Vormittag durchzuschlafen.

Und da heute ein Sonntag war, sollte das auch nicht weiter schlimm sein. Denn er würde ja erst wieder gegen Mitternacht mit Adriano, der ihm inzwischen nicht nur ein guter Freund, sondern ein regelrechter Vaterersatz geworden war, zum Fischen aufs Meer hinausfahren. Und so verbrachte er die nächsten Stunden lesend und Radio hörend in dem kleinen Zimmer, das Wohnzimmer und Küche in einem war. Nicht aber ohne sich am späten Nachmittag, als der Hunger sich wieder bemerkbar machte, eine Portion Spaghetti A. O. P. (al dente versteht sich) zuzubereiten. Wobei er streng darauf achtete, dass die in dünne Scheiben geschnittene Knolle Knoblauch richtig zubereitet wurde. Ja, eine ganze Knolle, denn er liebte den Knoblauch geradezu. Was wahrscheinlich an dem Erbe seiner sarazenischen Vorfahren lag, wie er meint – wovon er ausgeht, dass er von ihnen abstammt. Und das, obwohl er sich für 18 Uhr mit seiner neuen Liebe verabredet hat. Er konnte es einfach nicht lassen dieser ihm angeborenen Leidenschaft zu frönen. Um jedoch diesen Geruch auf ein Mindestmaß zu reduzieren, wusste er sich mittels eines wirksamen Rezeptes seiner geliebten Großmutter zu bedienen. Und so hatte der von ihm so geliebte Knoblauch auch schon bald den von ihm bevorzugten Grad der Garung erreicht, indem die Färbung goldbraun war und mit einem für ihn unwiderstehlichen Duft behaftet, der ihn zuweilen in einen Zustand versetzte, der dem gleichkam, der sich an einer Pfeife Opium gütlich tat.

Nach dem, wenn auch recht bescheidenen, so doch sehr schmackhaften Mahl, legte er sich aufs Bett und schlief prompt in Gedanken an seine Viola, mit sich und der Welt zufrieden, tief und fest ein. Es dauerte aber gar nicht lange, so sein Empfinden, und schon wieder hörte er lautes Geschrei und Gezänk. Was aber nicht weiter tragisch war, denn daran hatte er sich inzwischen schon gewöhnt. Um sogleich erschrocken ein lautes „O Mamma mia!“, auszustoßen. Ja, er hatte glatt verschlafen und dadurch seine neue Liebe versetzt. Wogegen er jedoch in diesem Augenblick nichts mehr tun konnte, denn es war jetzt schon kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Weshalb er sich entschloss, sich für das bevorstehende Auslaufen mit Adriano auf dessen kleinem Fischerboot bereitzumachen.

Also zog er sich einen dicken graublauen Pullover über, dazu eine schon etwas in die Jahre gekommene weite Fischerhose an, wie sie hier üblich waren, und auch noch eine quittengelbe Gummijacke, die schon weitaus bessere Zeiten gesehen hatte, aber für den ihr bestimmten Zweck allemal ausreichte.

Nebenan schien der Krach ein weiteres Mal zu eskalieren, der aber aller Wahrscheinlichkeit nach schon bald wieder in das typische rhythmische Bettgestell-Quietschen übergehen wird. Mit diesen Gedanken schlenderte er hinunter zum alten Hafen, wo sein väterlicher Freund schon ungeduldig nach ihm Ausschau hielt.

Gähnend vor Müdigkeit oder auch vor Aufregung wegen der bevorstehenden Ausfahrt auf das etwas unruhige Meer, es könnte aber auch beides sein, begrüßte er Adriano, der seinen Gruß kurz aber freundlich erwiderte und die gerade noch im Mundwinkel hängende Zigarette ausspuckte, um zur Eile anzutreiben, indem er den Motor anwarf und Enzo bat, den Anker zu lichten, was noch von Hand getan werden musste. Was aber nicht ganz leicht war, denn der Anker wog so an die 25 bis vielleicht 30 kg. Was Enzos hochroten Kopf erklärt, denn das bedurfte bei seinen gerade mal 60 kg Körpergewicht schon einiger Anstrengung. Aber schließlich lag der Anker an Deck und die Fahrt konnte vom Hafen aus in Richtung offenes Meer beginnen.

Doch Adriano kontrollierte noch einmal – umsichtig wie immer –, ob alle Lichter und damit auch die Positionslampen eingeschaltet waren. Wobei er sich schon wieder, obwohl er gerade eine Zigarette zu Ende geraucht hatte, die nächste anzündete. Und jetzt kam auch Enzo in das kleine, enge Steuerhaus, quetschte sich an seinem väterlichen Freund vorbei, um sich wortlos auf die sehr schmale Bank zu setzen, während Adriano weiterhin aufrecht stehen blieb. Was er schon immer so getan hat und so lange tun wird, bis sie so weit aufs offene Meer hinaus geschippert sind, dass man die Umrisse der Stadt nur noch schemenhaft im fahlen Licht des Mondes erkennt.

Enzo war bekannt, dass Adriano, wovon er aber nichts wissen durfte, unter der schmalen Sitzbank immer eine Flasche Rotwein, sozusagen als Notproviant, versteckt hielt. Was aber ein genauso offenes Geheimnis war, wie die Tatsache, dass Adriano sich längst zur Angewohnheit gemacht hat, nach jedem erfolgreichen Fischzug geradezu wie von Zauberhand eine Flasche Rotwein in seinen schwieligen Händen zu halten. Um diese dann, wie jedes Mal, wieder mit einem uralten Korkenzieher (den er immer aus der linken Brusttasche seiner genauso alten wie abgetragenen warmen Jacke zog, und der noch aus der gemeinsamen Zeit mit Enzos Vater Francesco stammte) begleitet von einem breiten Grinsen, das sich von Ohr zu Ohr über sein schlitzohriges Gesicht erstreckt, zu öffnen. Was er inzwischen zu einem unerlässlichen, geradezu heiligen Ritual erhoben hatte und entsprechend zu zelebrieren verstand. Wobei er aber niemals zu erwähnen vergaß, dass der eigentliche Initiator dieser Zeremonie sein Jugendfreund Francesco, Enzos Vater, war. Was Enzo dabei wohltuend auffiel, dass Adrianos Augen dann immer in Angedenken an seinen Vater, der Adriano ein wirklich guter Freund gewesen war, einen feuchten Schimmer bekamen.

Ja, sein Vater und Adriano waren zwei wirklich echte Freunde, die eine Freundschaft verband, die man heute kaum noch findet. Und doch scheint der Geist dieser Freundschaft auch auf die zwischen Enzo und Adriano übergegangen zu sein – was Enzo sehr glücklich sein ließ.

Und just in diesem Augenblick rollt genau diese traditionsträchtige Flasche mit dem wunderbaren Rotwein bis fast an Enzos Füße heran. Die er gerade noch so eben fassen konnte, um sie, als wäre nichts geschehen, unbeschädigt wieder an den alten, geheimen Platz zurück zu manövrieren in der Hoffnung, dass dies vom alten Adriano unbemerkt geblieben war. Wobei er leider einem Irrtum erlegen war. Denn Adriano hatte seinerseits sehr wohl aus den Augenwinkeln heraus beobachtet, was gerade geschah. Aber sich ganz bewusst nichts anmerken lassen. Und so haftete nach wie vor diesem „geheimen“ Versteck der ominösen Weinflasche nach wie vor eine Art Nimbus an, den zu bewahren sie beide sich gleichermaßen stillschweigend verpflichtet fühlten.

Adriano bat Enzo plötzlich, das Steuer für eine gute Stunde zu übernehmen, da er noch ein wenig schlummern wollte, bevor sie an der gewohnten Stelle ankommen würden, um wie gewohnt die schweren Netze auszuwerfen. Adriano war zwar mit seinen zweiundfünfzig Jahren ein durchaus noch nicht verbrauchter Mann, aber im Vergleich zu Enzo mit seinen gerade einmal 18 Jahren nahezu drei Mal so alt, und deshalb auch in Enzos Augen ein schon sehr alter Mann.

Und so kauerte Adriano sich mehr schlecht als recht auf der unbequemen Sitzbank nieder, indem er seine Beine derart angewinkelt hielt, dass sie einzuschlafen drohten. Mehr Platz stand nicht zur Verfügung. Die dennoch bis an Enzos Füße heranreichten, sodass sie ständigen Körperkontakt hielten. Was Adriano aber nicht daran hinderte, schon bald einzuschlummern. Was Enzo durch Adrianos gleichmäßige Atemzüge, begleitet von einem ohrenbetäubenden Schnarchen, wahrnahm, als urplötzlich heftiger Wind aufkam, der sich im Nu zu einem ausgewachsenen Sturm auswuchs, sodass sich die Wellen, befrachtet mit hohen Schaumkämmen, über das kleine Fischerboot ergossen. Was so abrupt geschah, dass Adriano erschreckt in die Höhe schnellte, indem er gleichzeitig instinktiv mit seiner linken Hand ans Ruder griff, wobei er Enzo mit einer solchen Wucht zur Seite stieß, dass er mit dem Kopf, verstärkt durch die Kraft der hohen Wellen, derart heftig gegen die scharfkantige Einfassung der Verglasung des Steuerhauses stieß und sich eine schreckliche Platzwunde in Höhe der linken Schläfe zuzog. Aus der er so stark blutete, dass ihm das Blut über Ohr und Hals herunter tropfte, und die Blutung nur durch ein eilends aus der verbeulten Hosentasche gezogenes, schon stark verschmutztes Taschentuch zu stillen vermochte. Das alles hatte Adriano gar nicht mitbekommen, weil er seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit dem Manövrieren seines kleinen Bootes widmete, um nicht zu kentern.

So schnell wie der Sturm gekommen war, flaute er aber auch plötzlich wieder ab und es kehrte fast Windstille ein. Was Adriano aber keinesfalls beruhigte. Denn er wusste aus Erfahrung, dass sie sich in diesem Augenblick im Zentrum eines fast schon kleinen Hurrikans befanden, was bedeutete, dass der gleiche Zirkus schon bald wieder von Neuem losgehen würde. Und es dauerte wirklich keine fünf Minuten und der Sturm brach gewaltiger als vorher über sie herein. Adriano konnte schon bald nicht mehr die mächtigen Auf- und Ab- und die damit einhergehenden Schlingerbewegungen seines kleinen Bootes unter Kontrolle bringen, sodass das Boot kenterte.

Adriano hörte nur noch, wie Glas splitterte und Enzo gellend um Hilfe schrie, worauf er das Bewusstsein verlor. Als er wieder zu sich kam, war der Sturm abgeklungen. Das Boot aber lag in einer ca. 30-Grad-Neigung, wenn auch schwer beschädigt, so doch gottlob noch schwimmfähig im Wasser. Was großes Glück für beide war. Enzo war wie durch ein Wunder nicht von Bord gespült worden und hielt sich zwischen Ankerkette und Netzen liegend noch immer krampfhaft mit beiden Händen an einem Tau fest, das mit dem Boot fest verknotet war. Die Blutung an seiner linken Schläfe war inzwischen zum Stillstand gekommen, aber die Schwellung war faustgroß. Und so kauerte ein jeder für sich noch immer unter Schock stehend und völlig durchnässt an Bord des gekenterten Bootes, um sehnlichst auf den Morgen, der ihnen die erhoffte Rettung bringen möge, zu warten.

Was Enzo dabei durch den Kopf schoss, war eine typische Reaktion auf eine gerade auf Leben und Tod durchgestandene Situation: Seine Gedanken verweilten ausschließlich bei seiner neuen Bekanntschaft und seiner Mutter, deren Wohlergehen ihm so am Herzen lag. Aber auch auf einen guten Schluck aus der Weinflasche, obwohl er ansonsten kaum Alkohol trank – ja, es dürstete ihn geradezu danach. Um sogleich wie von einer Tarantel gestochen hochzufahren und sich auf wackligen Beinen in Richtung Steuerhaus d. h., was davon noch übriggeblieben war, zu hangeln. „Gott sei Dank!“ entfuhr es ihm, als er die Flasche im total demolierten Steuerhaus zwischen den lädierten Beinen von Adriano, die wie ineinander verknotet aussahen, aber merkwürdigerweise völlig intakt zu sein schienen. Was Adriano nicht richtig mitbekam, da er immer noch sehr benommen war.

Erst nachdem Enzo die Flasche mit einem gekonnt ausgeführten Schlag gegen die Bordwand des Bootes „entkorkt“ hatte, wobei der Flaschenhals danach geradezu wie abgeschnitten aussah, und dabei ganz laut „Salute mio Dio!“ in Richtung Adriano schrie, die Flasche dabei triumphierend in der hochgereckten Faust haltend, kehrte Adriano wieder in die Wirklichkeit zurück. Was sich dadurch bemerkbar machte, dass er, schon wieder ganz der Alte, Enzo seinerseits mit den Worten: „Na dann Salute“ zuprostete, begleitet von einem breiten Grinsen, das über sein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht lief. Um sogleich wie verwandelt mit einer belegten, vor Traurigkeit zitternden Stimme resignierend hinzuzufügen: dass das jetzt wohl die letzte Fahrt als freier Fischer gewesen sei. Was auch Enzo die ganze Tragweite des Geschehens klarwerden ließ. Nämlich, vorausgesetzt, man würde sie retten, dass sie wirklich wohl niemals mehr gemeinsam zum Fischen aufs Meer hinausfahren würden.

Auf einmal mochte Enzo gar keinen Wein mehr. Er stellte die Flasche ab und setzte sich traurig nieder, wobei er gedankenverloren mit dem rechten Fuß zwischen den wie durch ein Wunder an Bord gebliebenen Netzen herumstocherte. Um plötzlich wie auf ein geheimes Kommando gleichzeitig aufzuhorchen. Denn sie hörten, wenn auch leise, Geräusche wie von einem Flugzeug. Worauf beide gleichzeitig mit den Armen in der Luft herumfuchtelten und angestrengt Ausschau nach dem Flieger hielten. Aber sie konnten kein Flugzeug ausmachen, dessen Geräusche zudem immer leiser wurden, bis sie schließlich in der Morgendämmerung ganz verstummten. Und so saß ein jeder für sich wieder in sich gekauert und wartete auf irgendwelche Anzeichen sich nähernder Schiffe oder vielleicht wieder die typischen Geräusche eines sich nähernden Flugzeuges.

Inzwischen war es helllichter Tag geworden, der einen grau in grau bedeckten Himmel zeigte. Und doch deutete alles darauf hin, dass es wieder ein sehr sonniger Tag werden würde. Was dann auch eintrat mit sogar sehr hohen Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius im Schatten. Was für diese Jahreszeit recht hoch war. Als Trinkwasservorrat hatten sie noch einen vollen Kanister von ca. fünf Litern, der aber ausreichen dürfte, bis die ersehnte Rettung eintreffen würde. Was sich aber später leider als ein großer Irrtum herausstellen sollte. Denn durch den Orkan waren sie so weit vom Kurs abgetrieben, dass sie sich mittlerweile weit draußen im offenen Meer befanden und nur zufällig fünf Tage später durch ein Aufklärungsflugzeug der Küstenwache entdeckt wurden. Auch waren sie durch den Flüssigkeitsverlust schon so weit ausgetrocknet, dass sich ihre aufgeplatzten Lippen zu pellen begannen.

Sie waren beide in der Annahme auf eine baldige Rettung so unvorsichtig gewesen, mit dem Trinkwasser nicht allzu sparsam umzugehen, wie es ihnen ansonsten selbstverständlich gewesen wäre, hätten sie auch nur den Hauch von einem Schimmer gehabt, dass sie so weit vom Kurs abgetrieben waren.

Erst Stunden später, es war schon früher Abend, kreuzten endlich, fast zeitgleich, zwei Rettungsboote auf. Wovon das eine sie beide an Bord nahm, während das andere Rettungsboot den Rest ihres einst so schönen Fischerbootes in Schlepptau nahm mit Kurs auf den Hafen von Cefalù.

Sie hatten kaum im Hafen festgemacht, als man sie in ein Ambulanzfahrzeug verfrachtete, um sie ins Krankenhaus zu fahren.

Viola erfuhr erst tags darauf im Geschäft durch eine Kundin von der glücklichen Heimkehr der beiden verschollenen Fischer. Weshalb sie sich sofort aufmachte und in das Krankenhaus eilte, um Enzo in ihre Arme zu schließen, geplagt von schweren Gewissensbissen. Denn sie war am Sonntag nicht zu dem mit ihm vereinbarten Treffen in der Cafeteria erschienen, weil sie dringend ihrer Freundin Gina zu Hilfe eilen musste, die einen Unfall erlitten hatte. Enzo aber nicht benachrichtigen konnte, da sie ja noch nicht einmal wusste, wo er wohnt. Weswegen sie darauf gehofft hatte und auch davon ausging, dass Enzo sich auf jeden Fall bei ihr im Textilgeschäft melden würde. Ja, bis sie von dem schrecklichen Unglück der beiden Fischer erfuhr und sofort klargeworden war, dass Enzo einer der beiden vermissten Fischer sein musste.

Als sie das Krankenzimmer betrat, in dem außer Enzo und Adriano noch zwei weitere, leicht erkrankte Patienten untergebracht waren, erschrak sie beim Anblick Enzos, der genauso wie Adriano in einem erbärmlichen Zustand war. Weshalb sie ihn sofort liebevoll, aber doch mit der gebotenen Zurückhaltung begrüßte, da sie ja nicht alleine in dem Zimmer waren. Aber auch Adriano begrüßte sie herzlich, dem sie bislang noch nicht begegnet war.

Die beiden anderen Patienten waren von Viola sehr angetan, und zwar so sehr, dass der eine der beiden anderen Patienten sich veranlasst sah, zu bemerken, dass auch er sich so eine schöne Genesungshilfe wünsche, was aber wohl kaum auf Rezept zu bekommen wäre.

Leider musste Viola schon bald darauf wieder das Krankenzimmer verlassen, da beiden strikte Ruhe verordnet worden war, worauf die Stationsschwester penibel zu achten pflegte, dass diese auch eingehalten wurde.

Enzo musste noch drei weitere Tage im Hospital verbringen, im Gegensatz zu Adriano, der wegen seiner Robustheit schon tags darauf entlassen werden konnte.

Nachdem Enzo das Hospital verlassen hatte, war er nur kurz in seine Wohnung zurückgekehrt, um sofort darauf mit dem Taxi direkt zu Violas Wohnung zu fahren, wo Viola ihn schon sehnsüchtig erwartete und in ihre Arme schloss.

Ihre Liebe schien im Schnellkochtopf zu garen. Aber bekanntlich gibt es ja keine Norm, die bestimmt, wie man lieben soll und wie eine Liebe reift!

Viola hatte sich extra von ihrer Chefin für ein paar Tage freigeben lassen, weil sie Enzo aufzupäppeln gedachte.

Und so verbrachten sie beide die nächsten Tage miteinander wie auf Wolken schwebend, ohne sich durch irgendwen oder irgendetwas stören zu lassen. Und so war man sich schon bald einig, dass sie für immer einander gehören und so schnell wie möglich vor den Traualtar treten sollten. Denn wildes Zusammenleben war kein Thema und im christlich geprägten Cefalù ein Tabu.

Man einigte sich also darauf, so bald wie möglich zu heiraten, weshalb man den Termin für die Hochzeit für Anfang Juli ins Auge fasste.

Viola bemerkte bald, dass ihre monatliche Regel ausblieb, was sie aber nicht beunruhigte, eher glücklich machte, denn der Hochzeitstermin stand ja quasi schon fest.

Nicht lange, und Enzo bekam wieder Post von seinem Onkel aus Deutschland, der inzwischen von seinem und Adrianos Pech erfahren hatte. Und der ihn deshalb in dem Brief fast schon anflehte, endlich nach Deutschland zu kommen, da er ja wegen der Katastrophe, die ihm widerfahrenden war, sonst kaum noch eine Möglichkeit hätte, Geld zu verdienen. Und schon bald in allergrößte Not geraten würde, käme er seiner Bitte nicht nach. Denn die kleinen Aushilfsarbeiten nebenbei, brächten ihn ja nicht weiter. Weshalb Enzo und Viola ohne lange zu zögern sich einig waren, dass Enzo direkt im Anschluss an die Hochzeitsfeierlichkeiten nach Deutschland fährt, um dort als Gastarbeiter für den Unterhalt seiner Familie das nötige Geld zu verdienen.

Drei Tage darauf schellte es an der Wohnungstür von Viola, wo jetzt auch Enzo zu Hause war, und Gennaro, die einst so große Liebe von Viola, stand völlig überraschend vor der Tür, ohne die geringste Ahnung von der jetzigen Lebens-Situation seiner einstigen Liebe zu haben. Weshalb er sehr überrascht war, als Enzo ihm ahnungslos die Tür öffnete.

Gennaro war zwar sehr erschrocken, und dennoch bat er Viola sprechen zu dürfen. Wobei er eher den Eindruck vermittelte, dass er nicht darum bat, sondern darauf bestand, ohne sich persönlich vorgestellt zu haben, was Enzos Eifersucht befeuerte, bitter enttäuscht und vor Wut außer sich sein ließ.

Viola hörte die ihr nicht unbekannte Stimme und eilte flugs zur Tür. Worauf ihre Augen geradezu aufleuchteten, als sie Gennaro gegenüberstand. Zumindest empfand Enzo das so, der beide genau beobachtete. Gennaro selber umarmte Viola genauso spontan wie innig, was Enzo gar nicht gefiel, da Viola alles ohne sichtbare Gegenwehr mit sich geschehen ließ. Was ihn dazu veranlasste, stehenden Fußes und in blinder Wut, geradezu wie von einer Tarantel gestochen, zur Tür hinauszurennen, ohne Viola auch nur eines Blickes zu würdigen, geschweige eine Erklärung abzuwarten. Viola aber war merkwürdigerweise ganz ruhig geblieben, nahm Gennaro bei der Hand und führte ihn in die Wohnung.

Während Viola sich noch ein wenig in der Küche zu schaffen macht und aus dem Nebenzimmer die Stimme von Gennaro hört, die etwas von „…guter Führung und vorzeitiger Entlassung“ sprach, rannte Enzo mit Wut im Bauch und tiefer Enttäuschung geradewegs zum Bahnhof, nachdem er sich noch schnell mit einem alten Koffer und ein paar Habseligkeiten aus seiner alten Wohnung versorgt hatte, die er gottlob irgendwie noch immer angemietet hielt, nicht wissend, wann ihn der nächste Zug nach Messina bringen würde, um von dort aus dann weiter über Roma und Milano nach Deutschland zu gelangen.

Seine Wut und Enttäuschung waren so groß, dass er sich geradezu kopflos und wie in Trance vorwärtsbewegte. Am Bahnhof angekommen erfuhr er, dass am gleichen Tag kein Zug mehr in Richtung Messina unterwegs sein würde. Das aber hörte auch ein Mann, der gerade dabei war, sich eine Packung Zigaretten am Kiosk neben dem Fahrkartenschalter zu besorgen, und der auch gerade mit seinem privaten Auto auf dem Weg nach Messina war und Enzo spontan anbot, ihn bis Messina mitzunehmen, denn so war er nicht so alleine unterwegs, wie er zu verstehen gab. Und da Enzo auf ihn einen sehr seriösen, wenn auch leicht angespannten Eindruck machte, kam es ihm und damit auch Enzo, der dem erleichtert zustimmte, also beiden, gerade recht.

Enzo hatte ein wenig Geld zur Seite legen können, welches eigentlich für die Finanzierung der Hochzeitsfeier gedacht war, und jetzt dazu diente, die Anreise nach Deutschland zu gewährleisten, was ihn schon wieder ein wenig hoffnungsvoller in die Zukunft blicken ließ.

Wie sich sehr bald zu seiner Freude herausstellt, war der Herr am Steuer ein sehr unterhaltsamer und angenehmer Zeitgenosse, dem Enzo jetzt ohne Weiteres sein Herz ausschütten konnte, und was er auch ausführlich tat.

Was den freundlichen Herrn veranlasste, ihn darauf zu einem, wie sich im Nachhinein herausstellte, schon fast opulenten Mahl in eine kleine aber feine Trattoria einzuladen. Bei dem sie beide im Laufe des Abends zwei Flaschen guten Weines zu dem üppigen Mahl tranken, animiert durch den netten Herrn, doch kräftig zuzugreifen. Worauf der nette Herr kaum noch in der Lage zu sein schien, das Auto zu lenken, aber auch Enzo nicht mehr nüchtern war.

Beim Verlassen des Restaurants intonierten beide fröhlich und lachend das Lied „’O sole mio“. Doch leider stolperte Enzo dabei und legte sich kopfüber mit seinem Koffer auf der Schulter der Länge nach auf die Nase. Der freundliche Herr packte Enzo am Arm, zog ihn hoch und erkundigte sich mit besorgter Miene, ob denn auch alles in Ordnung sei. Und erst als Enzo ihm mit einem schiefen, etwas verlegenen Lächeln das bestätigte, gingen sie schnurstracks zu ihrem Auto, verstauten ihr Gepäck, um sogleich die Fahrt nach einer Pause von fast zwei Stunden wiederaufzunehmen.

Der doppelte Espresso, den ihnen der Wirt als Zugabe zum Abschluss in Würdigung der guten Zeche spendierte, zeigte alsbald seine positive Wirkung. Was sich insbesondere für den Fahrer als sehr günstig erwies, denn er hatte ja noch eine weite und sehr kurvenreiche Strecke bis Messina vor sich, die ihm wahrlich eine enorme Konzentration abverlangte, wollte er nicht unversehens mit dem ihm inzwischen vertraut gewordenen Enzo im Straßengraben landen.

Inzwischen war es fast Mitternacht geworden, als beide gottlob heil und gesund am Fährhafen von Messina ankamen. Leider stellte sich schon bald heraus, dass die nächste Fähre erst gegen sechs Uhr früh ablegt. Was Enzo veranlasste, sich auf einer etwas abseits in der Ecke des Warteraumes stehenden Bank bequem zu machen, nachdem er sich mit einer herzlichen Umarmung von dem netten Herrn Lorenzo Tantimonaco, so hieß der nette Mann, der einen Weinhandel in Catania betrieb, was er Enzo in letzter Minute wissen ließ, dankend verabschiedet hatte. Um schon kurz darauf fest einzuschlafen, obwohl er sehr unbequem lag, da er wegen der unzureichenden Länge der Bank die Beine stark angewinkelt hielt, als er plötzlich durch lautes Stimmengewirr und genauso lautes Getrampel unsanft geweckt wurde.

Der Zug war bereits auf die Fähre draufgefahren, als er sich in die ungeordnet auf die Fähre drängende Menschenmenge begab, um ebenfalls darauf zu gelangen. Und was er auch tatsächlich ohne große Blessuren schaffte. Was aber dennoch an ein Wunder grenzte, dass er in den nicht allzu großen Speiseraum gelangen konnte, wo er sich jetzt an einem Glas Wasser gütlich tat, wonach er schon lange gierte.

Was aber auch kein Wunder war, da er ja seit dem opulenten Mahl am Vorabend mit dem freundlichen Lorenzo Tantimonaco keinen einzigen Schluck Flüssigkeit mehr zu sich genommen hatte, sodass er sich kurz vor dem Verdursten wähnte. Zumindest kam ihm das so vor. Was wiederum sogleich in ihm die Erinnerung an das Bootsunglück mit Adriano wachrief, als er so schrecklichen Durst durchleiden musste. Wodurch ihm unversehens seine gegenwärtige Situation voll bewusst wurde, indem er sich plötzlich schrecklich elendig fühlte – erst recht, da seine Gedanken bei Viola verweilten mit all dem, was geschehen war. Was ihm wie ein böser Traum vorkam.

Er wusste nicht, wie lange er so dagestanden hatte, als ihn zu seiner Überraschung eine sehr sanfte und genauso weibliche Stimme mit „Scusi, Signore, scusi …“ ansprach, und ihn dadurch ad hoc aus seinem Tagtraum riss. Und dass diese Stimme zu einer genauso netten, wie auch schon etwas älteren, sehr gütig wirkenden Dame gehörte, die ihn jetzt höflich bat, sich doch bitte an ihren Tisch zu setzen, an dem gerade zwei Plätze frei geworden waren. Aber außer ihr, saß noch eine weitere Dame, die sie sofort als ihre Freundin vorstellte, und die auf Enzo einen sehr resoluten Eindruck machte. Wobei er glaubte, noch Restbestände ihrer einstigen Schönheit in ihren Gesichtszügen auszumachen.

Erstere der beiden Damen fragte ihn höflich, ob sie ihn zu einem kleinen Imbiss einladen dürfe, schließlich sei inzwischen schon fast eine Stunde vergangen, seit sie an Bord der Fähre gekommen sind. Weshalb es wohl auch an der Zeit sei, wie sich ihre Freundin charmant lächelnd einzumischen getraute, jetzt ein gutes Frühstück einzunehmen.

Enzo nahm diese Einladung gerne mit der Bitte an, dass das aber dann auf seine Rechnung ginge. Was allerdings von beiden Damen im gleichen Augenblick entschieden abgelehnt wurde. Denn er – was beide nahezu synchron aussprachen – möge sich bitte als ihr Gast fühlen. Und außerdem geschähe das, wie die Zweite der Damen augenzwinkernd meinte, gar nicht uneigennützig. So hätten sie beide doch, und damit meinte sie sich und ihre Freundin, eine angenehme Überfahrt, was wohl allemal mit einem so netten jungen Mann mehr als nur ein paar Lire für ein Frühstück wert sein dürfte.

Und während sie so zusammensaßen und Enzo mehr nebenbei als genüsslich das Frühstück verzehrte, verging unbewusst eine weitere Stunde der Überfahrt. Nachdem die Fähre endlich angelegt hatte, dachte er angestrengt nach, wann es eigentlich genau war, als er mit seiner Mutter vor etlichen Jahren zu einem Verwandtenbesuch in Kalabrien das Festland von Italien betreten hatte. Wobei er seine Gedanken daran sofort wieder verdrängte, indem er sich der Realität zuwandte, um die Fahrt nach Deutschland fortzusetze.

Und so fuhr er nun Stunde um Stunde in Richtung Germania, teils schlafend, teils lesend in dem verqualmten Abteil und in lauter Umgebung, denn ständig quatschte jemand. Er konnte es kaum erwarten, den Hauptbahnhof von Essen zu erreichen, wo er aussteigen musste. Denn von dort, so war es ausgemacht, würde ihn sein Onkel, dem er zwischenzeitlich von seiner überraschten Anreise telegrafiert hatte, mit dem Auto seines Chefs abholen. Der Onkel selber hatte noch kein Auto. So weit hatte er es noch nicht gebracht, aber immerhin ein fast neues Fahrrad sein Eigen nannte.

Zweites Kapitel

Es war schon sehr spät, als Enzo endlich nach einer schier nicht enden wollenden Fahrt im hell erleuchteten Hauptbahnhof von Essen eintraf. Was ihm zuallererst auffiel, war der helle Bahnhof im Gegensatz zu dem ziemlich dunklen von Cefalù, wo die Straßen nur spärlich beleuchtet waren.

Neugierig schaute er aus dem Abteilfenster in der Hoffnung, seinen Onkel auf dem Bahnsteig zu entdecken. Was ihm aber leider nicht gelang, denn der Bahnsteig war voller Menschen, was ihm sehr merkwürdig erschien, denn es war ja schon fast Mitternacht. Was er nicht wusste und auch nicht wissen konnte: Kurz vorher hatte ein Fußballspiel von Rot-Weiß-Essen gegen Borussia Dortmund stattgefunden. Doch plötzlich sah er seinen Onkel, der mit einer italienischen Fahne bewaffnet war und diese hin- und herschwenkte, um so auf sich aufmerksam zu machen. Worauf Enzo sich seinerseits bemerkbar machte, indem er freudig und laut „Capitano! Capitano! Capitano! Eccomi, mio zio Enrico!“ schrie, als er ihn in dem Getümmel entdeckte. Denn genauso hatte ihn sein Vater immer genannt, das wusste er noch – weshalb er jetzt seinen Onkel auch so rief. Nachdem sie beide sich mit Küsschen links und Küsschen rechts, innig begrüßt hatten, waren schnell die paar Habseligkeiten im Kofferraum des Opel-Admiral verstaut und ab ging die Fahrt in Richtung Mülheim-Ruhr-Heißen, ins sogenannte „Bullenkloster“, welches sich schräg gegenüber der Heißener Kirche, direkt neben der Post befand und ein Junggesellenwohnheim war, in dem sein Onkel vorsorglich für ihn eine Bleibe organisiert hatte, das ganz in der Nähe der Zeche Wiesche lag, auf der Enzo als Gedingeschlepper untertage arbeiten wird, und schon zwei Tage darauf in den Kohleschacht einfuhr.

Wozu er zunächst die typische Bergmannskluft verpasst bekam, um sich anschließend in die sogenannte Kaue zum Umkleiden zu begeben. Das war ein ziemlich großer Raum, der gleichzeitig Wasch- und auch Umkleideraum war. Nachdem er sich seiner Alltagskleidung entledigt hatte, schlüpfte er in die schmutziggraue Bergmannskluft, hängte seine ausgezogenen Sachen an einen Haken, der am Ende einer langen Kette angebracht war, die man wie einen Flaschenzug benutzte, um die am Haken hängen Sachen in die Höhe zu ziehen.

Dann ging es zur ersten Grubenfahrt. Er hatte ein sehr mulmiges Gefühl in der Magengegend, als er den Fahrstuhlkorb mit weiteren fünf Kumpeln betrat. Die anderen hatten entweder wesentlich mehr Mut als er oder sie waren schon alte Hasen, das waren zumindest seine Eindrücke von sich und den anderen. Unten angelangt, und das war auf der siebten Sohle, wie man ihm sagte, also einige hundert Meter unter der Erde, stieg er in eine Art Kleinbahn und fuhr direkt bis fast vor die eigentliche Arbeitsstelle, wo schon einige Männer mit vom Kohlenstaub geschwärzten Gesichtern, bewaffnet mit jeweils einem schweren Presslufthammer, bei der Arbeit waren.

Was ihm besondere Angst bereitete, war die unwahrscheinliche Enge „vor Ort“, so nannte man die Kohleabbaustelle. Die Höhe des Flözes (die Kohleader) betrug so gerade mal höchstens einen Meter und dreißig. Seine eigentliche Arbeit war, die von dem Hauer, der vor dem Flöz stand, und dem er zugeteilt worden war, mittels eines schweren Presslufthammers von ihm heraus gebrochene Kohle mit einer riesigen Schaufel in eine Lore zu laden. Was ihm, weil ungewohnt, geradezu bis an die Grenzen seiner Kräfte ging. Und so war er froh, als es hieß, dass Kaffeepause ist. Der Hauer, mit dem er zusammenarbeitete, und noch ein weiterer Helfer krochen dazu ein paar Meter weiter aufwärts, wobei sie sich an den Stützstempeln, welche die Decke trugen, vorbeihangelten, um in eine kuppelartige Ausbuchtung, die sie den „Toten Mann“ nannten, zu gelangen. Was zwar verboten war, aber den Vorteil bot, dass man dort der Enge im Flöz für eine kurze Zeit entfliehen konnte und sich sogar richtig aufzurichten vermochte. Und so krabbelte er, ohne dazu extra aufgefordert worden zu sein, ebenfalls dorthin. Was er nicht wusste, aber später irgendwann mal erfahren würde: In genau einer solchen Ausbuchtung waren zwei Kumpels ums Leben gekommen, als sich Gestein aus der ungesicherten Decke gelöst hatte.

Bis zu diesem Augenblick hatte er keinen einzigen Gedanken an Cefalù verschwendet, was ihn aber jetzt umso nachhaltiger bewegte. Denn plötzlich vermisste er das weite Meer und auch seinen alten Freund Adriano, mit dem er immer zum Fischen aufs Meer hinausgefahren war. Er dachte aber auch an das schwere Unglück, das sie beide auf der letzten Tour getroffen hatte – dem sie nur mit knapper Not dem Tode entronnen waren.

Und so war er wieder mit seinem Schicksal, das ihn hierhergeführt hatte, versöhnt. Er schien wohl ein wenig eingenickt gewesen zu sein, denn plötzlich rüttelte ihn sein Hauer an der Schulter mit der Aufforderung zur Arbeit zurückzukehren

Und so verlief sein erster Arbeitstag untertage wenig spektakulär. Außer dass er, als er im Fahrkorb mit den anderen Kumpeln nach oben an das grelle Tageslicht fuhr, plötzlich voller Sehnsucht an Viola dachte. Oben angekommen ging es wieder zur Kaue, um sich zu entkleiden und anschließend unter die Dusche, wo er neben all den anderen nackt stand und sich den Kohlenstaub vom Körper wusch. Mit Erstaunen nahm er plötzlich wahr, erkannte es aber auch sogleich als logisch, dass sich die Bergleute gegenseitig den Rücken wuschen. Wie sonst wohl sollte man denn seinen eigenen Rücken sauber bekommen. Rückenschrubber gab es keine. Und kaum hatte er das zu Ende gedacht, wurde er auch schon von seinem Hauer dazu aufgefordert, ihm den Rücken zu schrubben, worauf der Kumpel das Gleiche anschließend bei ihm tat.

Schon bald darauf kehrte er frisch geduscht und fein gekämmt, denn darauf legte er ganz besonders großen Wert, in das „Bullenkloster“ zurück, um sich sogleich total erschöpft auf das Bett zu legen. Und da noch früher Nachmittag war, war er, obwohl er sein Zimmer mit noch zwei weiteren jungen Männern teilte, ganz alleine auf dem Zimmer, denn die beiden anderen waren auf dem Bau beschäftigt und kamen immer sehr spät von der Arbeit zurück. Überstunden waren an der Tagesordnung, worauf die jungen Männer sogar ganz bewusst aus waren, denn das brachte jede Menge Geld zusätzlich ein.

Nach etwa zwei Stunden, in der er sich gut ausgeschlafen hatte, machte er sich fein und ging zu Fuß in Richtung Innenstadt. Dazu nahm er die Gracht, die parallel zur Hauptstraße (dem Hingberg) bis zur Stadtmitte führt, und marschierte die in Teilen schon etwas sehr abschüssige Straße vorbei am Judenfriedhof hinunter bis ins Zentrum der Stadt. Um schließlich am Victoriaplatz anzugelangen, wo einige Motorradfahrer mit ihren Maschinen wie BMW, Horex, Adler, NSU-Max und noch weiteren Marken, die er bislang weder persönlich noch vom Hören und Sagen her kannte, beisammenstanden, um sich angeregt zu unterhalten.

Interessiert besah er sich jedes einzelne Motorrad von den vielen, die dort standen und ihn chromblitzend geradezu zur Begutachtung herausforderten, sodass er sich an ihnen gar nicht satt sehen konnte. Genauso wie an jener kessen Blondine, die dort mit einem Pferdeschwanz bestückt, wippend auf dem Sozius einer Vespa sitzend, ihn herausfordern anschaute. Allerdings hätte ihn sein sichtbares Interesse an dieser hübschen Person bald in eine sehr missliche Lage gebracht. Denn einer aus dieser Riege der sie umstehenden Burschen war wohl ihr Freund, zumindest aber wohl keiner, der einen weiteren Verehrer dieser kessen „Puppe“ zu dulden bereit sein würde, was jener ihn sogar durch unmissverständliche Blicke wissen ließ, zumal Enzo auch noch ein „Spaghettifresser“ war. Also ging er flugs weiter und schaute sich beim Kino Schauburg die dort aushängenden Filmplakate an, wobei sein alleiniges Augenmerk dem Film „Die Brücke am Quai“ galt.

Von hier aus ging er noch ein wenig weiter, bis ihn sein Rundgang zum Kino Löwenhof führte, wo er dergleichen wieder tat. Bis sich der Hunger bei ihm so langsam bemerkbar machte, weshalb er sich entschloss in das Fischrestaurant gleich nebenan vom Kino zu gehen, um doch noch eine Kleinigkeit zu essen.

Gegen 21 Uhr begab er sich wieder auf den Heimweg ins „Bullenkloster“, wo er sich sofort schlafen legte.

Seine beiden Stubenkameraden waren anscheinend kurz dagewesen, aber in dem Augenblick, als er das Zimmer betrat, nicht anwesend. So wusch er sich kurz, zog seinen Pyjama an und legte sich aufs Ohr, nicht ohne seine Zähne geputzt zu haben. Denn Enzo war immer auf seine Hygiene sehr bedacht. Und kaum, dass er eingeschlafen war, hörte er ein lautes Rumoren und Gezänk im Zimmer nebenan – die Wände schienen sehr dünn zu sein. Wodurch sich einer seiner Stubenkameraden, der Bernd hieß und eine schwere Horex-Regina fuhr und inzwischen auch schon heimgekehrt war, zu der Bemerkung hinreißen ließ, die er bewusst laut hinausschrie: „Fangen die schwulen Arschlöcher schon wieder mit dem Zirkus an?!“ Worauf augenblicklich Stille einkehrte. Enzo drehte sich auf die andere Seite und schlief bis zum frühen Morgen gegen fünf Uhr zur Weckzeit durch. Und so vergingen die nächsten Wochen für ihn fast wie im Fluge.

Inzwischen war der Sommer mit durchwachsenem Wetter, teils Regen, teils Sonne, eingekehrt, der mehr einem späten Frühling glich, worauf Enzo sich so gar nicht einstellen konnte. Ganz im Gegensatz zu seinen deutschen Stubenkameraden, mit denen er sich schon gut angefreundet hatte. Und die er sogar schon gelegentlich bekochte. Sodass er schon deshalb gut gelitten war, aber auch sehr große Sympathie bei den meisten der Bewohner des „Bullenklosters“ genoss – erst recht von Albert sehr gemocht wurde, mit dem er sich schon richtig angefreundet hatte, und der ihn gelegentlich auf seiner schweren BMW mit zum Tanzen nahm.

Und bei einer solchen Tanzveranstaltung, das war an einem sonnigen Sonntagnachmittag, lernte er Marga kennen, die gerade an dem Tag mit ihrer Freundin zum Tanztee in das kleine Tanzlokal „Staader Loch“, gelegen an der Grenze zu Mintard auf halber Strecke zwischen Saarn und Kettwig direkt hinterm Ruhrdeich, eingekehrt war.

Er war ihr sofort aufgefallen, denn er war eine interessante Erscheinung, was aber auch ihm nicht entgangen war. Und so dauerte es auch gar nicht lange, die Kapelle, ein Trio, spielte gerade das Lied „Bésame mucho“, als Damenwahl angesagt wurde. Und wie so oft, traute sich auch diesmal wieder zuerst keine der Damen, den Herrn ihrer Wahl aufzufordern. Bis besagte Marga aufstand und couragiert auf Enzo zusteuerte, der sich gerade angeregt mit einem Tischnachbarn unterhielt, sodass er ihr Kommen zuerst gar nicht bemerkte. Man konnte die Spannung in dem kleinen Tanzlokal geradezu prickelnd auf der Haut spüren, denn alle Augen richteten sich jetzt auf Marga, die etwas seitwärts und leicht errötend, verlegen vor Enzo stand. Erst als der Tischnachbar auf Marga schaute, realisierte Enzo die Situation. Worauf Enzo sofort aufsprang, ohne dass Marga auch nur ein Wort hervorgebracht hatte, und zwar so vehement, dass der Stuhl nach hinten kippte und krachend auf dem Parkett landete.

Und das nun war das Signal, dass sogar der jetzt zu den beiden hinüberschaute, der der Szene bislang keine Beachtung geschenkt hatte. Weshalb sogar die Kapelle für einen kurzen Augenblick innehielt und dadurch eine derartige Spannung hervorrief, sodass eine einen jeden fesselnde Totenstille den Raum durchflutete, geradeso, als säße man in einer Andacht. Es schien aber, als wenn die beiden die Situation gar nicht wahrgenommen hatten.

Enzo folgte Marga in einem Abstand von gut eineinhalb Schritten bis zur Tanzfläche. Dort angekommen, wandte Marga sich ruckartig um, wobei sie ihm geradezu fixierend in die Augen sah. Was dazu führte, dass Enzo wie gelähmt vor ihr stand, unfähig ihre Hand zu ergreifen. Die Kapelle, gefangen von dieser Szene, hatte schon wieder aufgehört zu spielen, was dazu führte, dass eine schier gespenstische Situation eintrat, geprägt durch eine sich dem Zuschauer geradezu mystisch darstellende Szene, dass selbst derjenige, dem es vergönnt war, diesem Schauspiel beizuwohnen, nicht in der Lage sein dürfte, sie künftig richtig wiederzugeben – also mit Worten nicht zu beschreiben.

Plötzlich ergriff Marga Enzos Hand, legte ihre linke Hand auf seine rechte Schulter und fing mit ihm zu tanzen an, ohne dass die Musik wiedereingesetzt hatte. Worauf alle, auch die bis dahin noch gesessen hatten, wie auf ein geheim verabredetes Kommando, geschlossen bis zur Tanzfläche vorrückten, um diesem Schauspiel ganz nahe zu sein. Denn was jetzt passierte, war so irre, dass man es mit normalen Sinnen nicht erfassen konnte: Beide tanzten, nein, schwebten in einem allen Anwesenden völlig unbekannten, einfach unnachahmlich schönen Rhythmus und voller Harmonie übers Parkett, und zwar so erotisch aufreizend, ohne dabei ins Primitive abzurutschen, auf dass es so manchem, der den beiden Zuschauenden, heiß und kalt wurde. Und was einzig der Grund dafür zu sein schien, weshalb die Kapelle sich wohl nicht getraute, die beiden musikalisch zu begleiten. Vielleicht aber auch schon deshalb, um selbst ungestört dieses Schauspiel zu genießen, wie all die Umstehenden, die nur mit offenen Mündern und großen Augen ungläubig dieses außergewöhnliche Schauspiel zu verfolgten suchten.

Und so bewegten sich die beiden noch knapp eine viertel Stunde lang in diesem hoch erotischen und rhythmisch höchst vollendeten Tanz, dass allen Anwesenden schier der Atem stockte. Aber ganz abrupt zum Leidwesen der Umstehenden beendet wurde. Geradeso, als wenn beide gleichzeitig aus einer Art Trance erwachten. Auf dass Marga sich spontan auf dem Absatz umdrehte, ohne Enzo auch nur eines Blickes zu würdigen, und wie von Furien gehetzt zu ihrem Tisch rannte, sich ihr Täschchen griff und ihre Freundin an die Hand, um mit ihr im Schlepptau das kleine Tanzcafé fluchtartig zu verlassen.

Enzo war darauf wie benommen zur Theke gegangen, um nach einem „Kurzen“ zu verlangen, den er sich wie ein Kampftrinker hinunterstürzte. Nicht ohne Albert, der das Geschehene ebenfalls atemlos beobachtet hatte, darum zu bitten, ohne ihn nach Hause zu fahren, da er jetzt dringend noch einen längeren Spaziergang der Ruhr entlang machen möchte. Was Albert auch sofort tat, ohne Enzo auch nur ein Wort darauf zu entgegnen.

Drittes Kapitel

Enzo erreicht Cefalù fünf Tage später, so gegen halb acht Uhr abends, nachdem er noch drei Tage bei dem freundlichen Herrn Lorenzo Tantimonaco verweilt hatte, der ihn damals auf seiner überstürzten Flucht aus Cefalù in seinem Auto nach Messina kutschierte. Und es stellte sich jetzt als ein glücklicher Umstand heraus, dass er seinerzeit das Angebot dieses netten Herrn angenommen hat, bei Gelegenheit, wann immer auch, seine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen – wenn es das Schicksal so fügt. Gottlob hatte Enzo die ihm damals überreichte Visitenkarte sehr gut aufbewahrt. Bei diesem Aufenthalt versäumte er auch jetzt wieder nicht, sein Herz ausschütten und das ihm Widerfahrene in allen Einzelheiten zu schildern …, was der freundliche Gastgeber mit entsprechenden Kommentaren zu würdigen wußte. Auch festigte sich durch diesen Besuch die damals zwischen beiden Herren geschlossene Männerfreundschaft derart, dass sie die besten Chancen besaß, auf Dauer zu bestehen.

Da heute ein Freitag war, war am Bahnhof ein ziemlich reges Treiben um ihn herum, weshalb er nur mit größter Mühe ein Taxi ergattern konnte, mit dem er schnurstracks zu Viola fuhr. Und wie er jetzt mit schweißnassen Händen vor Aufregung und mit gemischten Gefühlen vor Violas Tür stand, hämmerte sein Herz wie ein Presslufthammer, was er untertage in der Enge eines Kohleflözes mehr als nur einmal zur Genüge kennengelernt hatte. Auch stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn, als sich unvermittelt die Tür von Violas Wohnung wie von Geisterhand öffnete. Und das in dem Moment, als er sich gerade anschickte, mit erhobener Hand, an die Wohnungstür zu hämmern. – Ja, und da standen sie sich plötzlich gegenüber. Viola glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Der Mund stand ihr vor Schreck offen, wobei ihr gleichzeitig Freudentränen über die Wangen kullerten, um sich ihm sofort schluchzend an die Brust zu werfen. Enzo selbst, immer noch sehr aufgeregt, wusste nicht, wie ihm geschah. Weshalb er einen kurzen Augenblick regungslos dastand, bevor er seine beiden Arme um Viola legte und sie mit einer solchen Leidenschaft und Intensität küsste, wie wohl jemand, der einen Schluck Wasser nimmt, nachdem er tagelang zuvor die Wüste durchwandert hatte, ohne einen Tropfen Wasser getrunken zu haben. Ja, er labte sich geradezu an ihr. Worauf sie ihn, nachdem sie diesen „Knutsch“ Überfall überstanden hatte, mit fiebrig geröteten Wangen ins Wohnzimmer schleppte, um sogleich, von Lust und Leidenschaft geradezu gepeinigt, von sexueller Gier getrieben, über ihn herzufallen – ganz gegen ihre Art. Und dies, obwohl sie ja eigentlich im Begriff gewesen war, zu ihrer Freundin Gina zu gehen, mit der sie sich verabredet hatte.

Was dazu führte, dass sie sofort anfingen sich gegenseitig zu entkleiden, um sogleich, als beide sich splitternackt ineinander verhakt in den Armen lagen, zum sexuellen Frontalangriff überzugehen. Wobei Viola, als befände sie sich in einem sexuellen Notstand, Regie führte und Enzo mit sanfter Gewalt auf den Teppich zwang, und zwar so, dass er auf dem Rücken zu liegen kam, um sich im gleichen Augenblick wie eine geübte Dressurreiterin auf ihn zu schwingen, indem sie sich hoch aufgerichtet auf seinen, Glück und Freude spendenden Liebesdorn setzte, um in dieser Position wippend schaukelnd, die Liebesfreuden genießend, der Glückseligkeit laut keuchend entgegenzureiten.

Nachdem sie sich ausgiebig geliebt und die schönsten Dinge, die sich zwei liebende Mensch zu sagen haben, in die Ohren geflüstert hatten, trat Viola immer noch splitternackt mit leicht zitternden Knien an die Vitrine, um die dort immer noch seit damals, als Enzo sie voller Wut fluchtartig verlassen hatte, unangebrochen stehende Flasche Grappa zu holen und ihm davon einen Doppelten einzuschenken. Vielleicht als eine Art Belohnung für den gerade vollzogenen Liebesakt, wobei sie sich selbst mit einem Glas Mineralwasser begnügte. Denn sie trank seit sie wusste, dass sie schwanger war, keinen einzigen Tropfen Alkohol mehr. Und so prosteten sie sich jetzt mit einem glücklichen und zufriedenen Lächeln zu, wobei sie auf ihr gemeinsames Wohl und auf eine ebenso gemeinsame glückliche Zukunft anstießen. Wobei sie sich immer wieder glücklich lächelnd anschauten und sich schweigend bei den Händen hielten, sodass ein jeder für sich glaubte, das wäre wohl alles nur ein schöner Traum.

Irgendwann gegen Mitternacht legten sich beide eng aneinandergeschmiegt kuschelnd in dem nicht sehr breiten Bett zum Schlafen nieder. Beide waren aber so aufgeregt, dass es noch sehr lange dauerte, bis sie endlich in den verdienten und geruhsamen Schlaf fanden.

Merkwürdigerweise sprach keiner von beiden darüber, was der jeweils andere nach Enzos überstürztem Aufbruch gemacht hatte – geradeso, als wäre das nie geschehe oder schlicht verboten.

Man beschäftigte sich nur damit, was man anstellen müsse, um möglichst schnell zu heiraten, auf dass ihr gemeinsames Kind nicht unehelich auf die Welt kommt. Weshalb man sich auch schon kurz darauf auf den 25. August als Hochzeitstermin einigte. Sie verständigten sich aber auch darüber, dass es ohne eine große Feier geschehen sollte.

Und so saß man schon bald genüsslich speisend fröhlich und glücklich, geradezu ausgelassen, lachend am Hochzeitstag mit nur den Trauzeugen, wofür von Enzos Seite Adriano und von Violas Seite Gina benannt worden waren – und selbstverständlich auch Enzos Schwestern wie auch seine im Rollstuhl sitzende, stark behinderten Mutter in gemütlicher Runde in genau der Trattoria am Hafen zusammen, in der sich Enzo und Viola vor knapp fünf Monaten auf einen Espresso zu ihrem ersten Rendezvous verabredet hatten.

Viola hatte ihre Anstellung als Verkäuferin in dem Textilgeschäft behalten, sodass sie mit ihrem Verdienst einen Großteil der Lebenshaltungskosten bestreiten konnte. Wogegen Enzo glücklicherweise wieder bei seinem väterlichen Freund Adriano, der wie durch ein Wunder seinen alten Fischerkahn wieder flottgemacht hatte, als Fischer sein Brot verdienen konnte. Und so war alles wieder fast genauso wie einst. Nur, dass Enzo bald Vater sein würde und dann für eine eigene Familie zu sorgen hätte. Was letztlich seinen Ausdruck darin fand, dass Viola Anfang Dezember ein gesundes Mädchen zur Welt brachte, das sie auf den Namen Giulia taufen ließen in ehrendem Andenken an Enzos Großmutter, die leidgeprüfte Ehefrau seines fidelen Großvaters, der dereinst der bekannteste Casanova ganz Palermos gewesen war.

Viola hatte inzwischen ihre Anstellung aufgegeben, da sie zumindest für die nächsten drei Jahre voll und ganz für ihre Tochter da sein wollte, ganz im Sinne von Enzo. Was aber auch dem Selbstverständnis einer sizilianischen Mutter in Anlehnung an eine alte Tradition entsprach. Wodurch allerdings die Haushaltskasse jetzt nicht mehr so gut gefüllt war, zumal Enzo auch nicht immer so viel Fisch von den jeweiligen Ausfahrten mit Adriano heimbrachte.

Schon bald ging in Cefalù die Kunde um, dass man in Germania händeringend Arbeitskräfte suche, vermehrt für die schwere Arbeit auf den Kohlezechen – aber auch genauso für die gleichfalls sehr schwere Arbeit an den Hochöfen der großen Stahlwerke an Rhein und Ruhr. Und da Enzo schon so seine Erfahrung gemacht hatte, spielte er mit dem Gedanken wieder nach Deutschland zurückzukehren, ohne Viola davon in Kenntnis zu setzen. Denn er ging davon aus, dass Viola damit überhaupt nicht einverstanden sein würde. Zu seiner Überraschung aber kam der Anstoß dazu von Viola selbst, weil sie dies als die einzige Möglichkeit erkannte, um die finanzielle Versorgung ihrer Familie sicherzustellen – und nicht zuletzt, da schon der Freund ihrer Freundin Gina, der Not gehorchend, einen solchen Arbeitskontrakt besaß, um der wirtschaftlichen Lage, die sich besonders auf Sizilien im Raum Cefalù dramatisch verschlechtert hat, Rechnung zu tragen, um zu überleben.

Und da Enzo nicht nur für seine kleine Familie zu sorgen hatte, sondern auch noch immer seine hilfsbedürftige Mutter finanziell unterstützte, machte er sich sofort auf den Weg zur Poststation, um von dort aus seinen Onkel telegrafisch zu kontaktieren mit der Bitte, sich noch einmal für ihn einzusetzen, um wieder bei der Zeche Wiesche untertage beschäftigt zu werden. Was seinem Onkel auch gelang. Und zwar dadurch, weil er seinem Chef absolut plausibel vermitteln konnte, warum sein Neffe damals Hals über Kopf Deutschland den Rücken gekehrt hatte. Was ihm aber nicht zuletzt dadurch gelungen war, dass er selbst den allerbesten Ruf bei allen Vorgesetzen bis hin zur Zechenleitung besaß. Was er postwendend schon zwei Tage später zu Enzos und auch Violas Freude, zurücktelegraphiert. Eine Unterbringung im sogenannten „Bullenkloster“ war allerdings nicht mehr möglich. Weshalb er ihm ein privates Quartier drei Straßenecken weiter auf der Gracht in einem älteren, aber durchaus akzeptablen Haus, wenn auch ohne Bad und Toilette, anbieten konnte. Wo aber ein Plumpsklo auf dem Hinterhof vorhanden war, welches er sich mit einer dreiköpfigen Familie teilen musste. Also hatte Enzo ein weiteres Mal Glück gehabt. Was aber nicht nur ihn, sondern auch seinen Onkel erleichtert aufatmen ließ.

Viola wusste bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht, weshalb Enzo damals Hals über Kopf aus Deutschland zurückgekehrt war. Sie ging einfach davon aus, dass nur sie der ausschlaggebende Grund gewesen sei. Und ganz so abwegig war das auch nicht. Denn Enzo hatte wirklich nicht nur ein großes Schuldgefühl ihr gegenüber, sondern auch eine grenzenlose Sehnsucht nach ihr gespürt. Also tat Enzo klugerweise nichts, was sie vom Gegenteil ihrer Annahme hätte überzeugen können. Doch hätte er Viola damals reinen Wein eingeschenkt, hätte seine Rückkehr nach Deutschland ganz gewiss keinerlei Chance besessen, auch nicht bei dieser wirtschaftlichen Not. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Viertes Kapitel

Und da das Weihnachtsfest schon kurz bevorstand, war für Enzo der Termin für die Arbeitsaufnahme auf den 5. Januar, also einige Tage nach dem Neujahrsfest festgelegt. Was bedeutet, dass er seine kleine Tochter Giulia, die dann knapp drei Wochen alt sein wird, und Viola schon wieder verlassen muss. Aber auch nicht wusste, wann er wieder nach Hause auf Urlaub käme. Denn es galt, dass er sich zuallererst einmal als ein absolut zuverlässiger Arbeitnehmer zu bewähren habe, und was auch für seinen Onkel gewiss die absolut höchste Priorität besaß, da dessen guter Ruf plötzlich auch auf dem Spiel stand. Aber Enzo blieben jetzt immerhin noch einige Tage, um sich um seine kleine Tochter als Vater wie auch als Mann um seine hübsche Frau zu kümmern, die schon wieder erheblich an Attraktivität zugelegt hatte. Zumal, wie er festzustellen glaubte, dass ihr mit der Geburt ihrer kleinen Tochter eine interessante Reife anhaftet, was sie in seinen Augen noch begehrlicher machte als zuvor. Die Tage vergingen wie im Fluge. Und so sah er sich schon wieder beim Kofferpacken um sich kurz darauf von seinen Liebsten zu verabschieden.

Enzo kam wieder spätabends am Essener Hauptbahnhof an. So wie schon einmal zuvor – damals, als ihn sein Onkel mit dem Auto seines Chefs abholte. Doch diesmal hatte er ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, und er wusste auch warum. Es dauerte gar nicht lange, bis ihn sein Onkel entgegen der Sitte sich zuerst einmal überschwänglich zu begrüßen, sofort in die Mangel nahm und ohne Umschweife erklärte, was Sache ist. Wobei er keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, dass