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Das große Glück ist natürlich super, aber eine stabile innere Zufriedenheit wär’ auch nicht schlecht. Es werden 10 Wege beschrieben, wie wir uns diesem Ziel nähern können. Viele Menschen haben das Gefühl, in der Luft zu hängen. Die weitverbreitete Unsicherheit, der Widerspruch verschiedener Wertvorstellungen können eine Orientierungshilfe gut gebrauchen. Aus seiner beruflichen Arbeit als Psychotherapeut, aus seinen theoretischen Überlegungen und seiner allgemeinen Lebenserfahrung versucht der Autor das Fazit zu ziehen. Möchte nicht jeder einmal von sich sagen können: Ich bin - alles in allem - zufrieden? Und wäre ein solcher Mensch nicht glücklich?
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Seitenzahl: 188
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Allen, die Glücksverheißungen gegenüber misstrauisch sind und es nicht aufgeben, ihren eigenen Weg zu suchen.
So flog die Zeit dahin. Das Glück erzählt sich schlecht, und es nutzt sich ab, ohne dass man den Verschleiß bemerkt.
Henri-Pierre Roché: Jules und Jim.
Glück ist immer persönlich – zu viel darüber reden bringt Unglück
Die Bedeutungen des Wortes – und warum es ratsam ist, nicht nach dem ganz großen Glück zu suchen.
Der Weg der Dankbarkeit: Sei dankbar für das, was du hast … und auch für das, was du bist!
Der Weg der Sinne: Genieße … und übe dich im Genuss!
Der Weg der Familie, der Freundschaft, der Geselligkeit, des Miteinanders: Lerne allein zu sein und suche Kontakt! Vertraue, aber sei nicht dumm!
Der Weg des Habens und Nichthabens: Entsorge, was du nicht brauchst!
Der Weg der Gefühle: Lerne zu lieben und zu hassen!
Der Weg des Geistes: Gebrauche deinen Verstand – aber bleib offen für das, was du nicht verstehst!
Der Weg des Glaubens: Vertrau auf Gott …, wenn du kannst!
Der Weg der Selbstwerdung: Sorge für dich selbst!
Der Weg der Arbeit: Freu dich, wenn du nichts zu tun hast, aber tu dein Bestes!
Der Weg der Aufmerksamkeit: Lebe im Jetzt, aber vergiss die Vergangenheit nicht und denk an die Zukunft!
Zum Abschluss: Gibt es das Glück?
wir alle streben danach, glücklich zu sein, obwohl wir die größten Schwierigkeiten haben, genau zu erklären, was wir darunter verstehen. Das Wort »Glück« ist vieldeutig, und ich will gleich zugeben, dass ich dieses Wort nicht besonders mag. Glücksbeschreibungen sind immer interessant, aber individuell und höchst subjektiv. Aber es gibt kein besseres Wort, um ganz allgemein das zu benennen, wonach wir alle suchen: ein Leben, das nicht nur seine gelegentlichen Highlights hat, sondern auch insgesamt – mit allen Höhen und Tiefen – irgendwie gelungen ist. In diesem »irgendwie« liegt sehr viel Ratlosigkeit aber auch eine Portion Neugier, die zum Nachdenken anregt. Was mich an dem Wort »Glück« vor allem stört, ist der süßliche Schimmer, der es umgibt – und das in einer Zeit, die wirklich ernstere Sorgen hat.
Trotzdem, ich kann auf dieses Wort nicht verzichten. Immer wieder beschäftigt mich die Frage nach dem Glück. Um Ihr Interesse für diesen Text zu wecken, müsste ich mit Begeisterung vom Glück reden, ich müsste seine Erreichbarkeit darlegen und Ihnen versprechen, dass Sie, nachdem Sie die letzte Seite dieses Buches gelesen haben, wissen werden, wo und wie es zu finden ist. Wir wissen doch, wie Werbung funktioniert. Wenn ich also gleich auf der ersten Seite meine Unsicherheit bekenne und deshalb nur von einer »Annäherung« spreche, kann es gut sein, dass Sie etwas Wichtigeres vorhaben und Ihre Zeit, von der man gelegentlich zu viel aber meistens zu wenig hat, für etwas anderes verwenden. Falls die Sache mit dem Glück Sie aber trotz der damit verbundenen Unsicherheit angesprochen haben sollte, möchte ich Sie einladen, mir bei der weiteren Suche zu folgen …
Bevor Sie weiterlesen, will ich mich vorstellen. Schließlich sollten Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben, zumal das Thema, um das es hier geht, nicht ganz ohne Belang ist. Wer dazu auffordert, sich über die innersten Ziele und Beweggründe seine eigenen Gedanken zu machen, sollte gute Gründe dafür haben.
Meinen Namen haben Sie auf der Titelseite gelesen; ich habe lange Zeit als Diplom-Psychologe und Psychotherapeut gearbeitet, hauptsächlich in einer Fachklinik für Suchtkranke. Eine Arbeit, die nicht nur über Menschen mit einer bestimmten Krankheit etwas sagt, sondern auch über uns Menschen ganz allgemein, über die Zeit, in der wir leben, über unsere sozialen Verhältnisse, über unsere Hoffnungen, Ängste, Sehnsüchte, Illusionen und Irrtümer.
Die Fachklinik für Suchtkranke war Arbeitsstelle, Heimat, Experimentierfeld und Schule des Lebens. Ob ich auf dieser Schule viel gelernt habe, weiß ich nicht, aber einige Dinge schon: Es geht immer um das sogenannte (und schwer definierbare) Glück, das in der Erwartung nie groß genug sein kann; es geht um die mehr oder weniger verkorksten Wege, es zu erreichen und die Sackgassen, in die man auf der Hetzjagd nach dem Glück unwillkürlich gerät. Oft ist es ja so, dass man, wenn man etwas zu forciert anstrebt, genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich wollte, und dann hat man vielleicht sogar den Eindruck, als ob das Gegenteil – in diesem Falle das Gegenteil des Glücks, das Unglück also – Ziel unserer Anstrengung gewesen sei. Jedenfalls unternehmen wir Menschen oft alles, um unser Glück zu verhindern.
Darüber habe ich vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben: Über das Glück – und wie wir es verhindern können. Neun Strategien zur Förderung des Unglücks (Lengerich 2012). Das war natürlich paradox formuliert. Niemand will sich nachsagen lassen, er versuche absichtlich das Glück zu sabotieren, er suche absichtlich sein Unglück. Nein, das wäre zu viel verlangt. Aber es besteht doch kein Zweifel, dass unser Verhalten oft diesen doppelbödigen Charakter hat: Ich will etwas, und ich will es auch nicht, ich liebe etwas, und ich hasse es, und in dem, was wir tun, setzt sich oft die unterschwellige Seite – gegen unseren Willen – durch, und dann reiben wir uns verwundert die Augen. Wir reden und träumen vom Glück, aber wenn es auch nur ansatzweise da ist, schauen wir weg. Wir wissen, was wir tun müssten, um ein bisschen glücklicher zu sein, aber wir tun das Gegenteil, um dem Glück ja nicht auf den Leim zu gehen …
Die Anstrengungen, die wir, bewusst oder unbewusst, unternehmen, um unser Glück zu verhindern, habe ich in neun »Strategien« beschrieben, die ich hier noch einmal kurz benennen will:
Erkenne Deine wahren Helfer: Alkohol und andere Drogen!
Sammle, was Du nicht brauchst!
Unterwirf Dich einem Führer!
Ergreife die Macht!
Verschließe Dich!
Arbeite, arbeite, arbeite!
Sei perfekt!
Hab alles und stets unter Kontrolle!
Vermeide das Jetzt!
Liebe Leserin, lieber Leser, Sie sehen schon, worauf es bei dieser Aufzählung hinausläuft: Es geht um die unglückstiftende Macht der Übertreibung. Jede der hier aufgeführten Strategien umschreibt die Tatsache, dass ein an sich gesundes Verhalten übertrieben wird und durch seine Einseitigkeit in eine Sackgasse führt. Es ist immer die Maßlosigkeit, die das Unglück erzeugt:
Alkohol, in Maßen konsumiert, kann dem Genuss, der Entspannung und Geselligkeit dienen, führt im Falle der Übertreibung aber zu Rausch und Abhängigkeit; dann wird er die Gesundheit ruinieren und sich – wie die härteren Drogen auch – als handfestes Gift erweisen, wobei bei den sogenannten illegalen Drogen die mit der Illegalität zusammenhängenden Probleme hinzukommen.
Natürlich ist es gut, Dinge zu sammeln, seinen Besitz zu mehren, sich ein gutes Leben zu ermöglichen und für schlechte Zeiten vorzusorgen, aber im Falle der Übertreibung besteht die Gefahr, das Wichtige nicht mehr vom Unwichtigen unterscheiden zu können und schließlich im angesammelten Plunder zu ersticken.
Sich dem Rat eines Führers anzuvertrauen … was spricht dagegen? Dass die bedingungslose Unterwerfung unter einen Führer aber von Übel ist, muss man einem Deutschen – schließlich haben wir aus unserer Geschichte gelernt – nicht weiter erklären.
Seine Macht auszubauen und zu nutzen ist sicher hilfreich, aber wo allein die Macht regiert, wird es kalt, und das Glück macht sich davon.
Gut ist es, sich zurückhalten zu können, aber wer sich, die Zurückhaltung übertreibend, in sich selber einschließt, zieht sich gewissermaßen selbst aus dem Verkehr. Auf die Frage: Wer ist Ihr nächster Angehöriger? müssten manche ehrlicherweise antworten: Mein Smartphone. Digital sind wir Kontaktweltmeister, analog nimmt die Kontaktunfähigkeit, die eigentlich eine Beziehungsunfähigkeit ist, überhand.
Dass Arbeit ein Segen ist, muss nicht näher erklärt werden; dass man sich mit Arbeit umbringen kann, auch nicht.
Die Dinge, die man macht, möglichst gut machen, in allem gewissenhaft sein, Fehler vermeiden – wunderbar! Aber als Perfektionist lebt es sich schlecht, und den anderen geht man auf die Nerven.
Dasselbe gilt für die Ausübung von Kontrolle: Die Fäden möglichst immer in der Hand behalten, wer möchte das nicht! Genau planen, vorausberechnen, sich vor Überraschungen schützen … Aber zeigt sich das Leben nicht gerade da, wo etwas dazwischenkommt? Im Unvorhergesehen, in der Überraschung?
Schließlich die Vermeidung des Jetzt; auch dies eine Übertreibung. Lange bei uns selbst zu sein, halten wir nicht aus. Meistens beschäftigen wir uns mit dem, was auf uns zukommt, mit der Zukunft also, oder mit dem, was wir erlebt haben, mit der Vergangenheit; tausend Dinge gehen uns durch den Kopf; in der bewussten Gegenwart, im Hier und Jetzt, wo wir doch eigentlich das Glück erleben könnten, sind wir nur selten. Ganz auf uns zurückgeworfen empfinden wir oft nur Leere, und wir haben das Gefühl, die Decke falle uns auf den Kopf. Der horror vacui macht sich bemerkbar. Der Nebel der Langeweile breitet sich aus. Nichts wie weg! heißt die Devise. So versuchen wir uns abzulenken, uns zu beschäftigen, suchen Unterhaltung und Zeitvertreib. Wie von bösen Geistern gejagt, fliehen wir vor uns selbst. Selbstflucht und Jetztvermeidung stehen hoch im Kurs. Jede Menge Geld sind wir bereit, dafür springen zu lassen – und viele Menschen, Betriebe und ganze Industriezweige leben davon. Ablenkung und Unterhaltung sind gut; das Problem liegt auch hier in der Übertreibung.
Soweit die Rückblende auf die Strategien zur Förderung des Unglücks. Vielleicht muss ich nicht noch einmal eigens betonen, dass das mit der Förderung des Unglücks ironisch gemeint ist, aber manchmal hat man schon den Eindruck, als hätten wir die Vermeidung des Glücks zu unserer Lebensaufgabe gemacht. Ich selbst will mich da keineswegs ausnehmen: Alle diese Macken kenne ich von mir selbst. Und wenn ich mit einiger Ironie darüber spreche, so ist dies immer auch Selbstironie. Nebenbei: Die Selbstironie ist die einzige Form der Ironie, die ich für erträglich und zulässig halte. Bevor wir über die anderen herziehen, sollten wir immer uns selbst am Wickel nehmen.
Aber wie steht es nun um das Glück, das wir alle suchen?
Ich möchte im Folgenden zeigen, dass die Sache mit dem Glück etwas sehr Persönliches ist, und dass es oft gar nicht gut ankommt, wenn wir zu demonstrativ davon sprechen. Dann möchte ich die Bedeutung dieses Wortes genauer untersuchen. Wir werden sehen, dass ihm eine Mehrdeutigkeit anhaftet, die es für allgemeine Aussagen ungeeignet macht. Ich werde den Vorschlag begründen, das Wort Glück möglichst sparsam zu verwenden; es soll uns weniger um das Glück gehen, als darum, aus unserem Leben das Beste zu machen. Die seelischen Höhenflüge lassen sich nicht erzwingen; wichtiger scheint mir die innere Zufriedenheit zu sein. Schließlich möchte ich, als Hauptteil dieses Buches, zehn Wege beschreiben, wie wir uns diesem Ziel nähern können. Schritt für Schritt, gemeinsam mit Ihnen, möchte ich das Für und Wider der Wegbeschreibungen diskutieren.
Bei der Erwähnung, dass es zehn Wege sind, entlocke ich Ihnen vielleicht ein Schmunzeln. Von den Politikern kennen wir das ja. Wenn sie vor einem schwierigen Problem stehen, entwerfen sie mit Vorliebe – wohl auch um die eigene Ratlosigkeit hinter respektabler Geschäftigkeit zu verbergen – ein Zehn-Punkte-Programm; nicht neun, nicht elf Punkte müssen es sein, nein, zehn. Die Zahl zehn erinnert an die Zehn Gebote, also gottgegeben, in Stein gemeißelt, ewig. Ganz so heilig will ich die zehn Wege nicht auffassen; vielleicht gefällt Ihnen ein Punkt nicht, dann sind es eben neun, oder Ihnen fällt ein weiterer ein, dann sind es elf. An der Zahl zehn soll es ganz bestimmt nicht liegen.
Das Gerede über das Glück kann einem gehörig auf die Nerven gehen. Glück ist intim. Gibt es etwas Peinlicheres, als wenn jemand erzählt, wie glücklich er ist? Positive Seelengeständnisse sind schwer zu ertragen. Nur bei besonderen Anlässen darf man das: Zum Beispiel beim Jubiläum der dreißigjährigen Betriebszugehörigkeit klingt es ganz gut, wenn der Jubilar sagt, er sei glücklich, in diesem hervorragenden Betrieb mit so vielen hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeiten zu dürfen. Weil jeder im Saal weiß, wie oft der Betreffende seinen Betrieb und seine lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgeheim verflucht hat, und weil man ferner weiß, dass er demnächst in den »wohlverdienten« Ruhestand treten wird, nimmt man ihm sein Glücksbekenntnis mit einem nachsichtigen Lächeln ab. Der Löffel Sahne sei ihm – und uns – gegönnt.
Auch bei der Goldenen Hochzeit sind, sofern kurzgefasst, Glücksbotschaften erträglich. Zwischen Suppe und Hauptgericht, nicht zu viel Sentimentalität, aber ein bisschen darf sein.
Im Alltag hören wir lieber vom Unglück. Das normale Unglück ist bodenständig; da fühlen wir uns daheim. Das Unglück, vor allem das der anderen, ist meistens bekömmlich. Entgegen anderslautenden Meldungen ist die menschliche Begabung für Mitleid doppelt so gut ausgeprägt als die für Mitfreude. Wenn ein Freund uns erklärt, dass er Pech gehabt hat, ist das interessant. Da hören wir gerne zu und wollen Näheres hören: Was ist passiert? Hat er Probleme am Arbeitsplatz? Hat sein Auto eine Schramme, er selbst, oder, was noch interessanter wäre, seine Ehe? Wir nehmen Anteil. Wir sind hilfsbereit und freuen uns, es zu sein. Wenn jemand uns ernsthaft und überschwänglich erzählt, wie glücklich er sei, hören wir weg oder üben uns in Geduld.
Wenn ein älterer Herr, seine jüngere Freundin im Arm, über die Straße tänzelt, lächelt man und sieht das Ende voraus.
Wenn eine junge Frau zum Neuen Jahr allen Freunden und Bekannten einen Brief schreibt und darin aufzählt, wie gut es ihr und ihrer Familie geht – man hat sich einen neuen BMW gekauft, einen dreiwöchigen Urlaub in Australien gemacht, zwei Wochenendausflüge an die Côte d’Azur, die Tochter spielt Klavier, und der Sohn ist Klassenbester – findet man als Empfänger dieses Rundschreiben fast etwas peinlich.
Das Glück scheut das Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit; auch in der Nachrichtensendung kommt es so gut wie nicht vor. Nehmen wir folgendes Beispiel: Eine Frau ging mit einem jungen Mann während eines Gewitters spazieren. Zack, da hat ein Blitz die beiden erschlagen. Das ist eine Nachricht. – Eine Frau ging mit einem jungen Mann während eines Gewitters spazieren. Weil es zu regnen anfing, suchten sie in einer Hütte Zuflucht. Zack, da traf sie die Liebe wie ein Blitz … Das ist keine Nachricht. Schön für die Beteiligten, aber nichts für die Tagesschau.
Ein Unglück ist eine Nachricht, ein Glück ist keine. Das geht so weit, dass manchmal an sich gute Nachrichten, um als Nachrichten durchzugehen, als schlechte getarnt werden müssen. So hörte ich vor wenigen Tagen folgende Meldung im Rundfunk: In Deutschland gibt es immer weniger Falschgeld! Auch das noch, denkt man unwillkürlich, sogar das Falschgeld ist weniger geworden! Arbeitsplätze gibt es immer weniger, Kinder gibt es immer weniger, die Einkommen sind rückläufig … und jetzt sogar noch das Falschgeld! Zu allem Überfluss leiden wir jetzt noch an einem Mangel an Falschgeld! Die Ursache sei die Fahndungsintensität der Polizei … Erst da dreht sich die Botschaft herum: Aha, das ist ja eigentlich ein Erfolg! Eine gute Nachricht also! Der Polizei ist es gelungen, den Falschgeldproduzenten und –vertreibern das Handwerk zu erschweren! So müsste die Botschaft lauten. Aber wen interessiert eine gute Nachricht? Tags darauf las ich in der Zeitung: Kaum Erfolg für Geldfälscher! Seit zwei Jahren geht die Zahl der Euro-Blüten in Deutschland zurück … Erst mehrere Zeilen später dann wieder der erklärende Satz: Fahndungserfolge der Polizei gelten als Ursache für den Rückgang … – Eine Nachricht darf nur gut sein, wenn es gar nicht mehr anders geht. Mit der Konjunktur geht es aufwärts! Das ist zweifellos gut. Das ist sogar beruhigend und als Nachricht erfreulich. Aber wo, bittschön, bleiben die Probleme? Ein paar Zeilen später kommen die bestimmt; man muss nicht lange suchen. – Übrigens: Die einzigen, die gute Nachrichten gerne für sich in Anspruch nehmen, sind die Damen und Herren Politiker. Je mehr sie im Licht positiver Nachrichten strahlen (und uns langweilen), umso fleißiger suchen die Damen und Herren von der Presse nach den dunklen Stellen, was natürlich interessant, gut und wichtig, eine Art Ausgleich, ein wichtiger Beitrag zur Gesellschaftshygiene und ihre Aufgabe ist. Ein politischer Skandal hat einen höheren Unterhaltungswert als die Nachricht von annähernder Vollbeschäftigung.
Auch im privaten Bereich sind wir skeptisch, wenn jemand sich zu gerne und zu offen als Glückspilz präsentiert. Glück darf man nicht zu auffällig zeigen. Ich kenne einen freundlichen Mann, der, egal was passiert, immer freundlich lächelt. Er strahlt vor Glück und lächelt nach links und lächelt nach rechts. Er hat’s zu was gebracht, familiär und beruflich ist alles im Lot, er sitzt in einem Aufsichtsrat, mischt in der Lokalpolitik mit und ist Vorsitzender eines Vereins – ehrenamtlich. Wo auch immer man ihm begegnet, er lächelt. Er spricht mit jedem gern ein paar Worte … und lächelt. Die Sonne scheint … und er lächelt. Es regnet … und er lächelt. Bei Tag und bei Nacht scheint er zufrieden und glücklich zu sein. Die Leute, die ihm begegnen … lächeln und nennen ihn hinter seinem Rücken den Lächler!
Ein Bekannter von mir, ein erfolgreicher Geschäftsmann, sonst eigentlich ein netter Mensch, hat die unangenehme Gewohnheit, zu gerne von seinen Erfolgen zu erzählen. Er trägt sein Glück wie ein süßliches Aftershave. Irgendwie muss er ständig die Verpflichtung spüren, andere mit seinen Glücksmitteilungen auch ein bisschen glücklich zu machen. Seine Reisen in fernste Länder sind überdimensional. Bereits im Grundschulalter wurde sein Töchterchen als Model für Kindermode engagiert, der Sohn treibt Leichtathletik und macht Musik (Klarinette), einfach gut (fast genial). Seine Frau ist hübsch und spielt, mit ihm zusammen, Golf. Wenn er mir – zum wievielten Male? – rät, an einem Schnupperkurs im Golfclub teilzunehmen, nehme ich Reißaus. Je mehr er mich mit seinen Mitteilungen aufheitern will, umso mehr verfinstert sich mein Gemüt. Je mehr er mich an seinem Glück teilhaben lässt, umso unglücklicher fühle ich mich. Schöner wäre es, mit dem Mann einfach über Gott und die Welt zu diskutieren, über das Böse in der Welt (oder über die Frauen) zu schimpfen und ein harmloses Bier zu trinken.
Bei zu viel fremdem Glück zuckt man unwillkürlich zusammen. Glück ist nur dann genießbar, wenn es das eigene ist. (Und dann sollte man besser nicht zu viel darüber reden.)
Manchmal stellt sich das Glück fast nebenbei ein: So schrieb ein Schüler seiner Mutter aus der Skiwoche, die er zusammen mit seiner Klasse im Kleinen Walsertal verbrachte: Liebe Mama, es geht mir gut, und das Skifahren macht mir viel Spaß. Gestern aber hatte ich keinen guten Tag. Da habe ich ein Bein gebrochen. Zum Glück war es nicht mein eigenes.
Wie tröstlich ist es doch, dass wir das Lachen nicht verlernt haben!
Aber jetzt wird es Zeit, dass wir die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Glück genauer unter die Lupe nehmen.
Was sagt uns der normale Sprachgebrauch über das Glück?
Man kann sagen: Ich habe Glück. Oder: Ich bin glücklich. Zwei Dimensionen des Glücks: Haben und Sein.
Woran denkt man beim Glück-Haben? – Zunächst natürlich an den berühmten Sechser im Lotto, von dem wir alle träumen. Endlich wären wir alle (oder fast alle) Sorgen los! Von heute auf morgen hätten wir Millionen auf dem Konto! Ein Angestellter der Lottogesellschaft käme eigens vorbei um uns diskret zu beraten, denn so viel Geld will mit Umsicht in Empfang genommen und verwaltet werden. Er würde uns empfehlen, die Ruhe zu bewahren, mit niemandem, außer den engsten Familienangehörigen und besten Freunden, darüber zu sprechen … Vorsicht walten zu lassen! (Vielleicht sogar erst recht gegenüber Familienangehörigen und besten Freunden!) Wer von so einem Geldsegen in der Öffentlichkeit spräche, würde alle Habgierigen der Welt anlocken – und die Welt ist voller Habgieriger. Ein zu großer Spritzer Blut im Haifischbecken! – Aber trotz aller Risiken, wer würde diese Gefahren nicht bereitwillig auf sich nehmen? Der Sechser im Lotto wäre die Eintrittskarte ins Schlaraffenland, und davon können wir, die Nichtgewinner, nur träumen …
Schon etwas mühsamer aber immer noch schön ist es, wenn man das Glück hat, eine gute Arbeitsstelle gefunden zu haben. Oder, wenn man sich im Auto durch die Innenstadt quält, und sieht: da vorne ist ein freier Parkplatz! Auch dann sagt man: Glück gehabt!
Glück zu haben betont die Tatsache, dass mir etwas zufällt, das ich mir gewünscht habe, mit dem ich aber nicht mit Sicherheit rechnen konnte. Die günstige Fügung der Ereignisse kann ich einer höheren Macht zuschreiben, dem Schicksal oder schlicht und einfach: dem Zufall. Da kann ich selbst nicht viel dafür tun. Gut, ich muss, wenn ich im Lotto gewinnen will, zuerst mal einen Lottoschein ausfüllen und abgeben; um eine gute Arbeitsstelle zu finden, benötige ich eine gute Ausbildung, und ich muss mich bewerben; um einen Parkplatz zu finden, muss ich ein Auto haben und einen Parkplatz suchen … Aber das Entscheidende kommt dann von außen – wie ein Geschenk.
Übrigens geht es beim Glück-Haben nicht immer darum, dass mir etwas Gutes, etwas Erwünschtes, in den Schoß fällt, es kann auch sein, dass ich etwas Schreckliches, etwas Unerwünschtes also, gerade noch vermieden habe, gewissermaßen mit heiler Haut davongekommen bin. Jemand verliert infolge überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen Wagen und landet sanft in einer Wiese. Glück gehabt, sagen wir dann. Oder er fährt gegen einen Baum und steigt mit einigermaßen heiler Haut aus dem Schrott: Was für ein Glück! sagen wir. Selbst wenn der Fahrer halbtot wäre, würde man vielleicht noch von Glück reden, denn es hätte ja noch viel schlimmer kommen können. Bereits hier merken wir, wie relativ die Sache mit dem Glück bestellt ist. Alles in allem keine sehr präzise Bezeichnung für etwas, das uns so wichtig zu sein scheint.
Diese Mehrdeutigkeit ist natürlich eine wahre Fundgrube für die Witzeerzähler!
Eine Kostprobe:
»Ist es wahr«, sagt eine Frau zu ihrer Nachbarin, »dass Ihr Mann im Krankenhaus liegt, weil er letzte Nacht mit voller Wucht gegen das Garagentor gerast ist?« – »Ja,« antwortet die Nachbarin, »und dabei kann ich noch von Glück sagen, dass er den Wagen nicht dabeihatte.«
Über kurzsichtige Glücksformulierungen lachen wir gern:
»Unser Nachbar ist ein richtiger Glückspilz.«
»Warum?«
»Gestern hat er eine Unfallversicherung abgeschlossen … und heute fällt er vom Dach.«
*
Glücklicherweise hatte der Ermordete sein sonst zuhause aufbewahrtes Geld tags zuvor bei der Bank einbezahlt, so kam er mit dem Verlust des Lebens davon.
Betrachten wir jetzt das Glücklich-Sein: Wann sind wir glücklich?
Drei verschiedene Antworten gibt es auf diese Frage:
Die erste Antwort lautet: Glücklich sind wir dann, wenn unsere Wünsche in Erfüllung gehen.