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Skepsis ist die Bezeichnung für eine philosophische Haltung, die grundsätzlich infrage stellt, dass wir überhaupt irgendetwas wissen können. Trotz der Erfolge der modernen Naturwissenschaften kehrt diese Frage in der gegenwärtigen Philosophie wieder. Denn es ist gerade die Wissenschaft, die uns lehrt, dass die Welt anders ist, als sie uns erscheint. Daher stellt sich für einen Skeptiker die Frage, ob sie nicht auch anders sein könnte, als sie der Wissenschaft erscheint. Diese Frage führt auf den Unterschied von Sein und Schein, von dem die antike Skepsis ihren Ausgang nimmt und der in der modernen Skepsis wiederkehrt. Allerdings besteht die Skepsis nicht nur aus kritischen Rückfragen an Wissensansprüche, sondern auch in einer Lebensform. Wenn wir nichts wissen können, was sollen wir dann tun? Auch diese Frage muss thematisieren, wer sich der Skepsis stellt.
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Seitenzahl: 231
Antike und moderne Skepsis zur Einführung
Markus Gabriel
Wissenschaftlicher BeiratMichael Hagner, ZürichDieter Thomä, St. GallenCornelia Vismann, Frankfurt a.M. †
Junius Verlag GmbHStresemannstraße 37522761 HamburgIm Internet: www.junius-verlag.de
© 2008 by Junius Verlag GmbHAlle Rechte vorbehaltenCovergestaltung: Florian ZietzTitelbild: Sextus EmpiricusVeröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016ISBN 978-3-96060-000-8Basierend auf Print-AusgabeISBN 978-3-88506-649-12., ergänzte Aufl. 2015
Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
… hat diese Taschenbuchreihe seit ihrer Gründung 1978 gedient. Zunächst als sozialistische Initiative gestartet, die philosophisches Wissen allgemein zugänglich machen und so den Marsch durch die Institutionen theoretisch ausrüsten sollte, wurden die Bände in den achtziger Jahren zu einem verlässlichen Leitfaden durch das Labyrinth der neuen Unübersichtlichkeit. Mit der Kombination von Wissensvermittlung und kritischer Analyse haben die Junius-Bände stilbildend gewirkt.
Von Zeit zu Zeit müssen im ausufernden Gebiet der Wissenschaften neue Wegweiser aufgestellt werden. Teile der Geisteswissenschaften haben sich als Kulturwissenschaften reformiert und neue Fächer und Schwerpunkte wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte oder Bildwissenschaften hervorgebracht; auch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften sind die traditionellen Kernfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften neuen Herausforderungen ausgesetzt. Diese Veränderungen sind nicht bloß Rochaden auf dem Schachbrett der akademischen Disziplinen. Sie tragen vielmehr grundlegenden Transformationen in der Genealogie, Anordnung und Geltung des Wissens Rechnung. Angesichts dieser Prozesse besteht die Aufgabe der Einführungsreihe darin, regelmäßig, kompetent und anschaulich Inventur zu halten.
Zur Einführung ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren. Sie wollen klassische Fragen in neuem Licht und neue Forschungsfelder in gültiger Form dargestellt sehen.
Zur Einführung ist von Leuten geschrieben, die nicht nur einen souveränen Überblick geben, sondern ihren eigenen Standpunkt markieren. Vermittlung heißt nicht Verwässerung, Repräsentativität nicht Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren der Reihe haben eine eigene Perspektive auf ihren Gegenstand, und ihre Handschrift ist in den einzelnen Bänden deutlich erkennbar.
Zur Einführung ist in verstärktem Maß ein Ort für Themen, die unter dem weiten Mantel der Kulturwissenschaften Platz haben und exemplarisch zeigen, was das Denken heute jenseits der Naturwissenschaften zu leisten vermag.
Zur Einführung bleibt seinem ursprünglichen Konzept treu, indem es die Zirkulation von Ideen, Erkenntnissen und Wissen befördert.
Michael HagnerDieter ThomäCornelia Vismann
Vorwort
Einleitung
I.Antike Skepsis
1. Der Ursprung der Skepsis in der vorsokratischen Metaphysik
2. Das Traumargument bei Platon und das skeptische Problem der Aparallaxie
3. Der stoische Repräsentationalismus und seine skeptische Dekonstruktion
4. Das Außenweltproblem bei Sextus Empiricus
5. Sextus Empiricus: Urbane oder rustikale Skepsis?
6. Das skeptische Heilsversprechen – die pyrrhonische Skepsis als Lebensform
7. Das Problem des Quietismus
II. Moderne Skepsis
1. Die cartesische Skepsis – vom Dämon zum Gehirn im Tank
2. Die Wiederkehr der pyrrhonischen Skepsis – Ludwig Wittgenstein und Richard Rorty
3. Die Wahrheit des Skeptizismus – von Kant zu Stanley Cavell
4. Der amerikanische Neo-Pyrrhonismus
Schluss
Anhang
Anmerkungen
Literatur
Über den Autor
Die vorliegende Einführung in die antike und moderne Skepsis geht auf eine längere Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Skepsis zurück. Dieses tritt immer dort in Erscheinung, wo die Anstrengung des Wissens, sich selbst über seine eigenen Bedingungen aufzuklären, scheitert oder zu scheitern scheint. Die Auseinandersetzung mit der Skepsis ist daher stets eine Auseinandersetzung mit unserer (epistemischen) Endlichkeit. Dem Leser wird hoffentlich nicht zu viel abverlangt, wenn diese Einführung in das Phänomen der Skepsis so entworfen ist, dass sie keinen Ausweg aus der Skepsis zeigt. Denn zunächst müssen wir die Härte der Endlichkeit einsehen, die sich auch in unseren epistemischen Anstrengungen zeigt. Wie wir über die Endlichkeit hinausgelangen können, ist eine weitreichende Frage, die nur in einer Beschäftigung mit dem Verhältnis der Metaphysik zur Skepsis beantwortet werden kann. Eine solche Beschäftigung wird in diesem Buch bewusst ausgespart.
An dieser Stelle sei vor allem mein Dank an die Mitarbeiter des Forschungsprojekts über »Skeptizismus und Idealismus in der Antike« ausgesprochen, das im Rahmen des Eliteprogramms für Postdoktoranden der Landesstiftung Baden-Württemberg am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg durchgeführt wird: Ich danke Stephan Zimmermann, Marius Bartmann und Julian Ernst ganz herzlich für ihren unermüdlichen Eifer in der Sache und für ihre Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts sowie für ihre gründliche Arbeit des Korrekturlesens! Außerdem gilt mein besonderer Dank Steffen Herrmann, dessen sachdienliche Hinweise maßgeblich in die Erstellung dieses Buches eingegangen sind.
Heidelberg, im Herbst 2007Markus Gabriel
Die Wissenschaft zeigt uns, dass die Welt anders ist, als sie uns auf den ersten Blick erscheint – eine einfache Einsicht, die zum Erfahrungsschatz eines jeden Menschen gehört. Der Mond ist größer, als er dem bloßen Auge erscheint; es stellt sich heraus, dass es das Unbewusste (oder was auch immer) ist, das unser Bewusstseinsleben maßgeblich steuert. Wenn wir aber immer wieder entdecken, dass die Welt anders ist, als sie uns erscheint, wieso erkennen wir dann nur ein Weltbild, nur eine Interpretation der Welt an? Woher eigentlich das Zutrauen in die Wissenschaft, wo doch diese selbst ihr Bild der Wirklichkeit beständig revidiert? Und woher wissen wir, dass die Welt nicht wiederum anders ist, als die Wissenschaft zu einer Zeit uns lehrt, und zwar auf eine Weise anders, die wir noch gar nicht absehen können?
Diese Frage führt auf den scheinbar einfachen Unterschied von Sein und Schein. Das Phänomen der Skepsis entsteht grundsätzlich dort, wo Sein und Schein unterschieden werden: Die Suche nach dem verborgenen, dem wahren Sein jenseits der trügerischen Welt der Erscheinungen, in der wir leben, bringt im Fahrwasser unserer Wissensbemühungen die Skepsis unablässig als ihren Schatten hervor. Die Frage ist, wie wir der grundlegenden Einsicht der Skepsis begegnen sollen: Wie können wir Sein und Schein unterscheiden, ohne dadurch das Sein selbst zum Schein zu machen? Wie können wir überhaupt über unsere Wissensansprüche hinaus auf eine Welt zugreifen, die unabhängig von unseren Wissensansprüchen – und in diesem Sinne objektiv – ist?
Diese Fragen werden im Folgenden als Grundfragen der Skepsis diskutiert. Dabei wird nicht ausgeblendet, dass die Skepsis stets auch aus einer existenziellen Erfahrung, der Erfahrung der Endlichkeit unseres Verstehens von anderen und der Welt, hervorgeht. Die Skepsis wirft nicht nur theoretisch verwickelte Probleme auf, sondern bietet auch besondere Weisen des Umgangs mit unserer Endlichkeit an. Dabei trägt sie immer auch unverkennbare Züge einer Tragödie des menschlichen Wissens. – Man erinnere sich nur daran, dass im Namen ›Ödipus‹ das griechische ›oida‹, d.h. ›ich weiß‹, anklingt. Der tragische Protagonist par excellence ist aufgrund seiner Wissensanstrengungen tragisch.
Genaues Hinsehen (und nichts anderes heißt das griechische Wort ›skepsis‹) lehrt, dass alles Wissen endlich ist – dies ist jedenfalls die Lektion, die uns die Skepsis beibringen möchte. Ob sich diese Lektion streng genommen durchführen und ihr Ergebnis behaupten lässt, wird eine der Grundfragen dieser Einführung sein. Die dabei aufgeworfenen Probleme sind Probleme der Philosophie unserer Zeit, genauso wie sie Probleme der Philosophie überhaupt sind. Insofern gehören skeptische Probleme zur philosophia perennis. Da die Philosophie unserer Zeit oftmals allzu selbstbewusst über die Geschichte ihrer Probleme hinweggeht, kommt in dieser Einführung zunächst die antike Skepsis ausführlich zur Sprache. Denn ohne eine gründliche Kenntnis der antiken Skepsis kann nicht wirklich geklärt werden, was in der gegenwärtigen Skepsis-Debatte auf dem Spiel steht.
Die Geschichte der Philosophie ist bereits in der Spätantike als ein Streit von Dogmatismus und Skepsis aufgefasst worden. Alle Versuche, eine positive Philosophie zu entwickeln, die uns darüber aufklärt, wie unsere Position im Ganzen der Wirklichkeit zu verstehen ist, waren stets von skeptischen Attacken bedroht, die mit hartnäckigen Argumenten geführt wurden und darzulegen versuchten, dass die weitreichenden Erkenntnisansprüche der Philosophen nicht eingelöst werden können. Diese niemals an ein Ende gelangende Auseinandersetzung zwischen dogmatischen Erkenntnisansprüchen und ihrer skeptischen Infragestellung hat im Laufe der Jahrhunderte zu einer Verfeinerung der skeptischen und antiskeptischen Strategien geführt. Insbesondere die Skepsis-Debatte der letzten dreißig Jahre hat ein neues Licht auf die Funktion der Skepsis geworfen.
Vor diesem Hintergrund führt das vorliegende Buch sowohl in die antike als auch in die moderne Skepsis ein, denn nur auf diese Weise lässt sich ein breiter Überblick über die grundlegenden Strategien und Probleme der Skepsis gewinnen. Dabei können natürlich nicht alle Epochen berücksichtigt werden. Für diejenigen, die sich ausführlicher mit dem Problem der Skepsis im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit beschäftigen möchten, sei daher an dieser Stelle auf die Arbeiten von Dominik Perler und Richard Popkin hingewiesen.1 Da die Skepsis-Debatte in vollem Gange ist und in gewisser Weise einen Grundzug der Gegenwartsphilosophie ausmacht, finden neben der antiken und cartesischen Skepsis auch zeitgenössische Strömungen Erwähnung. Wenn die Auswahl auch kontingent ist, so kann sie dennoch als repräsentativ gelten. Denn es ist eine gut begründbare Beobachtung, dass die Skepsis vor allem in der Antike entwickelt wurde und in unserer Zeit auf dem bisher höchsten Niveau diskutiert wird.
Die antike Skepsis geht auf die vorsokratische Metaphysik zurück. Diese entspringt einer einfachen Unterscheidung, nämlich der Unterscheidung zwischen Sein und Schein. Die griechische Kultur, von der sich die meisten der tradierten metaphysischen Grundbegriffe herleiten, welche in die europäischen Begriffssprachen von Philosophie und Wissenschaft eingegangen sind, basiert zu wesentlichen Teilen auf dieser Unterscheidung, die ihre Vorgeschichte in der griechischen Religion und Literatur hat. Die Unterscheidung von Sein und Schein ist kein philosophisches Artefakt, keine plötzliche Entdeckung eines reinen Denkens, sondern Ausdruck einer Erfahrung mit der auf eine bestimmte Weise gedeuteten Welt.
In der griechischen Tragödie und bereits bei Homer werden die Heroen in ein tragisches Geschehen verstrickt, indem sie durch Atê, die Macht der Verblendung, getäuscht werden und nicht mehr sehen, wie es wirklich um sie bestellt ist. Bei Homer ist Atê gar eine Tochter des Zeus, die im Bündnis mit dessen Gattin sogar ihn, den mächtigsten unter den Göttern, getäuscht hat (Ilias, 19. Gesang, 91ff.). Die Erfahrung, dass die Götter und schließlich auch die Mitmenschen anders erscheinen können, als sie sind, gibt Anlass zu einer Reflexion darauf, wer oder was sie wirklich sind. Denn ohne die Besinnung auf das Sein, das sich hinter dem Schein verbirgt, laufen wir ständig Gefahr, Opfer eines grausamen Schicksals zu werden. Unsere existenzielle Aufgabe als Sterbliche (und d.h. als endliche Wesen) besteht darin, den Schein möglichst zu durchschauen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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