Arbeitsbuch für Paare zur traumasensiblen Paartherapie - Katharina Klees - E-Book

Arbeitsbuch für Paare zur traumasensiblen Paartherapie E-Book

Katharina Klees

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Beschreibung

Warum Streiten nicht verbindet Häufige Konflikte und überzogene Gefühlsausbrüche in der Paarbeziehung, aber auch zermürbendes Schweigen zwischen den Partnern können u.U. in einem Trauma aus der Kindheit begründet liegen. Vielleicht haben die Eltern Schlimmes im Krieg erlebt und gaben unverarbeitete Belastungen ungewollt an ihre Kinder weiter. Das Ergebnis kann eine Beziehungsstörung sein, die sich auf die aktuelle Partnerschaft auswirkt. Hier setzt die traumasensible Paartherapie an, und dieses Arbeitsbuch unterstützt eine solche Therapie. Die Paare entwickeln ein Verständnis dafür, was im Gehirn passiert, wenn sie streiten oder aus Angst vor Streit schweigen. Das Buch hilft, Streitigkeiten achtsam zu beenden, und bietet Tools, um die Gefühle in den Griff zu bekommen. Das Ziel ist, die jeweilige Paardynamik zu durchschauen und sich liebevoller aufeinander einzustimmen. Dieses Arbeitsbuch … - begleitet und unterstützt Paare, nicht nur während einer traumasensiblen Paartherapie. - hilft, Gelerntes zu überprüfen und zu vertiefen. - stärkt die Beziehung durch gemeinsames Bearbeiten der Aufgaben. Alle Arbeitsschritte werden in einem integrierten Online-Videokurs begleitet und unterstützt.

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Seitenzahl: 155

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Katharina KleesArbeitsbuch für Paare zur traumasensiblen PaartherapieMit Online-Video-Kurs

Über dieses Buch

Warum Streiten nicht verbindet 

Erleben Sie in Ihrer Paarbeziehung häufig Konflikte? Kommt es zwischen Ihnen und Ihrer Partnerin / Ihrem Partner zu überzogenen Gefühlsausbrüchen oder herrscht zermürbendes Schweigen? Einer der Gründe dafür kann ein Trauma aus der Kindheit sein. Vielleicht haben Ihre Eltern Schlimmes im Krieg erlebt und gaben unverarbeitete Belastungen ungewollt an Sie weiter. Das Ergebnis kann eine Beziehungsstörung sein, die sich auf Ihre aktuelle Partnerschaft auswirkt. 

Hier setzt die traumasensible Paartherapie an, und dieses Arbeitsbuch unterstützt eine solche Therapie. Sie als Paar entwickeln ein Verständnis dafür, was im Gehirn passiert, wenn Sie streiten oder aus Angst vor Streit schweigen. Das Buch hilft Ihnen, Streitigkeiten achtsam zu beenden, und bietet Tools, um die Gefühle in den Griff zu bekommen. Das Ziel ist, Ihre Paardynamik zu durchschauen und sich liebevoller aufeinander einzustimmen. 

Dieses Arbeitsbuch … 

begleitet und unterstützt Sie als Paar, nicht nur während einer traumasensiblen Paartherapie. hilft, Gelerntes zu überprüfen und zu vertiefen. stärkt die Beziehung durch gemeinsames Bearbeiten der Aufgaben.

Dr. Katharina Klees, Therapie und Weiterbildung für Trauma und Paare seit 1995. Zertifizierte Ausbilderin der DeGPT und BAG Traumapädagogik für traumaspezifische Fachberatung. http://www.aufwindinstitut.com

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2020

Coverbild: © altanaka – stock.adobe.com

Illustrationen: Elena Parras

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2020

ISBN der Printausgabe: 978-3-7495-0147-2

ISBN dieses E-Books: 978-3-7495-0148-9 (EPUB), 978-3-7495-0150-2 (PDF),  978-3-7495-0149-6 (MOBI).

Vorwort

Welcher Ort mag wohl besser geeignet sein, um eine persönliche Krise zu bewältigen, als eine Insel mit einem rotweiß gestreiften Leuchtturm? Tatsächlich nahm alles seinen Anfang bei einem Wochenendurlaub mit meinem Partner auf der Nordseeinsel Pellworm. Dort suchte ich Lösungen für die Konflikte in unserer Partnerschaft.

Sie müssen es nicht genauso machen, doch vielleicht stellen Sie sich vor, dass Sie dieses Arbeitsbuch als Ihre ganz persönliche Insel der Zuflucht nutzen. Die Idee hat etwas Betörendes – finden Sie nicht?

Mein Partner war bereit, mit mir dieses Experiment zu wagen. Wir gingen alle Übungen, die ich hier im Arbeitsbuch zusammengefasst habe, durch. In einem Strandkorb suchten wir Schutz vor dem Regen und fertigten mit Blick auf die graue Nordsee eine Streit-Skizze an. Während eines Spaziergangs, vorbei an der berühmten Pellwormer Windmühle, die auch für Hochzeiten buchbar ist, besprachen wir unser Krisenmanagement. Nach einem Ausflug in das romantische Insel-Café mit traumhaftem Garten saß jeder an einem separaten Tisch mit seiner Tasse Tee, und wir zeichneten die Bilder des Emotions-Skripts. Wir streichelten ein kleines Kätzchen, das uns die ganze Zeit umschmeichelt hatte, und lasen uns die Beziehungssätze vor. Im Anschluss daran sprang mein Partner jauchzend ins eisige Meer. Es war ein kalter Oktober in diesem Jahr 2008.

Unsere vier inneren Anteile erarbeiteten wir in einem noblen Fischrestaurant. In der Dunkelheit wanderten wir gelabt und ergriffen durch die Deichwiesen zu unserem reetgedeckten Ferienhäuschen. Die Sterne funkelten über uns, der Wind brauste und pfiff in unseren Haaren, wir hielten uns an den Händen und waren innerlich sehr aufgewühlt. Die kurze Zeit auf der Insel und die Übungen zu unserem Traum(a)-Haus brachten uns Klarheit über unsere Beziehung. Nachts saß ich noch lange bei Kerzenschein am Laptop und schrieb alles nieder. Ich wollte, dass „meine“ Paare von dieser Erfahrung profitieren. Zugegeben, ich träumte auch davon, Seminare auf Pellworm anzubieten. Leider kam es nie dazu.

Vor der Abreise führten wir am nächsten Morgen beim Frühstück im Fährrestaurant noch ein strukturiertes Beziehungsgespräch und bündelten damit unsere Erkenntnisse. Während ich an der Reling der Fähre stand, das Rauschen der schäumenden Wellen und die steife Brise im Ohr, sah ich zum Festland, welches sich unaufhaltsam näherte. Ich fühlte mich beseelt und überwältigt. Ich ahnte, dass ich „meinen“ Paaren einen Schatz von diesem Herbstwochenende mit nach Hause bringen würde.

Dieser Schatz veränderte meine eigene Beziehung, mein Wirken als Paartherapeutin, das Leben so vieler Paare und wurde zum Grundstein für das Buch Traumasensible Paartherapie. Damit veränderte sich auch so manche Paartherapie-Praxis. Viele Menschen haben mittlerweile mein Buch gelesen, es gibt ausschließlich positive Rezensionen. Die Rückmeldungen, die ich bekomme, erwärmen noch immer mein Herz. Wenn ich an die kalten Oktobertage auf Pellworm zurückdenke, wo alles begann, bin ich dankbar für diese Entwicklung. Seither kenne ich Liebeskrisen nur noch aus meinem Praxisraum und von Weiterbildungen mit Therapeut*innen.

Das Buch Traumasensible Paartherapie war ursprünglich für Fachleute gedacht, und doch haben es ganz viele Paare gelesen, bringen nicht selten ein völlig zerlesenes und mit vielen Zetteln gespicktes Exemplar mit. Einmal befanden sich sogar zwischen den Seiten Zeichnungen zur Streit-Skizze, dem Emotions-Skript und den vier inneren Anteilen. Mir wurde daran deutlich: Paare, die mit der traumasensiblen Paartherapie arbeiten wollen, verdienen ein eigenes Arbeitsbuch. Dieses halten Sie nun in Ihren Händen. Ich beglückwünsche Sie zu dem mutigen Entschluss, mithilfe dieses Arbeitsbuchs aus Ihrer Beziehung eine „Insel für Ihr Glück“ zu erschaffen. Dabei will ich Ihnen behilflich sein.

Sie fragen sich vielleicht, ob es einen Bezug gibt zwischen einem möglichen Trauma aus Ihrer Herkunftsfamilie und Ihren Beziehungskrisen. Dazu empfehle ich gerne die Methode „Traumabrief der Eltern“. Wenn Sie mögen, stellen Sie einen solchen Brief an den Anfang unserer gemeinsamen Reise.

Ein guter Start: Schreiben Sie einen Brief an sich selbst und tun Sie so, als würde Ihr Vater / Ihre Mutter diesen Brief an Sie richten:

Mein lieber Sohn / meine liebe Tochter,

ich möchte Dir erzählen, welche Traumata ich während meiner Kindheit und Jugend / während des Krieges erlebt habe …

Dein Vater / Deine Mutter

Ich werde Sie auf Ihrer Reise begleiten, während Sie sich mit dem Arbeitsbuch und den Lektionen, Übungen und Anleitungen beschäftigen. Wenn sie den Traumabrief der Eltern geschrieben haben, werden Sie einen starken Eindruck davon haben, wie intensiv die Methoden in diesem Arbeitsbuch sind. Deswegen nehme ich Sie ein wenig an die Hand. Zu diesem Arbeitsbuch gehört ein Gratis-Online-Kurs. Wenn Sie sich im Online-Kurs-Portal angemeldet haben (siehe Kasten unten), finden Sie dort Videos zu den einzelnen Kapiteln.

Ich wünsche Ihnen eine erhellende Reise, viele heilsame Einsichten, Wachstum und Durchhaltevermögen. Es wird sich lohnen.

Immer wieder erfahren wir, wie wichtig die Liebe gerade in krisenhaften Zeiten ist. Manchmal kommen diese Krisen aus Ihrem Inneren und manchmal von außen. Deswegen: Halten Sie zusammen!

Ich wünsche Ihnen und unserer Welt: Liebe in jeder Beziehung!

Ihre

Zu diesem Arbeitsbuch gibt es einen begleitenden Online-Kurs, der allen Leser*innen kostenlos zur Verfügung steht. Er umfasst 17 Videos. Die Buchteile, zu denen es jeweils Videos gibt, sind mit diesem Icon gekennzeichnet. Über den QR-Code bzw. über die URL gelangen Sie in das Kurs-Portal des Aufwind-Instituts. Dort melden Sie sich an und erhalten dann Ihre Zugangsdaten.

https://elopage.com/s/Aufwind-Institut/arbeitsbuch-fuer-paare-zur-traumasensiblen-paartherapie

Wir stellen Ihnen außerdem einen Test und einige Arbeitsblätter aus dem Buch ergänzend zum kostenlosen Download zur Verfügung, erkennbar an diesem Icon . Die Downloads finden Sie auf http://www.junfermann.de. Gehen Sie dafür auf die Einzelansicht dieses Arbeitsbuches und dort in den Bereich „Mediathek“.

1. Das Abenteuer beginnt

1.1 Hat Ihre Beziehung (noch) eine Chance?

„Es gibt zwei Arten des Leidens. Das Leid, vor dem wir wegrennen, weil wir uns der Wahrheit des Lebens nicht stellen wollen. Und das Leid, das wir durchleben, wenn wir bereit sind, vor den Problemen der Welt nicht mehr wegzulaufen. Nur die zweite Art führt dich zur Freiheit.“

Jack Kornfield

In diesem Arbeitsbuch geht es um zwei sehr unterschiedliche Wege des Leidens. Mit dem ersten Weg machen irgendwann alle Paare Bekanntschaft. Während sie streiten, Krisen durchleben, fruchtlose Auseinandersetzungen führen und distanziert schweigen oder, schlimmer noch, lügen, Geheimnisse voreinander haben und untreu sind, nistet sich ein höchst unproduktives Leiden als unliebsamer Untermieter ins Haus der Liebe ein. Viele Paare hoffen, die richtige Kommunikationstechnik führt zu einer besseren Verständigung. Sie üben Gewaltfreie Kommunikation, führen Zwiegespräche bis tief in die Nacht und stellen immer wieder ihre Beziehung infrage. Nicht wenige Paare sind fest davon überzeugt, die wesentlichen Konfliktthemen klären zu können, ohne den Ursprung oder Sinn hinter den verstörenden Emotionen zu ermitteln. Es wird gestritten, schließlich sei das normal, wie man in zahlreichen Beziehungsratgebern lesen kann. Im Streit würden Gefühle herausgelassen, und das reinige die Luft wie ein klärendes Gewitter.

Wenn man sich nur innig liebt, so eine weitere weitverbreitete Annahme, dann reicht das für eine dauerhafte Beziehung. Viele Paare glauben das am Anfang, und doch hat kaum jemand gelernt, wie Liebe, Partnerschaft oder Sexualität wirklich gelingen können, was erfolgreiche Paare richtig machen und was der „Garten des Glücks“ braucht, um bunt und schön zu bleiben. Die Beziehungen der Eltern oder Großeltern taugen hier eher nicht als Vorbild. Womöglich haben die Partner öfter mal gegeneinander gekämpft oder eine distanzierte Zweckgemeinschaft gebildet.

In Krisenzeiten experimentieren Paare irgendwann mit Ratgeberliteratur zur Partnerschaft. Oder sie beklagen sich bei Freunden, in der festen Überzeugung, es könne nur dann funktionieren, wenn der andere sich ändert, wenn nur die schrecklichen Emotionen nicht wären oder wenn alles wieder so wäre wie am Anfang. Konstruktive Klärungen werden immer wieder vertagt, da Gespräche die ersehnte Harmonie erst recht gefährden. Da das Leiden so unangenehm ist und ein Streit häufig tagelang nachklingt, vermeiden es viele Paare zunehmend, wichtige Themen anzusprechen. Erst nach Monaten oder gar Jahren kommt heraus, was Ihr*e Liebste*r wirklich dachte, empfand oder extremerweise gar tat. „Ich habe dir nichts gesagt, weil ich dich nicht verletzen wollte.“

In diesem Arbeitsbuch lernen Sie andere Wege kennen. Sie erfahren, was in Ihrem Gehirn passiert, wenn Sie eine sehr innige Beziehung eingehen und sich auf einen Menschen ganz und gar einlassen. Wir werden klären, was es mit diesen oft störenden Emotionen auf sich hat, die jede Auseinandersetzung begleiten, eine Krise überhaupt erst anstacheln und kaum zu stoppen sind, so unsinnig der Streit auch erscheinen mag. Sogar dann, wenn ein Paar den Ursprung des Leidens und den Kampf mit den unheilvollen Emotionen auf die eigene Kindheit zurückzuführen vermag – es gibt schließlich etliche Ansätze zur Inneren Kindarbeit –, wird die Ursache für die Partnerschaftsprobleme in der Regel doch auf den falschen Charakter des anderen zurückgeführt. Dies sagen zumindest sehr viele Klient*innen in meiner Praxis: „Ich habe den Eindruck, ich habe es hier mit zwei verschiedenen Personen zu tun, einer lieben und einer unmöglichen. Wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde.“

1.2 Mein Weg zur traumasensiblen Paartherapie

Vielleicht haben Sie bereits viel gelesen, ausprobiert und umgesetzt. Doch vermutlich hat nichts davon nachhaltig geholfen, und deswegen begegnen wir uns hier. Herzlich willkommen!

Damit Sie einschätzen können, ob Sie mir Ihr Vertrauen schenken wollen, will ich Ihnen erklären, wie mein eigener Ansatz der Paartherapie entstanden ist. Schon mit 14 Jahren wollte ich Therapeutin werden und mit 23 Jahren leitete ich bereits Paargruppen. Ich schrieb meine Diplomarbeit und meine Doktorarbeit über Partnerschaft, Sexualität und Kommunikation. Schon damals fiel mir der Zusammenhang auf zwischen den Traumata der Eltern, welche im Krieg entstanden waren, und den Partnerschaftsproblemen der nachfolgenden Generation. Ich führte stundenlange wissenschaftliche Interviews mit mehr als 60 Paaren und war erschüttert, was sie über die Folgen der Kriegstraumatisierung ihrer Eltern oder Großeltern berichteten. Leider fand ich mit diesen Ergebnissen wenig Anklang in der Wissenschaft.

Das Thema Trauma ließ mich dennoch nicht los. Ich absolvierte eine sechsjährige Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Körperpsychotherapie, um Traumatherapeutin zu werden, und habilitierte über die Auswirkungen eines Traumas auf die kindliche Entwicklung und spätere Beziehungsfähigkeit.

Lange agierte ich in zwei Welten. In Welt Nummer 1 wurde ich immer erfolgreicher in der Behandlung traumatisierter Menschen. 1995 hatte ich meine Praxis eröffnet und spezialisierte mich nach und nach auf die Begleitung von Krisenpaaren. In Welt Nummer 2 war ich Wissenschaftlerin, Leiterin eines Jugendamts und Dozentin für Traumapädagogik, um traumatisierten Kindern und deren Bezugspersonen zu helfen. Beide Welten existierten nebeneinander und schienen kaum etwas miteinander zu tun zu haben. Hier Paartherapie, dort Wissenschaft und Traumapädagogik.

In mir wuchs die Überzeugung, dass es einen Zusammenhang zwischen den Beziehungswunden und -dramen „meiner“ Paare und den Traumata in den Herkunftsfamilien geben müsse. Doch wie könnte dieser Zusammenhang aussehen? Und vor allem: Was könnte ich tun, wie könnte ich helfen? Während ich stundenlang Studierende prüfte, zweifelte ich heftig an mir selbst: War ich eine gute Wissenschaftlerin oder doch eher eine mittelklassige Paartherapeutin? Oder keines von beidem? Im Prüfungszimmer der Universität hing ein sehr dämliches Poster, das für mich zum Weckruf wurde. Aber erst, nachdem ich geschätzt zum hundertsten Mal gelangweilt darauf gestarrt hatte:

Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Das ist es! Die Paare tragen Masken. Es liegt gar nicht an der falschen Kommunikation. Es liegt an den Masken, die beide tragen, um sich nicht zu zerfleischen. Durch die Metapher dieser Bühnenmaskerade bekam mein eigener Ansatz Sinn, Struktur und einen roten Faden: Der Schlüssel zum Problem liegt im Schattenanteil einer Person und der Maske, mit der sie diesen Anteil verbirgt.

Mir wurde klar: Die Paare müssen als Erstes von der Drama-Bühne steigen. Sie müssen also jeden Streit vermeiden, abbrechen, aufhören, beenden. Aus und vorbei, Null-Kritik-Abkommen. Erst dann können wir in Ruhe den Schatten zuordnen und die Maske absetzen. Ohne die Zusicherung des Wolfs, sie nicht zu zerfleischen, wäre die Gans niemals bereit, sich zu zeigen.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Arbeit mit den vier inneren Anteilen. Diese setzte ich zu einem Traumaschema zusammen und hatte damit zuerst nachhaltigem Erfolg bei der Arbeit mit traumatisierten Kindern in der Jugendhilfe. Doch erst als ich die Traumatherapiemethoden für Kinder in die Paararbeit integrierte, entstand daraus die traumasensible Paartherapie.

Hierfür entwickelte ich die Metapher des Traum(a)-Hauses mit den dazugehörigen Schritten, die ich in einem Online-Kurs erklärte und mit vielen Paaren prüfte, bevor daraus schließlich mein Buch Traumasensible Paartherapie entstand. Ich fragte mich, wie es wohl aufgenommen werden würde, denn für die Berufsverbände, in denen ich Mitglied bin, ist die Arbeit mit traumatisierten Paaren eher ein Nischenthema. Der Erfolg des Buches nach der Veröffentlichung und die Nachfrage zu Weiterbildungen für Paartherapeuten jedoch überwältigten mich.

Mein Buch richtet sich vor allem an Fachpersonen, wird aber auch von vielen Paaren gelesen. Bald schon stellte sich die Frage nach einem Arbeitsbuch, das jetzt vorliegt. Es ergänzt einerseits das Grundlagenbuch, es steht andererseits aber auch für sich selbst und wird Paaren – also Ihnen – helfen, Beziehungskrisen wirkungsvoll zu überwinden. Auch dann, wenn Sie selbst oder Ihre Eltern bzw. Großeltern keine Kriegstraumata erlebt haben. Die Arbeit mit diesem Buch wird Ihnen, egal ob Sie es allein oder zu zweit durcharbeiten, manch schmerzliche Erfahrung bereiten. Doch dieses Leiden wird Sie letztendlich befreien.

1.3 Das Traum(a)-Haus-Konzept

Bevor wir starten, will ich Ihnen das Traum(a)-Haus vorstellen, denn diese Metapher steht für das, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir lieben. Das Traum(a)-Haus-Konzept ist zugleich die Grundlage der traumasensiblen Paartherapie und somit auch wesentlich für dieses Arbeitsbuch.

Das Traum(a)-Haus hat fünf Etagen, die für die unterschiedlichen Hirnregionen stehen.

Der Keller steht für den Überlebensmodus des Reptiliengehirns. Krisen-Paare fühlen sich häufig wie angekettet im Horror der Kellergewölbe gefangen. Im Erdgeschoss befindet sich der Eingang ins Traum(a)-Haus. Direkt hinter der Tür führen die Wege getrennt durch die jeweiligen Kinderzimmer mit den entsprechenden Kindheitserfahrungen. Diese Etage versinnbildlicht das limbische System mit den gespeicherten Triggern (den neuronalen Verschaltungen bedeutsamer Kindheitsereignisse).

Im Obergeschoss gelangt jeder zuerst in den eigenen Entscheidungsflur, der die Chance bietet, abzuwägen: Wie geht es weiter? Oft bietet hier vor allem das eigene Beziehungsmuster Orientierung. Durch unser Denkhirn, den Neokortex, sind wir vernunftbegabt und bewusstseinsfähig. Doch sehr häufig wird die Chance zu klugen Alternativen ignoriert und man stürzt sich Hals über Kopf in den Beziehungsraum – ausstaffiert mit einem Himmelbett. Sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchen, geht es nicht selten ähnlich überstürzt über den Notausgang mit der Fluchttreppe wieder aus der Beziehung hinaus.

Aus dem Beziehungsraum – dem Ort der Drama-Bühne – führt außerdem eine Art Röhre direkt in den Keller. Durch unverarbeitete Leiden aus der Kindheit (in der Kinderzimmeretage) entsteht eine Art Unterdruck mit einer Sogwirkung in Richtung Keller. Dieser Sog verursacht Unbehagen und dieses wird dem Partner / der Partnerin angelastet und schließlich vorgehalten. Da eine anhaltende Bereinigung des ersten schlimmen Streits / der ersten großen Krise kaum möglich ist, verstaut das Paar den Konflikt in Müllbeutel mit der Aufschrift „unlösbare Probleme“.

Die Überlebensmechanismen aus dem limbischen System (Kinderzimmer) werden im präfrontalen Kortex an die Überlebensmuster sozialer Verträglichkeit gekoppelt. Die Konflikte in den Abfallsäcken werden nicht entsorgt, sondern sorgsam gehortet, zwecks späterer Beweisführung gegen den Partner.

Der stetig anwachsende unerledigte Kram belastet und drängt das Paar der saugenden Kellerröhre entgegen. Viele Liebende wählen irgendwann die Fluchttreppe, die unmittelbar hinter dem Notausgang des Entscheidungsflurs mit Erleichterung lockt. Der Haushalt, die Arbeit, die neue Liebe, das aufwendige Hobby, eine lieb gewonnene Sucht, die bekannten Symptome einer psychischen Störung bieten einen willkommenen Ausweg aus den immer heftiger werdenden Dramen.

Die vierte Ebene im Traum(a)-Haus ist den wenigsten Paaren überhaupt bekannt. Dort befindet sich der Besinnungsraum, den man auch Seelenhygiene-Raum nennen kann. Mann und Frau werden ermutigt, sich ihren jeweiligen Besinnungsraum einzurichten, um dort durch stille Einkehr zu innerer Ruhe zu finden. Dieser Raum steht für den Bewusstseinszustand der Verinnerlichung, der die Emotionen zur Ruhe bringt, das Gedankenkarussell anhält und den Kopf wieder frei macht. Diesen Zustand brauchen wir für eine ganze Reihe wirksamer Methoden zur Emotionsberuhigung.

Die ersehnte und zugleich am meisten verklärte fünfte Etage befindet sich im Dachgeschoss des Traum(a)-Hauses: Es ist der Liebesraum. Dort finden echte Begegnung und Heilung in friedlicher Hingabe und Absichtslosigkeit statt.

1.4 Wie nutzen Sie das Traum(a)-Haus-Konzept?

In diesem Arbeitsbuch nutzen wir verschiedene Methoden, die Sie nach und nach in die Struktur des Traum(a)-Hauses einfügen. Hierdurch wird Ihnen die Dynamik Ihrer Partnerschaft immer klarer. Wie dies im Einzelnen vonstattengeht, erkläre ich in einem Video.

https://youtu.be/-HpCzgBQ9cY

1.5 Erfahrungen von Paaren

Karl (51 J.) und Inge (48 J.):

Nach fast 20 Jahren unermüdlicher Besuche von Aufstellungen, Therapien, Seminaren und Paargruppen habe ich jetzt den traumatischen Ursprung unserer lebenslangen Schwierigkeiten verstanden. Wie komplex die Rückkopplung in der Beziehung ist und dass sich das in der Interaktion immer wieder von Neuem wiederholt, ist mir erst durch die traumasensible Paartherapie klar geworden!

Das Konzept des Traum(a)-Hauses ist wunderbar einfach, macht fühlbar, erfahrbar und anschaulich klar, wie (und warum) es uns so als Paar geht. Es hängt jeweils davon ab, ob wir …

im Keller bei den Drachen sind (bei den Monstern aus der Kindheit, wo sich das Trauma wiederholt),

bei den (inneren) Kindern im Erdgeschoss sind, alleingelassen und hilflos,

als Erwachsene agieren, wo wir die Möglichkeit haben, uns selbst zu steuern,

als Paar im Himmel sind.

In der traumasensiblen Paartherapie ging es immer wieder darum, warum wir mit unserem bisherigen Verhalten über die eingebaute Röhre in diesem Haus so oft im Keller gelandet sind und wie wir mit neuen Strategien stattdessen oben bleiben und vielleicht sogar häufiger im Himmel landen können – wovon wir gar nicht mehr zu träumen wagten.