Architekt meiner Liebe - Dieser Mann kann mehr als Häuser bauen - Anne Marie Winston - E-Book
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Architekt meiner Liebe - Dieser Mann kann mehr als Häuser bauen E-Book

Anne Marie Winston

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Beschreibung

NUR EIN SINNLICHES VERGNÜGEN? Schon so lange träumt Mallory davon, ein Baby zu haben. Und der erfolgreiche Architekt Whit Manning soll der Vater ihres Kindes werden: Denn er ist sexy, intelligent und sucht nur flüchtige Affären. Ihn zu verführen wird zu einem einzigen sinnlichen Vergnügen. Nach diesem stürmischen Festival der Leidenschaft erkennt Mallory viel zu spät, dass ihr Plan einen verhängnisvollen Fehler hat: Liebe war nicht eingeplant ... SO KÜSST NUR EIN MILLIONÄR Was will dieser Traummann von mir? Nicole ist wie gebannt, als der Fremde in ihr Büro tritt. Inständig versucht sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie stark sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Doch was der millionenschwere Architekt Ryan Patrick ihr sagt, ist unglaublich: Es hat eine Verwechslung gegeben - und er ist der Vater des Babys, das sie erwartet! Wenn er nur nicht so charmant lächeln würde … Als er sie schließlich sogar küsst, werden ihr die Knie weich, und eine verrückte Hoffnung keimt in Nicole auf. Aber eins darf sie nicht vergessen: Er will nicht sie, sondern sein Kind! MIT JEDEM KUSS, MIT JEDER NACHT Nacht für Nacht sieht der Architekt Cray Maclnnes eine hinreißende Frau in seinen Träumen. Wer ist die schöne Fremde? Dann lernt er sie eines Tages kennen: Sie heißt Catherine - und ist die Witwe des Mannes, dem Gray nach einem Unfall sein Leben zu verdanken hat. Wie Gray, empfindet auch Catherine eine Vertrautheit zwischen ihnen, die ihr völlig unerklärlich ist. Woher kommt plötzlich diese Lust, von Gray Maclnnes geküsst, geliebt zu werden? Woher der sinnliche Wunsch, mit ihm heiße Nächte Haut an Haut zu verbringen? Am seltsamsten ist, dass Gray nicht nur ihre Sehnsucht errät - er weiß auch so viel über sie. Fast, als würde er sie schon sehr lange und sehr gut kennen ... ENTSCHEIDE DICH FÜR DIE LIEBE! Ja … nein … vielleicht! Drei Gefühle streiten in der jungen Kellnerin Layla: Ja, Drake Ashton hat unglaublich viel Charisma. Nein, der erfolgreiche Architekt ist nicht der Richtige für sie. Und vielleicht … sollte sie sich endlich eingestehen, dass er sie einfach schwachmacht? UNSERE VILLA AM BLAUEN MEER Der Architekt Ethan Hayes freut sich auf seinen Urlaub auf der herrlichen kleinen Karibikinsel. Und dann das! Ausgerechnet Eve, die verwöhnte Enkelin seines Hauptauftraggebers, macht auch Ferien in der Strandvilla direkt nebenan. Obwohl Ethan zugeben muss, dass er sie begehrt, will er nichts mit ihr zu tun haben. Sie scheint nur ein Ziel zu haben: Alle Männer sollen ihr zu Füßen liegen! Als er sie einesNachts um Hilfe rufen hört, zögert er jedoch keine Sekunde, zu ihr zu laufen. Ein Verehrer ist zudringlich geworden - Eve ist völlig verstört. Liebevoll nimmt Ethan sie in die Arme und trägt sie in seine Villa. Erschöpft schläft Eve in seinem Bett ein. Auch Ethan fallen die Augen zu. Am nächsten Morgen jedoch wird er äußerst unsanft geweckt: Eves Großvater steht vor ihnen ... EIN ENGEL ALS BODYGUARD Der reiche Architekt Lorcan hat sein Herz an die bildhübsche Jessica Pallister, die Leibwächterin seiner kleinen Tochter, verloren. Die Wochen auf Mauritius mit dieser hinreißend zärtlichen Frau sind wie ein Traum für ihn. Aber warum zögert sie, seinen Heiratsantrag anzunehmen?

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Seitenzahl: 1216

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Emilie Rose, Kristi Gold, Anne Marie Winston, Maggie Cox, Michelle Reid, Elizabeth Oldfield

Architekt meiner Liebe - Dieser Mann kann mehr als Häuser bauen

Emilie Rose

So küsst nur ein Millionär

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2009 by Emilie Rose Cunningham Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 082010 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-510-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

„Bitte, drücken Sie sich deutlicher aus. Was genau bedeutet in diesem Zusammenhang ‚unglückliches Ereignis‘?“ Ryan Patrick hielt den Blick unnachgiebig auf den Mann auf der anderen Seite des ausladenden Schreibtischs gerichtet.

Der Direktor der Lakeview-Fertility-Klinik rutschte unbehaglich auf seinem schweren Ledersessel hin und her. „Einer von unseren jungen Ärzten hat vergessen, die Referenznummer auf Ihrer Probe gegenzuchecken. Er hat lediglich die Namen überprüft, und die waren gleich, wenn auch Vor- und Nachname vertauscht waren. Ich versichere Ihnen, Mr. Patrick, so etwas kommt wirklich außerordentlich selten vor. Normalerweise wird alles doppelt und dreifach überprüft, sodass es unmöglich …“

„Und was genau bedeutet das? In meinem Fall? Für mich speziell?“, unterbrach Ryan ihn ungeduldig. Nervös hielt er die Armlehnen des Besucherstuhls umklammert. Denn es war nicht leicht, sich zu entspannen, wenn der Mann ihm gegenüber so wirkte, als bekäme er jede Sekunde einen Herzinfarkt.

Der Direktor holte tief Luft. „Ihre Samenspende wurde der falschen Frau injiziert.“

„Was?“ Ryan zwang sich zur Ruhe. Das war ja nur dann ein Problem, wenn die Frau …

„Vor zwei Wochen wurde die Schwangerschaft bestätigt“, erklärte der Direktor und räusperte sich.

Also hatte er doch ein Problem. Dazu noch eins, das seinen Plan gefährdete. Schließlich wollte Ryan seinem Vater endlich beweisen, dass er sehr wohl in der Lage war, das millionenschwere Familienunternehmen zu leiten. Dazu gehörte, dass er seinem Vater überzeugend erklärte, wie weit die wilden Jahre zurücklagen und wie lange er bereits ein ruhiges Leben führte. Außerdem brauchte er ein Kind – das Enkelkind, das der Vater sich schon seit Langem wünschte.

Doch Ryan war schon mit ganz anderen Sachen fertiggeworden. Er wäre nicht der erfolgreiche Architekt, der er war, wenn er vor jedem Problem kapitulieren würde. Schade, dass sein Vater ihn jetzt nicht sehen konnte.

„Schon vor zwei Wochen? Und warum erfahre ich erst jetzt davon? Und was ist mit der Leihmutter, der Frau, die ich engagiert habe?“

„Wir haben die ganze Sache erst gestern entdeckt, als die Frau zu ihrem vereinbarten Termin kam. Da Sie nur eine Samenspende abgeben wollten, konnten wir nur eine Insemination mit ihr durchführen.“

Natürlich hatte er nur eine Samenspende abgegeben. Schließlich war er bei dem exzellenten Ruf der Klinik davon ausgegangen, dass alles beim ersten Mal klappen würde. „Und Sie sind absolut sicher, dass diese andere Frau mit meinem Kind schwanger ist?“

„Ja, Sir.“

Ryan konnte immer noch nicht glauben, was da passiert war. Dann hätte er sich die monatelangen Nachforschungen und das harte Auswahlverfahren mit den verschiedenen Frauen auch sparen können! Aber er hatte sehr viel Wert darauf gelegt, die perfekte Leihmutter zu finden, eine Frau mit erstklassiger genetischer Ausstattung, die gut aussah und intelligent war. Die Frau, für die er sich schließlich entschieden hatte, erfüllte all diese Voraussetzungen. Außerdem machte sie sehr deutlich, dass sie sich nicht gefühlsmäßig an das Kind binden würde, das sie neun Monate lang auszutragen hatte. Und dass sie keine Schwierigkeiten hätte, ihm das Kind nach der Geburt zu überlassen.

Und nun war die falsche Frau mit seinem Kind schwanger.

„Wer ist diese Frau?“

„Ich bin nicht befugt, Ihnen das zu sagen, Sir.“

„Was?“ Wütend sprang Ryan auf. „Sie können mir nicht sagen, wer mein Kind bekommen wird?“

„Nein. Datenschutz, Sie verstehen …“

„Nein, das verstehe ich ganz und gar nicht.“ Ryan stützte sich auf dem Schreibtisch ab und starrte den Direktor an, der immer tiefer in seinem Sessel zu versinken schien. „Soll ich erst mit einem Heer von Anwälten hier anrücken? Das möchte ich Ihnen nicht raten. Denn das kann nicht nur sehr kostspielig für Sie werden. Ihr Ruf als beste Fruchtbarkeitsklinik wäre total ruiniert. Das ist mein Kind, und ich habe alle Rechte der Welt, zu erfahren, wer die Mutter ist und ob sie überhaupt geeignet ist, mein Kind auszutragen. Ich verlange, dass Sie mir jegliche Information zur Verfügung stellen, die Sie über diese Frau haben.“

Der Direktor wurde puterrot und verschränkte nervös die Hände. „Mr. Patrick, Sie können sich doch sicher vorstellen, dass eine derart delikate Angelegenheit wie diese …“

„Wie heißt sie, und wie kann ich Kontakt mit ihr aufnehmen? Wenn Sie mir nicht sofort sagen, was ich wissen will, können Sie noch vor der Lunchpause mit dem Eintreffen meiner Anwälte rechnen.“

„Das wird nicht nötig sein.“ Der Klinikdirektor schob nervös die Akten auf seinem Schreibtisch hin und her. „Ich bin überzeugt, dass Ms. Hightower, unsere andere Klientin, eine nüchterne und vernünftige Frau ist. Wenn ich ihr erkläre, was passiert ist und worum es geht …“

„Sie werden ihr überhaupt nichts erklären, das mache ich. Sie haben schon genug Unheil angerichtet. Auch wenn Sie sich noch so sehr bemühen und das, was passiert ist, als ‚Ereignis‘ oder ‚Angelegenheit‘ bezeichnen, es war einfach eine grobe Fahrlässigkeit Ihrerseits und ein nicht wiedergutzumachender Kunstfehler.“

Dem armen Mann stand der Schweiß auf der Stirn. Ryan musterte ihn wie ein Insekt, das er am liebsten zertreten würde. Als der Mann schließlich kaum merkbar nickte, wusste Ryan, dass er gewonnen hatte. Er brauchte die Anwälte nicht zu bemühen, und das war ihm auch ganz recht. Sonst hätte sein Vater womöglich noch Wind von der Sache bekommen.

„Okay.“ Der Direktor räusperte sich. „Sie bekommen die gewünschte Information.“

„Warum nicht gleich so!“ Während der Direktor hastig den Raum verließ, setzte Ryan sich wieder. So weit, so gut. Jetzt musste er nur noch diese Frau davon überzeugen, dass sie ihm das Baby nach der Geburt überließ, so, wie es mit der Leihmutter verabredet gewesen war.

Sie würde die beste Tante sein, die ihr Baby sich nur vorstellen konnte. Das würde genügen. Es musste genügen. Nicole Hightower legte sich eine Hand auf den rumorenden Magen und griff mit der anderen nach einem Cracker. Sie konnte es immer noch kaum glauben. Sie war schwanger mit Patricks Baby.

Und Beths.

Bei dem Gedanken umfasste sie den Griffel ihres digitalen Terminkalenders fester. Denn so war es ursprünglich nicht geplant gewesen. Zumindest hatte sie andere Träume gehabt.

Schnell steckte sie sich den Vollkorncracker in den Mund und versuchte, sich auf den Kalender zu konzentrieren, der vor ihr lag. Für einen Kunden musste sie die nächsten drei Monate vorausplanen, das heißt, sie musste die Termine von Pilot, Crew und Flugzeugwartung koordinieren und aufeinander abstimmen. Normalerweise liebte sie ihre Arbeit, und es machte sie stolz, wenn die Kunden zufrieden waren. Aber heute musste sie ständig an ihre eigene Situation denken und ließ sich nur zu leicht von der Arbeit ablenken. Dabei hatte sie genug zu tun.

Ihr Baby aufzugeben würde sicher hart sein, aber sie würde schon damit zurechtkommen. Denn sie wäre nicht nur die Patentante, sondern auch jederzeit willkommen – das zumindest hatte ihre Schwester ihr versprochen. Und Beth würde ihr Versprechen halten, davon war Nicole überzeugt. Auf ihre ältere Schwester hatte sie sich immer verlassen können, Beth war immer für sie da gewesen, besonders wenn die Eltern mal wieder Probleme machten. Wenn der Vater seiner Spielleidenschaft nachging und die Mutter einen neuen Verehrer hatte. Da war es nur selbstverständlich, dass sie der Schwester den Herzenswunsch erfüllte und ein Kind für sie austrug.

Und später hätte sie auch oft Gelegenheit, das Kind zu sehen. Denn ihre Schwester wollte wegen des Babys nicht zu Hause bleiben, sondern würde es in der Krippe abgeben, die die Hightower Aviation Management Corporation für die Angestellten eingerichtet hatte. Also würde Nicole die ganze Lunchpause mit ihrem, nein, Beths Kind verbringen können. Und selbst von ihrem Arbeitsplatz aus würde sie in den Hof sehen können, in dem die Kinder, also auch ihr Ba…, das heißt, ihre Nichte oder ihr Neffe, spielten. In dem firmeneigenen Kindergarten war sogar eine Kamera installiert, sodass ein kurzer Klick genügte, und Nicole konnte auf ihrem Monitor sehen, was dort vor sich ging.

Die Gegensprechanlage summte und riss Nicole aus ihren Gedanken. Sie drückte auf den Knopf. „Ja?“

„Ein Mr. Ryan Patrick möchte dich sprechen.“

„Du meinst wohl Patrick Ryan.“

„Nein. Es ist nicht dein Schwager. Es ist ein …“ Nicoles Assistentin Lea senkte die Stimme. „… Traum von einem Mann mit schwarzem Haar und blauen Augen. Er ist in der Rezeption und hat nach dir gefragt. Auf seiner Visitenkarte steht, dass er irgendein hohes Tier bei Patrick Architectural Designs ist. Das ist eine der besten Firmen in Knoxville, falls du das nicht weißt. Plant Hightower Aviation denn schon wieder, um- oder anzubauen?“

„Nein, soviel ich weiß, sind keine Erweiterungen geplant.“ Allerdings konnte Nicole da nicht ganz sicher sein. Leider informierte ihr ältester Bruder Trent, der die Firma führte, sie längst nicht über alles. Da sie die jüngste der Hightowers war, hielt er es wohl nicht für nötig.

Vielleicht hatte sie den Termin vergessen? Sie überprüfte ihren Kalender. Nein, die nächste Besprechung war erst in einer Stunde. Schnell googelte sie Patrick Architectural Designs, denn sie hasste es, nichts über ihren Gesprächspartner zu wissen. Verschiedene Links tauchten auf dem Monitor auf, und sie suchte sich den vielversprechendsten aus. Die Website war eindrucksvoll, brachte etwas über die Geschichte der Firma und zeigte die interessantesten Bauten. Ein Bild von Ryan Patrick war allerdings nicht dabei. Offenbar war die Firma schon eine ganze Zeit lang im Geschäft.

„Patrick Architectural Designs scheint ein ziemlich großes Unternehmen zu sein, das landesweit operiert“, informierte sie Lea. „Vielleicht will Mr. Patrick bei uns ein Flugzeug kaufen?“ Dennoch seltsam, dass er direkt nach ihr gefragt hatte. Normalerweise unterschrieben die Kunden erst Kauf- oder Leasingverträge in der Verkaufsabteilung, bevor sie zu ihr wegen der Terminkoordination kamen.

Auch dass er Ryan Patrick hieß und ihr Schwager Patrick Ryan, war ein merkwürdiger Zufall.

„Nur ein Kunde?“, fragte Lea enttäuscht. „Und ich habe schon gedacht …“

„Ich weiß.“ Nicole lachte. „Vielleicht solltest du deine romantischen Fantasien etwas mehr zügeln, Lea. Aber okay, lass ihn reinkommen.“

„Sofort.“

Nicole wischte schnell die Krümel von ihrer Seidenbluse und stellte die Schachtel Cracker in die Schublade. Als es klopfte, stand sie auf.

Die Tür wurde aufgestoßen, und ein Mann trat ein. Er kam mit einer Selbstverständlichkeit auf Nicole zu, als gehöre ihm das Büro. Lea hatte recht. Er sah umwerfend aus. Das kurze schwarze Haar war leicht gewellt, die Figur war sicher der Traum eines jeden Herrenschneiders: breite Schultern, schmale Hüfte, lange Beine. Und diese Augen … sie waren nicht einfach blau, sie waren von einem leuchtenden Kobaltblau und musterten Nicole jetzt so kritisch, als wäre sie ein Jet, den der attraktive Fremde eventuell kaufen wollte.

Nicole straffte sich, ging um den Schreibtisch herum und trat auf diesen Traummann zu.

„Sind Sie Nicole Hightower?“

Seine Stimme entsprach der übrigen Erscheinung. Dunkel und sexy. Was für ein Mann … doch Schluss jetzt!, rief Nicole sich schnell zur Ordnung. Kunde war Kunde, und es wäre sehr unprofessionell, irgendwelchen Fantasien nachzuhängen.

Lächelnd streckte sie die Hand aus. „Ja, die bin ich. Was kann ich für Sie tun, Mr. Patrick?“

Er schüttelte ihr die Hand, und Nicole spürte die Wärme, die seine kräftigen Finger ausstrahlten, bis in die Zehenspitzen. Warum das? Als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war, hatte sie das Kaffeetrinken aufgegeben. Ob ihr Körper deshalb so seltsam reagierte? Fehlte ihr das Koffein? Schnell entzog sie ihm die Hand.

Er warf einen Blick auf Lea, die immer noch an der Tür stand. „Wenn Sie erlauben … ich würde gern mit Ihnen allein sprechen.“

Auf einen Wink von Nicole verschwand Lea und zog die Tür fest hinter sich zu.

Nicole war verblüfft, dass Lea so bereitwillig den Raum verlassen hatte. Normalerweise war sie bei allen Gesprächen dabei. Denn sie war nicht nur eine Angestellte und Nicoles Assistentin, sie war auch eine Freundin, die mit ihrer Meinung nur selten hinter dem Berg hielt.

So war sie zum Beispiel entsetzt über Nicoles Plan gewesen, als Leihmutter für ihre Schwester zu fungieren. Denn sie wusste, was Nicole für ihren Schwager empfand. Sie waren zusammen auf dem College gewesen, und Lea hatte miterlebt, wie die Freundin sich Hals über Kopf in Patrick verliebte. Als der dann aber mit Beth durchbrannte, war Nicole vollkommen am Boden zerstört gewesen. Und Lea hatte versucht, ihr, so gut es ging, beizustehen.

Lea war davon überzeugt, dass dieser ganze Baby-Schwachsinn, wie sie sagte, noch einmal schlimme Folgen für die Freundin haben würde.

Nicole wies auf den Besucherstuhl, während sie selbst um den Schreibtisch herumging. „Bitte, nehmen Sie Platz, Mr. Patrick. Was führt Sie her?“ Sie spürte, dass er sie unverwandt ansah. Ihre Brüste waren wegen der Schwangerschaft bereits ein bisschen größer geworden, und sie konnte nur hoffen, dass ihr Po nicht auch … Aber im Grunde war es vollkommen egal, was er von ihrem Po hielt. Er war ein Kunde wie jeder andere, zumindest ging sie davon aus.

Erst als sie sich in ihren bequemen Ledersessel sinken ließ, setzte auch er sich. Dass er so höflich war, hätte sie ihm gar nicht zugetraut. Heutzutage erlebte man das als Frau nur noch sehr selten, vor allem nicht bei diesen reichen Schnöseln, mit denen sie meistens zu tun hatte.

„Ich möchte Ihnen zu Ihrer Schwangerschaft gratulieren.“

Was? Woher wusste er …? Sie hatte doch nur Beth, Patrick und Lea davon erzählt. Die zukünftigen Eltern hatten das Recht, es zu wissen. Und vor Lea hatte sie ihre morgendliche Übelkeit nicht verbergen können, sodass die Freundin es ihr schließlich auf den Kopf zugesagt hatte. Der Rest der Familie und auch die Freunde würden es erst am Sonnabend erfahren. Am Labour Day fand wie jedes Jahr die große Gartenparty statt, und da wollten Beth und Patrick die Neuigkeit verkünden. Nicole stand dieser Tag ein wenig bevor, denn sie war ziemlich sicher, dass eine Reihe von Leuten ihre Entscheidung unmöglich finden würde.

Inzwischen hatte sie sich wieder gefangen. „Danke. Aber weshalb sind Sie heute zu uns gekommen?“

„Sie sind mit meinem Kind schwanger.“

„Wie bitte?“ Entsetzt riss sie die Augen auf und sah ihn fassungslos an. Sie musste sich verhört haben.

„Die Fruchtbarkeitsklinik hat einen schweren Fehler gemacht und Sie fälschlicherweise mit meinem Samen behandelt statt mit dem des Spenders, den Sie sich ausgesucht hatten.“

Fassungslos ließ sie sich zurücksinken. „Das kann nicht sein.“

Mr. Patrick griff in seine Brusttasche und zog einen länglichen weißen Briefumschlag heraus. Er hielt ihn ihr hin, und als sie ihn nicht nahm, warf er ihn auf den Schreibtisch.

Nicole blickte starr auf den Umschlag, als hätte sie eine riesige haarige Spinne vor sich.

„Der Klinikdirektor hat in diesem Brief dargelegt, wie es dazu kommen konnte. Die Erklärung ist ziemlich einfach. Ich heiße Ryan Patrick, und der Name Ihres Spenders ist Patrick Ryan. Die Referenznummern wurden nicht gegengeprüft, und so haben Sie den falschen Samen bekommen. Weil irgendein Idiot die Namen verwechselt hat.“

Ihr wurde eiskalt, ihr Herz schlug wie verrückt. „Das kann nicht sein, Sie müssen sich irren.“

Er wies auf den Brief. „Bitte, lesen Sie selbst.“

Sie betrachtete den Umschlag. Sollte sie ihn öffnen? Oder lieber nicht? Andererseits konnte sie ihm nicht beweisen, dass er unrecht hatte, wenn sie die Tatsachen nicht kannte. Mit zitternder Hand griff sie nach dem Brief und riss ihn auf. Das Geräusch des reißenden Papiers und dann das Knistern, als sie den Bogen auseinanderfaltete, taten ihr in den Ohren weh. Ihre Nerven lagen blank.

Ja, es war der Briefbogen der Lakeview-Klinik. Und der Brief war von dem Direktor der Klinik unterschrieben worden. Hastig überflog sie das Geschriebene. Bestimmte Begriffe blieben haften. Unglücklicher Fehler … Vertauschen der Spender … bitte vielmals um Entschuldigung …

Verwirrt ließ sie den Brief sinken. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand, Tausend Gedanken stürzten auf sie ein. Dann las sie den Brief zum zweiten Mal, aber der Inhalt blieb derselbe, ein Missverständnis war ausgeschlossen.

Sofern dieser Brief nicht ein überaus geschmackloser Witz war, war sie mit Ryan Patricks Baby schwanger, nicht aber mit Patrick Ryans, dem Baby des Mannes, den sie schon seit ihren Collegetagen liebte. Und der ihre Schwester geheiratet hatte.

„Das ist nicht besonders komisch“, sagte sie leise.

Ihr Gegenüber blieb ernst. „Das ist bei medizinischen Kunstfehlern selten der Fall.“

Irgendwie hatte sie immer noch gehofft, dass ihre Schwester hinter der ganzen Sache steckte, wenn es auch ein ausgesprochen übler Scherz wäre. Aber Mr. Patrick sah so stoisch und entschlossen aus, dass sie diesen Gedanken schnell beiseiteschob. Eine leichte Übelkeit meldete sich, und sie presste die Hand fest auf den Magen. „Da muss irgendwo ein Fehler unterlaufen sein.“

„Allerdings. Die Klinik hat ihn gemacht. Und die Folge davon ist, dass Sie mit meinem Kind schwanger sind.“

„Das kann nicht sein.“

„Ich wünschte, Sie hätten recht.“

Wieder blickte sie auf den Brief, während ihr Tausend Dinge im Kopf herumschwirrten. Wenn es wirklich so war, was hatte das für Konsequenzen? Für sie selbst? Für Patrick und Beth? Für diesen Fremden, der hier vor ihr saß?

Was sollte geschehen? Wenn das Baby wirklich nicht Patricks war?

Sie versuchte, die Fassung wiederzugewinnen, und räusperte sich kurz. „Das tut mir alles sehr leid. Muss schwierig sein für Sie und Ihre Frau.“

„Ich habe keine Frau.“

„Na, dann für Ihre Freundin.“

„Ich habe auch keine Freundin.“

Damit konnte sie nun gar nichts anfangen. „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz …“

„Ich will das Kind allein aufziehen.“

„Für Frauen ist das nicht ungewöhnlich. Aber für Männer? Warum heiraten Sie nicht einfach?“

Er hob abwehrend die Hände. „Um Himmels willen! Ich war schon mal verheiratet und habe fest vor, diesen Fehler nie wieder zu machen.“

Soso. Offenbar war seine erste Ehe kein Erfolg gewesen. Aber davon wollte sie jetzt nichts weiter hören. Sie hatte selbst genug Probleme. Vielleicht war seine Geschichte nicht wahr … Vielleicht war er nicht ganz normal. Mit einem Verrückten könnte sie leichter umgehen als mit der Situation, wie sie in dem Brief beschrieben war. Sie brauchte nur den Sicherheitsdienst anzurufen. Aber so einfach ließ sich das Ganze wohl nicht regeln. Der Mann schien seinen Verstand durchaus beisammenzuhaben.

Schweigend zog er einen zweiten Briefumschlag aus der Tasche und legte ihn vor sie hin. Wieder sah Nicole darauf. „Ich bin bereit, Ihnen das Gleiche zu zahlen wie der Leihmutter, die ich engagiert hatte.“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. „Sie haben einen Vertrag mit einer Leihmutter?“ Wieso musste jemand, der so aussah wie er, eine Frau dafür bezahlen, dass sie sein Kind zur Welt brachte? Wahrscheinlich standen die Frauen bei ihm doch Schlange.

„Ja. Sie ist für die Aufgabe vorzüglich qualifiziert und hat alle Tests bestanden.“

Wollte er damit sagen, dass sie, Nicole, für eine solche Aufgabe nicht ausreichend qualifiziert war? Ungeduldig griff sie nach dem Umschlag, zog das Blatt Papier heraus und begann zum zweiten Mal an diesem Tag, etwas zu lesen, was sie eigentlich gar nicht lesen wollte.

Doch sie kam nicht weit. Überall war ihr Name eingefügt … Was hatte das zu bedeuten? Schockiert starrte sie ihn an. „Sie wollen mein Kind kaufen?“

Genau, Nicole. Leihmütter verkaufen ihre Babys. Das war ihr schon klar, aber es so schwarz auf weiß zu sehen war etwas ganz anderes.

„Es ist der Vertrag für eine Dienstleistung, wenn ich so sagen darf. Sie liefern mir ein Produkt. Ich bezahle Sie für Ihre Zeit und den Umstand, dass Sie Ihren Körper zur Verfügung stellen.“ Das klang so emotionslos, als verhandele er mit ihr über den Kauf eines Flugzeugs.

Ein Produkt? Ihr Baby? Niemals! Unwillkürlich schlang sie die Arme um ihren Bauch, als wolle sie das werdende Leben schützen. Bisher war sie zwar bereit gewesen, das Kind Beth und Patrick zu überlassen. Aber es einem Fremden verkaufen? Nie im Leben! „Sie sind wohl vollkommen verrückt geworden, Mr. Patrick.“

„Es ist mein Kind.“

„Aber auch meins. Es sind mein Ei, mein Körper und meine Schwangerschaft.“

„Ich finde meine Bedingungen sehr großzügig.“

„Kann sein.“ Sie warf ihm den Vertrag zu, doch er fing ihn nicht auf. „Aber Ihre Bedingungen sind mir vollkommen egal. Gehen Sie doch zurück zu Ihrer Leihmutter.“

„Ich soll vergessen, dass ich bereits ein Kind gezeugt habe?“

„Ja. Sie haben doch noch keinerlei Gefühl investiert, und finanzielle Verpflichtungen haben Sie auch nicht. Für Sie ist es sehr viel einfacher als für mich, ein zweites Kind zu haben. Ich trage dieses Kind neun Monate lang aus. Ihren Beitrag können Sie innerhalb weniger Sekunden abliefern.“

„Sie sind doch erst seit zwei Monaten schwanger. Da können Sie doch noch gar keine Bindung zu dem Kind aufgebaut haben.“

Empört sah sie ihn an. „Wie können Sie das behaupten! Sie haben doch keine Ahnung.“

Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie nur wenige Tage nach der Entlassung aus der Klinik bereits gespürt, dass etwas anders war. Ihr Geschmack hatte sich geändert, sie hatte plötzlich auf die seltsamsten Dinge Appetit. Noch bevor der Schwangerschaftstest positiv ausgefallen war, hatte sie gewusst, dass sie Patricks Baby unter dem Herzen trug.

Das heißt, dieser Mann behauptete ja, dass es nicht Patricks Baby sei. Aber vielleicht irrte er sich.

Wenn er sich doch nur irrte … „Tut mir leid, aber ohne Beweis nehme ich Ihnen Ihre Geschichte nicht ab.“

„Da liegt der Beweis.“ Er wies auf den Brief.

„Das ist nicht genug.“ Wenn nötig würde sie sämtliche Unterlagen der Klinik durchsehen. Und wenn das nicht ausreichte, würde sie einen DNA-Test machen lassen. Wie lange das wohl dauerte? Ob das gefährlich für das Baby war? Sie musste unbedingt ihre Frauenärztin fragen.

Mr. Patrick wurde zunehmend ungeduldig. „Sie sind doch erst achtundzwanzig. Da können Sie noch weitere Kinder haben.“

Eben nicht, denn der Mann, den sie liebte, war bereits vergeben. „Sie sind auch nicht gerade uralt.“

„Ich bin fünfunddreißig.“

„Frauen haben einen sehr viel geringeren zeitlichen Spielraum, ein Kind zu bekommen, als Männer. Sie können in den nächsten fünfzig Jahren noch viele Kinder zeugen.“

Gereizt schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ich will aber jetzt ein Kind! Außerdem habe ich keine Lust, dass Sie irgendwann auf die Idee kommen, mich wegen unterlassener Unterhaltszahlungen zu verklagen.“

Der Mann wurde Nicole mit jedem Satz unsympathischer. Normalerweise fand sie an jedem Menschen irgendetwas Positives. Mr. Ryan Patrick schien die Ausnahme von der Regel zu sein. Abgesehen von seiner Erscheinung gab es nichts, was sie für ihn einnahm.

Doch sie zwang sich zur Ruhe. HAG, ihre goldene Regel, hatte sie noch nie im Stich gelassen. Mit Höflichkeit, Ausdauer und Geduld ließ sich jedes Problem lösen. „Das würde ich nie tun“, sagte sie freundlich. „Ich will nichts von Ihnen, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.“

„Und Sie erwarten von mir, dass ich mich auf das Wort einer Fremden verlasse?“

Denk doch, was du willst! „Ich bin an Ihrem Geld nicht interessiert. Und ich bin durchaus bereit, von meiner Anwältin eine entsprechende Erklärung aufsetzen zu lassen, die Sie von jeglicher Verantwortung und Verpflichtung befreit.“

„So eine Erklärung ist vollkommen wertlos. Sie können sie jederzeit widerrufen.“

Oh … Am liebsten hätte sie ihn geschlagen. Doch sie beherrschte sich, wenn auch mit Mühe. „Mr. Patrick, selbst wenn ich wollte, was nicht der Fall ist, könnte ich Ihnen dieses Kind nicht geben.“ Wieder spürte sie diese Übelkeit und legte sich die Hand auf den Magen. „Das Baby gehört mir nicht. Ich trage es für meine Schwester und meinen Schwager aus.“ Die das Kind vielleicht gar nicht haben wollen, falls es nicht von Patrick ist.

Himmel, daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Was sollte sie tun? Ganz sicher würde sie das Kind nicht diesem ungehobelten Klotz überlassen, der so tat, als sei es das Einfachste von der Welt, ein Kind aufzugeben.

„Sie haben sich als … Leihmutter für jemand anderen zur Verfügung gestellt?“

„Ja. Patrick Ryan ist mein Schwager.“

„Was zahlt er Ihnen dafür?“

„Nichts natürlich.“ Sie war empört. „Es ist ein Geschenk. Geld ist schließlich nicht alles auf der Welt.“

„Aber eine ganze Menge. Ich biete Ihnen einhunderttausend Dollar zusätzlich zu Ihren Ausgaben an. Sie wollen Ihr Kind doch sowieso nicht behalten. Warum wollen Sie es dann nicht mir geben? Sie können sein Kind das nächste Jahr zur Welt bringen.“

„Ich bin doch keine Zuchtstute!“ Sie hatte sich einmal dazu durchgerungen, ihr Kind wegzugeben. Ein zweites Mal würde sie das nicht durchstehen.

„Sie würden es nicht bereuen.“

„Nein, vielen Dank. Ich habe mein Wort gegeben.“ Weil sie einmal auch etwas für Beth tun wollte, die sich in der Vergangenheit so oft für die kleine Schwester eingesetzt hatte. Und weil sie Patrick etwas schenken wollte, was die Schwester ihm nicht geben konnte.

Was für ein hässlicher Gedanke, Nicole.

Er gab nicht auf. „Sagen Sie ihr einfach, Sie hätten Ihre Meinung geändert. Da Sie die biologische Mutter sind und ich der Vater, hat dieses Kind mit Ihrer Schwester und Ihrem Schwager überhaupt nichts zu tun.“

Wenn er doch nur aufhören würde, sie immer wieder daran zu erinnern. Denn leider hatte er recht. Wenn Patrick nicht der Vater war, dann gehörte das Baby ihr. Na ja, ihr und diesem hartnäckigen Kerl.

„Aber ich habe mich vertraglich verpflichtet“, sagte sie leise und mehr zu sich selbst. Na und? Ist denn der Vertrag überhaupt gültig, wenn es nicht Patricks Kind ist?

„Verträge können gelöst werden.“

Um die gesetzliche Lage zu kennen, musste sie unbedingt mit ihrer Anwältin sprechen. „Das können Sie nicht verstehen. Ich werde offiziell die Tante dieses Kindes sein. Ich kann es so oft sehen, wie ich will. Ich werde eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen und dabei sein, wenn es aufwächst. Denn ich gehöre zur engsten Familie.“ Warum klang ihre Stimme dann so ängstlich, als zweifele sie selbst an diesem Familienidyll? Alles schien so viel einfacher zu sein, als sie noch nicht schwanger war. „Ich würde sagen, Sie versuchen es noch mal mit Ihrer Leihmutter.“

„Aber Sie sind mit meinem ersten Kind schwanger. Und der erstgeborene Patrick übernimmt später die Firma. Das ist schon seit drei Generationen so.“

„Und wenn mein Kind nicht Architekt werden will?“

Fragend hob Ryan eine Augenbraue. „Warum sollte es nicht?“

„Weil ich künstlerisch überhaupt nicht begabt bin und das Kind nach mir gerät.“

„Vielleicht aber auch nach mir. Vielleicht wird es später mal ein sehr guter Architekt. Sie sehen, Miss Hightower, die Trümpfe sind gleich verteilt. Und ich würde Ihnen nicht raten, sich mit mir auf eine gerichtliche Auseinandersetzung einzulassen.“

Das war eindeutig eine Drohung. Nicole presste die Lippen aufeinander und legte die Arme wie schützend um ihre Taille. „Dies ist mein Kind.“

„Tatsächlich? Wo Sie doch bereits vertraglich alle Rechte an dem Kind aufgegeben haben? Da habe ich als biologischer Vater wahrscheinlich sogar eher Anspruch als Sie.“

Der Hieb saß. Und dennoch, sie würde nicht aufgeben, auch wenn an dem, was er sagte, etwas dran sein sollte. Kämpferisch sah sie ihn an, und er gab ihren Blick ebenso zurück. Da wusste sie, dass er verstanden hatte, was in ihr vorging. Denn er stand auf und nickte ihr kurz zu.

Auch sie erhob sich, musste aber immer noch den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Wie groß war er wohl? Sicher über einen Meter achtzig.

„Das wär’s für heute, Mr. Patrick. Erst muss ich mit meiner Anwältin sprechen.“

„Tun Sie das. Für mich gilt das Gleiche. Mein Anwalt wird Sie anrufen. Aber ich muss Sie warnen, Ms. Hightower. Ich erreiche immer das, was ich will. Und ich werde auf dieses Kind nicht verzichten. Also machen Sie es sich selbst nicht zu schwer. Akzeptieren Sie mein Angebot, und ziehen Sie die ganze Sache nicht unnötig in die Länge.“

Damit wandte er sich um und verließ das Büro.

Erschöpft sank Nicole in ihren Sessel zurück. Sie musste unbedingt etwas tun. Dieser Ryan Patrick durfte nicht gewinnen. Denn wenn er mit seiner Forderung Erfolg hatte, dann gab sie viel mehr auf als ihr Recht als Mutter. Dann würde sie ihr Kind nie wiedersehen. Und das war unvorstellbar und durfte nicht geschehen.

Auf keinen Fall.

2. KAPITEL

Es kam noch schlimmer. Die schlechten Nachrichten rissen nicht ab.

Ungläubig sah Nicole ihre Anwältin an. „Was? Wollen Sie damit andeuten, dass Ryan Patrick die Wahrheit sagt? Dass er mehr Rechte auf mein Kind hat als ich?“

Die Anwältin lächelte traurig und nickte. „Es tut mir so leid, Nicole. Die Klinik hat das, was er sagte, bestätigt. Die Samenspenden sind vertauscht worden. Das bedeutet, dass er der biologische Vater des Kindes ist, es sei denn, der DNA-Test beweist das Gegenteil.“

„Aber meine Ärztin hat gesagt, dass es gefährlich für den Embryo sein kann, den Test in einem so frühen Stadium vorzunehmen. Also kommt das gar nicht infrage.“

Sowie Ryan Patrick ihr Büro verlassen hatte, hatte Nicole panisch die Ärztin angerufen. „Aber ich weiß nicht, wie ich die nächsten sieben Monate durchstehen soll. Diese Ungewissheit macht mich jetzt schon ganz fertig.“

„Das kann ich gut verstehen. Und ein DNA-Test ist auch nicht nötig. Denn die Referenznummer von Ryan Patricks … ‚Beitrag‘ ist auf Ihrer Karteikarte notiert. Es ist wirklich fatal, dass in der Klinik so schlampig gearbeitet wurde.“

Sie war tatsächlich von einem Fremden schwanger.

Und nicht von Patrick.

Verzweiflung stieg in ihr auf, aber Nicole durfte sich jetzt nicht gehen lassen. „Ist denn der Vertrag mit Beth und Patrick überhaupt gültig, wenn das Kind nicht von Patrick ist?“

„In dem Vertrag steht lediglich, dass Sie den beiden ein Kind überlassen und dass Sie damit Ihr Recht auf das Kind aufgeben.

Vom biologischen Vater ist nicht die Rede. Ansonsten aber ist das Ganze ziemlich wasserdicht. Auch wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten, können Sie keine Rechtsansprüche geltend machen. Da Sie das auch nicht vorhatten, sah ich als Ihre Anwältin keinen Grund, Extraklauseln einzubauen.“

Nicole ließ den Kopf hängen. „Aber Ryan Patrick darf das Kind nicht bekommen“, sagte sie leise. „Denn dann werde ich mein Kind nie wiedersehen. Beth hat mir wenigstens versprochen, dass ich als ‚Tante‘ so viel mit ihm zusammen sein kann, wie ich will.“

„Da Sie das aber nicht schriftlich haben, ist diese Abmachung vor Gericht irrelevant. Ich wünschte, ich könnte Ihnen versichern, dass Ryan Patricks Aussichten schlecht sind. Aber es ist sehr gut möglich, dass Sie sich das Sorgerecht mit ihm teilen müssen, falls Ihre Schwester verzichtet. Eigentlich kann ich Ihnen nur abraten, mit dem Fall vor Gericht zu gehen. Denn erst müssten Sie den Vertrag mit Ihrer Schwester anfechten, und der Gewinner dieses Rechtsstreits müsste sich mit Mr. Patrick auseinandersetzen. Das dauert lange und ist sehr teuer.“

Nicole war den Tränen nahe. „Also gibt es keine Hoffnung? Denn den Vertrag mit meiner Schwester kann ich nicht anfechten. Das würde den Familienfrieden zerstören. Und meine Familie ist mir zu wichtig.“

„Dann müssen Sie als Erstes mit Beth und Patrick sprechen. Sie müssen ihnen erzählen, was passiert ist. Und wenn die beiden das Kind trotzdem adoptieren wollen, dann werden wir uns gemeinsam den nächsten Schritt überlegen.“

Bei der Vorstellung, Patrick und Beth erzählen zu müssen, was passiert war, wurde Nicole ganz elend. Vor allen Dingen, weil sie auch nicht sicher war, wie die beiden reagieren würden. Der Traum, Patrick ein Kind zu schenken, hatte sich in einen Albtraum verwandelt. „Und wenn die beiden das Kind nicht wollen“, sagte sie zögernd, „kann ich dann das Kind behalten?“

„Ihre Aussichten sind auch in diesem Fall nicht gut. Mit Ihrer Unterschrift unter dem Vertrag haben Sie gleichzeitig klargemacht, dass Sie Ihre Rechte als Mutter aufgeben. Die Rechtsprechung ist da nicht ganz eindeutig, aber bei ähnlichen Fällen in Kalifornien und Texas wurde das Sorgerecht dem Vater zugesprochen.“

Also war auch das hoffnungslos. Aber selbst wenn sie das Baby behalten könnte, wäre das dem Kind gegenüber fair? Sie hatte doch keine Ahnung, wie man mit einem Kind umging. An ihren Eltern konnte sie sich da kein Beispiel nehmen. Die waren selten zu Hause gewesen, und wenn sie zu Hause waren, waren sie sehr auf sich konzentriert und kümmerten sich kaum um die Kinder. Allerdings war es für die Eltern immer sehr wichtig gewesen, nach außen hin das Bild der heilen Familie aufrechtzuerhalten.

„In der Zwischenzeit“, fuhr die Anwältin fort, „werde ich die Klinik verklagen. Es geht ja nicht nur um diesen einen groben Fehler. Die haben auch gegen andere Vorschriften verstoßen. So hätten sie zum Beispiel nie Ihre Daten herausgeben dürfen, ohne vorher gerichtlich die Genehmigung einzuholen.“

„Ja, wahrscheinlich müssen Sie das tun. Schon, damit so etwas nicht noch mal passiert.“ Nicole seufzte. „Und ich werde heute Nachmittag mit meiner Schwester und meinem Schwager sprechen. Dann werden wir weitersehen.“

Dieses Gespräch stand ihr sehr bevor. Noch nie war ihr etwas so schwergefallen, abgesehen von dem Lächeln, mit dem sie dem geliebten Mann zur Hochzeit mit ihrer Schwester gratulieren musste.

„Noch eins, Nicole. Ich möchte Sie bitten, sich Mr. Patrick gegenüber zusammenzunehmen. Meiner dreißigjährigen Erfahrung nach werden diese Auseinandersetzungen immer hässlicher und teurer, je mehr man die zivilen Umgangsformen außer Acht lässt. Dann geht es nicht mehr um Recht oder Unrecht, sondern nur noch darum, um jeden Preis zu gewinnen.“

Nicole nickte. Ryan Patrick hatte sehr deutlich gemacht, dass er es hasste zu verlieren. Und er hatte das Geld, um den Kampf bis in alle Ewigkeit fortzusetzen.

Beths und Patricks Schweigen sprach Bände. Und als sie sich dann noch einen langen Blick zuwarfen, wurde Nicole das Herz schwer. Wie würden sie auf ihre schlechten Nachrichten reagieren? „Ihr könntet das Baby also immer noch haben“, fügte sie leise hinzu. „Wenn ihr wollt.“ Ängstlich hielt sie den Atem an.

Beth lächelte freundlich. „Natürlich wollen wir das Baby, Nicole. Es ist dein Kind und deshalb immer noch mit uns verwandt.“

Erleichtert atmete Nicole aus.

„Aber der Streit um das Sorgerecht kann teuer werden, Beth“, warf Patrick ein.

„Dieses Baby ist ein Hightower, Liebster“, gab Beth sanft, aber bestimmt zurück. „Wir können nicht zulassen, dass dieser Mann unsere Familie zerstört.“

Wieder sahen sich die beiden lange an, und Nicole spürte einen Stich im Herzen. In den drei Monaten, die sie eng befreundet gewesen waren, hatte Patrick sie nie so angesehen. Dann hatte sie ihn mit nach Hause genommen, um ihn den Eltern und Geschwistern vorzustellen, ja, und das war das Ende ihrer Liebesbeziehung gewesen.

Allerdings waren Beth und Patrick auch schon lange verheiratet, tröstete sie sich. Eheleute entwickelten eben eine bestimmte Art der nonverbalen Kommunikation. Wenn sie statt Beth mit Patrick verheiratet wäre, gäbe es zwischen ihnen sicher auch diese Nähe.

Aber Patrick hatte sich für Beth entschieden, und Nicole wollte, dass er glücklich war. Selbst wenn nicht sie es war, die ihn glücklich machen konnte. Er war der einzige Mann, den sie jemals geliebt hatte. Nach ihm würde nie ein anderer kommen. Denn sie war nicht wie ihre Mutter, die flirtete, was das Zeug hielt, und sich von einer Affäre in die nächste stürzte, immer auf der Suche nach etwas, das es gar nicht gab.

„Das schon, nur …“, wollte Patrick zu bedenken geben, aber Beth unterbrach ihn.

„Nicole tut etwas ungeheuer Großzügiges für mich, für uns, um mir zu danken, dass ich in ihrer Kindheit und Jugend immer für sie da war. Wie könnte ich ein derart selbstloses Geschenk ablehnen? Außerdem wollen wir doch mehr als alles andere auf der Welt ein Kind haben, oder nicht?“

„Doch, natürlich.“

Aufmerksam sah Nicole ihren Schwager an. Täuschte sie sich, oder klang er leicht verbittert? Bedauerte er seine Zusage?

Sicher nicht. Er war nur durcheinander und enttäuscht. Das war ja auch verständlich. Er hatte sich gefreut, Vater zu werden. Und nun würde er es nicht sein, wenigstens nicht in biologischer Hinsicht. Kein Wunder, dass er frustriert war. Denn seit über drei Jahren versuchte Beth, schwanger zu werden. Es klappte nicht, obgleich die Ärzte weder bei ihr noch bei Patrick einen organischen Grund finden konnten.

Und nun hatte es bei Nicole gleich auf Anhieb geklappt. Andererseits …

Nun nimm doch Vernunft an! Du bist deiner Schwester nichts schuldig!

Lea hatte immer wieder versucht, Nicole den Plan auszureden. Aber sie konnte auch nicht wissen, was Beth alles für die kleine Schwester getan hatte. Wie oft hatte sie Verabredungen abgesagt, um bei Nicole bleiben zu können, während die Eltern durch die Welt gejettet und ihrem Vergnügen nachgegangen waren.

Da konnte sie der Schwester doch wenigstens den Gefallen tun und ein Kind für sie austragen.

„Das alles könnte sehr teuer werden“, fing Patrick wieder an. „Du weißt, wie viel wir bereits ausgegeben haben, um …“

„Um es überhaupt möglich zu machen und alles für das Kind vorzubereiten. Ich weiß, Liebling.“ Beth warf ihrem Mann ein etwas angespanntes Lächeln zu. „Aber das darf nicht Nicoles Sorge sein. Sie braucht jemanden, der sich um ihre Probleme kümmert. Und das habe ich immer schon gut gekonnt.“ Sie wandte sich an Nicole. „Mach dir keine Sorgen, deine große Schwester wird alles regeln. Wie sonst auch.“

Nicole nickte bekümmert. Ja, es hatte viele Situationen gegeben, in denen Beth für Nicole die Verantwortung übernommen hatte. Und immer noch beschämte es Nicole, wenn sie daran dachte, was sie der Schwester oft zugemutet hatte. Aber in diesem Fall würde auch ihre tatkräftige Schwester Probleme haben, da war sie ziemlich sicher. Denn Ryan Patrick würde sein Ziel nicht aufgeben.

Mein Baby wird hier bestimmt glücklich sein, sagte sich Nicole, während sie die schweren Isolierbehälter aus dem Wagen hob und auf die Haustür zuging. Der mit Natursteinen gepflasterte Weg wurde von blühenden Büschen eingerahmt, und Nicole erfreute sich an der Farbenpracht.

Als Beth und Patrick dieses geräumige zweistöckige Haus gekauft hatten, dessen Garten von einem weißen Holzzaun eingefasst wurde, hatten sie an eine große Familie gedacht. Denn in dieser Gegend wohnten viele junge Familien, deren Kinder miteinander spielten und gefahrlos Rad fahren konnten, da es sich nicht um eine Durchgangsstraße handelte. Hier musste jedes Kind glücklich sein.

Und war es nicht das, was sich jede Mutter für ihr Kind wünschte?

Deine Entscheidung ist richtig. Du musst nur Ryan Patrick davon abhalten, dass er dir in die Quere kommt.

Es roch nach Gebratenem, und Nicole merkte plötzlich, dass sie hungrig war. Schon seit fünf Uhr morgens war sie auf den Beinen, und trotzdem hatte sie kaum Zeit gehabt, ihren Müsliriegel zu essen und die vom Arzt empfohlenen Vitamintabletten einzunehmen.

Wie immer ging sie durch die Seitentür und brachte die Sachen in die Küche. Merkwürdig, keiner war hier. Dabei war doch noch so viel zu tun, bevor die Gäste kamen. Wahrscheinlich waren Beth und Patrick oben und zogen sich um.

Sie hob die Behälter mit dem Essen, das sie für die Party vorbereitet hatte, auf den Tresen. Dann nahm sie die Schüsseln heraus, stellte die kalten Speisen in den Kühlschrank und die warmen bei niedriger Hitze in den Backofen.

Was noch? Ach ja, der Garten. Sie öffnete die Hintertür und blieb auf der Treppe stehen. Unwillkürlich musste sie lächeln. Was für ein wunderschöner Spätsommertag, wie geschaffen für eine Gartenparty. Die gemieteten Tische waren bereits angeliefert und aufgestellt worden. Mit den rot-weiß karierten Tischdecken und dem Blumenschmuck sah alles sehr fröhlich und einladend aus. Dies war auch ein besonderer Tag. Heute sollte den Anwesenden verkündet werden, dass die Hightowers Familienzuwachs erwarteten.

Hinten auf dem zementierten Grillplatz stand ein junger Mann über den großen Grill gebeugt. Jetzt richtete er sich auf und winkte.

„Guten Morgen!“, rief Nicole und ging auf ihn zu. „Ich bin Nicole Hightower.“

„Guten Morgen. Und ich Bill Smith von dem Cateringservice. Was für ein toller Tag für eine Gartenparty!“

„Ja, finde ich auch. Haben Sie alles, was Sie brauchen?“

Er nickte. „Das Schweinefleisch ist so gut wie fertig. Huhn kommt jetzt dran, danach die Gemüsespieße.“

Es duftete verführerisch, aber die Zeit war zu knapp. Sie konnte sich nicht länger dort aufhalten. „Fabelhaft. Sie wissen ja, wo die Getränke stehen. Bedienen Sie sich. Und wenn Sie sonst noch irgendetwas brauchen … ich bin in der Nähe.“

„Danke.“

Im Vorbeigehen hob Nicole die Deckel von zwei großen Kühlboxen hoch. Wie bestellt waren in der einen Softdrinks und Sodawasser, in der anderen Bier und ein paar Flaschen Champagner. Wunderbar, diese Cateringfirma konnte man wirklich weiterempfehlen. Es war eine gute Idee gewesen, sie zu engagieren, vor allem weil Beth es hasste, Partys auszurichten.

Deshalb hatte Nicole sich immer schon um diese Dinge gekümmert. Das Familienpicknick am ersten Wochenende im September hatte schon Tradition, zumindest seit Beth und Patrick geheiratet hatten. Normalerweise lief auch alles harmonisch ab. Dieses Jahr allerdings würde es ein paar Neuigkeiten geben, die nicht so leicht zu verkraften waren. Da war einerseits Nicoles Schwangerschaft, die sicher den einen oder anderen schockieren würde. Außerdem war einen Monat zuvor plötzlich eine Halbschwester aufgetaucht, der auf Druck der Mutter eine Stellung bei Hightower Aviation verschafft werden musste.

Diese Halbschwester war der lebende Beweis, dass ihre Mutter es mit der Treue nicht so genau nahm. Das war zwar kein Geheimnis in der Familie, aber man sprach nicht darüber und versuchte, die zahlreichen Affären der Mutter zu ignorieren. Aber nun war plötzlich diese fünfundzwanzigjährige Halbschwester da und sollte offiziell in die Familie aufgenommen werden. Erstaunlich, dass die Mutter deren Existenz so lange hatte geheim halten können.

Schnell ging Nicole zurück ins Haus. Als sie die Küche betrat, hörte sie Beths Stimme. Sie kam aus dem Wohnzimmer. Offenbar unterhielt sich Beth nicht mit Patrick, denn ihr Tonfall war ein ganz anderer. Wahrscheinlich war bereits einer der Gäste da.

„Es ist doch nicht Ihr Kind“, sagte eine tiefe Stimme, und Nicole blieb wie versteinert stehen.

Das war Ryan Patricks Stimme!

„Aber es ist Nicoles Kind“, erwiderte Beth.

„Liebling“, mischte Patrick sich jetzt ein, „du hast doch wohl mitgekriegt, dass Mr. Patrick uns sehr viel Geld geben will, wenn wir auf seinen Vorschlag eingehen?“

Nicole stockte der Atem, und ihr Herz schlug wie verrückt. Dieser widerliche Kerl versuchte doch tatsächlich, ihre Schwester und ihren Schwager zu bestechen. Wenn er das schaffte, dann würde sie ihr Kind nie wiedersehen. Das könnte sie nicht ertragen und durfte es nicht zulassen.

Außer sich vor Wut stürzte sie in den Raum. „Wie können Sie es wagen, meiner Familie hinter meinem Rücken unmoralische Angebote zu machen?“

Betont langsam stand Ryan auf. Seine blauen Augen fixierten sie kühl. „Ich habe mich nur mit den Menschen in Verbindung gesetzt, die möglicherweise besonnen genug sind, die richtige Entscheidung zu fällen. Dass nämlich das Kind an die Seite seines biologischen Vaters gehört.“

Zwar fiel ihr unwillkürlich auf, wie gut er in seinem anthrazitfarbenen Anzug mit dem hellblauen Hemd und der dunkelroten Krawatte aussah. Aber davon ließ sie sich nicht täuschen. Schön ist nur, wer auch Schönes tut, wie eine ihrer zahllosen Nannys zu sagen pflegte. Und was Ryan Patrick im Begriff war zu tun, war alles andere als schön. Es war widerlich und hässlich.

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie dieses Baby nicht bekommen!“, fuhr sie ihn an.

„So?“ Böse lächelnd stützte er die Hände auf die schmale Hüfte. „Falls Sie mit Ihrer Anwältin gesprochen haben, dann wissen Sie, dass Sie in diesem Fall überhaupt nichts zu sagen haben.“

Es sei denn, sie entzweite sich mit ihrer Familie. Und selbst dann hatte sie nur geringe Chancen auf Erfolg. Kurz sah sie zu Patrick und Beth hinüber. Sie konnte die beiden unmöglich gegen sich aufbringen.

Höflichkeit, Ausdauer und Geduld … Höflichkeit, Ausdauer und Geduld. Damit musste doch auch dieses Problem zu lösen sein. Sie musste nur herausfinden, wie. In der Zwischenzeit sollte sie zumindest freundlich mit diesem Typen umgehen, sonst gab es überhaupt keine Chance, sich gütlich mit ihm zu einigen. Zwar nervte es sie, ihm seine Unverschämtheiten nicht mit gleicher Münze heimzahlen zu können. Aber es gab keinen anderen Weg.

„Darf ich Sie mal kurz draußen sprechen?“, wandte sie sich an ihn und lächelte gezwungen.

„Aber sicher.“ Ryan wies auf die Tür.

Mit hoch erhobenem Kopf schritt sie an ihm vorbei auf die Hintertür zu, die er höflich für sie öffnete. Hm, tolles Aftershave, schoss ihr durch den Kopf, doch sie schob den Gedanken schnell beiseite. Jetzt war anderes wichtiger. Zielstrebig ging sie auf den kleinen Pavillon am hinteren Ende des Gartens zu. Ryan folgte ihr dicht auf den Fersen, zu dicht, wie sie fand.

Im Pavillon versuchte sie, Ryan auf größtmöglichen Abstand zu halten, bevor sie sich umdrehte und ihm ins Gesicht sah. Wie konnte sie den Mann nur dazu bringen, seinen verrückten Plan aufzugeben?

„Haben Sie Geschwister, Ryan?“ Ihn mit seinem Vornamen anzureden fiel ihr nicht leicht. Aber sie konnte unmöglich „Mr. Patrick“ zu ihm sagen, weil sie dann immer an ihren Patrick denken musste, dessen Kind sie eigentlich austragen sollte.

„Nein.“

Also konnte sie auch nicht an sein Gefühl als Familienmensch appellieren, denn er hatte keine Familie. „Dann können Sie sich sicher nicht vorstellen, wie wichtig dieses Kind für meine Schwester ist.“

„Darum geht es hier doch gar nicht. Es ist mein Kind.“

Das war leider eine Tatsache. Aber auf irgendeine Art und Weise musste er doch zu knacken sein. „Seit Jahren sehnt sie sich nach einem Kind, und sie wird dieses lieben, als sei es ihr eigenes. Haben Sie Erfahrung mit Kindern?“

„Nein. Aber ich werde mir das aneignen, was ich wissen muss.“

Himmel, was für ein sturer Kerl. Irgendwie musste sie ihn davon überzeugen, dass das Kind bei Beth und Patrick besser aufgehoben war. Aber wie? Doch dann kam ihr ein Gedanke. Klar, so musste es gehen. Strahlend lächelte sie ihn an. „Wie Sie sehen, haben wir hier heute eine Party. Mit Familie, Freunden und ein paar Nachbarn. Die ersten Gäste werden in wenigen Minuten eintreffen. Sie sind herzlich eingeladen zu bleiben.“

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Warum?“

„Damit Sie selbst feststellen können, was für ein wunderbares Leben das Kind hier bei Patrick und Beth erwartet, umgeben von einer warmherzigen Familie. Von Tanten und Onkeln und bald auch von Cousins und Cousinen. Meine Schwägerin erwartet nämlich auch ein Kind, kurz vor mir.“

„Das wird meine Entscheidung nicht beeinflussen.“

Vielleicht nicht. Aber dieses Risiko musste sie eingehen, wenn sie ihr Kind nicht vollständig aus den Augen verlieren wollte. Wieder strahlte sie ihn an. „Ich möchte Sie auch nur bitten, sich ohne vorgefasste Meinung umzusehen. Sie werden sehr schnell erkennen, was Sie dem Kind vorenthalten würden, wenn Sie auf Ihrem Plan bestehen. Bleiben Sie hier, Ryan, Sie werden es nicht bereuen. Es sei denn, Sie sind gegen gutes Essen und nette Menschen allergisch.“

„Okay.“ Er nickte widerwillig, doch sein durchdringender Blick sagte alles. Er würde es ihr nicht leicht machen. Und dennoch musste sie ihn in den nächsten vier Stunden dazu bringen, seine Meinung zu ändern.

Ihre eigene und die Zukunft ihres Kindes hingen davon ab.

Etwa vierzig Gäste waren gekommen. Die Party war ein voller Erfolg, alle schienen sich blendend zu amüsieren. Doch Ryan Patrick hatte nur Augen für eine Person. Nicole Hightower.

Eigentlich sollte er sie nicht attraktiv finden, denn sie war nicht sein Typ. Er stand auf Frauen mit üppigen Kurven und sanftem, femininem Verhalten. Nicole dagegen war sehr schlank und wirkte ausgesprochen rastlos. Keine halbe Minute konnte sie still stehen. Und doch, wenn er ihre festen Brüste betrachtete, die sich unter dem dünnen Stoff deutlich abzeichneten, dann konnte er sich durchaus vorstellen, wie sie sein Kind stillte.

Was für ein abwegiger Gedanke! Sein Kind würde von Anfang an mit der Flasche aufgezogen werden.

Jetzt blickte Nicole ihn mit ihren hellen blauen Augen an, nicht das erste Mal an diesem Nachmittag. Und wieder durchfuhr es ihn siedend heiß, sodass er sich kurz abwenden musste, um seiner Erregung Herr zu werden. Dass er so stark auf sie reagierte, ärgerte ihn. Denn er wollte mit ihr nichts weiter zu tun haben. Sie würde sein Kind zur Welt bringen, es ihm übergeben, und das wär’s. Bloß keine Komplikationen, er hatte bereits genug Probleme in seinem Leben.

Immer noch sah sie in seine Richtung, wies dann mit dem Kopf auf sein Bier in der Hand und blickte ihn fragend an. Noch eins? Er schüttelte den Kopf. Erotische Anziehung und Alkohol, das vertrug sich nicht. Es sei denn, er hatte vor, mit dem Objekt seiner Begierde ins Bett zu gehen, wie es in den letzten Jahren oft geschehen war. Das war auch der Grund dafür, dass sein Vater von ihm Beweise dafür verlangte, dass er sich geändert und seinen wilden Lebenswandel aufgegeben hatte. Erst dann wäre sein Vater dazu bereit, ihm im nächsten Sommer das Familienunternehmen zu übergeben. Wenn Ryan diese Beweise nicht erbringen konnte, würde der Vater Patrick Architectural Designs verkaufen, damit hatte er mehr als einmal gedroht.

Deshalb musste er die Wirkung ignorieren, die Nicole auf ihn hatte. Denn eine kurze Affäre mit ihr – und mehr könnte es nie sein – würde ihn in den Augen des Vaters für die ihm zugedachte Aufgabe disqualifizieren.

Eine leichte Brise blies ihr das Haar, das ihr heute offen auf die Schultern fiel, aus dem Gesicht. Wie viel hübscher sie aussah als mit dem Knoten, den sie offenbar nur während der Arbeit trug.

Egal, das war nicht von Bedeutung.

Dennoch musste er unwillkürlich daran denken, wie das Kind wohl aussehen würde. Sicher sehr hübsch, wenn es ihre feinen Gesichtszüge, die vollen Lippen und die leuchtenden Augen erbte. Die Leihmutter hatte eher durchschnittlich ausgesehen. Und dieses Lächeln, das sie sehr freigiebig verteilte. Nur wenn sie ihn ansah, wirkte ihr Lächeln künstlich und angestrengt. Als ertrüge sie seine Gegenwart nur mit Mühe.

Und noch etwas fiel ihm auf. Nicole liebte es, Menschen zu berühren. Wann auch immer sie jemanden ansprach, legte sie ihm die Hand auf den Arm oder auf die Schulter. Ein guter Grund, sich von ihr fernzuhalten. Denn nachdem sie ihn im Büro mit Handschlag begrüßt hatte, hatte er die Berührung noch lange danach gespürt. Und das konnte nur Probleme bringen.

Er warf einen Blick auf die versammelten Gäste, wobei ihn die Mitglieder der Familie Hightower besonders interessierten. Dort hinten stand Nicoles Mutter, schlank und feingliedrig wie die Tochter. Wahrscheinlich würde Nicole in dreißig Jahren genauso aussehen. Die Mutter schien die gleiche Energie wie die Tochter zu haben, im Übrigen waren die beiden aber wohl sehr verschieden. Während Nicole freundlich, aber reserviert auf die Menschen zuging, flirtete ihre Mutter noch immer leidenschaftlich. Sie gehörte zu den Frauen, die in ihrer Jugend von Männern angehimmelt worden waren und nur schwer damit zurechtkamen, dass ihre besten Jahre vorbei waren.

Nicoles Vater dagegen schien die Gesellschaft anderer Menschen zu meiden. Er saß im Schatten einer großen Eiche, ein Bier in der Hand, und sprach nur mit denen, die sich zu ihm setzten. Dann waren da noch Nicoles Zwillingsbrüder, die etwas älter waren als sie und sich sehr ähnlich sahen. Beide aber wirkten nicht sehr zufrieden. Der eine war ein Spieler, wie Ryans Nachforschungen ergeben hatten. Und der andere war unglücklich verheiratet und blickte immer wieder den jungen Mädchen hinterher, obgleich seine Frau ganz offensichtlich schwanger war.

Über die weitere Familie hatte Ryan noch nichts in Erfahrung bringen können, und von den Nachbarn hatte er kaum die Namen behalten. Wo waren denn Beth und Patrick?, fragte er sich, bevor er sie schließlich entdeckte. Sie standen hinten in der Ecke des Gartens und schienen eine heftige Auseinandersetzung zu haben. Schon wieder. In den letzten drei Stunden war ihm schon ein paarmal der bissige Tonfall aufgefallen, in dem sie miteinander sprachen.

Vielleicht war Nicole wirklich der Meinung, dass dies die ideale Umgebung sei, um ein Kind aufzuziehen. Aber Ryan hatte große Zweifel. Diese Vorstadtidylle war trügerisch. Beth und Patrick schienen ernsthafte Schwierigkeiten in ihrer Ehe zu haben, und auf keinen Fall sollte sein Kind in eine hässliche Scheidung hineingezogen werden, wie er sie selbst hatte erleben müssen. Ein Grund mehr, sich nur mit dem vollen Sorgerecht zufriedenzugeben. Denn er ging jede Wette ein, dass die Ehe von Beth und Patrick nicht mehr sehr lange halten würde.

Beth erinnerte ihn sehr an seine Mutter. Sie hatte die gleiche Märtyrerhaltung wie seine Mutter, als sie fünfundzwanzig Jahre zuvor ihren damals zehnjährigen Sohn genommen und ihren Mann verlassen hatte. Bis er volljährig war, hatte sie den Sohn als Waffe benutzt, um seinen Vater unter Druck zu setzen und gegen seine „Geliebte“, seine Arbeit, Front zu machen.

Doch ihre Klagen waren bei dem Sohn auf taube Ohren gestoßen. Schon sehr früh hatten sich seine Liebe und sein Talent für die Architektur gezeigt. Solange er denken konnte, hatte er gespannt neben dem Zeichentisch des Vaters ausgeharrt und ihn bei seiner Arbeit beobachtet. Nach der Trennung der Eltern war das zwar seltener geworden, aber sowie er volljährig war, hatte er seine Leidenschaft zu seinem Beruf gemacht.

Die Arbeit war für beide Patricks das Wichtigste in ihrem Leben. Frauen waren unzuverlässig und bösartig. Das hatte auch Ryan während seiner Ehe bitter lernen müssen, denn seine Frau hatte ihn belogen und betrogen.

Dann fiel sein Blick auf die Jüngste der Hightower-Kinder, die ihn besonders interessierte. Denn obwohl sie ihrer Mutter und Nicole sehr ähnlich sah, passte sie nicht hierher. Das war ihm bereits aufgefallen, als sie mit einer dröhnenden Harley-Davidson vorgefahren war. Sie war eine Außenseiterin, wie er ein Außenseiter war. Auch wenn Nicole immer wieder versuchte, sie ins Gespräch mit anderen einzubeziehen, war deutlich zu erkennen, dass zwischen ihr und den Geschwistern eine Kluft bestand. Nicole war sowieso die Einzige, die sich um ihre Schwester kümmerte.

Jetzt blickte die jüngste Hightower zu ihm hinüber, sah, dass sein Blick auf ihr ruhte, und kam mit langen Schritten auf ihn zu. Mit ihren hautengen Jeans und den hohen schwarzen Lederstiefeln wirkte sie in dieser Umgebung wie ein Wesen von einem anderen Stern. Früher hätte ihre wilde Aufmachung den Rebellen in Ryan angesprochen, aber aus irgendeinem Grund war er nicht beeindruckt.

Dicht vor ihm blieb sie stehen. „Du siehst nicht so aus, als seist du einer von Beths hochnäsigen Nachbarn.“

Ryan musste lächeln und reichte ihr die Hand. Er schätzte die Nachbarn genauso ein. „Ich bin Ryan Patrick. Und, nein, ich wohne nicht hier in der Gegend.“

Als sie den Namen hörte, hob sie kurz fragend die Augenbrauen, dann schüttelte sie Ryan die Hand. „Lauren Lynch.“

Lynch? Nicht Hightower? Wieso sah sie dann Nicole so ähnlich? „Sie gehören nicht zu dem Hightower-Clan?“

„Nicht ganz. Jacqueline Hightower ist zwar meine Mutter, aber William ist nicht mein Vater. Mein Vater ist vor ein paar Monaten gestorben. Und bevor du deine kleinen grauen Zellen zu sehr anstrengst, um dieses Rätsel zu lösen, sage ich es dir gleich. Meine Mutter hatte eine Affäre mit einem Piloten von Hightower Aviation. Und ich bin das Produkt dieser Affäre. Nach der Geburt hat sie mich meinem Vater überlassen und ist als treu sorgende Hausfrau und Mutter zu William Hightower zurückgeeilt.“

Aha, deshalb existierten diese Spannungen zwischen Lauren und ihren Halbgeschwistern. „Tut mir leid, dass Sie Ihren Vater verloren haben.“

„Danke. Ja, sein Tod war hart für mich. Aber er gab mir die Gelegenheit, meine Familie kennenzulernen, von deren Existenz ich bisher nichts gewusst hatte. Und weshalb bist du hier? Bist du ein Kunde von Hightower Aviation?“

„Noch nicht. Aber ich bin am Überlegen, ob ich nicht mit Hightower einen Vertrag schließen sollte.“ Das wäre für ihn tatsächlich sinnvoll, weil er doch oft weite Strecken zurücklegen musste. Aber eigentlich hatte er an einen anderen Vertrag gedacht. Einen, der nichts mit Fliegen zu tun hatte.

„Bist du verheiratet?“

Ganz schön direkt, die Kleine. „Nicht mehr. Und Sie?“

„Um Himmels willen! Ich war nie verheiratet und werde wahrscheinlich nie heiraten. Hast du Kinder?“

„Noch nicht.“

Lauren blickte auf die Bierflasche, die sie in der Hand hielt, und sah dann Ryan von unten durch ihre dichten schwarzen Wimpern an. „Kann ich dir einen Tipp geben?“

Inwiefern? „Nur zu.“

„Nicole ist wahrscheinlich die einzig akzeptable Person hier. Wahrscheinlich die Beste der ganzen Hightower-Sippe. Aber sie ist eine harte Nuss und nicht leicht zu knacken. Doch es lohnt sich. Bleib dran. Sie ist es wert.“

Wollte sie ihn etwa verkuppeln? „Wie kommen Sie darauf, dass ich an Nicole interessiert bin?“

Lauren grinste und trank einen Schluck Bier. „Ich habe doch gesehen, wie du sie den ganzen Nachmittag beobachtet hast.“

Stimmt. Aber wie konnte er mehr über die Mutter seines Kindes herausbekommen? Wo war sie überhaupt? Ach so, dahinten stand sie, zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Schwager. Alle drei schienen sehr erregt zu sein und unterhielten sich gestikulierend. Nicole hatte eine Hand auf ihren Bauch gelegt. Jetzt hob sie den Kopf und entdeckte Ryan in der Menge. Er wusste zwar nicht, um was es in der Unterhaltung ging, aber Nicole wirkte ratlos, ja, verzweifelt. Sofort spürte er tief in sich den Wunsch, ihr zu helfen.

„Na los, geh schon“, sagte Lauren lächelnd.

„Gehen? Wohin?“

„Na, zu ihr. Um sie zu retten. Das willst du doch.“

Schlaues Kind. „Ist Nicole der Typ, der gerettet werden muss?“

„Vielleicht.“ Lauren trank wieder einen Schluck. „Ich will’s mal so ausdrücken: Wenn ich sie wäre, hätte ich die ganze Sippschaft schon längst zur Hölle gejagt. Aber sie ist nun mal ein Mensch, der sich nach Harmonie und Familienfrieden sehnt.“

Erstaunlich, was diese kleine Person alles wusste. Eines Tages würde er sie zum Essen einladen und sich eingehender mit ihr unterhalten. Er reichte ihr die Hand. „War schön, mit Ihnen zu reden, Lauren.“

„Ja, find ich auch. Und viel Glück.“

Glück brauchte er nicht. Er hatte das Gesetz auf seiner Seite.

Er trat zu den dreien, die verstummten, sowie er in Hörweite war. „Probleme?“

Beth schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben uns nur dagegen entschieden, Nicoles Schwangerschaft heute schon zu verkünden.“

Das konnte ihm nur recht sein. Umso mehr Zeit hatte er, sich darauf vorzubereiten, den Kampf mit dem Hightower-Clan aufzunehmen.

Aber offenbar war diese Entscheidung Nicole nicht recht. Sie blickte zu Boden und presste die Lippen aufeinander. Ahnte sie, dass sie ihm keinen größeren Gefallen hätte tun können, als ihn zu dieser Gartenparty einzuladen? Denn so hatte er die Gelegenheit gehabt, die einzelnen Familienmitglieder kennenzulernen. Von einem harmonischen Zusammenhalt konnte keine Rede sein. Im Gegenteil. Das war sehr günstig. Denn umso bereitwilliger würde das Gericht ihm das alleinige Sorgerecht zusprechen.

Er bräuchte nur diese sogenannte Einheit der drei hier vor ihm zu zersprengen, dann würde er sein Ziel erreichen. Und er würde mit dem schwächsten Glied anfangen.

Mit Nicoles Schwager, diesem geldgierigen Bastard.

3. KAPITEL

„Ryan Patrick ist hier wegen der Verabredung zum Mittagessen“, war Leas muntere Stimme über die Gegensprechanlage zu hören.

Wieso das denn? Nicole drückte auf den Knopf. „Ich bin nicht mit ihm zum Lunch verabredet.“

„Oh, doch. Er hatte angerufen, und ich habe ihm einen Termin gegeben.“

Am liebsten hätte Nicole die Freundin erwürgt. „Was will er denn?“

„Das musst du schon selbst herausfinden“, erwiderte Lea lachend.

„Okay, schick ihn rein.“ Nicole seufzte. „Und, Lea, tu mir einen Gefallen und hör auf, für mich Termine zu machen, ohne sie vorher mit mir abzusprechen. Und lass die Kuppelei. Du hast bisher nicht viel Glück damit gehabt, das musst du doch wohl zugeben.“

Immer wieder hatte Lea versucht, Nicole mit anderen Männern zusammenzubringen, damit diese endlich ihre alte Liebe Patrick vergaß. Warum konnte Lea nicht begreifen, dass das nicht möglich war?

Anders als ihre Mutter, die ihre Geliebten wie Handtücher wechselte, gab es für Nicole nur eine große Liebe. Sie blieb lieber allein, als sich an den falschen Mann zu binden. Und jeder Mann war falsch, weil er nicht Patrick war. Und falls sie wirklich einmal etwas für einen anderen Mann empfunden hatte, hatte sie sehr schnell die Verbindung gelöst, aus Angst, wieder enttäuscht zu werden.

Die Tür flog auf, und Ryan Patrick betrat den Raum. Zu dem dunklen Anzug trug er ein weißes Hemd und eine Krawatte von dem gleichen Blau wie seine Augen.