Arminius und die Raben von Wodanaz - Baldur Airinger - E-Book

Arminius und die Raben von Wodanaz E-Book

Baldur Airinger

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Beschreibung

Der ehemalige Realschullehrer Falk Brauers ist beim Wechsel von der Realschule zur Sekundarschule aus dem Schuldienst ausgeschieden. Durch soziale Missstände wie ständiges Mobbing und die fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft ist ihm sein alter Arbeitsplatz fremd geworden. Dabei hat er vor nicht all zu langer Zeit seinen Beruf geliebt. Seit dem sein Therapeut ihm den Rat gab, zu den Plätzen und historischen Orten seines damaligen Geschichtsunterrichts zu reisen, begegnet er sich selbst auf eine kraftvolle Weise neu und erlebt auf wundersame Art die Abenteuer unserer Geschichte, von denen er bisher nur in Büchern gelesen hat.

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Liebe Leserin,

lieber Leser!

Dieses hier vorliegende Buch ist schlicht und ergreifend ein Roman. Es ist eine Geschichte. Nicht weniger ist es aber auch nicht mehr.

Alle Personen, die in diesem Buch vorkommen, sind frei erfunden. Deren mögliche Ähnlichkeiten zu eventuell real lebenden Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Mit und in diesem Buch werden weder Tipps, Hilfen oder Ratschläge gegeben, noch Anweisungen erteilt für das wirkliche Leben. Denn dieses Buch ist weder ein Ratgeber noch ein Leitfaden. Es ist nur eine Geschichte.

Daher übernimmt weder der Autor noch der Verlag Verantwortung für Dinge, Handlungen oder Geschehnisse, die sich eventuell aus dem Lesen dieses Buches ergeben.

Jegliche Verantwortung für Entscheidungen, die aufgrund der Lektüre dieses Buches getroffen werden, liegen allein bei der Leserin beziehungsweise beim Leser.

Und Achtung, das Lesen des vorliegenden Romans kann möglicherweise zu Stimmungsschwankungen führen, es können gegebenenfalls körperliche Symptome aufgrund emotionaler Beteiligung bei der Handlung des Buches auftreten, denn es besteht die Gefahr, von den Inhalten des vorliegenden Werkes berührt oder sogar angezogen zu werden.

Wer daher lieber vorsichtig sein möchte – und Vorsicht ist auf jeden Fall geboten – dem wird empfohlen, von der Lektüre dieses Buches abzusehen. Das vollständige und / oder auszugsweise Kopieren und Vervielfältigen liegt bei der Verlagsanstalt und ist überdies verboten!

Ergreifen Sie diesen Roman lieber nicht, wenn Sie Angst davor haben, denn es wäre möglich, dass der Roman Sie ergreift. Wer bereit ist, die volle Verantwortung für all seine Regungen, Gedanken und Emotionen, Handlungen, Worte und Taten vor, während, bei und nach der Lektüre dieses vorliegenden Werkes zu übernehmen, dem ist das Lesen des Romans zu empfehlen.

Also dann: Viel Vergnügen!

© Baldur Airinger 2024

„Bist du auf Facebook?“

Er sah in ihre Augen und tauchte ein in ihren Glanz. Dann ging die Türe auf und die Chefin kam herein.

Ihre Worte hörte er kaum.

Falk Brauers träumte von Raben, die mit ihm fliegen….

Inhalt

DIE KRAFT DES ALLEINSEINS

GRO

ß

E REISE IN DIE FERNE

VOM UNBEKANNTEN PROBIEREN

KAMPFTAUGLICH

VOM FÜHREN UND FOLGEN

1 Die Kraft des Alleinseins

Was bleibt mir, wenn alles um mich herum weg bricht?

Sicher fragen sich das auch die Menschen im Zugabteil vor mir, überlegte Falk Brauers eine Weile, während er im Regionalzug saß. Für seine Reise nach Detmold hatte er sich zum ersten Mal in seinem Leben einen Zusatzfahrschein gekauft, der ihn berechtigt, in der ersten Klasse in diesem Regionalzug mit zu fahren. Mit dem Deutschland-Fahrschein klappt das gut.

Hier im Abteil hatte er mehr Ruhe zum Schreiben.

Einige fremdländisch aussehende Menschen, die einen unglücklichen und erschöpften Eindruck auf ihn machen, unterhalten sich laut in dem Abteil vor ihm.

Es ist noch früh am Tag.

Während der Zug durch die beruhigend grüne Natur fährt, nickt er ein und im Halbschlaf erinnert er sich an so viele Bilder von Menschen, die in Not geraten sind, weil in ihrem Land viel Unfrieden herrscht und Unordnung, weil Staatsoberhäupter nicht mehr für das Wohlergehen ihrer Bürger sorgen und nur egoistischen Zielen hinterher jagen.

Als Falk Brauers aufwacht, weil sein Zug eine Haltestelle passiert hat und sich nun wieder in Fahrt gesetzt hatte, fragte er sich selbst:

Welchen Zielen jage ich hinterher?

Im Augenblick ist sein Ziel der Teutoburger Wald, das ostwestfälische Detmold. Hier soll es einen Ashram geben. Der interessiert ihn auch. Vor allem fasziniert ihn dort das Denkmal des Hermann.

Da der junge Mann noch Zeit hat bis zu der Haltestelle, an der er seinen Zug verlassen muss, schläft er noch einen Moment und gerät im Traum in eine Zeit, in der es hier weder Haltestellen gab, noch Züge.

Nicht ein mal ein einheitliches Gebiet, das von seinen Bewohnern als Deutschland bezeichnet wurde, kannte dieser Hermann, den er besuchen möchte: Einzelne Völker gab es, die eher verfeindet, als verbündet waren.

Sie nannten sich selbst Teutonen und Markomannen, Chatten oder Hermunduren, Brukterer, Semnonen, Burgunder und Goten, Cherusker, Chauken, Langobarden, Friesen oder Sachsen.

Der Stamm, in dem Hermann geboren wurde, waren die Cherusker, die Hirschleute von ihrem Wort für Hirsch: Cherut.

Zu der Zeit, als in der Weltmacht Rom Kaiser Augustus Alleinherrscher war, wurde der Junge im Stamm der Cherusker geboren in eine Familie, die zunächst Rom unterstützte und bei seinem Volk hieß er Arminius.

Den Soldaten der Besatzungsmacht gegenüber hatte der junge Arminius, als er noch dort in seinem Zuhause lebte, eine geteilte Einstellung: Einerseits fand er sie interessant und sie schienen mächtig zu sein in ihren metallenen Rüstungen, unbesiegbar. Doch sie wirkten auch fremd, waren oft unfreundlich, überheblich und sie waren der Grund, weshalb der Name des Jungen nicht wie der seines Vaters klang. Arminius’ Vater, Segimer, war ein Oberhaupt des Volkes der Cherusker.

Er, die Seherin und noch einige andere Ältere zählten zu den Angesehensten des Stammes, zum Adel.

Die Cherusker hielten nicht so viel von Ackerbau wie Menschen, die weiter im Osten lebten oder die Römer, die in ihren Provinzen, in eroberten Gebieten, Getreide anbauten oder anbauen ließen. Der Adel des Stammes teilte den einzelnen Familien im Volk jedes Jahr neues Ackerland zu. So verhinderten sie, dass aus Kriegern Bauern wurden und es wurde gewährleistet, dass auch die niederen Leute immer genug Land hatten. Auf diesem Land mussten die Hütten jedes Jahr neu errichtet werden, damit die Menschen nicht verweichlichten und extreme Wetterlagen mieden.

So kam keine Geldgier auf, denn dadurch würden Zwist und Streitigkeiten entstehen. Es gründete das Volksempfinden auf Gleichheit, denn allen war klar, dass die Niederen so viel hatten wie die Mächtigen.

Arminius war noch klein, als sein Bruder geboren wurde, den die Eltern Flavus nannten. Flavus war eigentlich kein Name, sondern eine Bezeichnung, ein eindeutig römisches Wort:

Blond und männlich bedeutete es, also „der Blonde“.

Einige Winter später war Arminius schlau genug, dass er seine Mutter, Segina, fragen konnte, ob die Kinder des Volkes der Cherusker nun keine Namen der Cherusker mehr bekämen.

Die Mutter des Jungen war zum Einen erstaunt über diese Frage und sie stimmte sie nachdenklich.

Zum Anderen jedoch kannte sie ihren Sohn, wusste, wie erfolgreich er Worte, Satzteile und sogar ganze Sätze der in der Nähe des Dorfes lebenden Soldaten auffing und oft umher ging, während er das neu Gehörte für sich selbst nach sprach, murmelte, um es sich einzuprägen.

Oft unterhielt er sich mit den Soldaten, begrüßte sie, verwickelte sie in Gespräche. Ab und zu kam es vor, dass seine Mutter beobachten konnte, wie er sich in der Sprache der Römer mit ihnen unterhielt und sich sogar deren Schrift zeigen ließ.

Manchmal kam er strahlend nach Hause.

Sein Zuhause und das seines Bruders, seiner Eltern und seines Onkels Inguiomer war ein Langhaus, das nicht jedes Jahr neu errichtet werden musste. Dies war ein Privileg des Adels.

Niedere Leute besaßen dafür oft mehrere kleinere Hütten.

Im Langhaus des Segimer war ein Teil durch eine dreiviertel hohe Wand abgetrennt, in dem das Vieh der Familie unterkam im Winter und in der Nacht. Einfache Leute hatten jedoch ihre Hühner, Schafe, Ziegen und ab und zu auch Schweine oder Rinder nachts mit in ihrer Kammer.

Wenn der Junge von seinen Begegnungen mit den fremden Kriegern heim kam, leuchtete er und der Stolz glitt über sein ganzes Gesicht, während er seiner Mutter von seinen Erfahrungen berichtete und von dem, was die Männer ihm erzählt hatten.

Doch dann kam der Tag, an dem er beschloss, die Gesellschaft der Soldaten zu meiden. Vorerst jedenfalls.

Es war ein nebeliger Morgen kurz nach der Zeit, in der er seinen elften Winter feierte, da er und sein zwei Jahre jüngerer Bruder erfuhren, dass sie bald nach Rom reisen würden.

Die adeligen Knaben des Stammes, die das passende Alter erreicht hatten: Es waren Kinder anderer adliger Familien der Cherusker auch dabei und Flavus und er, Arminius. Allein ging es in Begleitung der Soldaten in ein fernes, fremdes Land.

Flavus schien darüber glücklich zu sein. Auch er hatte sich mit einigen der Soldaten angefreundet und hatte erfolgreich begonnen, ihre Schrift und ihre Sprache zu lernen.

Arminius wurde sehr ernst.

„Was sind wir denn?“, fragte er eines Tages seinen Vater. Zorn verdunkelte seinen Blick.

„Cherusker oder Römer?“

Der Vater schwieg. Erst sah er zu Boden. Doch dann blickte er seinen älteren Sohn an und sah ihm fest in die Augen.

„Mein Sohn! Du bist mein Nachfolger. Du sollst unser Volk führen. Doch zuerst musst du den Römern folgen. Wir und die Römer haben diese Vereinbarung. Du weißt das! Du weißt es, seit du ein kleines Kind warst.“

Arminius nickte nachdenklich. Sein Vater hatte Recht.

„Und sieh, das Mädchen, was dich stets bewundernd anschaut, Thusnelda, Segestes’ Tochter. Sie hat keinen römischen Namen. Sie wartet auf dich. Geh’ zu ihr!“, riet ihm seine Mutter.

Seginas Augen besaßen eine tiefe Liebe und Weisheit.

Der Junge blickte sich um.

Da stand das Mädchen und wartete auf den Sohn des Fürstenpaares, anständig, bis dieser das Gespräch mit seinen Eltern beendet hatte.

Arminius nickte.

Dann holte er tief Luft und ging zu seiner Freundin.

Segimers Sohn mochte Thusnelda sehr.

Doch weder hatte er sie je geküsst oder berührt.

Das war gut so, denn dadurch sparte er sich seine Kraft für die wichtigen Dinge auf. Das Leben eines Mannes besteht bei den Cheruskern aus Jagen.

SCHON ALS KLEINE JUNGEN MESSEN WIR UNS IN ABHÄRTUNG UND DER KRAFT UND FÄHIGKEIT, SCHMERZ, HUNGER, KÄLTE ODER LEID ZU ERTRAGEN UND AUSZUHALTEN.

WER SOZUSAGEN ALS LETZTER EINE FRAU BERÜHRT, HAT GEWONNEN, DENN ER HAT DAS HÖCHSTE ANSEHEN UNTER DEN GLEICHALTRIGEN. WIR GLAUBEN, DASS SO UNSERE KRAFT, UNSERE MUSKELN, UNSER KÖRPER, UNSERE GANZE GESTALT GESTÄRKT WIRD.

UND SO VERLIERT DER JUNGE MANN IM STAMM AN ANSEHEN, DER VOR SEINEM XX. WINTER SICH EINER FRAU IN BESONDERER WEISE GENÄHERT HAT.

ALLE IM VOLK WÜRDEN ES BEMERKEN. ZUM BEISPIEL BEIM GEMEINSAMEN BAD IM FLUSS.

ES WAR JEDOCH NICHTS FALSCHES DARAN, THUSNELDA ANZUSEHEN UND MIT IHR ZU SPRECHEN. SCHLIEßLICH WAR SIE EIN TEIL UNSERES VOLKES.

UND DABEI WAR SIE DIE TOCHTER EINES MANNES, DER BEI DER BESATZUNGSMACHT, DEN RÖMERN, HOCH IM KURS STAND.

SO GING ICH ALSO ZU IHR HIN.

Anmutig stellte sich Thusnelda auf ihre Zehen, weil Arminius um einiges größer war als sie und schmückte ihren Auserwählten mit einer hübschen Halskette aus Blüten und Pflanzenfasern, die sie selbst geflochten hatte.

Anschließend küsste sie ihn auf die Wange und lief schnell zu ihrem Vater, der von deren Haus aus den beiden zusah und Arminius zunickte, als sich deren Blicke trafen.

Diese Geste war jedoch weder freundschaftlich gemeint noch anerkennend. Zwischen ihren beiden Familien existierte eine ständige Rivalität, über die Arminius gut bescheid wusste.

Selbst auch ein Fürst des Stammes der Cherusker, wollte Segestes, Thusneldas Vater, dem Jungen nur klar machen, dass er ihn im Blick hatte. Einst war er der Stammesführer.

Segestes war die treibende Kraft gewesen, die die Verbindung der Römer zu seinem Volk hergestellt hatte. Er verfügte über ausgezeichnete Beziehungen zu den Römern.

Auch Thusnelda bewunderte die römischen Männer, deren Kultur und den Schmuck aus hellen, feinen Glasperlen, den sie ab und zu von den Soldaten geschenkt bekam.

Darüber war das Mädchen so erfreut gewesen, dass Arminius glaubte, sie würde ihr Herz einem römischen Offizier schenken und ihren Vater um die Hand eines solchen Herrn bitten.

Als er sie kürzlich danach fragte, gab sie zu Antwort:

„Ja, Arminius! Ich werde mein Herz einem römischen Offizier schenken und meinen Vater um die Hand eines solchen Herrn bitten!“

Arminius blickte sie wütend an.

Doch Thusnelda lächelte und fügte hinzu:

„Du wirst dieser Herr und Offizier sein, Arminius!“

Arminius erschrak erst, doch er fand in ihrem Blick nichts Falsches. Erleichtert lachte er.

Bald fragte er seine Eltern:

„Vater! Du und Mutter, ihr habt uns römische und römisch klingende Namen gegeben, weil ihr um das Versprechen wusstet, das ihr Rom geben musstet, nicht wahr?

Dies hatte der Knabe auch schon seinen Vater gefragt, wenn sie beide allein waren.

Segimer, der Anführer der Cherusker, Arminius’ Vater, maß dem Alleinsein große und wertvolle Bedeutung zu.

Da saßen sie am Ufer eines kleinen Sees im Wald, beobachteten die Enten und andere Wasservögel und fanden im Geiste und im ♥ zueinander.

„Ja. Diese Namen sollen deinem Bruder und dir den Start und das Leben in Rom erleichtern,“ hatte der Vater zu Antwort gegeben.

„Warum wehren wir uns nicht einfach gegen die Römer?“, hatte der Junge wissen wollen.

Da hatte der Vater sich aufgerichtet.

Segimer war sehr groß, wie auch sein Sohn, der für sein Alter bereits beachtlich hoch gewachsen war.

„Schau, mein Sohn!“, forderte der Mann den Knaben auf.

„Sieh hier meinen kleinen Fingernagel“, erklärte er und wies auf den Nagel des kleinen Fingers seiner linken Hand.

„So groß ist das Land unseres Volkes, der Cherusker, im Gegensatz zur Größe des römischen Reiches“, sagte er und deutete mit seiner Rechten von seinem linken kleinen Finger über sein Haupt, seine Schultern und seinen Rumpf bis zu seinen Füßen.

Arminius schwieg. Die Geste seines Vaters beeindruckte ihn und er schluckte. Der Vater nahm wieder Platz am Ufer des Sees neben seinem Sohn.

„Dass Rom so groß ist, wusste ich nicht“, gab der Junge zu.

„Ja. Und die Menschen, Arminius. Es sind so unglaublich viele, dass mein Vergleich nicht ausreicht, um es zu erklären.“

Beide schwiegen eine Weile.

„Werde ich wieder zurück kehren?“

„Das liegt in den Sternen. Es liegt in den Runen, mein Sohn und vor allem:“, Der Vater wandte sich dem Knaben zu und legte seine große Hand auf dessen Brust.

MEIN VATER GEBOT MIR, MICH ZU ERHEBEN.

ER STAND EBENFALLS AUF.

EINE WEILE FÜHRTE ER MICH SCHWEIGEND ZU UNSEREM HAIN, DER DONAR GEWEIHT WAR, SEIT ALTERS HER.

DER HAIN BRACHTE HEIL.

DER HAIN BRACHTE FFRRIIEEDDEENN.

ES WAR EIN HEILIGER ORT.

DENN HIER HERRSCHTE STILLE.

DENN HIER HERRSCHTE FFRRIIEEDDEENN.

DAS WAR ES, WOFÜR WIR KÄMPFTEN.

„DOCH DER FFRRIIEEDDEENN IM HAIN UND AN DER SÄULE DES DONAR, DER FFRRIIEEDDEENN BEIM OPFER FÜR UNSERE GÖTTER NÜTZT DIR WENIG“, ERKLÄRTE MEIN VATER MIR EINST UND DEUTETE AUF EINE URALTE EICHE, DIE VON DEN URVÄTERN UNSERES STAMMES ZUM ABBILD DES GOTTES DONAR GESCHNITZT WORDEN WAR.

DIE MENSCHEN UNSERES STAMMES VEREHRTEN DIESE SÄULE ALS DEN GOTT DONAR.

MEIN VATER WAR SCHON OFT ALLEIN MIT MIR HIER UND WENN WIR BEIDE UNTER UNS WAREN UND ER SICH DESSEN GEWISS WAR, DASS UNS NIEMAND HÖREN ODER BEOBACHTEN KONNTE, DANN ERKLÄRTE ER MIR SEIN GEHEIMNIS ÜBER DIE GÖTTER, DAS ER HÜTETE, DAS NICHT EINMAL MEINE MUTTER KANNTE:

HEIL IST INNEN.

FRIEDEN IST INNEN.

WIR SOLLEN UNS KEIN ABBILD VON DEN GÖTTERN MACHEN, DENN WIR SIND ES, DIE ERSCHAFFEN.

DANN ERKLÄRTE ER MIR SEIN GEHEIMNIS ÜBER DONAR, DAS ER HÜTETE, DAS NICHT EINMAL MEINE MUTTER KANNTE:

„MEIN SOHN, DU BIST BESONDERS BEGABT IM KAMPF UND IN DER JAGD, WEIL DU ERNSTHAFT BIST UND NACH DER WAHRHEIT SUCHST.

DIESER ALTE BAUM HIER IST EINE EHRWÜRDIGE, SEHR ALTE EICHE UND UNSER STAMM BETET SIE AN. DAS IST GUT SO UND SOLL AUCH SO BLEIBEN, DENN IHRE EICHELN FRESSEN DIE SCHWEINE, DIE KINDER DES WALDES SIND, SO WIE WIR.

IHRE EICHELN FRESSEN DIE HIRSCHE, VON DENEN UNSER VOLK SEINEN NAMEN HAT.

WIR JAGEN HIRSCHE UND SCHWEINE, ERNÄHREN UNS VON IHNEN UND LEBEN VON IHREM FLEISCH, IHRER MILCH UND VON DEM KÄSE, DEN DIE FRAUEN AUS DER MILCH DIESER HEILIGEN TIERE ZUBEREITEN, DIE HEILIG SIND, WEIL SIE UNS ERNÄHREN.

WEIL SIE UNS LEBEN SCHENKEN, SIND SIE FÜR UNS HEILIG. DER GEMEINSAME GLAUBE AN DONAR GARANTIERT DEN FFRRIIEEDDEENN IN UNSEREM STAMM.

DU ABER, MEIN SOHN, DU SOLLST DIE WAHRHEIT WISSEN!“

EIN SCHAUDERN LIEF MIR ÜBER DEN RÜCKEN, DENN DER BLICK UND DIE STIMME MEINES VATERS WIRKTEN WIE MAGISCH AUF MEINEN GEIST.

SEINE GROßE, KRAFTVOLL-HAGERE GESTALT ZOG MICH ICH IHREN BANN UND SEINE WORTE VERZAUBERTEN MICH.

„DIESE EICHE“, BEGANN ER MIT GEDÄMPFTER STIMME, NACHDEM ER SICH UMGESCHAUT HATTE, UM SICH ZU VERGEWISSERN, DASS KEIN ANDERER MENSCH IN UNSERER NÄHE WAR, „SIE IST NICHT DONAR. SIE IST NICHT HEILIGER UND MÄCHTIGER ALS DIE ANDEREN BÄUME HIER.“

VATER DEUTETE AUF DIE SÄULE, DIE UNSER STAMM „DONAR“ NANNTE.

„UND GENAU SO MÄCHTIG IST DAS GRAS UND SIND DIE WOLKEN UND DER WIND UND DIE STEINE, AUF DENEN DU STEHST.

ABER DAS ALLES KANNST DU NICHT MIT IN DEN KAMPF NEHMEN.

DU KANNST DIESE FIGUR DES DONAR NICHT MIT AUF DIE REISE NEHMEN, DIE DIR BEVOR STEHT.“

„FLAVUS HAT DOCH EIN DONAR-FIGÜRCHEN, DAS SO KLEIN IST WIE SEIN ZEIGEFINGER, DAS ER IN SEINEM LEDERBEUTEL HAT ODER AN EINEM BAND UM SEINEN HALS BEI SICH TRÄGT.

SCHAU: MUTTER HAT MIR EINS GESCHENKT.

UND SO WEIT ICH WEIß, BESITZT JEDER AUS UNSEREM VOLK SO EINS.“

VERWIRRT SCHAUE ICH MEINEN VATER AN.

„JA. ICH HABE AUCH SO EINS. DAMIT UNSERE LEUTE NICHTS MERKEN.

UND NUN VERRATE ICH DIR DAS GEHEIMNIS:“,

ERKLÄRTE MIR VATER UND LEGTE ERNEUT SEINE HAND MITTEN AUF MEINE BRUST.

ICH WAR AUFGEREGT UND KONNTE PLÖTZLICH MEIN ♥ SPÜREN.

„DONAR IST DER HERR DES DONNERS, ARMINIUS. UND DIESER DONNER SCHLÄGT IN DEINEM ♥ GENAU SO, WIE ER IM WIND UMHER STRÖMT WIE DAS BLUT IN DEINEN ADERN.

MAL IST DAS WETTER MILD, MAL BIST DU RUHIG, DA HÖRST DU DEIN ♥ RUHIG SCHLAGEN.

DOCH MANCHMAL GIBT ES EIN GEWITTER UND ES GIBT DONNER.

AUCH HEFTIGEN DONNER.

WENN DU ÄRGERLICH BIST ODER DICH ANSTRENGST, IM KAMPF ODER WENN DU SCHNELL LÄUFST, DANN SCHLÄGT DEIN ♥ HEFTIG WIE DER SCHLÄGEL DER TROMMLERIN, DER SEHERIN UND WIE DER HAMMER DES SCHMIEDS AUF DEM AMBOSS.

UND WENN DU ALLEIN BIST UND GANZ STILLBIST, ZUR RUHE KOMMST UND IN DICH HINEIN LAUSCHST, WENN DU DEIN EIGENES ♥ SCHLAGEN HÖRST, ARMINIUS, DANN KANNST DU SELBST DIESER SCHMIED SEIN, DIESER GOTT MIT DEM HAMMER, DANN KANNST DU SELBST WÜTEND SEIN UND EIN GEWITTER ERZEUGEN!

ARMINIUS!

MEIN SOHN! DU SELBST KANNST DONAR SEIN!

DENN WIR SIND IN DER WELT VON NICHTS GETRENNT! ALLES IST EINS!

DENKE IMMER DARAN!

DU SELBST BIST DONAR!

OB DU WIEDER HER KOMMST:

ES LIEGT AN DIR, JUNGE!

FOLGE DER STIMME DEINES ♥!

BEI ALLEN GÖTTERN, SOHN, BEFOLGE, WAS ICH DICH GELEHRT HABE!

KOMME IMMER WIEDER ZUR RUHE.

GEHE IN DIE STILLE.

LAUSCHE DEM WILLEN DEINES ♥, WENN DU ALLEIN BIST.

NUTZE DIE KRAFT DER EINSAMKEIT!

NUTZE DIE KRAFT DES ALLEINSEINS!“

2 Große Reise in die Ferne

Wie aus einer Trance erwachte Falk Brauers aus seinem Traum. Er erschrak, denn er befürchtete, in seiner Regionalbahn zu weit gefahren zu sein.

Doch er war wohl nur kurz eingenickt. Der digitalen Anzeige in seinem Abteil konnte er entnehmen, dass noch fünf Minuten Fahrzeit bis zum Halt in Detmold verblieben.

Brauers erhob sich, packte seinen Schreibblock und Stifte zusammen in den Rucksack, zog Jacke und Mütze wieder an und bewegte sich schon ein mal in Richtung Ausgang.

Auf seinem Weg zur Tür begegnete er den Leuten, die sich eben sehr laut unterhalten hatten. Bei genauerem Hinsehen wirkten sie wie eine Familie auf ihn: Vater, Mutter und zwei Kinder. Gedankenverloren und noch ein wenig verträumt betrachtete er die Familie aus dem Ausland.

Dabei entging ihm nicht, dass der Herr mit starkem, dunklen Bartwuchs, der eine Art Schiffermütze trug, die Hand der etwa gleichaltrigen Frau neben ihm hielt. Ihr braun-graues Haar schaute unter einem geblümten Kopftuch hervor. Sie war gekleidet in einen langen, blauen Mantel aus einfachem Stoff, der schon etwas abgenutzt aussah.

Die dunklen Augen der Frau waren umgeben von einem mit vielen kleinen Fältchen gezeichneten, wettergegerbten Gesicht.

Sie war nicht geschminkt.

Für Brauers sah sie natürlicher und gesunder aus als die ganzen geschminkten, mit künstlichen Lippen und künstlichen Augenbrauen versehenen Gesichter der Frauen, die er in den Bahnen und Bussen seiner Heimatstadt täglich sah.

Sie wirkten irgendwie krank auf ihn, nicht am Körper, sondern im Geiste, ihre Gesichter empfand er als abstoßend, als verstellte Schönheit und ein verdorbenes Antlitz der schönen Mutter Natur.

Sofort fragte sich Brauers, woher dieses Frauenbild stammte, welches er offenbar hatte. Schminken, Lippen oder Brüste vergrößern, Styling erschien ihm als unnatürlich, ungeschminkt sein, ja sogar Falten im Gesicht zu haben, schien ihm als natürlich. Hatten die Cherusker auch so gelebt, dass ihre Frauen ungeschminkt waren und Falten im Gesicht hatten, wenn sie älter wurden?

Was hatte er selbst mit dem Frauenbild der Cherusker zu tun?

Als der Fahrgast, der nun aussteigen wollte, die Kinder im Abteil betrachtete, sah er, wie der Junge schützend seinen Arm um die Schultern seiner jüngeren Schwester legte, die ebenfalls ein einfaches Kopftuch und einfache Kleidung trug.

Auch der Vater und der Junge waren schlicht angezogen in einer Weise, die vielleicht irgendwo im Osten geläufig war.

Etwa elf Jahre mochte dieser Junge sein, so alt wie wohl auch Arminius war, als dieser, gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Flavus, die lange Reise ins Ungewisse in ein fremdes, großes Land antrat. Möglicherweise war das Mädchen auch neun Jahre alt, wie wohl Flavus damals, überlegte Brauers.

Falk Brauers senkte seinen Blick, als er bemerkte, wie er die Leute angestarrt hatte.