Auch Katzen brauchen Urlaub -  - E-Book

Auch Katzen brauchen Urlaub E-Book

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Beschreibung

Ferienzeit! Frauchen und Herrchen packen die Koffer und verreisen … und die Katze? Muss allein zu Hause bleiben oder, noch schlimmer, in die Tierpension. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, denkt sich da so mancher Stubentiger und beschließt, sein Schicksal eben selbst in die Pfote zu nehmen. Denn: Auch Katzen brauchen schließlich Urlaub.

Von einer geheimnisvollen Katze, die es unbedingt nach Ägypten zieht, einer anderen, für die Venedig das Ziel der Träume ist, und wieder einer, die entdeckt: Ferien auf dem Land sind schöner als erwartet. Abenteuerliche, heitere und erstaunliche Geschichten über unsere schnurrenden Freunde auf Reisen – von Victor Auburtin, Bettina Balàka, Claire Beyer, Petra Busch, Dorette Deutsch, Ellen Dunne, Roberta Gregorio, Gabriela Jaskulla, Tatjana Kruse, Christiane Lind, Theresa Prammer, Jutta Richter, Roda Roda, Sabine Trinkaus, Hans Traxler und Franziska Wolffheim.

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Cover

Titel

Auch Katzen brauchen Urlaub

Die schönsten Geschichten

Herausgegeben von Gesine Dammel

Insel Verlag

Impressum

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eBook Insel Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 5050.

insel taschenbuch 5050Originalausgabe© Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2024Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlagillustration: Hans Traxler, Frankfurt am MainVignetten: Jörg Hülsmann

eISBN 978-3-458-78176-9

www.suhrkamp.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Victor Auburtin

:

Die Dame mit der gestreiften Katze

Tatjana Kruse

:

Noblesse oblige

Claire Beyer

:

Bastet

Dorette Deutsch

:

Fortunato sucht die Magie. Ein Katzensommermärchen

Gabriela Jaskulla

:

Mitfahrgelegenheit

Christiane Lind

:

Ich und die Landeier

Drei Tage später

Jutta Richter

:

Die weiße Katze

Roda Roda

:

Die Katzen

Hans Traxler

:

Misu verreist

Petra Busch

:

Annemieze

Sieben Monate später

Franziska Wolffheim

:

Die Muse des Signore Parola

Roberta Gregorio

:

Parmenides' Taufe

Sabine Trinkaus

:

Summer of Love

Ellen Dunne

:

Meet the Locals

Bettina Balàka

:

#RobertandJoy

Theresa Prammer

:

Finale am Canal Grande

Finale

Dritter Akt

Zweiter Akt

Erster Akt

Vorspiel

Informationen zum Buch

Victor Auburtin

Die Dame mit der gestreiften Katze

In dem Abteil der Vorortbahn sitzen wir üblichen acht oder zehn Personen, die mittags in die Stadt fahren, um die Theaterplätze zu besorgen oder um Geld von der Bank zu holen oder so etwas Ähnliches.

Die meisten lesen in ihren Zeitungen. Die anderen blicken mit jener hochmütigen Herablassung drein, die ein Zeichen guter Erziehung ist. Der Herr mit der Tiefquart und dem Tiroler Hut macht ein Gesicht, als wolle er uns allen, der Reihe nach, eine herunterhauen; der muss aus einem besonders vornehmen Hause sein.

Da betritt die Dame mit der gestreiften Katze das Abteil, und mit einem Schlage ändert sich die ganze Lage.

Die Dame mit der gestreiften Katze ist ein Fräulein, das offenbar an einem Wohnungsumzug beteiligt ist und die Aufgabe übernommen hat, die Hauskatze in unauffälliger Weise in das neue Heim zu befördern. Zu diesem Behuf hat sie die gestreifte Katze in einen Pompadour gesteckt, so dass die Katze sich nicht bewegen und nicht entkommen kann, sondern nur ihr Kopf freibleibt und an den Begebenheiten Anteil hat.

Es muss gesagt werden, dass die Katze sich in dieser schwierigen Lage vorzüglich benimmt. Sie ist offenbar noch nie auf der Vorortbahn gefahren, und man könnte erwarten, dass sie Furcht empfindet vor den heftigen Geräuschen und Erschütterungen oder vor dem Phantom eines vorbeibrausenden Zuges; aber nichts dergleichen, sie betrachtet alles mit ruhiger Aufmerksamkeit, und kein Ruf des Schreckens oder Erstaunens kommt über ihre Lippen.

Was dagegen uns Fahrgäste anbetrifft, so sind wir mit dem Auftreten der Katze andere Menschen geworden.

Der Herr mit der Tiefquart und dem Tiroler Hut hat plötzlich vergessen, aus welch vornehmem Hause er stammt, und lacht die Katze vergnügt an. Eine dicke Dame, welche Brillantohrringe trägt, wackelt heimlich mit dem Finger, um die Aufmerksamkeit der Katze zu erregen oder ihr vielleicht gar ein Lächeln abzugewinnen. Und wir anderen haben unsere Zeitungen sinken lassen und betrachten gespannt dieses geheimnisvolle und kluge, kleine Gesicht, auf dessen Stirn die dunkleren Streifen ein lateinisches M bilden.

Und es ist, als sei mit der Katze etwas von verlorener Einfalt und von Paradiesestum zu uns hineingekommen; in das Abteil der Vorortbahn.

Lasst uns den Umgang mit Tieren pflegen, Freunde, damit wir unsere unsterbliche Seele nicht verlieren. Zu dem Tiere dürfen wir freundlich und menschlich sein, ohne uns unserer bürgerlichen Würde zu begeben. Vor dem Tiere können wir uns noch schämen; denn das Tier ist besser als wir, wozu ja allerdings meistens nicht viel gehört.

Tatjana Kruse

Noblesse oblige

»Maximilian, in diesem Zug riecht es nach Katze!«

Bei solchen Leuten stellen sich mir die Nackenhaare auf – mit einem Fuß noch auf dem Bahnsteig, aber schon gleich herumnölen. Gott sei Dank ließ sich die Complainerin von ihrem Mann in den Nachbarwaggon umlenken.

Ich machte mich auf die Suche nach einem freien Abteil.

Der Intercity von Koblenz nach Frankfurt war nur spärlich besetzt. Man fand zweifellos leicht einen Platz, von dem aus man die Aussicht auf den Rhein genießen konnte.

Das war zumindest meine Hoffnung, als ich mich auf den Weg durch die erste Klasse machte.

Reinhold war natürlich nicht mit mir eingestiegen. Auch gut, ich war immer noch sauer.

Im ersten Abteil saß eine Familie mit drei Kleinkindern. Ganz sicher nicht, dachte ich. Schon allein im Vorbeigehen drohten mir die Trommelfelle zu platzen. Kind eins wollte mit etwas spielen, was Kind zwei in der Hand hielt und nicht losließ. Beide kreischten um die Wette. Kind drei kreischte mit, weil es im Kräftemessen der Geschwister nicht außen vor bleiben wollte.

Im nächsten Abteil saß ein Mansplainer. Das erkannte man schon daran, dass er sich mittig platziert hatte, um seine Oberschenkel möglichst weit spreizen zu können. Wenn ich bei ihm Platz nahm, würde er mir zweifellos erklären, was die Bahn seiner Meinung nach besser machen müsste, um endlich aus dem Verspätungstief herauszukommen. Oder er würde mir seine Lebensgeschichte erzählen. Vom Moment der Zeugung an.

Nein danke.

Ich ließ mich im nächsten Abteil nieder. Schräg gegenüber einer nicht mehr ganz jungen Frau in einem Bouclé-Kostüm, die ein Buch las.

Der Blick aus dem Fenster war wunderbar. Man sah auf den Rhein, auf verfallene Burgen, auf restaurierte Burgen, auf Weinstuben und auf Kreuzfahrtschiffe, auf badende Kinder und auf Kormorane im Verdauungsschläfchen. Aber sie schaute nicht, sie las ein Buch.

Ich weiß Bücher durchaus zu schätzen. Aber wenn man das wahre Leben in all seiner Schönheit vor Augen hat, muss man sich dann in Fiktion versenken?

Ich musste sehr an mich halten, um nicht den Kopf zu schütteln. Möglicherweise machte ich ein Geräusch. Oder der Windhauch störte sie. Jedenfalls warf sie mir einen Blick zu. Bitte nicht stören, stand darin zu lesen.

Als sie sich wieder in die Seiten ihres Buches versenkte, schnitt ich ganz undamenhaft eine Grimasse. Als ob ich jemand wäre, der sich anderen ungefragt aufdrängen würde. Pö.

In diesem Abteil würde ich sicher nicht alt werden. Bevor ich jedoch weiterzog, hübschte ich mich ein wenig auf und ging dabei in mich.

Würde ich Reinhold vermissen?

Nun ja, fast drei … nein, vier gemeinsame Jahre. Das würde Spuren hinterlassen, keine Frage. Aber in letzter Zeit war es ohnehin nicht mehr so gewesen wie am Anfang. Als er mir noch jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Und mich ständig um sich haben wollte. Ich bin nicht gern für mich. Nun war er andauernd beruflich unterwegs.

»Das mach ich doch nur für uns beide«, pflegte er zu sagen, wenn er mitten in der Nacht nach Hause kam und mir nur rasch einen Kuss aufdrückte, bevor er völlig erschöpft neben mir einschlief.

Vermutlich glaubte er wirklich, dass ich keine Ahnung hätte, womit er seinen und damit auch meinen Lebensunterhalt verdiente. Ich bin aber nicht auf den Kopf gefallen. Seine Angst, wenn es an der Tür klingelte. Seine neuerdings verhuschte Art. Ich wusste, er bewegte sich außerhalb der Legalität.

Und machen wir uns nichts vor: Gesellschaftlich hatten wir uns noch nie auf demselben Niveau befunden. Möglicherweise – nein, bestimmt war es das, was mich an ihm gereizt hatte. Sonst hätte ich mir doch schon längst jemand anderen gesucht. Rückblickend realisierte ich das jetzt.

»Zugestiegene, die Fahrkarte bitte.«

Ein Schaffner, dessen Uniform locker um seinen hageren Körper schlackerte, baute sich in der offenen Tür auf.

Die Bouclé-Bücherleserin hielt ihm ihr Handy entgegen, und er scannte ihre Fahrkarte.

Als er mich ansah, lächelte ich nur unverbindlich. Mein Geheimnis lautet: Immer so tun, als sei man nicht zugestiegen und sitze schon seit Stunden im Zug. Je souveräner und gelassener man ist, desto besser funktioniert es.

Der Schaffner lächelte, nickte erst mir, danach der Kostümträgerin zu, dann schloss er die Abteiltür und ging weiter.

Ich sah aus dem Fenster. Die in stetem Rhythmus vorübergleitende Landschaft hatte etwas Einschläferndes.

Natürlich würde ich mir jemand Neuen suchen müssen. Eher sofort als später. Ich hatte noch nie für mich selbst sorgen müssen, das ist der Vorteil, wenn man so fantastisch aussieht wie ich. Und es ließ sich nicht leugnen: Ich war an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Reinhold hatte mich nach Kräften verwöhnt, keine Frage.

Ich atmete schwer aus.

Die Leserin hob den Blick. Als ob sie sich schon durch mein Atmen in ihrer Konzentration gestört fühlte.

Ich ignorierte sie. Im Ignorieren bin ich gut.

Sie seufzte demonstrativ, legte das Buch beiseite, griff nach ihrer Handtasche, stand auf, strich ihren Rock glatt und verließ das Abteil.

Noch bevor sie die Tür wieder schließen konnte, huschte ich ebenfalls in den Gang.

Ich schlenderte zum letzten Abteil des Waggons.

Ein würziges Eau de Cologne waberte durch die halboffene Tür. Ich bin keine Freundin von starken Gerüchen, aber dieser Duft hatte etwas Faszinierendes.

Ich trat ein.

Der Mann am Fenstersitz sah mich an. Es war ein freundlicher Blick. Kaum Haare auf dem Kopf, dafür Vollbart. Ich mag Männer mit Bärten. Und ich mag Bad Boys. Er hatte definitiv eine Bad-Boy-Ausstrahlung.

Ich setzte mich auf den Sitz direkt neben ihn und sah ihn aus meinen blauen Augen auffordernd an.

»Hallo«, gurrte er.

Ich gefiel ihm, kein Zweifel.

Und warum auch nicht. Ich war ein Rasseweib, ein Klasseweib, ein Hingucker. Aus bester Familie. Mit einer vielversprechenden Aura von Exotik.

»So ganz allein unterwegs?«, fragte der Bärtige.

Ich konnte ihm schlecht sagen, dass mein bisheriger Lebensabschnittspartner höchstwahrscheinlich gerade krankenhausreif geschlagen wurde.

Es stimmte schon, Reinhold hatte mir gegenüber nie etwas gesagt, aber ich konnte seine Angst förmlich riechen. Und ich hatte Telefonate geflissentlich überhört. Dass er die Steine, die er in Amsterdam hätte abliefern müssen, um eine erkleckliche Anzahl verringert hatte. Dass unsere Spontanreise mit dem Intercity nicht dem Wunsch entsprang, ein paar Tage mit mir allein zu sein, sondern der Notwendigkeit, seinen Auftraggebern zu entfliehen. Ich hatte ihn gewarnt. Mehrmals. Aber er hörte ja nie auf mich. In Koblenz schlugen sie dann zu.

Der Bärtige stand auf und sah suchend in den Gang hinaus. Dann zuckte er mit den Schultern und schloss die Abteiltür wieder. Er setzte sich, und ich stieg damenhaft auf seinen Schoß – Cordsamthosen zu einem flauschigen Pulli – und ließ mich umgehend nieder. Ein angemessener Thron für eine Königin wie mich. Ich schnurrte.

Er kraulte mich hinter den Ohren, streichelte mir den Rücken. Das machte er nicht zum ersten Mal. Seine Hände waren darin geübt, das spürte ich. Ich schnurrte heftiger.

Ich glaube, wir werden sehr glücklich miteinander werden.

Er nahm mir das Halsband ab. »Mal sehen, wem du gehörst.«

Reinhold hatte seinen Namen und seine Adresse selbstverständlich nicht in mein Halsband eingravieren lassen. Er wurde schließlich von der Polizei und der Diamantenmafia gesucht. Na ja, Letztere suchten nicht mehr nach ihm. Sie hatten ihn gefunden.

In diesem Moment entdeckte der Bärtige das kleine Beutelchen an meinem Halsband und öffnete es.

»Großer Gott!«, rief er.

Ich zwinkerte ihm zu.

Ich hoffe, er behält die Diamanten. Oder er bekommt einen Finderlohn für sie. Das Geld wird er brauchen. Ich bin eine Siamkatze. Wir sind anspruchsvoll. Und teuer im Unterhalt!

Claire Beyer

Bastet

Mein Haus mit Garten liegt inmitten einer Siedlung am Stadtrand. Ein perfektes Idyll, gäbe es da nicht den Fluglärm, der vom frühen Morgen bis zum späten Abend andauert. Ich wusste, dass das Haus in der Einflugschneise des Großflughafens lag, war aber überzeugt, diesen Krach – wäre er nur erst zur Gewohnheit geworden – ebenso ausblenden zu können, wie beispielsweise das Läuten von Kirchenglocken. Ich hatte mich grenzenlos getäuscht. Immer wieder schnellte der Kopf hoch, wenn eine Maschine besonders tief flog oder mehr Krach verursachte als andere. Erstaunt stellte ich dagegen fest, dass es meiner zugelaufenen Katze – ich nannte sie ihrer Zartheit wegen Rose – im Gegensatz zu mir nicht laut genug sein kann. Diese seltsame Vorliebe beschränkte sich zwar ausschließlich auf alles, was flog, war aber nicht zu übersehen. Sie saß mucksmäuschenstill am Fenster, stellte die Pfoten zierlich nebeneinander, hob den Kopf zum Himmel, fixierte den metallenen Riesen und verfolgte so lange wie möglich dessen Flug. Mir schien, als sei ihre Faszination für diese mächtigen Vögel grenzenlos und nur noch durch vorüberfliegende Hubschrauber zu übertreffen. Ihre Freude milderte meine Genervtheit, und ich blieb schließlich – wenn auch nicht gänzlich bekehrt – ruhig und gelassen, wenn über uns der Himmel dröhnte.

Von dieser Eigenart abgesehen war die Katze ein braves, fast schon zu braves Tier. Es ließ sich nicht leugnen, sie verhielt sich so, als hätte sie Angst davor, wieder fortgejagt zu werden. Sie verschonte die Polstermöbel, warf keine Blumentöpfe vom Fensterbrett, kletterte nicht an den Gardinen hoch und ließ das Katzenstreu dort, wo es hingehörte. Nie gab sie mir einen Anlass, mich über sie zu ärgern oder es gar zu bereuen, dass ich sie aufnahm, als sie zitternd vor Kälte und Hunger vor meiner Eingangstür saß. Das war vor einem Jahr, und weil sich keiner gemeldet und einen Anspruch auf sie erhoben hatte, blieb sie und ging seitdem auch nie nach draußen. Jedenfalls nicht allein. Manchmal begleitete sie mich, wenn ich in den Garten ging, saß dann mit großen Augen neben mir, wenn ich umgrub, das Unkraut jätete oder Gemüse erntete. Gelegentlich knabberte sie an einem Grashalm oder roch an einer Blume. Tagetes liebte sie besonders. Sie tauchte förmlich ein in sie, und dann war ihre Nase gelb vom Blütenstaub.

Sie war schon den zweiten Sommer bei mir, als ich an einem Dienstagvormittag vom Wochenmarkt zurückkam. Salat und Gemüse waren in einen Reiseprospekt eingewickelt, und ich wollte das nasse Papier entsorgen, als Rose mit einem Satz auf den Tisch sprang, was sie ansonsten nie tat. Sie starrte auf die bunten Fotos, die die Angebote begleiteten, schien zu lesen, zu wählen, zu überlegen und drückte dann ihre Pfote auf Marsa Alam, eine in Ägypten gelegene Destination.

Ich überließ der Katze ihr papierenes Spielzeug und erledigte, wie an jedem anderen Dienstag auch, meine Hausarbeit. Zur Mittagszeit aber wollte ich den Tisch für mich haben. Rose jedoch, die inzwischen schläfrig auf dem Reiseprospekt lag, verteidigte ihren Platz mit allem, was ihr zur Verfügung stand. Sie krallte, fauchte, buckelte und starrte mich wütend an. Mir blieb angesichts dieser Wesensveränderung nichts anderes übrig, als meinen Teller ans Tischende zu stellen und den Stuhl zu verrücken. Die Katze bewegte sich keinen Zentimeter, noch nicht einmal das Hühnerklein im Futternapf konnte sie locken.

Am Abend kam eine Freundin zu Besuch, die ich längere Zeit nicht gesehen hatte. Sie stand kurz vor ihrem Jahresurlaub und freute sich darauf, mehr Zeit mit mir zu verbringen, wie sie immer wieder betonte. Sofort verlor sie sich in Reisefantasien. Sie hatte so viele Ziele im Kopf wie mein Hefekranz Rosinen, die ich im Übermaß in den Teig einarbeitete, weil sie die getrockneten Weinbeeren so gern aß. Während sie mit Genuss in das Gebäck biss, zeigte sie auf die Katze, die über dem Prospekt eingeschlafen war. Als Freizeitbuddhistin, Esoterikerin – hin und wieder zumindest –, Veganerin, wenn kein Hamburger in der Nähe ist, und Tierfreundin mit großem Herz, sah sie mich fragend an, und ich erzählte ihr von dem seltsamen Verhalten des Tieres und der Aktion mit dem Reiseprospekt. Es gibt keine Zufälle, rief sie aus und kam sofort zu dem Ergebnis, dass sich die Katze nach dem Ort sehne, auf dem die Pfote gelandet war. Ich widersprach. So, so, argumentierte sie, ob ich denn vergessen habe, dass sich die Katze mein Haus und damit zweifelsfrei mich ausgesucht habe, sie zu versorgen. Und das mit den Flugzeugen sei ein weiteres Zeichen, das könne ich doch nicht übersehen! Sie strich der Katze über den Kopf, und als habe Rose genau zugehört, begann sie, laut zu schnurren. Ich musste mich für diesen Abend geschlagen geben, wusste aber insgeheim, dass sich meine Freundin bereits am nächsten Tag nicht mehr an dieses Gespräch erinnern würde.

Aber sie sollte mich überraschen!

Gleich am frühen Mittwochmorgen rief sie an – ich war kaum wach –, und es gelang ihr schließlich, mich zu überreden, mit ihr und der Katze nach Ägypten zu reisen. Ihren Argumenten war aber auch wenig entgegenzusetzen. Ich habe schon zu lange in meiner Wohnung gehockt, sei fast darin festgewachsen, und es sei dringend notwendig, dass etwas Exotik und Buntheit mein Gemüsebeet-Dasein aufpoliere. Mit Freude würde sie sich um alles kümmern. Impfpass, Gesundheitsschein, Tickets (auch die Katze reise nicht umsonst), Futter, eine katzenfreundliche Unterkunft in Marsa Alam und Sonnencreme für uns beide.

Kaum hatte ich das Gespräch beendet, wurde ich unsicher. Aber nur kurze Zeit später klingelte es schon an der Haustür. Sie wolle Rose gleich zum Tierarzt bringen, hörte ich meine Freundin sagen, nicht dass ich es mir noch anders überlege. Rose war noch nie in einem Korb eingesperrt, gab ich zu bedenken, aber meine Freundin zeigte sich durch und durch optimistisch. Rose ist klug, sie erkennt die Zeichen, beruhigte sie mich. Und sie sollte Recht behalten.