Auf den Punkt - Karin Hartewig - E-Book

Auf den Punkt E-Book

Karin Hartewig

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Beschreibung

Über dieses Buch Der Band versammelt Kurzgeschichten von abgründigem Humor, ernste und halbernste Lyrik, Spottgedichte und freche Limericks aus elf Jahren. Der größte Teil davon entstand - exklusiv und à la minute für Literatur- und Lyrikwettbewerbe und für das alljährlich stattfindende Wochenende der Literatur des Autorenkreises Plesse.

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Seitenzahl: 56

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Über dieses Buch

Der Band versammelt Kurzgeschichten von abgründigem Humor, ernste und halbernste Lyrik, Spottgedichte und freche Limericks aus elf Jahren.

Der größte Teil davon entstand „à la minute“ und exklusiv für Literatur- und Lyrikwettbewerbe und für das alljährlich stattfindende Wochenende der Literatur des „Autorenkreises Plesse“.

Über die Autorin

Karin Hartewig, Dr. phil. (Jg. 1959), ist freiberufliche Historikerin und Autorin von Sachbüchern, Essays, Belletristik und Lyrik. Sie lebt in der Nähe von Göttingen.

Inhalt

Die Roulette-Reise

Praktische Vernunft

Die laufenden Kosten

Strandgut

Designerkind

Früher

Frauentag

Sprechende Steine

1968 und die Folgen

Heut ist dein Glückstag

Flügelwesen

Der neunte Monat des Jahres

Bestiarium. Fabelhafte Limericks

Zu Hause. Oder nicht?

Überflüssiges

Einzelstücke

Weihnachtsmarkt

Immer wieder sonntags

Meine Generation

Harzer Roller. Gesänge

Drei freche Limericks

Die Roulette-Reise

Die SMS vom Chef kam am Freitagabend. Er schickte die ganze Abteilung für eine Woche in Zwangsurlaub. Auftragsflaute. Wie ich die andren kenne, war das Wochenende jetzt garantiert gelaufen und die Stimmung unter null. Aber trübsinnig rumsitzen gibt‘s bei mir nicht. Im Januar ist das Netz vollgepackt mit Wahnsinnsangeboten. Der ganze Trubel zwischen Weihnachten und Neujahr hat schlagartig ein Ende. Ohne Übergang wird der Schalter auf ‚Nebensaison‘ umgelegt. Verschlafen ist die schon lange nicht mehr. Jetzt verreisen Singles und Paare ohne Kinder, eben alle, die sich nicht nach den Schulferien richten müssen. Geizige Sparbrötchen und Schnäppchenjäger steigen auch in den Flieger.

Ich klicke mich durch das Angebot: Fünf Tage Strandurlaub, Vier-Sterne, All Inklusive, alkoholische Getränke gehen aber extra, für lächerliche dreihundert Euro. Der Flug ist auch schon dabei. Eine Woche Faultierfarm, astrein. Da kann man nicht meckern! Wo es hingeht, erfahre ich erst am Flughafen. Das ist der Joker an diesem Deal. Gebucht.

Mir ist alles recht. Obwohl ich schon echte Überraschungen erlebt habe: Im Mai, als mir nach Party und 24-Stunden-Animation war, landete ich in einem abgelegenen Hotel im Landesinneren. So viel gewandert wie in diesen Tagen auf Mallorca bin ich in meinem ganzen Leben nicht. Ich schätze, dafür ist garantiert irgendein Individualist nach El Arenal geschickt worden. Der hat dort alles andere als die Abgeschiedenheit der Berge gefunden. Aber die Kolleginnen meinten, dass ich nach dem Urlaub selten so erholt aussah.

Das Taxi zum Flughafen fährt in den Morgen hinein. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einen Sonnenaufgang erlebt habe. So früh geht das Einchecken flott. Auf der Anzeige über dem Boarding-Schalter lese ich „Islands“ und denke, dass die Anzeige nicht stimmt oder ich viel zu dünne Klamotten eingepackt habe. An den langen Gesichtern der Anderen sehe ich, dass viele dasselbe denken. Doch die Stewardess hat routiniert ihr umwerfendes Lächeln angeknipst, das keine Fragen zulässt. Island also! Den Flug verdöse ich. Schon nach weniger als einer Stunde landen wir. Es gibt keine Zollkontrolle und niemand will meinen Pass sehen. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich im falschen Flugzeug saß, denn ich bin in Berlin Schönefeld gelandet. Aber ich habe keine Lust mich mit dem Bodenpersonal herumzuärgern und womöglich zurückzufliegen.

Draußen in der fahl trüben Winterlandschaft wartet schon ein Bus mit wilder Urwaldbemalung. Die Sitze sind mit schwerem Velours bezogen: Palmen und Tropenvögel. Wir nehmen in der grünen Hölle Platz. Kaum haben wir uns in Bewegung gesetzt, säuselt eine Stimme vom Band: >Willkommen an Board! In Kürze erreichen Sie Ihr Ferienresort „Tropical Islands“.> Bingo, ich begreife, dass es zum Deal gehört, den Ferienort erst am Zielflughafen bekannt zu geben.

Wir fahren auf einer schnurgeraden Landstraße durch eine flache, weit und breit unbewohnte Gegend. Ist das jetzt die Heide oder die Börde, frage ich mich träge – unbeleckt von tieferen geografischen Kenntnissen nördlich des Mains –, als in der Ferne ein Kuppelbau in der Morgensonne glitzert. Das Gebäude muss riesig sein. Vielleicht ein überdachtes Sportstadion? Es hat bestimmt die Größe mehrerer Fußballfelder, denke ich. Ein futuristischer Bau im märkischen Sand, als habe es irgendwelchen Außerirdischen gefallen, mit ihrem Ufo in Diamantschliff irgendwo in der deutschen Wüste zu landen. Aber nein, das wird das Reiseziel sein. Inzwischen läuft auf dem Monitor vor mir ein Film, der mich einstimmen soll auf „Tropical Islands“, die überdachte, windstille Südseeinsel, die kein schlechtes Wetter kennt, wo es das ganze Jahr über genau 28 Grad hat und die Wassertemperatur bei 31 Grad liegt. Draußen kann sich ein schwer fallender Schneeregen nicht entschließen, in den Bindfäden-Modus zu wechseln oder sich in tanzende Schneeflocken zu verwandeln. Er bildet kleine Rinnsale auf der Fensterscheibe. Als ich aus dem Bus steige, habe ich das Gefühl, die Ferienanlage schon zu kennen. Wenn mir nicht so gut gefallen hätte, was mir eben gezeigt wurde, könnte ich jetzt gleich im Bus sitzen bleiben und mit den abreisenden Touristen, die schon an der Haltestelle warten, zurückfliegen und wäre trotzdem da gewesen.

Heute ist mein Glückstag, denn ich bekomme ein kostenloses Upgrade auf mein Hotelzimmer und darf in einen der begehrten Bungalows am Strand einziehen. Die nächsten Tage werde ich in einer Hütte auf Bali leben, links neben mir wohnt unüberhörbar ein Pärchen aus Schwaben, rechts eine Alleinerziehende mit Kleinkind aus Sachsen – eine dialekttechnische Herausforderung. An die Kolleginnen aus meiner Abteilung schreibe ich gleich eine SMS: „Liebe Zurückgebliebenen. Ihr glaubt nicht wo ich bin: auf „Tropical Islands“. Last Minute, dem Chef sei Dank! Hier ist alles supi!“ Dazu ein Smiley mit Sonnenbrille, mein Lieblings-Emoji. Zum Beweis schicke ich ein Selfie mit – ich vor meiner Bali-Hütte, im Hintergrund natürlich reichlich Palmen. Berlin Schönefeld erwähne ich nicht. Die können selber rausfinden, wo die Insel liegt, wenn es sie interessiert.

Die Lagune ist ein Traum. Lange Holzstege laufen sternförmig auf den Pool zu und unterteilen den Strand in Abschnitte. Jedes Segment sieht anders aus. Ich entscheide mich für heute, Bali nicht zu verlassen. Obwohl viele Polsterliegen um diese Zeit schon mit Handtüchern belegt sind, ist es nicht allzu schwer, einen freien Deckchair zu finden. Das Teakholz ist ohne Auflagen zwar eher etwas für Asketen, aber immerhin. Gut gelaunt bohre ich die großen Zehen in den warmen Sand, der wie neu aussieht, bis er weiter unten kälter wird. Ich frage mich, was wohl unter dem Sand kommt. Beton? Kaum. Das Chlor aus dem Pool und die subtropische Wärme würden dem Beton ziemlich