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Vor 450 Jahren wurde Johannes Kepler geboren. Dieses Buch "Auf den Spuren Johannes Keplers" von Erich Meyer gibt einen sehr guten Überblick über sein Leben, seine Wirkungsorte, die Kontakte mit seiner Scientific Community, die Aufstellung der Gesetze der Planetenbewegung und seine vielen weiteren Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik, der Optik, der Konstruktion des astronomischen Fernrohrs. Bis heute hat Kepler damit eine grosse Bedeutung -- nicht zuletzt weist darauf das "Kepler" Weltraumteleskop hin, mit dem man erfolgreich nach Exoplaneten gesucht hat. Auf der Spurensuche nach den bisher unbekannten Wohnhäusern von Johannes Kepler während seines 14-jährigen Aufenthalts in Linz stieß der Autor auf bisher unbekannte Details aus dem Alltag und dem Wirken des großen Universalgelehrten. Begeben Sie sich auf eine Zeitreise und tauchen Sie anhand vieler Zitate und Ausschnitte aus Originaldokumenten und Briefen in Keplers Lebens- und Gedankenwelt ein. Dabei erhalten Sie auch viele interessante Informationen über sein Familienleben und seine Freunde und Bekannten, von denen viele aus seiner Heimat Württemberg stammten. Zahlreiche epochale Errungenschaften und Erkenntnisse, die Johannes Kepler trotz schwieriger äußerer Umstände und ständiger Geldsorgen nicht nur auf dem Gebiet der Astronomie, sondern auch in anderen Wissensbereichen gelangen, haben auch für die heutige Zeit noch Gültigkeit.
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Seitenzahl: 415
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Auf den Spuren Johannes Keplers Zu seinem 450. Geburtstag
In the Footsteps of Johannes Kepler On the Occasion of his 450th Anniversary
Abbildung 0.1: Prager Portrait Johannes Keplers (1571–1630) Hans von Aachen (1612), Schloss Kolowrat in Rychnov ned Kneznou (Villach)
© Bridgeman Images (Barbarossastr. 39, 10779 Berlin).
Nuncius Hamburgensis
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften Band 54
Erich Meyer
Auf den Spuren Johannes Keplers
Zu seinem 450. Geburtstag
Bearbeitet und herausgegeben von Gudrun Wolfschmidt
Hamburg: tredition 2021
Nuncius Hamburgensis
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
Hg. von Gudrun Wolfschmidt, Universität Hamburg, AG Geschichte der Naturwissenschaft und Technik (ISSN 1610-6164).
Diese Reihe „Nuncius Hamburgensis“ wird gefördert von der Hans Schimank-Gedächtnisstiftung.Dieser Titel wurde inspiriert von „Sidereus Nuncius“ und von „Wandsbeker Bote“.
Erich Meyer: Auf den Spuren Johannes Keplers –
Zu seinem 450. Geburtstag. In the Footsteps of Johannes Kepler –
On the Occasion of his 450th Anniversary.
Bearbeitet und herausgegeben von Gudrun Wolfschmidt.
Hamburg: tredition (Nuncius Hamburgensis –
Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 54) 2021.
Cover vorne: Keplerdenkmal Linz (Foto: Herbert Raab), cf. Abb. 2.4, Kepler SN Rest (NASA), cf. Abb. 5.20, KEPLER Space Telescope (NASA), cf. Abb. 5.21.
Abb. S. 1: Mars retrograde Bewegung (Kepler: Astronomia Nova, 1609, Kap. 1). Frontispiz: Johannes Kepler, Portrait: Hans von Aachen (© Bridgeman Images). Titelblatt: Kepler Teleskop (Tabulæ Rudolphinæ, Ulm 1627, Frontispiz).
Cover hinten: Joh. Kepler (Wikipedia), Landhaus Linz (Foto: Herbert Raab), Kepler Teleskop (Tabulæ Rudolphinæ, Ulm 1627), Pentagramm – einbeschriebenes Fünfeck (Harmonice Mundi, Buch 1, S. 34).
AG Geschichte der Naturwissenschaft und Technik,
Hamburger Sternwarte, MIN Fakultät, Universität Hamburg
Bundesstraße 55 – Geomatikum, 20146 Hamburg, Germany
https://www.physik.uni-hamburg.de/hs/group-wolfschmidt/
Dieser Band wurde gefördert von Erich Meyer (Linz).
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg, Germany ISBN – 978-3-347-28158-5 (Paperback), 978-3-347-28159-2 (Hardcover), 978-3-347-28160-8 (e-Book), © 2021 Gudrun Wolfschmidt.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Johannes Kepler (1571–1630) – Auf dem Weg zur Neuen Astronomie Wolfschmidt, Gudrun (Hamburg)
0.1 Antikes und mittelalterliches geozentrisches Weltbild
0.2 Das neue heliozentrische Weltbild des Nikolaus Copernicus (1473–1543)
0.3 Die Rezeption des Copernicanischen Weltbildes
0.4 Der Weg zu Keplers Neuer Astronomie
0.5 Literatur
Vorwort vom Direktor des Archivs der Stadt LinzDr. Walter Schuster (Linz)
EinleitungErich Meyer (Linz)
1 Johannes Keplers Leben und Wirken im ÜberblickErich Meyer (Linz)
1.1 Kepler in seiner Heimat, 1571–1594
1.2 Kepler in Graz, 1594–1600
1.3 Kepler in Prag, 1600–1612
1.4 Kepler in Linz, 1612–1626
1.5 Kepler in Ulm, Prag, Linz, Sagan, Regensburg, 1626–1630
2 Keplers Linzer WohnadressenErich Meyer (Linz)
2.1 Wo wohnte Kepler nach seiner Ankunft in Linz?
2.2 Das Rätsel um Keplers Wohnsitz „Im Weingarten“
2.2.1 Das vizedomische Amtsschreiberhäusl und das Vizedomische Gartenhaus
2.2.2 Kleinhäusel „Im Weingarten“
2.2.3 Das Haus des Michael Kugler im „Unteren Weingartenweg“
2.2.4 Der Weyerhof in der „Weyerhofgasse“
2.2.5 Das Freihaus Weissenwolff (Gnadenhaus) „Im Weingarten“
2.2.6 Lösung des Rätsels um Keplers Wohnsitz im Weingarten
2.3 Das Rätsel um Keplers Wohnsitz in der Linzer Hofgasse
2.3.1 Bisher vermutete Wohnadressen in der Hofgasse
2.3.2 Bezeichnung der Hofgasse einst und jetzt
2.3.3 Mietete Kepler eine Wohnung oder ein Haus?
2.3.4 Bürger- bzw. Freihäuser in der Hofgasse
2.3.5 Gibt es Hinweise in astronomischen Berichten Keplers?
2.3.6 Lösung des Rätsels um Keplers Wohnsitz in der Hofgasse
2.4 Keplers Wohnhaus in der Rathausgasse 5
2.5 Die nun bekannten Wohnhäuser Keplers in Linz
3 Der Linzer Freundes- und Bekanntenkreis KeplersErich Meyer (Linz)
3.1 Andreas und Maria Altenstrasser (fl. 17. Jh.)
3.2 Matthias Anomäus (~1550–1614)
3.3 Matthias Bernegger (1582–1640)
3.4 Bischoff Barbara (~1566–1617)
3.5 Johannes Caementarius (1558–1621)
3.6 Florian Crusius (fl. 17. Jh.)
3.7 Benigna Diemer (fl. 17. Jh.)
3.8 Hans Adam Gienger (1558–1623)
3.9 Janus Gringalletus (1582/83–1622)
3.10 Wolf Georg Gumminger (fl. 17. Jh.)
3.11 Balthasar Gurald (fl. 17. Jh.)
3.12 Adam Graf Herberstorff (1585–1629)
3.13 Daniel Hitzler (1575–1635)
3.14 Ludwig Hohenfeld von Aistersheim (1576–1644)
3.15 Wolfgang V. Jörger von Tollet (1537–1613)
3.16 Helmhard IX. Jörger von Tollet (1572–1631
3.17 Fürst Maximilian von Liechtenstein (1578–1645)
3.18 Stephan Marchtrenker (1584–1642)
3.19 Hieronymus Megiser (1554–1620
3.20 Johannes Memhard (1544–1613)
3.21 Philipp Persius von Lonstorff (1569–1644)
3.22 Johannes Planck (fl. 1615–1628 in Linz)
3.23 Christoph Plattl (* 1589)
3.24 Gundacker von Pohlheim [Polheim] (1575–1644)
3.25 Siegmund Ludwig von Polheim (1558–1622)
3.26 Conrad Rauschart (fl. 1592–1622)
3.27 Jobst II. Schmidtauer († 1632)
3.28 Abraham Schwarz (1562–1638)
3.29 Johannes Seidenthaler (fl. 17. Jh.)
3.30 Johann Springer († 1621)
3.31 Erasmus von Starhemberg der Ältere (1575–1648)
3.32 Heinrich Wilhelm von Starhemberg (1593–1675)
3.33 Johann Strauss (1590–1630)
3.34 Christoph Strutz († 1606)
3.35 Georg Erasmus von Tschernembl (1567–1626)
3.36 Benjamin Ursinus (1587–1633/34)
3.37 Anton Wolfradt (1581–1639)
3.38 Sir Henry Wotton (1568–1639)
3.39 Tobias Zorer [Zohrer, Zorer] (fl. 17. Jh.)
3.40 Lorentz Grießmayr und Lorentz Perckhamer
3.41 Wo Keplers Bekannte in Linz gewohnt haben
4 KaleidoskopErich Meyer (Linz)
4.1 Kepler und seine Familie
4.1.1 Graz (1594 bis 1600)
4.1.2 Prag (1600 bis 1612)
4.1.3 Linz (1612 bis 1626) – Heirat mit Susanna 1613
4.1.4 Sagan (1628 bis 1630)
4.2 Der Hexenprozess gegen Katharina Kepler
4.3 Kepler und das Geld
4.4 Die Landschaft ob der Enns
4.5 Keplers Bewerbungsschreiben und Arbeitsvertrag für Linz
4.6 Kepler und die Konkordienformel
4.7 Die Gegenreformation im Land ob der Enns
4.8 Das Frankenburger Würfelspiel
4.9 Der Streit um die Kalenderreform
4.10 Mylius und das „Gnadenhaus“
4.11 Besitzverhältnisse der Gründe „Im Weingarten“
4.12 Keplers Beschreibung einer Mondfinsternis
4.13 Unerreichte Messgenauigkeit auf Hven und Kassel
4.14 Die Rudolphinischen Tafeln
5 Bedeutung Keplers für die heutige WissenschaftErich Meyer (Linz)
5.1 Keplers Gedanken über Kometen
5.2 Keplers Gedanken über die Kraft zwischen zwei Körpern
5.3 Kepler über Ebbe und Flut
5.4 Kepler über die Kraft der Sonne
5.5 Kepler über die elliptischen Planetenbahnen
5.6 Kepler über die Jupitermonde
5.7 Kepler über die veränderlichen Bahnen von Mond und Planeten
5.8 Kepler über die Atmosphäre
5.9 Kepler über die Camera obscura
5.10 Kepler über die Funktion des Auges
5.11 Kepler über optische Funktionen von Fernrohr und Brille
5.12 Keplers Gedanken über die Natur des Lichtes
5.13 Keplers Gedanken über die Supernova von 1604
5.14 Keplers Gedanken über die Raumfahrt
5.15 Keplers Gedanken über Exoplaneten
5.16 Keplers Gedanken über die Größe des Weltalls
5.17 Kepler über die Harmonie in der Musik
5.18 Kepler über das Geburtsjahr Christi
5.19 Kepler über die Zahnradpumpe
5.20 Kepler und die Mathematik
5.21 Kepler als Naturphilosoph
5.22 Kepler als Dichter
5.23 Gedankenexperiment über Kepler
6 Erinnerung an Kepler in LinzErich Meyer (Linz)
7 Schluss und DankErich Meyer (Linz)
8 Quellen und LiteraturErich Meyer (Linz)
8.1 Abkürzungen
8.2 Handschriften
8.3 Gedruckte Quellen
8.4 Sekundärliteratur
8.5 Internet-Links
Autor und Herausgeberin
Personenindex
Vorwort vom Direktor des Archivs der Stadt Linz
Dr. Walter Schuster (Linz)
Die Stadt Linz befand sich seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Besitz der österreichischen Landesfürsten aus dem Geschlecht der Babenberger. Deren Nachfolger, die Habsburger, stiegen als Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zum bedeutendsten Herrschergeschlecht Europas auf. Linz – seit 1490 als Hauptstadt des Landes Österreich ob der Enns bezeichnet – war für einige Jahre auch Residenzstadt des römisch-deutschen Kaisers Friedrich III. Als Handelsstadt – vor allem wegen der Linzer Märkte – auch international bedeutend, profitierte Linz von der verkehrsgünstigen Lage im Schnittpunkt bedeutender West-Ost- wie auch Nord-Süd-Verbindungen sowie der direkten Lage an der Donau. Letztere führte im Jahr 1497 zur Errichtung einer Brücke.
Trotz alledem war Linz zum Zeitpunkt von Keplers Ankunft im Jahr 1612 eine wenig imposante Stadt mit nicht einmal 300 Häusern sowie 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Durchaus Eindruck machte immerhin der große, bereits im Mittelalter angelegte Hauptplatz mit dem heute noch bestehenden Rathaus, das auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Als wichtigste bauliche Veränderung erfolgte um 1600 der Neubau des Schlosses, das als rechteckiger, wuchtiger Prachtbau statt der mittelalterlichen Burg entstand. Kaiser Rudolph II., auf dessen Befehl das Bauwerk errichtet wurde, plante darüber hinaus eine großangelegte Stadterweiterung, zu der es allerdings nie kam.
Für Johannes Kepler war der Wechsel vom höfischen Leben in der Weltstadt Prag in das eher ländlich-provinzielle Linz sicher eine große Umstellung. Dennoch wurde Linz für ihn, wie er selbst in seinen Briefen schrieb, zur zweiten Heimat.
Der international bekannte Kepler-Forscher Erich Meyer hat die Wohnadressen des Gelehrten in Linz minutiös rekonstruiert. Eindrucksvoll gelungen ist ihm aber auch eine historische Analyse der Lebenswelt Keplers. Mit wem stand dieser in Verbindung – persönlich und brieflich? Wer waren seine Freunde, Förderer und Helfer? Und wie gestaltete sich die Versorgung des stetig wachsenden Haushaltes mit Ehefrau, Kindern und Assistenten? All diesen Fragen ist der Autor minutiös und akribisch nachgegangen. Das Resultat zeichnet ein Bild des Menschen, aber auch des Umfeldes von Johannes Kepler, das es in dieser detaillierten Form bisher nicht gegeben hat. Beim Studium des Buches wird deutlich, dass dieses – trotz der Schwerpunktsetzung auf die Linz-Jahre Keplers – weit mehr als Linzer Stadtgeschichte bietet, stammte doch beinahe die Hälfte der Personen, mit denen der Astronom in Linz in Verbindung stand, aus Württemberg.
Mit dem vorliegenden Werk hat Erich Meyer nicht nur den biographischen Forschungen zu Johannes Kepler Wesentliches hinzugefügt, mehrere Abschnitte der Linzer Stadtgeschichte neu geschrieben und zum besseren Verständnis bürgerlichen Lebens in der frühen Neuzeit beigetragen, sondern auch die generelle Bedeutung Keplers für die Wissenschaft deutlich gemacht. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen, dem Autor dafür zu danken, dass er zielgerichtet und unbeirrbar die relevanten historischen Quellen aufgespürt und ausgewertet hat und nun die Ergebnisse seiner Forschungen in ihrer Gesamtheit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht.
Einleitung
Erich Meyer (Linz)
Johannes Kepler wohnte mit seiner Familie in der Zeit von Mai 1612 bis November 1626 in Linz. Leider konnten die beiden genauen Wohnadressen, an denen der Astronom zu Beginn seines Aufenthalts und zur Zeit seiner Entdeckung des dritten Gesetzes gewohnt hatte, bisher nicht identifiziert werden. Verschiedene namhafte Historiker vertraten diesbezüglich unterschiedliche, zum Teil auch widersprechende Meinungen. Als Amateurastronom reizte mich die Aufgabe, anlässlich des 400sten Jahrestags der Entdeckung des Dritten Keplerschen Gesetzes möglichst unter Verwendung von Originalquellen herauszufinden, wo Kepler tatsächlich in der Hofgasse gewohnt hatte. Es war erstaunlich, wie viele Aufzeichnungen dazu in verschiedenen Archiven und Bibliotheken im In- und Ausland vorhanden waren, auch wenn die meisten nicht unmittelbar zur Lösung beitrugen.
Bei vielen dieser alten Dokumente handelt es sich um schwer lesbare Handschriften in Kurrentschrift, die mir erst durch die fachkundige Transkription der Heimatforscherin Helga Heist zugängig geworden sind. Die in Latein verfassten Texte wurden mir dankenswerterweise von Helmut Kasbauer übersetzt. Ohne die Hilfe und Unterstützung dieser beiden Personen wären die Nachforschungen nicht möglich gewesen.
Nachdem monatelange Recherchen noch nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hatten, führte mich ein Hinweis in einem astronomischen Bericht Keplers über eine Mondesfinsternis auf die richtige Spur. So konnte die Entdeckung von Keplers Wohnhaus in der Hofgasse rechtzeitig zum Jubiläum 400 Jahre Keplersche Gesetze am 15. Mai 2018 bei einem Festakt im Linzer Landhaus bekanntgegeben werden. Die Rede, die der Rektor der Linzer Kepleruniversität, Univ. Prof. Dr. Meinhard Lukas anlässlich dieser Feier hielt, darf hier dankenswerterweise abgedruckt werden und ist im Kapitel 5.23, S. 264, zu finden.
Nach diesem Erfolg wollte ich nun auch versuchen, Keplers Wohnsituation zu Beginn seiner Linzer Zeit genauer zu erforschen, da es darüber von Historikern ebenfalls nur vage Vermutungen und verschiedene Ansichten gab. Bei dieser Suche, die wiederum ein Jahr in Anspruch nahm, kamen auch viele interessante Details über verschiedene Personen in Keplers Umfeld sowie die politische und religiöse Situation der damaligen Zeit ans Licht, die für interessierte Leser*innen im Kapitel 3 und im Kaleidoskop, Kap. 4, zusammengefasst sind.
Anlässlich einer Vortragsreihe über Galilei, Kepler und Newton wurde ich einmal von einem Zuhörer gefragt, ob man aus Keplers Erkenntnissen auch für das heutige Leben noch Nutzen ziehen kann. Durch diese Fragestellung wurde mir bewusst, dass die wissenschaftlichen Leistungen und Entdeckungen Keplers außerhalb der Astronomie der Allgemeinheit weitgehend unbekannt sind. Es war mir daher ein Anliegen, einige dieser bedeutenden bis in die heutige Zeit nachwirkenden Erkenntnisse des Universalgelehrten Keplers anlässlich seines 450. Geburtstags wieder in Erinnerung zu rufen.
Während meiner Recherchen für dieses Buch hielt ich mich stets an das Motto eines Zitats von Ignaz Zibermayr:
„Es ist ein Grundfehler der Geschichtswissenschaft, allzu sehr an dem Schrifttum und den dort vorgegebenen Lehren haften zu bleiben und viel zu wenig auf den Quellen aufzubauen.“26
Indem ich versuchte, für meine Recherchen möglichst Originalquellen heranzuziehen, konnten einige Missverständnisse und Fehlinterpretationen, die sich in der Fachwelt teilweise bis zu 200 Jahre gehalten haben, geklärt und korrigiert werden. Nur dadurch war es möglich, die bisher nur ungenau bekannten Linzer Wohnhäuser Keplers eindeutig zu identifizieren.
Beim Verfassen dieses Buches war es mir ein besonderes Anliegen, Kepler mit insgesamt 175 Zitaten aus seinen Briefen und Werken selbst zu Wort kommen zu lassen, um so besser in seine Gedankenwelt eintauchen zu können.
Abbildung 1.1:Frontispiz der Rudolphinischen Tafeln (1627)
Der Ausschnitt aus dem Frontispiz der Rudolphinischen Tafeln (1627) zeigt Johannes Kepler bei Kerzenlicht am Arbeitstisch in seiner Studierstube. Am oberen Bildrand sind von links nach rechts die Wappen von Böhmen, Prag, Land ob der Enns und Linz zu sehen. Weiters sind die vier aus Keplers Sicht wichtigsten Werke aufgelistet.
Kepler, Johannes: Tabulae Rudolphinae. Ulm 1627.
26 Zibermayr 1956, VII.
Johannes Keplers Leben und Wirken im Überblick
Erich Meyer (Linz)
Keplers Leben und Wirken fällt in eine Epoche, in der in Europa nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die politischen Verhältnisse, die Religion und das Klima im Umbruch waren. Bedenkt man auch die Arbeits- und Lebensverhältnisse zu jener Zeit, sind seine naturwissenschaftlichen Leistungen nicht hoch genug einzuschätzen. Kepler musste ohne Hilfe von Computer und Taschenrechner, ja zu Beginn auch ohne Logarithmentafeln, bei Kerzenschein mit Tinte und Feder seine komplizierten, langwierigen Rechnungen anstellen. Es gab kein funktionierendes Postsystem, Briefe wurden durch Boten zugestellt und auch das Reisen mit Schiff, Kutsche, Pferd oder zu Fuß war extrem mühsam, gefährlich und zeitaufwendig.1 Es ist erstaunlich, wie viele bedeutende Werke Kepler unter diesen Bedingungen während seines Lebens verfassen konnte und trotzdem noch Zeit für seine Familie und Freunde fand.
Die nachfolgenden Abb. 1.2 und 1.4 sollen einerseits einen Überblick auf bedeutende Zeitgenossen Keplers aus Wissenschaft, Kunst, Kultur und Religion bieten und andererseits seinem persönlichen Lebensweg wichtige Ereignisse zu jener Zeit gegenüberstellen.
Abbildung 1.2:Zeitgenossen Keplers aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Politik und Religion
(Grafik: Erich Meyer)
1.1 Kepler in seiner Heimat, 1571–1594
Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in der Freien Reichsstadt Weil (heute Weil der Stadt) geboren.2 Über seinen ersten wichtigen Tag in seinem Leben berichtete er:
„[…] bin ich doch an der Schwelle des Lebens von meinen Eltern in die katholische Kirche getragen, mit dem heiligen Taufwasser besprengt und dabei mit dem Geist der Kindschaft beschenkt worden.“3
Obwohl seine Eltern (Heinrich, Katharina) Anhänger des lutherischen Glaubens waren, wurde Kepler katholisch getauft, da es in der damals katholischen Stadt Weil (vgl. Keplerhaus, Abb. 1.3, Keplerdenkmal in Weil der Stadt, Abb. 1.8 unten rechts, S. 49) den Protestanten verboten war, die Kinder nach ihrem Glauben taufen zu lassen.4
Abbildung 1.3:Keplerhaus in Weil der Stadt (heute Kepler Museum)
(© Wolfgang-Schütz, Weil der Stadt)
Abbildung 1.4:Lebenszeit Keplers
(Grafik: Erich Meyer)
1575 übersiedelte Johannes mit seinen Eltern Heinrich und Katharina, geb. Guldenmann (1547–1622) nach Leonberg, wodurch er in den Genuss des weit über die Landesgrenzen bekannten hervorragenden württembergischen Bildungssystems kommen konnte.
Hier besuchte er ab 1577 die Elementarschule und die Lateinschule und bestand am 17. Mai 1583 in Stuttgart das Landesexamen. Von 1584 bis 1588 besuchte er die Klosterschulen in Adelberg und dann in Maulbronn (vgl. Abb. 1.5).
Anschließend begann er in Tübingen (vgl. Tübingen, Evangelisches Stift und Alte Aula (Universität), Abb. 1.6) ein Studium an der Philosophischen Fakultät, wo die Sieben Freie Künste (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) gelehrt wurden.
Sein damaliger Professor für Mathematik und Astronomie, Michael Mästlin (1550–1631), war einer der ersten Astronomen, der die Theorie von Copernicus befürwortete. Durch ihn wurde Kepler auf dieses von der Kirche abgelehnte heliozentrische System aufmerksam.5
Abbildung 1.5:Kloster Maulbronn – Kepler besuchte die Klosterschule von 1584 bis 1588
(Maulbronn 1891, Wikipedia)
Auch nach seiner Studienzeit blieb Kepler mit Mästlin in ständigem Kontakt und Gedankenaustausch.
Nachdem Kepler 1591 an der Universität Tübingen zum Magister promoviert war, wechselte er zur Theologischen Fakultät über.
Abbildung 1.6:Oben links: Tübingen und Woehrd (Kupferstich J. G. Gerhard (1800) Oben rechts und unten links: Evangelisches Stift (*1536), 1547, ehemaliges Augustinerkloster Unten rechts: Tübingen, Alte Aula (1547), Münzgasse 20
(© Gudrun Wolfschmidt)
1.2 Kepler in Graz, 1594–1600
Noch vor dem Ende seines Theologiestudiums verpflichtete man Kepler 1594 als Mathematiklehrer nach Graz, wo er den verstorbenen Georg Stadius (1550–1593) an der dortigen evangelischen Stiftsschule ersetzte. Zusätzlich zu seiner Unterrichtstätigkeit wurde er mit der Erstellung von jährlichen Kalendern und Prognostika beauftragt. Diese enthielten astronomische Voraussagen wie beispielsweise Sonnen- und Mondfinsternisse, aber auch solche über das Wetter und andere Ereignisse wie Kriege.
Während Keplers Aufenthalt in Graz entstand 1596 sein Erstlingswerk Mysterium Cosmographicum (Das Weltengeheimnis), das er den Ständen der Steiermark widmete. Darin entwickelte er auf Basis der copernicanischen Lehre ein Modell unseres Sonnensystems, indem er mittels der fünf Platonischen Körper die Abstände der bis dahin bekannten sechs Planeten darstellte.6 Dieses Buch bewirkte, dass die Astronomen seiner Zeit, unter ihnen auch Galilei und Brahe, auf ihn aufmerksam wurden. Um den Druck seines Werkes in die Wege zu leiten und seine schwerkranken Großväter zu besuchen, reiste er mit der Zustimmung der Stände für mehrere Monate in seine Heimat.7
Nach seiner Rückkehr heiratete Johannes Kepler (26jährig) am 27. April 1597 die wohlhabende adelige zweifache Witwe Barbara Müller (24 Jahre alt), die ihre siebenjährige Tochter Regina mit in die Ehe brachte.
Als der katholische Erzherzog Ferdinand (1578–1637) in den innerösterreichischen Ländern die Gegenreformation hart durchsetzte, wurden auch in Graz protestantische Angehörige vor die Wahl gestellt, entweder zum Katholizismus zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Bei der Glaubensbefragung am 31. Juli 1600 bekannten sich von den mehr als tausend Befragten 61 Männer zum evangelischen Glauben, darunter auch Kepler. Nach Gewährung einer Abfertigung verließ der Mathematiker am 30. September 1600 mit Frau Barbara und Stieftochter Graz und folgte einer Einladung des kaiserlichen Mathematikers Tycho Brahe (1546–1601) nach Prag. Dieser hatte im Werk Mysterium Cosmographicum8 erkannt, dass Kepler ein hervorragender Kenner der Geometrie und Mathematik war. Sein damaliger Assistent Christian Longomontanus war gerade in seine Heimat Dänemark zurückgekehrt und Brahe erhoffte sich daher von Kepler Hilfe bei seinen Marsbahnberechnungen.9
Abbildung 1.7:Oben: Mühleck-Schlössl in Gössendorf – Kepler heiratet 1597 Barbara Müller (1573–1611), die zweimal verwitwete Tochter eines reichen Mühlenbesitzers, Wohnhaus Keplers (1597 bis 1599)Unten: Paradeishof – ehemalige protestantische Stiftsschule in Graz (Badgasse 3-5) – hier lehrte Kepler 1594 bis 1599 als Professor für Mathematik
(© Sonja Draxler, Wikipedia, Andi-oisn)
1.3 Kepler in Prag, 1600–1612
Das Zusammentreffen von Tycho Brahe, dem genialen und präzisen Vermesser des Himmels und Johannes Kepler, dem ausgezeichneten Mathematiker und Geometriker, kann als Sternstunde der Astronomie bezeichnet werden. Die von Brahe über Jahrzehnte gesammelten genauen Beobachtungsdaten der Planeten waren für Kepler die Grundlage für die Berechnung seiner drei Gesetze und der Rudolfinischen Tafeln.
In Prag erhielt Kepler vorerst nur zögerlich Zugang zu Brahes Beobachtungsdaten, die insgesamt 38 dickleibige Folianten umfassen.10 Nach Brahes Tod 1601 war dessen Witwe Kristine (1549–1604), aus finanziellen Gründen gezwungen, Manuskripte ihres verstorbenen Gatten zu veräußern,11 doch glücklicherweise verwahrte Kepler Brahes Beobachtungsjournale und so blieben diese für die Nachwelt erhalten. Bereits wenige Tage nach Brahes Ableben wurde Johannes Kepler vom neuen Regenten Matthias als kaiserlicher Mathematiker bestellt. Kepler arbeitete nun mehrere Jahre am epochalen Werk Astronomia Nova, welches 1609 erschien und in dem man seine beiden bekannten „Kepler-schen Gesetze“ über den Flächensatz (1602) und die Bahnform (1605) (siehe Kap. 5.5) findet. Während dieser Arbeit musste er sich zur Absicherung seiner Theorie auch mit der Funktion des Auges und der geometrischen Optik beschäftigen. So entstanden die großartigen und einzigartigen Werke Pars Optica12 (1604) und Dioptrice13 (1611). Während seines 12-jährigen Aufenthalts in Prag schuf Kepler weitere wichtige Werke und wohnte in 13 verschiedenen Unterkünften.14 Mehrere Umstände machten ihm während der ganzen Prager Zeit zu schaffen. In verschiedenen Briefen bemängelte er die äußerst zögerliche Überweisung seines Gehalts (siehe Kap. 4.3) und den unverhältnismäßig großen Zeitaufwand, den er für Geschäfte am kaiserlichen Hof aufwenden musste: „Die Arbeiten für den Hof [.. .] ich glaube, sie nehmen die halbe Zeit in Anspruch.“15
Weiters kam er in der Weltstadt Prag nicht gut zurecht: „Ich lebe hier in Prag einsam, in gewisser Weise ohne Leute, die mithelfen.“16„Ich lebe hier auf der Bühne der Welt als einfacher Privatmann.“17„O ich Armer, dem der einst so hübsche Besitz jetzt nur dazu dient, den Haushalt schwieriger undden Unterhalt von Frau und Stieftochter, die einst in vornehmen Verhältnissen lebten, kostspieliger zu gestalten!“18