3,99 €
Auf den Straßen Berlins ist das zweite Buch von Roman Osburg, einem Polizeibeamten, der mehrere Jahre auf den Straßen von Kreuzberg im Streifenwagen tätig war. In diesem Buch werden weitere, spannende Einsätze erzählt, als sei der Leser dabei gewesen. Es geht um Suizide, Überfälle und die dunkelsten Seiten menschlichen Verhaltens.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 84
Vorwort
Fall 1: Kidnapping auf offener Straße
Fall 2: Vergewaltigung im Krankenbett
Fall 3: Der Mensch ist ein Tier
Fall 4: Das blonde Mädchen und der böse Mann
Fall 5: Der ewige Schlaf
Fall 6: Klaus und sein Riegel
Fall 7: Berliner dürfen (nicht) alles
Fall 8: Der Holzschnitzer
Fall 9: „Staying alive“
Fall 10: Déjà vu
Fall 11: Zur rechten Zeit am rechten Ort
Fall 12: Ein bilanzierter Abschied
Fall 13: Nicht alles ist erlaubt
Fall 14: Der eiskalte Täter
Nachdem mein erstes Buch „Der nächste Einsatz“ fertiggestellt war, hörten die Geschichten nicht einfach auf. Mir war von Anfang an klar: Kommt Zeit, kommen Erlebnisse. Nicht jede Schicht war spektakulär, ich habe viele „normale“ Einsätze erlebt. Für viele dieser Einsätze bin ich dankbar, leider sind die wenigsten davon niedergeschrieben. Eine angenehme Interaktion dauert selten lange an oder wäre aufregend genug, um in diesem Buch vorzukommen. Ich bin dennoch froh, dass es immer wieder gute Erlebnisse gibt, um die schrecklichen auszugleichen.
Machen wir uns nichts vor, es passieren grausame Dinge in dieser Welt und über einige werden Sie in diesem Buch lesen. Trotzdem habe ich meine Berufswahl nie bereut, es ist und bleibt mein persönlicher Traumberuf.
Wie schon im ersten Teil, soll auch in diesem Buch die Arbeit eines Polizeibeamten realitätsnah abgebildet werden. Wieder sollen die Einsätze so erzählt werden, als habe sie der Leser selbst miterlebt.
Auch dieses Mal wurden die Namen verändert, aber die Erlebnisse habe ich so aufgeschrieben, wie ich sie in Erinnerung habe. Es wird wieder persönlich, es ist meine Ansicht der Dinge, kein behördlich angeordneter Schreibstil.
Ich wurde oft gefragt, warum ich meine Einsätze niederzuschreiben begann. Es fing alles an als eine Art Tagebuch. Ich wollte das Geschehene verarbeiten und merkte beim Schreiben, dass meine Erlebnisse womöglich auch für andere Menschen interessant sein könnten. Außerdem wollte ich einen Einblick in den Polizeiberuf ermöglichen. Wer diesen Beruf nicht lebt, wird vielleicht nie erfahren, was es bedeutet, für „Recht und Ordnung“ einzustehen.
Während ich schrieb hatte ich oft das Gefühl, es könnte selbstbezogen wirken, dass ich stets nur von mir und meinen Erlebnissen erzähle. Doch dann überlegte ich kurz und mir fiel auf, alles andere wäre nicht authentisch. Ich kann nur über meine Sicht sprechen, ich kann nur von meinen Gefühlen erzählen. Bitte vergessen Sie jedoch eines beim Lesen dieses Buches nie:
Polizeiarbeit ist Teamwork. Bereits in der Ausbildung wird ein großer Wert auf ein Miteinander gelegt, wir sollen mehr als nur Kollegen sein. Keinen der vorliegenden Einsätze hätte ich allein geschafft, wir sind eine große Familie.
Wir saßen im Aufenthaltsraum unseres Polizeiabschnittes. Dort haben wir einen Fernseher, Sitzmöglichkeiten und eine Mikrowelle. Die meisten meiner Kollegen und ich versuchten, unseren Aufenthalt in diesem Raum auf ein nötiges Minimum zu beschränken. Wie Sie sich jedoch sicher vorstellen können gab es auch bei uns Nachtschichten, in denen so gar nichts passieren wollte und dann waren ein paar Minuten mit geschlossenen Augenlidern auf der Couch sitzend angenehmer als stundenlanges Streifefahren.
Dieses Mal war es jedoch ein heller, warmer Tag, an dem noch nicht viel passiert war, als plötzlich ein Alarmsignal durch unseren Raum hallte. Für uns war dieses Signal immer der Moment, in dem wir wussten: Wir werden gebraucht.
Unmittelbar im Anschluss an die Tonfolge aus der Rufanlage folgten die Worte unseres Wachleiters: „Alle Wagen mit Eile, wir kriegen eine Meldung über eine Entführung eines jungen Mädchens!“.
Es ist einer dieser Einsatzanlässe, die auch bei einem erfahrenen Kollegen zu einer erhöhten Adrenalinausschüttung führen. Wir setzten uns in unsere Streifenwagen, schalteten Blaulicht und Martinshorn ein und eilten davon. Die Meldungen über Funk überschlugen sich. Mehrere Streifenwagen von angrenzenden Abschnitten und mehrere zivile Kräfte meldeten sich ebenfalls für den Einsatz an. Bei herausragenden Einsatzanlässen war es immer so, dass andere Abschnitte Kräfte entsandten, ich habe mich nie allein gefühlt. Gesucht wurde ein schwarzer Benz mit einem Hamburger Kennzeichen, der mit überhöhter Geschwindigkeit versuchte, sich seinen Weg durch die vollen Straßen Berlins zu bahnen.
Ich dachte mir gleich, der oder die Täter würden versuchen, schnellstmöglich die Stadtautobahn zu erreichen. Erstens könnte er dort die Pferdestärke des Wagens besser ausnutzen und zweitens könnte es sich ja tatsächlich um ein Fahrzeug aus Hamburg halten, dann wäre die Stadtautobahn die richtige Richtung. Die erste Vermutung eines Polizisten, der von einem Fahrzeug mit Kennzeichen aus Hamburg hört, geht vermutlich in Richtung Mietwagen, da es bei der Mehrzahl an Fahrzeugen stimmt, doch ich hatte da so ein Gefühl und es sollte mich nicht täuschen…
Wir befuhren also die Strecke, die zur Autobahn führte, als wir das Fahrzeug erkannten. Solche Momente machen immer glücklich. Wie oft haben wir ein Fahrzeug im Bereich gesucht oder einen flüchtenden Täter nach einer Körperverletzung? Oft, doch in den seltensten Fällen hat man eine Feststellung, denn zu häufig liegt zwischen der Tat und der Alarmierung zu viel Zeit. Dieses Mal jedoch hatten wir das verdächtige Fahrzeug finden können. Mein Kollege setzte einen hektischen Funkspruch ab, während ich mich voll und ganz auf das Fahren konzentrierte.
Das Letzte, was ich wollte, war mit einem anderen PKW zu kollidieren, da wir dann die Verfolgung hätten abbrechen müssen. Ich kann nur für mich sprechen, aber es entsteht immer ein gewisses „Jagdfieber“, wenn jemand versucht, uns als Polizei zu entkommen. Man muss lernen, diesem Gefühl zu widerstehen. Unbeteiligte dürfen durch die Verfolgung nicht gefährdet werden und manches Mal muss man einsehen, wenn man einfach das schwächere Gefährt hat. So war es mir zuvor schon einmal ergangen.
Meine Kollegen und ich hatten uns extra eine Schicht in ziviler Kleidung eintragen lassen. Obwohl dieses nicht zu meinen Lieblingsdiensten gehört, ab und zu ist es spannend, nicht gleich als Polizeibeamter erkannt zu werden. Aus unserem Fuhrpark hatten wir zunächst einen alten Opel bekommen, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Wir wollten eine Jugendgruppe observieren und schauen, ob sie irgendwelche Dummheiten planten. Dieser Plan ging leider nicht auf. Unser Fahrzeug war derart defekt, dass es insbesondere beim langsamen Fahren ein Schleifgeräusch von sich gab.
Man stelle es sich vor, ein Opel durchfährt mehrfach dieselben Straßenzüge und drei grimmig schauende Typen, wir, gucken aus den Fenstern des Wagens. Jedes Mal, wenn wir eine Feststellung von Personen hatten, fuhr ich entsprechend langsamer und schon quietschte der Wagen vor sich hin. Es war peinlich und der polizeiliche Erfolg konnte nicht erreicht werden. Die Nacht war mittlerweile angebrochen und beim Fahrdienst konnten wir keinen Ersatz mehr erhalten. Wir fragten bei unseren Spezialkräften nach, ob sie noch ein Fahrzeug übrighätten, welches wir für die kommenden Stunden borgen könnten.
Glücklicherweise hatten sie noch ein Fahrzeug, einen Skoda Octavia. Dieser fühlte sich im Vergleich zur vorherigen Ente wie ein Rennwagen an. Zugegeben, ich hätte mich über ein höherwertiges Fahrzeug nicht beschwert, aber man nimmt halt, was man kriegt. Unsere Jugendgruppe war mittlerweile zu Bett gegangen, also wollten wir uns auf Rauschmittelfahrten konzentrieren. An einer auch um diese Nachtzeit belebten Straße fiel uns ein schwarzer BMW auf, der mehrfach zwischen den Spuren wechselte, teilweise schnitt er die anderen Verkehrsteilnehmer und fuhr generell sehr rücksichtslos.
Da er uns noch nicht erkennen konnte, entschlossen wir uns, das Fahrzeug verdeckt zu verfolgen, was sich als schwierig erwies. Der Fahrer beschleunigte auf rund 100 km/h, auf einer Straße, auf der 50 km/h Höchstgeschwindigkeit galt. Es half nichts, wir mussten uns zu erkennen geben. Anders, da war ich mir sicher, könnte ich unmöglich an ihm dranbleiben, ohne uns und andere zu gefährden.
Da ich mich auf die Verfolgung konzentrierte, brachte mein Kollege das mobile Blaulicht auf dem Fahrzeugdach an. Da dieses auf der Fahrerseite unter dem Sitz lag, war es für meinen Beifahrer eine schöne Herausforderung, es zu montieren, bei einem Tempo von knapp 100 km/h. Mit eingeschaltetem Horn folgten wir dem BMW. Wie es üblich ist, informierten wir umgehend die Leitstelle, denn Unterstützung war vonnöten.
Ich erkannte, dass der Fahrer, in einigem Abstand zu uns, die Stadtautobahn befuhr. Wir folgten und ich drückte das Gaspedal nur noch durch. Der BMW entfernte sich immer weiter von uns und ich erhöhte die Geschwindigkeit. Ich war mittlerweile bei 150 km/h angekommen und machte mir Gedanken über die Verfolgung als solche, aber auch über die Verantwortung für meine Kollegen, die ich allein trug. Ich sagte ihnen, dass ich nicht glaube, den Flüchtenden einholen zu können und wollte noch ein letztes Manöver versuchen, die Lichthupe.
Ich betätigte diese mehrfach und wollte gerade aufgeben, als an der Rückseite des BMW plötzlich die Bremslichter aufleuchteten. Ich war sicher, wir hätten ihn nie bekommen, hätte er sich nicht selbst dazu entschieden, anzuhalten. Mit dem ausrangierten Opel wäre ich vermutlich nicht einmal nahe genug an ihm geblieben, damit er das Fernlicht hätte erkennen können.
Er war ca. 600 Meter von uns entfernt und fuhr auf den Seitenstreifen. Dort kam er zum Stehen, wir dahinter und mein Kollege rannte zur Fahrertür. Mit gezogener Waffe schrie er den Täter an: „Was ist denn mit dir nicht in Ordnung?! Mitkommen, sofort!“. Eine Kontrolle auf der Stadtautobahn ist auch um 02:00 Uhr nachts zu gefährlich, daher eskortierte uns eine Streife der Autobahnpolizei zur nächsten Tankstelle. Dort kontrollierten wir Deniz, den Fahrer des BMW.
Deniz war 22 Jahre alt und hatte seinen 15-jährigen Cousin mit an Bord. Nachdem wir einen Alkoholkonsum mittels eines Atemtests ausgeschlossen hatten, wurde ein Drogenschnelltest durchgeführt, auch dieser verlief negativ. Deniz war im Besitz einer Fahrerlaubnis und wurde nicht mittels Haftbefehls gesucht. Ich verstand nicht, warum er ein solches Fahrverhalten gezeigt hatte, es gab keinen logischen Grund, außer vielleicht, um sich und seinem Cousin zu beweisen, was für ein toller Fahrer er war.
Er selbst bestritt natürlich, so schnell gefahren zu sein und sagte ferner, er könne seinen Führerschein nicht verlieren, da er diesen für seinen Job brauche. Mein Mitleid hält sich in solchen Momenten gern in Grenzen, er selbst hatte die Ursache gesetzt, indem er deutlich zu schnell fuhr. Den Führerschein musste er für einige Zeit abgeben. Ob er dadurch seinen Job verlor, ist mir nicht bekannt. Wenn, ist er dafür verantwortlich, er raste ohne erkennbaren Grund.