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Beschreibung

Die Bilder von Hermann Buß erzählen als "Spiegel der Selbstreflexion" von dem, was Leben bedeuten kann. Sie tauchen quasi in den Betrachter selbst ein, ohne ihm etwas zu erklären. Sie wecken Assoziationen, ohne seine Weltsicht zu kommentieren. Sie erbauen nicht, sie irritieren den Betrachter zunächst eher. Sie entwickeln eine imaginäre Kraft und können den Betrachter zu einem kreativen Akt, einer Meditation, ja zu einer religiösen Erfahrung führen; am Ende sind sie letztlich unerklärbar, auch nicht vom Maler selbst. Die Betrachter schauen über den Horizont - nach vorne, und werden doch auf sich selbst zurückgeworfen. Das Meer galt von jeher als Ort der Gotteserfahrung, das Schiff führt weg vom eigenen sicheren "Festland" – hin zum Geheimnis des Lebens.

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Seitenzahl: 127

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Psalm 107,23–31

Die mit Schiffen auf dem Meere fuhrenund trieben ihren Handel auf großen Wassern,die des HERRN Werke erfahren habenund seine Wunder im Meer,wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,der die Wellen erhob,und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,dass ihre Seele vor Angst verzagte,dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkenerund wussten keinen Rat mehr,die dann zum HERRN schrien in ihrer Notund er führte sie aus ihren Ängstenund stillte das Ungewitter, dass die Wellen sich legtenund sie froh wurden, dass es still geworden warund er sie zum ersehnten Hafen brachte:Die sollen dem HERRN danken für seine Güte / und für seine Wunder,die er an den Menschenkindern tut.

Auf großen Wassern

Nordsee~Bibel

mit Bildern von Hermann Buß

Herausgegeben von Arend de Vries

Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers

Redaktion: Alfred Buß, Imke Schwarz, Matthias Surall, Ralf Tyra

Mit Beiträgen von Klaus Altepost, Karl Arndt, Ute Beyer-Henneberger,

Renke Brahms, Alfred Buß, Hermann Buß, Amélie zu Dohna,

Martin Heimbucher, Dietrich Heyde, Jan Janssen, Detlef Klahr,

Silke Leonhard, Friedemann Magaard, Gothart Magaard, Ralf Meister,

Imke Schwarz, Lothar Teckemeyer und Arend de Vries

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung dieses Buchprojektes bei:

Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers

Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg

Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland –Sprengel Schleswig und Holstein

Bremische Evangelische Kirche

Evangelisch-reformierte Kirche

Ostfriesische Bibelgesellschaft und Sprengel Ostfriesland-Ems der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Hannoversche Bibelgesellschaft e.V.

Oldenburgische Bibelgesellschaft

Deutsche Seemannsmission e.V.

Deutsche Seemannsmission Hannover e.V. und Sprengel Stade der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Versicherer im Raum der Kirchen (VRK)

Religionspädagogisches Institut Loccum (RPI)

Arbeitsstelle für evangelische Religionspädagogik Ostfriesland (ARO)

Ein besonderer Dank geht an die Deutsche Bibelgesellschaft für die Erlaubnis zum kostenfreien Abdruck der verwendeten Bibelzitate. Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Nicht zuletzt geht ein großer Dank an den Künstler Hermann Buß, der sämtliche verwendeten Bilder für den Abdruck kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Bildrechte: © Hermann Buß

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

Das Bild als Spiegel der Selbstreflexion – Ein kurzer Überblick zum Schaffen des Malers

Fragen stellen, Widersprüche aushalten, aber nie die Hoffnung verlieren – Wo Kunst und Religion sich berühren

Bilder und Auslegungen

Anfänge

Stiegen

Orientierungen

Verletzungen

Klärungen

Versprechungen

Anforderungen

Unsicherheiten

Erinnerungen

Stärkungen

Unterbrechungen

Aufbrüche

Ein ungewohnter Zugang – Mit der Nordseebibel arbeiten

Seemannslos – Über die Härte und Magie einer fremden Welt

Der Künstler

Autorinnen und Autoren

Bibelstellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Ausklang

Vorwort des Herausgebers

Biblische Texte oder die ganze Bibel mit Bildern klassischer oder zeitgenössischer Malerei zu illustrieren, ist durchaus gängige Praxis. In Bildbänden, insbesondere mit Darstellungen biblischer Szenen, den Bildern die entsprechenden Texte der Bibel an die Seite zu stellen, geschieht ebenso häufig.

Bilder eines zeitgenössischen Malers und klassische sowie eher unbekannte Bibeltexte im wörtlichen Sinne des Wortes nebeneinanderzustellen, ist ein Experiment. Assoziative Wahrnehmung von Bild und Text eröffnet die Möglichkeit der gegenseitigen Erschließung und der Entdeckung neuer Dimensionen von Text und Bild. Das Bild vor Augen und den Text im Sinn kann neue Sichtweisen für ein Bild entstehen lassen. Den Text lesen und das Bild im Sinn kann neue Sinnzusammenhänge eines alten Textes aktuell werden lassen.

Dieser Grundidee folgt die Zusammenstellung von Bildern aus dem Gesamtwerk des Malers Hermann Buß mit einer Auswahl biblischer Texte, die den Bildern zugeordnet sind. Dabei folgt auch die Zuordnung von Bild und Text eher einem assoziativen Vorgehen als einer direkten und unmittelbaren Bezugnahme.

Bei einer größeren Zahl der Bilder haben leitende Geistliche sowie Pastorinnen und Pastoren aus den Norddeutschen Kirchen, die von der holländischen bis zur dänischen Grenze Nordsee-Anrainer sind, festgehalten, was die Zusammenschau von Bild und ausgewähltem Bibeltext an Assoziationen, Einfällen und Anregungen bei ihnen ausgelöst hat.

Wer sich der Weite von Wasser und Himmel aussetzt, gewinnt nicht selten eine neue Einstellung und Haltung zu sich selbst und der Welt, in der er lebt. Wenn Mensch, Natur und Technik gemeinsam ins Bild gesetzt werden, kann es dem Betrachter passieren, dass er seinen externen Standpunkt aufgibt und sich hineinziehen lässt in das Wechselspiel dieser Dimensionen und einen neuen Standort findet als Teil eines großen Ganzen.

Das kann erfahren, wer sich in die Bilder des Malers Hermann Buß ein-sieht. Seine Bilder geben die Welt wieder, in der er zuhause ist: die Nordsee mit ihrer Weite, die Schiffe, mit denen der Mensch sich auf dem Wasser bewegt und mit denen Handel getrieben wird, der Mensch, der sich in den Weiten von Wasser und Himmel verlieren kann, der aber zugleich mit harter Arbeit die Gefahren der See zu begrenzen sucht. Detailgenau, mit einem Blick für den aussagekräftigen Ausschnitt, komponiert er seine Bilder. Die realistische Wahrnehmung und Ab-Bildung in seinen Bildern sind fern jeder Form von Romantik oder Mystik. Aber gerade so lassen sie viel Raum für die Wahrnehmung und Deutung des Betrachters.

Hermann Buß und die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers – das ist eine längere Geschichte. Es begann mit der Gestaltung des Altarretabels für die Inselkirche auf Langeoog, es folgten Altarbilder für die Kirchen in Ardorf bei Wittmund, Warzen bei Hannover und Adenstedt bei Peine sowie für die Kanzel in Oldenstadt/Uelzen. Die Bilder von Buß an so traditionsgebundenen Orten wie Altar oder Kanzel ließen fast niemand unberührt. Zustimmung, Begeisterung, aber auch Ablehnung und bleibende Widerstände in den Gemeinden sind Zeichen der Auseinandersetzung, zu der die Bilder anstiften, zwingen. Die Bilder von Hermann Buß, auch seine Altar- und Kanzelbilder, sind keine „religiöse Kunst“, sofern es eine solche überhaupt gibt. Und doch entfalten und eröffnen sie in den Augen des Betrachters religiöse Dimensionen, als sie die Grundsituationen menschlicher Existenz aufnehmen und ins Bild setzen: Hoffnung, Zuversicht, Sehnsucht und Vertrauen ebenso wie Einsamkeit, Verzweiflung und Bedrohung. Das gilt auch für die vier großformatigen Bilder, mit denen 2012 eine Kapelle im Kloster Loccum raumgreifend ausgemalt wurde. Die dauerhafte oder zeitweilige Präsentation der Bilder in Sakralräumen verstärkt die Auseinandersetzung des Betrachters mit den religiösen Dimensionen, aber auch in „neutraler“ Umgebung verlieren die Bilder nichts von ihrer eindrücklichen Mehrdimensionalität, die immer auch die existenzielle Befindlichkeit des Menschen als einem religiösen Wesen einschließt.

Die Anerkennung und die Dankbarkeit der Landeskirche für das umfassende Werk des Malers waren Anlass für die Herausgabe dieser Nordsee-Bibel. Zu danken ist zunächst Hermann Buß dafür, dass er seine Bilder für dieses Werk zur Verfügung stellt. Zu danken ist auch den Autoren Karl Arndt und Klaus Altepost für die Einführung in das Werk von Hermann Buß, Klaus Altepost auch für seine verlegerische Tätigkeit. Zu danken ist ferner den Autorinnen und Autoren der Wortbeiträge, die je persönliche und individuelle Zugänge zu den Bildern aufzeigen. Ein herzlicher Dank gilt auch Ralf Tyra und Matthias Surall aus dem Haus kirchlicher Dienste für die Planung und Begleitung dieses umfänglichen Projektes.

Spiekeroog, im Januar 2018

Arend de Vries, Geistlicher Vizepräsident der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Das Bild als Spiegel der Selbstreflexion

Ein kurzer Überblick zum Schaffen des Malers

Das Lebenswerk des Malers Hermann Buß ist ohne ein Verständnis seiner Herkunft und die lebensgeschichtliche Prägung durch die maritime Lebenswelt nicht zu verstehen. Seine eigenen Worte dazu sind so klar wie seine Bilder: „Immer wieder die See, das Wasser. Davon bin ich wesentlich geprägt.“

Hermann Buß wurde in Ostfriesland, genauer in Neermoor-Kolonie bei Leer, geboren und lebte später mit seiner Familie drei Jahrzehnte lang in einem einsam gelegenen Haus westlich von Norden, unmittelbar hinter dem Deich und also mit Land und Wattenmeer „auf Du und Du“. Inzwischen ist seit wenigen Jahren Leer der Ort, wo er wohnt und arbeitet, ein Stück weit entfernt vom „großen Wasser“, ihm aber immer noch nahe genug. Sein Atelier liegt am Leeraner Hafen.

Die berufliche Verbindung mit der See spielte schon in der Familie des Künstlers eine wesentliche Rolle. Buß selbst lernte als Kind auf dem Schiff seines Vaters bereits einige Binnengewässer kennen. Später war er an Bord von Frachtschiffen auf hoher See unterwegs. Bei diesen Reisen ging es ihm immer darum, mit dem heutigen Stand der Dinge eng vertraut zu sein und zu bleiben. Denn ein Romantiker ist er nicht, wie dies sein überaus prägnanter Malstil ja auch demonstriert.

Buß sagt selbst dazu: „Ich halte es mit Arno Schmidt, wenn er sagt: ‚Der Schriftsteller soll allein gehen.‘ Auch ich halte reichlich Abstand. Das heißt aber nicht Rückzug in einen idyllischen Kokon. Ich lebe zwar zurückgezogen, aber weltbezogen.“ Wer dem Künstler begegnet und dessen Werke kennt, weiß, dass diese Worte nicht bloß Worte sind. Sie decken sich mit dem, was die Bilder sagen: Von malerischer Beschwörung und Verklärung einer dahingegangenen Welt der Großsegler kann bei ihm die Rede nicht sein, so wie es ihm auch sonst nicht um schöne und historisch sprechende Motive geht. Mit deutlichen Worten spricht er dagegen eher von einem „Gefühlszustand des Zorns“, der „eine wichtige Triebfeder für kreatives Handeln“ sein könne. Und so ist denn auch sein Ziel, dass der Betrachter, durch die klare Sprache der Bilder gefordert, nicht als bloß Genießender, Träumender, Schwärmender reagieren möge, sondern als Zeitgenosse mit hellem Bewusstsein zu erleben und zu bedenken, was ihm da vor Augen geführt wird.

Der Maler ist in seinem Engagement aber kein Eiferer, so prägnant er im Gespräch auch urteilt, sondern setzt auf die apperzeptiven Qualitäten seines Publikums. „Der Betrachter sollte das Bild als eine Art Fenster zu seinem Inneren begreifen, sich sein ‚eigenes Bild‘ davon machen und sich mit ihm auf seinen eigenen Weg begeben.“

Die See als internationaler Transportweg für immer größer werdende Schiffe und diese Schiffe als Arbeitswelt fesseln den Künstler ebenso wie die harte Tätigkeit, die mit dem Schutz des Landes gegen die zerstörerische Macht des Wassers zusammenhängt. Und doch sind diese Objekte letztlich nur „Schlüssel“ für das, was die Menschen in ihrer eigenen inneren Betrachtung damit verbinden: symbolisch aufgeladene Kompositionen, die das Meer in seiner Weite oder das Land hinter dem Deich zum Schauplatz haben. Auch die Bilder dieser „Nordsee-Bibel“ sind Beispiele aus dem stilistisch unverkennbaren und zugleich doch bewundernswert reich gefächerten Ganzen seines bisherigen Schaffens.

In dieser Deutung ist das „Schlüsselsujet“ des Künstlers, die See, das alles beherrschende Thema: das Wattenmeer im Wechsel der Gezeiten, das Zusammenspiel von Wasser und Land im „Auf und Ab“ von Flut und Ebbe, die daraus resultierenden unterschiedlichen Gesichter dieser faszinierenden Landschaft, die wellenbrechenden Buhnen, die offene See bis zum Horizont. In der verhangenen, in Winterbildern oft düsteren atmosphärischen Stimmung erscheinen Horizont und Himmel kaum mehr unterscheidbar, sie suggerieren Weite und Unendlichkeit (siehe S. 65, 145).

Wo Menschen vorkommen, erscheinen sie vereinzelt und lassen so, als Maßstab gleichsam, die Weite auf besondere Weise erlebbar werden: als Schauende oder Meditierende, auch als Badende oder beim Spaziergang. Aber auch der Betrachter sieht sich sehr unmittelbar als Teilhaber. Der ihm vom Maler angewiesene Standort kann das Ufer, also ein Stück Strand, oder die Krone des Deiches sein, aber auch eine Kaianlage, das Oberdeck eines Schiffes oder ein Platz hinter einem Kabinenfenster (siehe S. 147). Ein anderes Mal fliegt keine Möwe, zieht kein Schiff seine Bahn, ist kein Mensch zu sehen. Wir haben nichts als die elementare Natur, die Schöpfung „pur“ als dem Menschen nicht unterworfene Natur vor Augen; der Betrachter – auch der, dem wie vielen Menschen heute der Glaube an einen göttlichen Weltenschöpfer fremd geworden ist – empfindet Ehrfurcht und Demut.

Die Erfahrung des Meeres als einer uranfänglichen Natur vertieft sich in Bildern des Wattes auf immer neue Weise, zum Teil trockengefallen oder zu größeren Teilen überflutet. Und wir, die Betrachter, sehen uns am Ufer stehen, dicht vor uns ragen hölzerne Bootsskelette wie die Gerippe riesiger Fische neben Vogelkadavern auf: Vergangenheiten, sterbliche Überreste, wie sie im Wattenmeer bei Niedrigwasser ans Licht kommen. Das Watt als Fundort: Damit klingt in faszinierender Neufassung ein uraltes Thema der christlichen Literatur und Kunst an, das Wissen um das Vergehen alles Irdischen, verbunden mit der Mahnung, dies immer zu bedenken. Buß vermittelt diese in unserer materiell und medizinisch hochgerüsteten Welt so leicht zu vergessende und tatsächlich auch verdrängte menschliche Ur-Erfahrung ganz neu, auf seine Weise, aus seiner Lebenswelt heraus und mit der ihm eigenen besonderen Eindringlichkeit.

Viele Darstellungen, vor allem auch Stillleben, kommen in Erinnerung, wie sie uns in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts besonders zahlreich überliefert sind. Da vermitteln verschiedenste Gegenstände, zum Beispiel Totenschädel, Sanduhren oder erloschene Kerzen, was wir schon im Alten Testament, und besonders in den Psalmen, ausgedrückt finden. So lesen wir im 103. Psalm: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.“ Und Andreas Gryphius (1616–1664) schrieb die Verse: „Der Taten Herrlichkeit muß wie ein Traum vergehn./ Sollt denn die Wasserblas, der leichte Mensch, bestehn?/ Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,/ Als schlechte Nichtigkeit, als Heu, Staub, Asch und Wind,/ Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind./ Noch will, was ewig ist, kein einig (d. h. einzig: d. Verf.) Mensch betrachten.“

Dem Generalthema Vergänglichkeit lassen sich weiterhin einige Bilder zuordnen, die man unter das Stichwort „Verlassene Orte“ stellen kann. Dargestellt sind leere Räume, die augenscheinlich für immer verlassen wurden. Sie wirken auf deprimierende Weise verwahrlost, und man ahnt, dass sie bald gänzlich verfallen sein werden (siehe S. 97). Hier stehen Zeitlichkeit und die bleibende Natur krass gegeneinander. Der verlassene Ort zeigt keine Spuren von ehrwürdiger Vergangenheit. Er ist kalte Nutzarchitektur von heute und bezeugt damit eine rasche, vielleicht durch eine Sturmflut verursachte Verfallszeit, wie sie für unsere Epoche überhaupt typisch ist.

Wie unverstellt sachlich Hermann Buß sein Schlüsselsujet, das Meer, bei aller Empfindungstiefe erlebt, manifestiert sich augenfällig darin, dass er diese Elementarnatur auch als Arbeitswelt sieht. So vergegenwärtigt er in einer Reihe von eindringlichen Bildern (siehe S. 123, 181, 183) den immerwährenden Kampf der Menschen gegen das mächtige Zerstörungspotential der See. In verschiedenen Phasen stellt er die Errichtung der wellenbrechenden Buhnen als eine heute wie in der Vergangenheit zu leistende, denkbar harte Tätigkeit dar: Vom Transport des benötigten Reisigs per Schute und weiter per Wattschlitten bis hin zur Herstellung der nach Art von Flechtzäunen angelegten Buhnen nimmt der Betrachter, zum Teil in extremer und damit doppelt eindringlicher Nahsicht, die bei jedem Wetter in der Nässe des Watts arbeitenden Männer wahr. In unserer durch und durch technisierten Welt bleibt das noch immer, wie in der Vergangenheit, „Hand-Werk“.

Ein grundsätzlich vergleichbares Thema, das Buß wieder und wieder fesselt, ist die Seefahrt von heute, die immer größer werdendenTransportschiffe und die Menschen, die auf ihnen bei jedem, auch dem schlechtesten Wetter ihre entbehrungsreiche Arbeit zu leisten haben. Abermals zeigt sich der Künstler als jemand, der konsequent in der Gegenwart lebt und dem alles Romantisieren zutiefst fremd ist. Er malt aus der unmittelbaren Erfahrung heraus, die er bewusst während eigener Fahrten auf Frachtschiffen im Kontakt mit den Mannschaften wie der Schiffsführung sammelte (siehe S. 213