Außerirdisch - Dennis E. Taylor - E-Book

Außerirdisch E-Book

Dennis E. Taylor

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Beschreibung

Heute ist nicht gerade Jack Kernigans bester Tag. Erst ist er vom MIT geflogen und muss jetzt diesen langweiligen Lieferjob in Ohio machen. Und dann hat er gerade eben jemanden überfahren, oder … etwas. Denn das, was da leblos am Straßenrand liegt, ist weder Mensch noch Tier. Ein Alien, ernsthaft? Kurz darauf entdeckt Jack mit seinen Freunden auch noch das Raumschiff – und als sie einsteigen, beginnt für Jack das verrückteste, kosmischste Abenteuer seines Lebens.

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Seitenzahl: 411

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Das Buch

Jack Kernigan hat wieder mal einen schlechten Tag, genauer gesagt: ein schlechtes Jahr, oder noch genauer: ein schlechtes Leben. Nachdem er vom MIT geflogen ist, arbeitet er wieder in seiner Heimatstadt Ohio im Familienbetrieb und fristet ein Leben in Mittelmäßigkeit. Dann, eines Tages, prallt er bei einer Lieferung mit seinem Truck gegen … etwas. Etwas Großes. Etwas Pelziges. Etwas … Unsichtbares. Und, wie sich herausstellt, etwas, das nicht von dieser Welt ist. Das Schicksal kann einem schon mal einen Streich spielen. Und so ist Jack plötzlich die größte Hoffnung des Planeten, um eine Verschwörung galaktischen Ausmaßes aufzudecken, die das Ende der menschlichen Spezies bedeuten könnte. Alles, was Jack und seine besten Freunde Natalie und Patrick haben, um eine außerirdische Bedrohung zu besiegen, sind ihr Verstand, eine Menge Kaffee und eine ziemlich schnippische KI namens Sheldon. Und ihr eigenes Raumschiff. Denn wenn man schon die Welt retten muss, dann sollte man wenigstens ein eigenes Raumschiff haben!

Dennis E. Taylor im Heyne Verlag:

Ich bin viele

Wir sind Götter

Alle diese Welten

Himmelsfluss

Outland – Der geheime Planet

Die Singularitätsfalle

Außerirdisch

Der Autor

Dennis E. Taylor war früher Programmierer und arbeitete nachts an seinen Romanen. Mit »Ich bin viele«, dem Auftakt seiner BOBIVERSE-Reihe, gelang ihm schließlich der Durchbruch, sodass er sich nun ganz dem Schreiben widmen kann.

Mehr zu Dennis E. Taylor und seinen Romanen finden Sie auf:

DENNIS E. TAYLOR

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Urban Hofstetter

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der Originalausgabe:

ROADKILL

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 6/2023

Redaktion: Sven-Eric Wehmeyer

Copyright © 2022 by Dennis E. Taylor

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: DAS ILLUSTRAT, München,unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com(Raggedstone, janar sinivali, Pozdeyev Vitaly, Tatiana Shepeleva)

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-30273-3V002

diezukunft.de

Kapitel 1

Blechschaden

Tag 1. Freitag Nachmittag

Noch ein beschissener Tag, am Ende einer beschissenen Woche, inmitten eines beschissenen … nun ja, um es kurz zu machen: Mein Leben war insgesamt so richtig Scheiße. Das muss fürs Erste genügen.

Ich starrte die verbeulte Karosserie an, schaute auf und schüttelte die Faust gen Himmel. »Wirklich? Wirklich? Kannst du dich nicht auf andere Art amüsieren?« Natürlich kam keine Antwort. Falls Gott existierte, war er ein fieser kleiner Troll mit einem sadistischen Sinn für Humor.

Einen Moment später senkte ich seufzend wieder den Blick, um den Schaden zu begutachten. Der Lieferwagen meiner Familie – auf dem links und rechts in großen Lettern Kernigan Food Mart stand – schien noch zu funktionieren, doch es war davon auszugehen, dass mein Vater die veränderte Geometrie der Karosserie bemerken würde.

Dad würde wahrscheinlich nicht wütend werden, sondern nur dieses bekümmerte Gesicht ziehen, dieses Du-hast-mich-schon-wieder-enttäuscht-Jack-Gesicht. Im Vergleich zu meinem Rauswurf aus dem MIT würde die verbogene Stoßstange allerdings kaum ins Gewicht fallen. Sobald einem die Fäkalien über dem Kopf zusammenschlugen, war es im Grunde egal, wie tief man noch sank.

Ich spürte, wie sich mein Atem beschleunigte. Nein, vielen Dank, ich hatte keine Zeit für eine Panikattacke. Sobald ich die letzten beiden Lieferungen erledigt hatte, würde ich das ganze Wochenende Zeit zum Ausflippen haben. Unwillkürlich begann ich mit den Atemübungen, die meine Tante mir beigebracht hatte. Eins, aus, zwei, aus … Bei fünf merkte ich, wie ich mich allmählich entspannte.

Jetzt musste ich mich mit dem Unfall befassen. Es war ein sonniger Tag. Über den strahlend blauen Himmel zogen nur ein paar vereinzelte Schäfchenwolken, wie es Anfang Juli in Ohio meistens der Fall war. Seit dem letzten Regen sammelte sich am Straßenrand bereits wieder Staub, der nur darauf wartete, von vorbeifahrenden Autos aufgewirbelt zu werden.

Kurz und gut: Die Sichtverhältnisse waren einwandfrei. Auch wenn ich die Kurve auf der Poller Road wie üblich zu schnell genommen hatte, hätte ich, was immer ich gerammt hatte, eigentlich sehen müssen. Ich inspizierte den Schaden. Auf der Stoßstange klebte Blut, und im Kühlergrill hingen Fellfetzen. Wenigstens war es kein Mensch, sondern offenbar ein Tier gewesen. Allerdings ein großes – eher ein Hirsch als ein Hase.

Ich beugte mich weiter vor. Das Blut hatte eine seltsame Farbe. Es war nicht rot, sondern orange. Und die Fellhaare waren lang genug für einen Bären. Ich schaute mich rasch um. Ein wütender, verwundeter Bär wäre nicht so toll. Vielleicht sollte ich mich besser im Wagen verbarrikadieren …

Ich ging schnell in die Hocke und spähte unter den Transporter. Dabei stellte ich fest, dass nichts unter dem Chassis klemmte oder auf der anderen Seite des Fahrzeugs darauf wartete, mich auszuweiden.

Ich langte durch das offene Seitenfenster und stellte den Motor ab. Es hatte keinen Sinn, die ganze Umgebung mit Abgasen zu verpesten, während ich mich umsah.

Das Blut – wenn es denn Blut war – bildete eine dünne Spur, die ins Gras auf der anderen Seite der Straße führte. Ich sah eine Stelle mit flach gedrückten Halmen. Vielleicht war das Tier dort aufgekommen.

Das Gras war vollkommen platt und hatte noch nicht begonnen, sich wieder aufzurichten. Es musste ein ordentlicher Aufprall gewesen sein. Oder ein sehr großes Tier. Doch wo war es? Ich ging weiter ins Gras hinein, um es zu suchen. Dabei stolperte ich über etwas.

Ich fing mich mit einer Hand auf dem Boden ab und drehte mich um. Hinter mir war nichts, über das man hätte stolpern können. Kein Stein, kein Stock, kein achtlos entsorgter Fahrzeugschrott.

Ich ging übertrieben langsam zurück, wobei ich darauf achtete, den vorderen Fuß erst zu belasten, sobald er den Boden berührte. Beim zweiten Schritt stieß ich mit der Schuhspitze gegen … irgendetwas.

Verwirrt starrte ich auf meinen Fuß hinab, der von leerer Luft blockiert zu werden schien. Ich drückte ein bisschen fester gegen das unsichtbare Etwas und spürte, wie es ein wenig nachgab. Ich zog den Fuß langsam zurück. Meine Gedanken begannen zu rasen. Es gab eine alte Akte-X-Folge, in der sich ein Typ wünschte, unsichtbar zu sein, und … Obwohl ich allein war, verdrehte ich die Augen. Ich hatte es ganz sicher nicht mit einem Dschinn zu tun. An so etwas glaubten nur Verrückte.

Rasch griff ich nach meinem Handy. Ich musste unbedingt ein Foto machen …

Wovon, Knallkopf? Von der Luft? Ojemine, der arme Jack. Seit er von der Uni geflogen ist, ist er nicht mehr ganz richtig im Kopf.

Kopfschüttelnd beugte ich mich vor, um das unsichtbare Objekt zu betasten – und zog sofort die Finger wieder zurück. Es hatte ein Fell. Und Dinger mit Fell besaßen oft auch Zähne und Krallen. Vielleicht sollte ich besser mit einer behutsameren Untersuchungsmethode beginnen. Ich schob den Staub am Straßenrand zu einem ordentlichen Haufen zusammen, nahm zwei Handvoll und bestreute damit vorsichtig den Körper. Oder was immer es war.

Der Staub kam auf etwas zu liegen. Ich war mir sicher, Fell, einen Kopf sowie Arme auszumachen … Aus irgendeinem Grund schien der Staub vom Körper absorbiert zu werden. Vielleicht verschwand er aber auch einfach nur. Möglicherweise wirkte sich, was immer den Körper unsichtbar machte, auch auf den Staub aus.

Mit zwei weiteren Handvoll Staub gelang es mir, den groben Umriss des Körpers nachzuzeichnen. Buchstäblich. Der Sand, der nicht auf dem Körper gelandet war, bildete eine Art Kreideumriss, wie ihn Cops an Tatorten hinterließen.

Das Ding war groß.

Da der Körper nicht ausgestreckt lag, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, wie lang er war, aber er schien mehr als zwei Meter zu messen. Ich selbst bin knapp zwei Meter groß und daran gewöhnt, alle anderen zu überragen, doch diese Kreatur hätte mir ohne Weiteres auf den Kopf spucken können.

Der lange Rumpf und die vergleichsweise kurzen Beine deuteten allerdings nicht auf einen aufrechten Gang hin. Außerdem war das Wesen im Unterschied zu mir nicht gerade eine Bohnenstange. Ich schätzte, dass es rund fünfzig Kilo mehr auf die Waage brachte als ich.

Erneut begann ich mit meinen Atemübungen. Ohne mich auf irgendetwas Bestimmtes zu konzentrieren, nahm ich die warme Luft, das rhythmische Summen der Insekten und den einzelnen Schweißtropfen wahr, der mir den Rücken herabrann. Als ich mein Herz nicht mehr schlagen hörte, zog ich das Handy aus meiner Hüfttasche.

Ich versuchte, eine Nachricht zu schreiben, tippte ein paar Worte, löschte sie hektisch wieder und tippte erneut. Schließlich gab ich mit einem gemurmelten Fluch auf. Das hier ließ sich nicht mit ein paar kurzen Sätzen beschreiben. »Siri«, sagte ich mit einem flauen Gefühl im Magen, »ruf Patrick an.«

»Ich rufe Patrick an«, erwiderte das Handy.

»Hi. Sie haben Patrick Jordan erreicht. Wahrscheinlich gehe ich nicht ran, weil ich nicht mit Ihnen sprechen will. Wenn Sie möchten, können Sie gerne eine Nachricht hinterlassen.«

Ich musste unwillkürlich kichern. Diese Ansage regte jeden auf, der sie hörte. Was, wie Patrick freimütig zugab, auch ihr Sinn war. Obwohl er eine ziemliche Nervensäge sein konnte, waren wir seit unserer frühesten Kindheit miteinander befreundet. Zusammen mit Natalie waren wir die drei Musketiere. Einer für alle und – laut Patrick – alle für ihn.

»Patrick, hier spricht Jack. Es ist etwas passiert. Etwas sehr Schräges. Ruf mich sofort an, wenn du das hier abhörst.«

Ich steckte das Handy wieder ein und ging in die Hocke, um den Kadaver zu untersuchen. Moment mal … War es überhaupt tot? Was, wenn dieses Wesen nur verletzt und bewusstlos war? War es bissig? Hatte es spitze Zähne oder Stacheln?

Ich nahm eine weitere Handvoll Staub und begann, das Geschöpf damit zu berieseln. Diesmal ging ich jedoch methodischer vor und betrachtete aufmerksam jeden für einen kurzen Moment in Erscheinung tretenden Köperteil. Als ich die Brust lokalisiert hatte, legte ich eine Hand darauf. Keine Bewegung. Keine Atmung. Kein Herzschlag. Doch was sagte das schon aus? Ich wippte auf den Fußballen und betrachtete den, äh … nun ja, die Stelle, an welcher der Köper eigentlich zu sehen hätte sein müssen.

Es war kein Mensch. Es war kein Tier. Es war nicht …

Schaudernd gestand ich es mir endlich ein.

Diese Kreatur stammte nicht von der Erde. Außer es handelte sich um Bigfoot, was die Sache allerdings auch nicht besser gemacht hätte.

Oder Chewbacca. Warum nicht? Wenn man erst mal an einen unsichtbaren Außerirdischen zu glauben bereit war, schien alles möglich.

Demnach hatte ich also gerade ein Alien getötet. Großartig. Aber was hatte es hier mitten im Nichts gesucht? Und wieso war es nicht klug genug gewesen, um unversehrt die Straßenseite wechseln zu können?

Ich blickte in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war. Chewie hatte sich eine ausgesprochen schlechte Stelle ausgesucht, um die Poller Road zu überqueren. Die Kurve war eng, ein bisschen unübersichtlich und so stark geneigt, dass so gut wie jeder sie mit überhöhter Geschwindigkeit durchfuhr. Chewie hätte schon ein Känguru sein müssen, um noch rechtzeitig ausweichen zu können.

Das war alles sehr interessant, änderte aber nichts daran, dass ein totes Alien vor mir lag. Was sollte ich also tun? Die Polizei rufen? Oder Dad anrufen? Was im Grunde ein und dasselbe war, da mein durch und durch gesetzestreuer Vater bestimmt als Erstes die Cops verständigen würde. Und dann würde E.T. nach Roswell oder zur Area 51 oder in das Lagerhaus geschafft werden, in dem sie die Bundeslade aufbewahrten, und damit wäre die Sache für mich gelaufen. Sämtlichen einschlägigen Filmen zufolge würden die Behörden alles geheim halten, und ich würde niemals herausfinden, was das für eine Kreatur war.

Das würde ich auf keinen Fall tun. Zumindest nicht gleich. Nicht, solange ich nicht wenigstens ein paar Fotos geschossen hatte.

Aber davor musste ich noch meine Lieferungen erledigen. Immer schön locker bleiben und nicht von der Routine abweichen. Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Ich betrachtete einen Moment lang versonnen die Stelle im Gras und überlegte, was zu tun war. Dann ließ ich den Transporter an und stellte ihn so neben die Straße, dass sich die absenkbare Ladebordwand neben dem, äh … Sasquatch befand. Hm, nein. Sasquatchs gab es – wenn überhaupt – nur an der Nordwestküste oder in Kanada.

Trotz meiner kurzen medizinischen Untersuchung von vorhin war ich nicht komplett davon überzeugt, dass das Geschöpf tatsächlich tot war, und machte mir weiterhin Sorgen über eventuelle scharfe oder spitze Körperteile. Ich zog einen großen Schraubenschlüssel hinter dem Fahrersitz hervor und stieß – den Arm möglichst weit ausgestreckt, um außer Reichweite zu bleiben – den Körper damit an. Zuerst vorsichtig und dann immer nachdrücklicher. Nichts. Ich tastete herum, bis ich einen Arm fand, den ich anhob und wieder fallen ließ. Er war leblos.

Okay. Ob tot oder nicht, dieses Wesen war auf jeden Fall komplett außer Gefecht gesetzt.

Ich senkte die Ladebordwand in eine horizontale Position ab und sprang hinauf. Anschließend schob ich das Rolltor auf, holte den Palettenheber aus dem Wageninneren und warf eine leere Palette mitsamt Abdeckplane auf die pneumatischen Hubarme.

Nachdem ich alles zum Boden hinuntergelassen hatte, machte ich mich daran, den Körper in die Plane einzuwickeln. Er wog wie erwartet mindestens hundertzwanzig Kilo und verfügte über keinerlei Spannung, was den ganzen Prozess sehr mühsam und frustrierend gestaltete. Doch schließlich hatte ich eine Art Bigfoot-Burrito vor mir liegen.

Ein paar weitere Minuten voller Flüche später war der Burrito am vorderen Ende der Ladefläche verstaut und damit außer Sicht – außer man suchte gezielt danach.

Nun hatte ich nur noch die letzten beiden Lieferungen vor dem Wochenende vor mir. Danach würde ich mich zwar noch mit meinem Vater wegen des Unfalls auseinandersetzen müssen, doch ich konnte ehrlich behaupten, dass ich nichts gesehen und keine Ahnung hatte, wogegen ich geknallt war.

Kapitel 2

Bigfoot-Burrito

Als ich gerade Mrs. Kirbys Lieferung mit dem Hubwagen auf ihrem Garagenboden abstellte, klingelte mein Handy. Ich bedachte sie mit einem entschuldigenden Achselzucken und zog das Handy aus der Tasche. Auf dem Display stand Patrick Jordan. Ich nahm den Anruf entgegen. »Hi Patrick, ich rufe dich in fünf Minuten zurück«, sagte ich, bevor er ein Wort herausbringen konnte, und legte sofort wieder auf.

Ich zwang mich zu einem echten Lächeln, während ich Mrs. Kirby die Rechnung reichte. Sie unterzeichnete sie erstaunlich schwungvoll für eine Frau, die sich noch daran erinnern konnte, wie das erste Automobil nach Dunnville gekommen war.

»Heckst du mit Patrick schon wieder irgendwas aus?«, fragte sie.

»Das will ich hoffen«, erwiderte ich lachend. Mrs. Kirby war eine alte Freundin meiner Familie und so etwas wie eine Tante für mich. Zum Glück hatte ich daran gedacht, rückwärts in ihre Einfahrt zu fahren, sodass sie den Schaden am Transporter nicht sehen konnte. Sie hätte ihn bestimmt meinem Vater gegenüber erwähnt, und ich wollte nicht, dass er in der Scheune auftauchte, bevor ich meine Spezialfracht ausladen konnte.

Sobald ich wieder hinter dem Steuer saß, zog ich das Handy heraus und drückte auf Wahlwiederholung. Patrick nahm beim ersten Klingeln ab.

»Nett. Echt nett. Erst machst du mir mit deiner mysteriösen Nachricht die Zähne lang, und dann lässt du mich schmoren. Erkläre mir in einem Wort oder weniger, was mich davon abhalten sollte, sofort wieder aufzulegen.«

»Aliens.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Schon mal nicht schlecht. Und jetzt bitte mehr Wörter.«

Ich warf einen Blick in den Außenspiegel, um sicherzugehen, dass Mrs. Kirby außer Hörweite war. »Oder vielleicht Bigfoot. Ich weiß es nicht. Sag mal, hast du Mehl zu Hause?«

»Okay, Kumpel, dir ist offensichtlich eine Ader im Hirn geplatzt«, erwiderte Patrick. »Wozu soll ich Mehl haben? Wozu brauchst du Mehl? Wer verwendet überhaupt Mehl und wofür?«

»Für das unsichtbare Alien. Oder Bigfoot. Oder Chewbacca.«

Erneutes Schweigen, gefolgt von einem Seufzer. »Okay. Du bist noch verrückter als ich. Wo und wann?«

»In der Scheune. Ich habe gerade meine letzte Lieferung erledigt. In fünfzehn Minuten?«

»Okay. Bis gleich.«

Das war besser gelaufen, als ich zu hoffen gewagt hatte. Patrick glaubte garantiert, ich wollte ihm einen Streich spielen, und machte nur mit, um zu sehen, was dabei herauskommen würde.

In diesem Fall bestand der Witz jedoch darin, dass es kein Witz war.

Ich fuhr langsam um das Haus herum zur Scheune auf dem hinteren Feld. Das Kernigan-Anwesen war früher einmal eine große und wohlhabende Farm gewesen, wovon sowohl das mehrstöckige Wohnhaus mit der umlaufenden Veranda als auch die riesige Scheune zeugten. Im geöffneten Zustand boten die Schiebetore genügend Platz, um gleichzeitig mehrere landwirtschaftliche Geräte nebeneinander heraus- und hineinzufahren. Und die Scheune selbst war beinahe geräumig genug, um unser gesamtes Haus darin aufzunehmen.

Heutzutage war das natürlich nur noch Platzverschwendung. Die Scheune bunkerte ein paar alte Gerätschaften und Ersatzteile, ein Dutzend Heuballen, die so alt waren, dass jede Kuh bei ihrem Anblick angewidert die Nase gerümpft hätte, und natürlich meine Festung der Einsamkeit.

Ich schob die Torflügel so weit auf, dass der Transporter hindurchpasste, und fuhr vorsichtig rückwärts hinein. Das war zwar ungewöhnlich für mich, da die Tore widerspenstig waren und nur mühsam dazu überredet werden konnten, auf- und wieder zuzugehen. Es war jedoch weniger riskant, als meine Fracht vom Wagen in die Scheune zu schaffen. Wenn Dad etwas davon mitbekäme, würde die außerirdische Leiche schneller in die Obhut der Behörden geraten, als ich »E.T. nach Hause telefonieren« sagen konnte.

Doch solange ich nicht Dads Aufmerksamkeit erregte, würde ich vermutlich sicher sein. Die Scheune war in meiner Jugend mein Lieblingsort gewesen und seit meiner Rückkehr aus dem College zu meiner Zuflucht geworden.

Rückkehr. Welch nettes, neutrales Wort.

Meine Eltern schauten nur selten vorbei, wenn ich mich hier drin verbarrikadierte. Stattdessen schickten sie mir lieber Textnachrichten.

Vor einiger Zeit hatte ich in der Nähe des Eingangs eine Mischung aus Werkstatt und Freizeitraum errichtet und mit ein paar gemütlichen Sesseln, einer schweren, mehr als sechs Meter langen Werkbank mit Schränken und Schubladen unter der Arbeitsplatte sowie ein paar kleinen Annehmlichkeiten wie einer Mikrowelle und einem Fernseher ausgestattet. Im Laufe der Jahre hatte ich hier viele glückliche Stunden mit Patrick und Natalie verbracht. Wenn ich an diese schöne und deutlich sorglosere Phase meines Lebens zurückdachte, wünschte ich mir in letzter Zeit oft, ich könnte die letzten Jahre zurückdrehen, selbst wenn ich dafür wieder zur Highschool gehen müsste.

Ich schloss die Augen und massierte mir die Schläfen. Ich musste mich konzentrieren, und das ging nicht, wenn ich mich in Selbstmitleid suhlte. Also richtete ich mich auf, holte tief Luft und kämpfte gegen meine zunehmende Nervosität an.

Sobald ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, holte ich mit dem Hubwagen die Palette mit dem Riesen-Burrito aus dem Transporter und stellte sie vor dem Verschlag ab. Anschließend rollte ich den Bigfoot von der Palette runter, wobei ich sorgfältig darauf achtete, ihn nicht auszuwickeln. Die Plane sah aus, als wäre sie um nichts gewickelt. Wahrscheinlich ragten aus beiden Enden unsichtbare Körperteile hervor. Warum war dieses Wesen eigentlich transparent? Handelte es sich dabei um einen natürlichen oder einen technisch erzeugten Effekt? Oder bestand Bigfoot gar aus reiner Energie? Letzteres erschien mir unwahrscheinlich und hätte auch nicht erklärt, wieso Staub verschwand, sobald er mit der Kreatur in Kontakt kam.

Während ich gedankenverloren auf den Burrito starrte, ertönte hinter mir eine Stimme: »Hey, Kumpel. Was hast du da?«

Ich wirbelte herum und sah in Patricks grinsendes Gesicht. Er war knapp einen Meter achtzig groß und hatte rote Haare. Seine Nase, die ihm mal jemand mit einem Fausthieb gebrochen hatte, war leicht schief.

Ich deutete auf die Palette. »Ich habe dir ein Alien versprochen.«

»Und zwar ein unsichtbares. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.«

Ich trat zurück. »Dann pack es mal aus.«

Patrick sah von der Palette zu mir und wieder zurück. Schließlich ging er mit einem spöttischen Lächeln zu dem Burrito, packte das lose Ende der Plane und zog mit beiden Händen daran. »Umpf.«

»Ja, tut mir leid, es ist ziemlich schwer. Warte. Ich helfe dir.«

Wir packten beide die Plane, zählten bis drei und entrollten sie.

Wobei nichts zum Vorschein kam.

»Nicht schlecht«, sagte Patrick. »Und lustig. Wie machst du das? Es sah wirklich so aus, als wäre da …« Er verstummte. Offenbar wurde ihm soeben bewusst, dass die Plane allein nicht so schwer sein konnte. Er ging seitwärts zu einem Ende und tastete mit einem Fuß herum, bis seine Zehen gegen etwas stießen.

Patrick sah mich überrascht an und ging, weiter mit dem Fuß herumstochernd, um das unsichtbare Objekt herum. Als er aufblickte, wirkte er ernsthaft verstört. »Wow, äh … Das ist gar kein Prank, oder?«

»Wenn es einer ist, fallen wir beide darauf herein. Was hältst du davon?«

»Ich? Ich bin doch gerade erst angekommen … Ach ja, und ich habe Mehl dabei.« Er deutete auf eine Einkaufstüte aus Plastik hinter mir. »Ich glaube, ich weiß, was du damit vorhast. Und ich nehme an, dass wir uns keinen unangenehmen Fragen aussetzen wollen, oder?«

»Oder überhaupt irgendwelchen Fragen«, erwiderte ich.

»Apropos. Der Transporter ist ganz schön verbeult. Warst du das?«

»Das war Chewbaccas Schuld und der Grund, weshalb er in die Plane gewickelt war.«

Patrick hob die Brauen. »Wie bitte? Chewbacca?«

»Er hat ein Fell. Glaube ich zumindest. Und er ist groß – und schwer. Außerdem ist sein Oberkörper verhältnismäßig lang. Bisher schwanke ich zwischen Chewbacca und Bigfoot. Wofür ich mich letztlich entscheide, hängt davon ab, ob er einen Schultergurt trägt.«

Patrick nahm lachend die Mehlpackung aus der Tüte und stellte sie neben den Leichnam. Sein Heiterkeitsausbruch klang etwas schrill.

»Was immer dieses Wesen unsichtbar macht, hat auch den Staub verschwinden lassen, mit dem ich es vorhin bestreut habe. Ich bin mir also nicht sicher, wie gut es jetzt funktionieren wird. Aber mit irgendwas müssen wir anfangen.«

Patrick winkte mit seinem Handy. »Lass uns alles aufzeichnen. Vielleicht sehen wir anschließend mehr, wenn wir das Video an den entscheidenden Stellen anhalten.«

Das war eine hervorragende Idee. Ich durchwühlte eine der Schubladen unter meiner Werkbank und zog mein Handystativ hervor. Ein paar Minuten später war Patricks Telefon aufnahmebereit.

»Dann mal los.« Nachdem Patrick die Aufnahme gestartet hatte, stellten wir uns hinter den Körper und bestäubten ihn gründlich mit dem Mehl.

»Heilige Scheiße«, sagte Patrick. Einen Moment lang war ein lang gestreckter Körper zu erahnen gewesen, ehe er gleich darauf mitsamt dem Mehl wieder unsichtbar geworden war.

Ich wischte mir die Hände sauber, klopfte mir etwas verirrtes Mehl aus der Kleidung und stoppte die Videoaufnahme.

Patrick betrachtete unterdessen mit gerunzelter Stirn die Palette. »Wieso werden das Mehl und der Staub unsichtbar, aber nicht die Plane? Oder die Palette?«

Ich zuckte die Achseln. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Wir checken ja noch nicht mal, was die Unsichtbarkeit bewirkt. Vielleicht hat es etwas mit der Masse oder der Größe zu tun.«

Ich reichte Patrick das Handy, und er tippte auf das Display, um das Video zu starten. Sobald die Gestalt maximal gut zu sehen war, hielt er es an und prustete los. »Es ist ein Eichhörnchen. Ein riesiges Eichhörnchen. Ein ganz gewöhnlicher Wildunfall also.« Er lachte so laut, dass er kaum zu verstehen war.

Ich spürte, wie ich rot wurde, und beschloss, nicht auf seine Bemerkung einzugehen. Als Patricks Schnauben und Japsen endlich verstummte, deutete ich auf das Display. »Ausrüstungsgürtel.«

Patrick gluckste. »Na ja, immerhin ist es kein Schultergurt.«

»Ein Rieseneichhörnchen ist so oder so kein Chewbacca«, erwiderte ich.

»Findest du? Na los, lass uns versuchen, den Gürtel abzubekommen.«

»Das werde ich auch aufzeichnen«, sagte ich und befestigte Patricks Handy erneut auf dem Stativ.

Anschließend knieten wir uns links und rechts von der Palette hin.

»Äh«, sagte Patrick. »Es ist wirklich tot, oder?«

»Nein, es ruht sich nur aus.«

Patrick lächelte zögerlich. »Also gut. Dann wollen wir mal.«

Wir fanden den Gürtel schnell. Er war offensichtlich das einzige Kleidungsstück des Außerirdischen. Kurz malte ich mir aus, wie ich aus Versehen seine Genitalien begrapschte, und musste ein Schaudern unterdrücken.

»Kannst du eine Schnalle finden?«, fragte Patrick.

»Nein. Es ist … Moment.« Ich schloss die Augen. »Es ist einfacher, wenn ich nichts sehe. Dann muss ich nicht gegen meine Sinneseindrücke ankämpfen.« Ich tastete den Gürtel rundherum ab, bis ich schließlich etwas fand, das sich wie ein Verschluss anfühlte. Ein Druck, eine Drehbewegung, und er war offen.

Als die beiden Enden des Gürtels auseinanderfielen, wurde der Leichnam schlagartig sichtbar. Unter einer Schicht aus Staub und Mehl lag in verdrehter Haltung ein rund zwei Meter zehn großes Wesen auf der Palette. Sein Schweif war zwar nicht buschig genug, doch sein Gesicht und die kräftigen kurzen Hinterbeine erinnerten tatsächlich stark an ein Eichhörnchen. Das Fell, das die Kreatur von Kopf bis Fuß bedeckte, war an manchen Stellen grau, an anderen hellgelb.

Patrick deutete auf den Kopf. »Das sieht nicht gesund aus.«

Ich folgte seinem Blick und musste ihm zustimmen. Der Schädel war teilweise eingedrückt. Ob vom Aufprall oder der anschließenden Landung, war nicht zu erkennen. Allerdings spielte es auch keine Rolle. Tot ist tot, und kein von der Erde stammendes Wesen hätte solch eine Kopfverletzung überlebt. Wenn Chewbaccas Gehirn nicht woanders saß, war er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Leben geschieden.

Ich musterte den restlichen Körper. »Das hier auch nicht.« Ich deutete auf eine seiner Hüften, die vollkommen zermalmt zu sein schien. Beide Wunden waren blutverkrustet.

Patrick drückte einen Arm. »Keinerlei Muskelspannung, und der Körper hat ungefähr Raumtemperatur.«

»Außerdem hat es sich seit Stunden nicht bewegt und auch keinen Mucks von sich gegeben.«

Patrick hielt dem Alien eine Hand vor das Gesicht. »Kein Atem. Da er ein Außerirdischer ist, sollten wir zwar keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber der hier ist ziemlich sicher tot.«

Ich ließ mich langsam auf den Boden sinken. »Und der Gürtel zeugt von Intelligenz. Was bedeutet, dass ich gerade einen interstellaren Besucher getötet habe. O Mann!«

»Heute scheint wirklich nicht dein Tag zu sein. Aber es war ein Unfall. Er, äh, es war unsichtbar. Daraus kann dir niemand einen Strick drehen.«

Ich lächelte ihn unsicher an. »Das hängt wahrscheinlich ganz davon ab, ob seine Spezies eher Vulkaniern oder Klingonen ähnelt.«

»Wo wir schon davon sprechen, wo sind sie?«, fragte Patrick. »Niemand hat versucht, ihn … es anzufunken. Und es ist auch niemand aufgetaucht, um uns eine Belohnung anzubieten oder uns zu vaporisieren. Müsste sein Tod nicht irgendeine Reaktion auslösen? Einen Suchtrupp oder etwas in der Art?«

»Hmm. Wir müssen uns vor übereilten Schlüssen hüten, aber ja, man sollte eigentlich annehmen, dass es für die Entführung oder den Tod eines Besatzungsmitglieds irgendein Prozedere gibt.«

»Vielleicht war er allein«, gab Patrick zu bedenken.

»Ein einsamer Forscher? Das kommt mir unwahrscheinlich vor, aber …«

»Aber wie du schon gesagt hast«, fiel Patrick mir ins Wort, »wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.«

Ich lächelte. »Ja, genau. Mal sehen, was wir noch herausfinden können. Hilf mir, den Gürtel unter ihm rauszuziehen …« Mit vereinten Kräften schafften wir es, den Körper des Außerirdischen lange genug anzuheben, um den Gürtel freizubekommen, und ich trug ihn zur Werkbank.

Der Gürtel und seine verschiedenen Anbauteile stellten eine echte technische Meisterleistung und gleichzeitig ein Kunstwerk dar. Die vorherrschende Farbe, ein metallisches Rotkehlchen-Blau, war mit filigranen dunkelroten Akzenten durchsetzt. Die Anbauteile wiesen nur wenige scharfe Kanten, dafür umso mehr asymmetrische Rundungen auf. Sie sahen fast viktorianisch aus. Oder nach Steampunk. Und ein paar von ihnen schienen abnehmbar zu sein.

Mit wenigen Handgriffen fanden wir heraus, welche Gegenstände angeklemmt und welche fest verbaut waren. Es gab vier kleine Geräte, die unabhängig vom Gürtel betrieben werden konnten, und zwei Schaltflächen, die sich nicht entfernen ließen.

Eins der Teile verfügte über einen Schieberegler, der offenbar in drei verschiedenen Stellungen arretiert werden konnte. Sie waren rot, violett beziehungsweise blau gekennzeichnet. Es gab außerdem einen Knopf, der mit einem Symbol versehen war. »Sieh dir das mal an«, sagte ich. »Divergierende Linien. Stehen die für Dusche an, Dusche aus?«

»Und was haben die Farben zu bedeuten?«, erwiderte Patrick. »Abgesehen von dem merkwürdig platzierten Duschknopf erinnert es mich an eine Pistole.«

»Vielleicht passt es ja in die Hand des Aliens. Das sollten wir überprüfen.«

»Ah ja«, sagte Patrick und hielt einen zweiten Gegenstand in die Höhe. »Das da scheint ein kleines Display zu haben, außerdem Knöpfe mit nach unten und oben zeigenden Pfeilen und welche, die mit V und I beschriftet sind. Ich bezweifle allerdings, dass damit die Buchstaben aus unserem Alphabet gemeint sind. Chewbacca wusste bestimmt, was sie bedeuten. Und da ist eine Art Gitter, die ein Lautsprecher oder Mikrofon sein könnte. Ist das ein Kommunikator?«

»Hmm. Das da hat nur einen Bildschirm. Ohne Kontrollen.«

»Vielleicht ist es ein Touchscreen.«

Ich nickte langsam. »Er ist größer als der am anderen Gerät.«

»Dieses hier hat auch nur einen Touchscreen«, sagte Patrick. »Aber das ganze Gerät ist größer.«

»Und das letzte hat ein kleineres Display und wieder einen V- und einen I-Knopf. Ich frage mich, ob sie zum An- und Ausschalten da sind.«

»Kann gut sein, aber welcher ist welcher? Und die wichtigste Frage überhaupt: Wollen wir einen von ihnen drücken?«

Ich betrachtete die Geräte. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass eins von ihnen eine Atombombe ist. Ich glaube nicht, dass wir uns damit umbringen können. Aber was, wenn es sich bei einem um einen Panikknopf oder ein Kommunikationsgerät handelt? Wollen wir wirklich die Kumpels dieses Wesens herbeirufen, damit sie uns über seiner Leiche stehen sehen?«

»Ha.« Patrick schüttelte den Kopf. »Guter Punkt. Ich bin dagegen.«

Eine Stimme unterbrach uns. »Was zum Teufel ist das denn?«

Patrick und ich wirbelten gleichzeitig herum.

Natalie.

Ich kannte sie beinahe genauso lange wie Patrick, also schon fast mein ganzes Leben. In der Schule war Natalie häufig als Eichhörnchen unter Koffeineinfluss bezeichnet worden. Der Vergleich war nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Sie war rund einen Meter fünfzig groß und drahtig. Niemand hätte ihre körperliche Erscheinung als einschüchternd beschrieben, doch sie konnte schneller laufen, höher klettern und wilder fluchen als die meisten anderen Menschen, und sie hatte vor nichts und niemand Angst. Ihren Spitznamen »Mighty Mouse« hatte sie sich redlich verdient.

Außerdem verfügte sie, wie ein Trottel an der Junior High mal am eigenen Leib hatte erfahren müssen, über einen blitzschnellen linken Haken.

Während der Highschool waren wir mehrmals miteinander gegangen, hatten uns über kurz oder lang aber immer wieder für eine freundschaftliche Beziehung entschieden. Ich glaube, dass ich nie nicht in sie verknallt gewesen war, doch ohne romantische Verstrickungen schienen wir besser miteinander auszukommen. Irgendwann hatte ich beschlossen, lieber eine lebenslange Freundschaft als ein kurzes Techtelmechtel mit Nat zu haben.

Seit der Sache mit dem MIT hatte ich ihr nicht mehr in die Augen schauen können und gemerkt, dass ich ihr aus dem Weg ging. Ich hatte mich ein paarmal ziemlich verkrampft mit ihr unterhalten. Natalie schien das alles nicht viel auszumachen. Mir dagegen war es peinlich, wie ich sie behandelte, was nur dazu führte, dass ich sie noch mehr mied.

Patrick lächelte sie breit an. Er stand nicht kurz vor dem Rauswurf aus seinem Traum-College und war unverändert eng mit ihr befreundet.

»Oh, äh, hi, Nat«, murmelte ich und blickte zur Seite. Gut gemacht, Jack, dachte ich. Wirklich sehr erwachsen von dir.

»Komm mir nicht mit Hi, Nat«, erwiderte sie und streckte den Zeigefinger aus. »Was ist das da?«

»Chewbacca.«

»Ja, klar.« Sie inspizierte den Leichnam. »Chewbacca hat keinen Schwanz. Das da sieht mehr nach einem Eichhörnchen aus. Woher habt ihr es?«

Patrick stieß ein heiseres Lachen aus. »Hast du die Front des Transporters gesehen?«

Natalie sah mich mit großen Augen an. »Du hast ein riesiges Eichhörnchen überfahren?«

»Alles deutet darauf hin.«

Meine nüchterne Antwort löste die Anspannung ein wenig, und wir begannen alle drei zu kichern. Erneut glaubte ich, in Patricks Lachen einen hysterischen Unterton zu hören.

»Hast du deswegen meine Nachrichten nicht beantwortet?«

Ich seufzte und senkte einen Moment lang den Blick. »Nein. Hör mal, es tut mir leid. Es fällt mir gerade schwer, anderen unter die Augen zu treten. Diese MIT-Sache …«

»O Mann, Jack«, schnitt Nat mir das Wort ab. »Denkst du wirklich, dass ich die Anschuldigungen glaube? Dafür kenne ich dich viel zu gut. Früher oder später wird sich alles aufklären. Wart’s nur ab.«

So war Natalie schon immer gewesen. Wenn sie auf deiner Seite stand, dann mit Haut und Haaren.

»Die drei Musketiere«, sagte ich.

»Ganz genau«, erwiderte sie. »Einer für alle …«

»Und alle für mich«, beendete Patrick den Ruf mit seinem Standardsatz, worauf Nat und ich pflichtschuldig lachten.

»Stalkst du mich?«, fragte ich.

»Hast du etwa ein Problem damit? Gut, dass ich es getan habe. Ihr scheint völlig überfordert zu sein.«

»Moment mal, wie kommst du denn darauf?«, fragte Patrick.

Nat deutete auf den Leichnam. »Na, wie wohl? Dann lasst uns über den Wookie im Raum sprechen …«

Ich griff nach meinem Bürostuhl mit den Rollen, ließ mich darauf fallen und erzählte ihr alles.

Als ich fertig war, dauerte es fast eine Minute, bis Nat langsam den angehaltenen Atem entweichen ließ. »Wow. Wenn du schon mal Mist baust, dann aber wirklich volle Kanne. Und bist du sicher, dass das Wesen intelligent ist?«

»Es hatte einen Gürtel mit lauter Technikkram.« Ich deutete auf die Gegenstände auf der Werkbank.

Natalie ging hinüber und nahm sie in Augenschein. »Was willst du nun tun?«, fragte sie und betrachtete eins der Geräte bedächtig von allen Seiten.

»Hä?«

»Du hast ein totes Alien in deiner Scheune. Können wir uns darauf einigen, dass das nicht normal ist? Was werden wir also tun? Sollen wir ihn für wissenschaftliche Untersuchungen freigeben? Die Cops rufen? Den Ancient-Aliens-Typen mit der seltsamen Frisur vom History Channel anrufen?«

»Das wäre alles vernünftig.« Ich sah von Patrick zu Natalie und schließlich zu dem Leichnam. »Bis auf den Anruf bei dem Aliens-Typen, meine ich. Aber nein. Wir werden nichts dergleichen unternehmen.«

Patrick lachte. »So kenne ich dich.«

Ich deutete auf die Gegenstände auf der Werkbank. »Wenn dieses Ding wirklich ein E.T. ist …«

»Was die wahrscheinlichste Hypothese zu sein scheint«, erwiderte Natalie. »Aber mal ernsthaft: Warum hast du nicht die Cops gerufen? Oder das Militär? Oder sonst irgendwen?«

»Das werde ich schon noch tun«, sagte ich. »Zumindest rede ich mir das ein. Aber wenn ich es mache, ist alles vorbei. Ich werde garantiert nicht zu der Taskforce eingeladen, die dieses Wesen studiert. Es ist ein E.T., Nat. Wir haben diese eine Chance, Geschichte zu schreiben. Das ist wahrscheinlich ein bisschen selbstsüchtig von mir, aber ich will es nicht aus der Hand geben, bevor ich irgendetwas darüber herausfinde.«

Patrick nickte. »Dem schließe ich mich an.«

»Auuuuußerdem«, fuhr ich fort. »Wenn es ein Alien ist, hatte es möglicherweise ein Raumschiff. Oder einen Wurmloch-Generator. Oder eine Zeitmaschine. Oder ein Dimensionsportal. Oder irgendwas noch Bizarreres. Und ich wette, mit einem dieser Geräte können wir uns Zugang dazu verschaffen.«

»Vorausgesetzt, dass wir es finden«, erwiderte Patrick. »Ich meine, das Alien war unsichtbar. Und soweit ich weiß, hat niemand von einer fliegenden Untertasse berichtet, die auf irgendeinem Feld parkt.«

»Dann werden wir also das gesamte County nach einem unsichtbaren Raumschiff absuchen?«, fragte Natalie.

»Wir?«, erwiderten Patrick und ich wie aus einem Mund.

»Was denn? Glaubt ihr etwa, ich gehe unverrichteter Dinge nach Hause, während ihr beiden eine fliegende Untertasse aufstöbert?« Sie sah uns finster an. »Was ist mit den drei Musketieren, ihr Arschlöcher?«

Patrick und ich grinsten uns an. Der Versuch, Nat von einem Entschluss abzubringen, war, als würde man sich mit ausgestreckten Armen vor einen heranrasenden Zug stellen.

»Wenn ich schon den Rest meines Lebens in diesem Kaff versauern muss, möchte ich vorher wenigstens noch ein großes Abenteuer erleben. Und vielleicht steht uns genau das jetzt bevor.«

»Ich weiß nicht«, entgegnete Patrick. »Das hört sich ziemlich riskant an.«

Nat und ich verdrehten die Augen. Uns konnte Patrick nichts vormachen. Von uns dreien war er stets der Erste gewesen, der den Sprung ins kalte Wasser wagte.

Nat stemmte die Fäuste in die Hüften und sah auf den toten Außerirdischen hinunter. »Also? Was machen wir als Nächstes?«

Ich hielt den Leichnam unter den Armen gepackt und Patrick an den Füßen, während Nat den Deckel der Tiefkühltruhe aufhielt.

»Der Typ ist echt schwer«, ächzte Patrick.

»Hör auf zu jammern. Du hast das leichtere Ende.« Ich hievte das Wesen über die Kante und ließ es in die Truhe gleiten.

Nat ließ den Deckel zuknallen. »Ich kann es nicht fassen, dass wir es wie Mafiosi in eine Kühltruhe stopfen.«

»Wir könnten es stattdessen auch in die Kühlkammer von Patricks Vater bringen«, schlug ich vor.

»Auf gar keinen Fall, Alter. Mein Dad würde es innerhalb eines Tages dort finden. Er spürt es aus mehreren Meilen Entfernung, wenn die Tür zur Kühlkammer aufgeht. Und er weiß auswendig, was sich alles darin befindet.«

Nat schnaubte. Die ganze Stadt machte sich über Mr. Jordans berüchtigte Knauserigkeit lustig.

»Und außerdem«, fuhr Patrick fort, »würde er den Kadaver womöglich zerteilen und als Schweinefleisch verkaufen.«

Nat deutete auf die Kühltruhe. »Könnte er da drin entdeckt werden?«

»Ich glaube, Mom und Dad wissen gar nicht, dass wir die Truhe noch haben«, erwiderte ich. »Ich sollte sie eigentlich entsorgen, bin aber nie dazu gekommen.« Ich klopfte auf die Oberseite. »Der Deckel wollte nicht aufbleiben. Nachdem er Mom zweimal auf den Kopf geknallt ist, hat sie darauf bestanden, dass die Truhe ersetzt wird.« Ich zeigte auf ein paar Heuballen im hinteren Bereich der Scheune. »Am besten bringen wir sie dort hinüber, wo niemand sie sehen kann. Ich werde ein Verlängerungskabel besorgen.«

»Was, wenn es nicht tot ist?«, fragte Natalie. »Und wir es erst durch das Einfrieren umbringen?«

Patrick schüttelte den Kopf. »Vergiss nicht seinen zerschmetterten Schädel. Es bewegt sich nicht, atmet nicht, und sein Körper ist abgekühlt. Ich bin mir sehr sicher, dass da nichts mehr zu machen ist.«

»Na schön«, sagte Natalie. »Und was jetzt?«

Ich dachte kurz nach. »Morgen ist Samstag. Wir können also das ganze Wochenende lang suchen. Davor muss ich aber noch meinem Dad von dem Unfall erzählen. Wobei ich allerdings das eine oder andere Detail verschweigen werde. Während der Lieferwagen in der Werkstatt ist, werde ich mir wahrscheinlich ein paar Tage lang seinen Buick ausleihen müssen.«

Patrick grinste mich an. »Super. Dann kann ich die ganze Zeit Opa-Witze über dich reißen.«

»Danke, Patrick. Ich weiß deine Unterstützung sehr zu schätzen.«

Er begann zu lachen. »Komm schon, Alter, dieses Auto ist wirklich das uncoolste Gefährt der Welt. Du solltest dir vielleicht eine Baseballkappe besorgen und tief in die Stirn ziehen. Oder eine Sturmhaube.«

Jetzt lächelte auch Nat. »Ich habe eine Tante, mit der ich dich verkuppeln könnte, Jack. Mint Juleps neben dem Shuffleboard-Feld, lange Abende, an denen ihr eure Einreibemittel miteinander vergleicht …«

»Haltet die Klappe!« Ich setzte meine beste finstere Miene auf und streckte die Hände nach ihren Hälsen aus.

Sie liefen lachend vor mir davon, und einen kurzen Moment lang war es, als wären wir wieder an der Highschool, und die ganze Zukunft läge noch immer offen vor uns. Als wäre noch nicht alles den Bach runtergegangen.

Kapitel 3

Schatzsuche

Tag 2. Samstag Morgen

Es kam genauso, wie ich es vorhergesagt hatte. Dad inspizierte den Schaden am Transporter mit einer Mischung aus Kränkung und Enttäuschung. Mir wäre es fast lieber gewesen, wenn er mich stattdessen angeschrien hätte. Dann wäre es wenigstens schnell vorbei gewesen. Seit meiner Rückkehr aus dem College behandelte er mich wie ein rohes Ei und gab mir das Gefühl, eine Art Invalide zu sein.

Obwohl mein Vater früher bei den Special Forces gedient hatte, war er ein ruhiger und nachdenklicher Zeitgenosse, den man nur schwer auf die Palme bringen konnte. Dennoch war es besser, ihn nicht zu provozieren.

»Und du hast wirklich keine Idee, was das war, Jack?«

»Nein, Dad. In der Umgebung war nichts. Ich nehme an, es war ein Tier, vielleicht ein Hirsch, der nach dem Aufprall weggerannt ist.«

Er berührte das demolierte Blech. »Das ist ganz schön verbogen, mein Sohn. Wenn dieser Hirsch die Kollision überlebt hat, dann nicht sehr lange.«

»Offenbar lange genug, um sich aus dem Staub zu machen«, antwortete ich gereizt.

Er drehte sich überrascht um. »Ich mache dir deswegen doch keine Vorwürfe, Jack. Weißt du noch, wie ich mit einem Pick-up den Elch plattgemacht habe? Na ja, der Elch würde es vielleicht anders beschreiben. Der Wagen hatte einen Totalschaden. Man könnte es als ein Unentschieden bezeichnen.«

»Aber das ist nachts passiert.« Meine Antwort erstaunte mich selbst. Mein Vater warf mir einen Rettungsring zu, und ich schlug ihn zur Seite.

»Das stimmt, aber Hirsche sind schnell«, sagte er. »Es kann gut sein, dass du ihn nicht gesehen hast, als er auf die Straße gesprungen ist. Der Transporter ist kein Sportwagen, auch wenn du ihn wie einen fährst. Wie auch immer. Du wirst auf jeden Fall eine Weile zu Fuß unterwegs sein oder den Buick nehmen müssen.«

Ich beschloss, besser nichts mehr zu sagen.

Patrick und Natalie trafen erst nach neun Uhr ein. Als ich sie gemeinsam aus seinem Wagen aussteigen sah, wurde ich kurz eifersüchtig, wofür ich mich sofort schämte. Während der letzten beiden Jahre war ich am College gewesen und hatte Natalie mit ihrem kranken Vater zurückgelassen. Seit meiner Rückkehr ging ich ihr aus dem Weg und hatte nicht einmal ihre Nachrichten beantwortet. Ich konnte gewiss keinen Anspruch auf sie erheben. Ehrlich gesagt war ich erstaunt, dass sie überhaupt noch mit mir sprach.

Patrick blieb vor der Tür stehen. »Hey, hast du die Kühltruhe etwa ganz allein umgestellt?«

»Ja, mit dem Palettenheber.«

Wir gingen zu den alten Heuballen im hinteren Bereich der Scheune, hinter denen die Truhe im Halbdunkel stand. Natalie hob den Deckel an und betrachtete den außerirdischen Leichnam. Mittlerweile war sein Fell mit Eis bedeckt. »Das kommt mir noch immer vollkommen unwirklich vor. Habt ihr alles auf Video aufgenommen?«

»Ja, aber ich weiß nicht, ob uns das viel nützen wird«, erwiderte Patrick. »Deepfakes wirken inzwischen so authentisch, dass ein Video gar nichts mehr beweist. Was wir brauchen, ist ein Lichtschwert oder ein Blaster. Wenn du vor den Augen von ein paar Reportern ein Auto in der Mitte durchschneidest, ist dir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gewiss.«

»Noch besser wäre eine fliegende Untertasse«, erwiderte ich.

Patrick kicherte. »Eine, die wirklich fliegt.«

»Also gut. Ich will keinen Rückzieher machen.« Natalie verzog das Gesicht und deutete auf die Leiche. »Aber was wir hier tun, ist moralisch und rechtlich alles andere als einwandfrei.«

»Ich weiß, Nat. Wir werden das Alien in ein oder zwei Tagen an die Behörden übergeben – egal, ob wir bis dahin ein Raumschiff gefunden haben oder nicht.« Ich sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Und wir werden uns damit abfinden, dass wir danach nie mehr was von der Sache hören.«

Natalie presste die Lippen zusammen. »Hey, halt mir keine Vorträge, Kumpel. Du kannst dich auf dein Ingenieursexamen freuen, mehr oder weniger, und Patrick wird seinen Familienbetrieb übernehmen. Ich bin diejenige, die in dieser Stadt verrotten und früher oder später an Langeweile sterben wird.«

Natalie hatte immer Betriebswirtschaft studieren wollen. Der Tod ihrer Mutter und die Alzheimer-Erkrankung ihres Vaters hatten ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Noch ein Grund mehr, warum ich mich dafür schämte, wie ich sie behandelt hatte.

»Ich bin mir sicher, dass irgendwer es obduzieren will«, wechselte Patrick das Thema. »Vielleicht sollten wir es an den Höchstbietenden verschachern.«

»Ich glaube, das gehört in die Rubrik moralisch nicht einwandfrei«, erwiderte ich. »Vielleicht sollten wir lieber das Raumschiff verhökern und das tote Alien kostenlos dazugeben.«

»Wie auch immer, Alter. Solange nur viel Geld dabei herausspringt.«

»Also gut.« Ich ging zwischen den Sesseln und dem Beistelltisch hindurch zur Werkbank, zog eine Schublade auf und holte den Ausrüstungsgürtel und die Gerätschaften des Außerirdischen heraus. »Und wie wollen wir es anstellen?«

Patrick runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. »Gute Frage. Wie groß ist unser County? Sechshundert Quadratmeilen? Und wir wissen gar nicht, ob sich das Schiff überhaupt im Taft County befindet.«

»Ich glaube nicht, dass wir lange suchen müssen«, sagte Natalie. »Chewbacca war zu Fuß unterwegs, stimmt’s? Wieso sollte ein Alien am Punkt A landen und dann ewig bis zum Punkt B laufen? Ich wette, dass er weit von seinem Schiff entfernt war, als du … äh …«

»Als er ihn umgebracht hat.«

Ich bedachte Patrick mit einem genervten Blick. »Vielen Dank, mein Freund. Aber du hast wahrscheinlich recht, Nat. Außer er wurde runtergebeamt oder abgesetzt.« Ich machte eine Pause und tippte mir ans Kinn. »Wisst ihr, wenn es kein Schiff gibt, dann ist das eben so. Aber jetzt wollen wir einfach mal davon ausgehen, dass es existiert, und entsprechend planen. Schlimmstenfalls sind wir ein paar Stunden lang umsonst zu Fuß unterwegs. Für den Anfang sollten wir die Umgebung des Unfallorts absuchen.« Ich machte erneut eine Pause. »Wir brauchen eine Karte von dem Gebiet, um die Stellen zu markieren, die wir bereits durchkämmt haben.«

»Ich habe einen Straßenatlas im Auto«, erwiderte Patrick. »Da Jack seine Karre zerstört hat, fahren wir auf jeden Fall mit meiner. In dem Buick würden wir uns alle nur zu Tode schämen. Hast du inzwischen eigentlich schon mit deinem Dad gesprochen?«

»Ja, und es war genauso unangenehm, wie ich es mir vorgestellt habe. Er benimmt sich, als würde ich sofort einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn er einmal die Stimme erhebt.«

Patrick und Natalie sahen mich voller Mitgefühl an, sagten aber nichts.

Wir zwängten uns zu dritt in Patricks Auto, einen alten Plymouth Duster mit Lenkradschaltung und durchgehender Sitzbank. Natalie nahm in der Mitte Platz. Patrick besaß den Duster länger als seinen Führerschein und schaffte es noch immer, Ersatzteile für ihn aufzutreiben, die allerdings nicht alle original waren. Einem Autokenner wäre sofort aufgefallen, dass das Grollen unter der Haube nicht von einem serienmäßigen Slant-Six-Motor stammte.

Die Fahrt zur Poller Road verlief abgesehen von meinen gelegentlichen Routenhinweisen in vollkommener Stille. Wenn ich gerade nicht die Karte studierte, stellte ich mir immer unglaublichere Raumschiffe und Wurmloch-Generatoren vor. Patrick und Natalie gingen zweifellos ganz ähnliche Bilder durch den Kopf.

Patrick parkte am Straßenrand. Auf der rechten Seite verbarg ein mit Bäumen bestandener niedriger Hügel den Blick auf den Stadtrand von Dunnville, das Valley-Einkaufszentrum und das Tate-Gewerbegebiet, in dem Nat arbeitete. Auf der linken Seite säumte ein klappriger Lattenzaun eine spärlich bewaldete Wildwiese.

Trotz der relativ frühen Stunde war es bereits heißer als am Vortag. Selbst der Chor der Zikaden schien eine Siesta eingelegt zu haben. Ich führte meine Freunde zu der Stelle, an der ich den Außerirdischen gefunden hatte, und deutete auf den kaum noch sichtbaren Abdruck im Gras.

»Wo war der Transporter, als du das Alien gerammt hast?«, fragte Patrick.

Ich drehte mich um und ging zwanzig Schritte die Straße entlang. »Ungefähr hier, glaube ich.«

»Du warst also aus der Kurve raus und bist geradeaus gefahren, richtig? Da der Körper auf dieser Straßenseite gelandet ist, muss er von dort gekommen sein.« Patrick deutete zur Wiese. »Dieses Areal sollten wir uns als Erstes vornehmen.«

»Donnerwetter, Patrick«, sagte Natalie. »Du bist ja eine echte Spürnase.«

Patrick deutete eine Verbeugung an, überquerte im Laufschritt die Straße und sprang über den alten Zaun. Wir folgten ihm etwas gemächlicher.

Das strohfarbene Gras stand stellenweise hüfthoch. »Hier kann man sich leicht den Knöchel verknacksen«, mahnte Nat. »Achtet auf Erdhörnchenlöcher.«

»Das Gute an dem Gras ist, dass eine fliegende Untertasse, selbst eine unsichtbare, vermutlich einen Abdruck darin hinterlassen würde«, erwiderte ich.

»Das ist wirklich toll, Jack«, sagte Nat. »Wenn wir einen Helikopter hätten, könnten wir von der Luft aus suchen.«

»Oder eine Drohne«, antwortete ich. »Oh, da fällt mir ein …« Ich bedachte Patrick mit einem finsteren Blick.

Der lachte unbeeindruckt. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir eine neue kaufen werde, wenn ich das Geld zusammenhabe.«

»Hier gibt es viele Bäume«, sagte ich und sah Nat vielsagend an. »Vielleicht kann jemand auf einen klettern und die Umgebung von oben betrachten.«

»Jemand?«, erwiderte sie.

»Na ja, du bist die Leichteste von uns. Und die beste Kletterin.«

Nat nickte widerwillig. Es widerstrebte ihr, wenn jemand ihr etwas vorschreiben wollte, aber sie wusste, dass ich recht hatte. Sie ließ den Blick über die Bäume gleiten und entschied sich für einen der größeren.

Nachdem sie ihn bestiegen hatte, harrte sie ein paar Minuten lang schweigend im Wipfel aus. Patrick und ich wurden immer ungeduldiger.

»Und?«, rief Patrick schließlich hinauf.

Nat sah zu uns herab. »Ich sehe zwei merkwürdig wirkende Stellen. Von hier aus kann ich aber nicht viel über sie sagen. Wir werden sie beide überprüfen müssen. Die erste ist ungefähr hundert Meter in dieser Richtung.«

»Was macht sie denn so besonders?«, rief ich zurück.

»Das Gras scheint dort nicht sehr hoch zu sein. Vielleicht ist es platt gedrückt. Ich kann es leider nicht gut erkennen.«

Mithilfe meines Handy-Kompasses gelang es mir, die fraglichen Stellen einigermaßen akkurat in Google Maps zu markieren.

»Welche sollen wir zuerst überprüfen?«, fragte Patrick, während Natalie vom untersten Ast auf den Boden sprang und sich wieder zu uns gesellte.

Sie legte die Stirn in Falten und strich sich nachdenklich über das Kinn. »Vielleicht … die weniger weit entfernte?«

Patrick ignorierte ihren Sarkasmus komplett und machte sich umgehend auf den Weg. »Gut. Dann lasst uns keine Zeit verschwenden.«

Während wir ihm folgten, sah Nat mich von der Seite an. »Bilde ich es mir nur ein, oder spricht er tatsächlich noch mehr als sonst wie John Wayne?«

»Mich macht völlig fertig, wie motiviert er ist. Ich habe das Gefühl, dass ich diese Suchmission leiten sollte, aber Patrick hat sie praktisch an sich gerissen.«

»Ich glaube, er freut sich doch nicht so sehr darauf, eines Tages die Fleischerei seines Vaters zu übernehmen und für immer hierzubleiben, auch wenn er unbedingt diesen Eindruck erwecken will, Jack. Im Gegensatz zu mir spricht er bloß nicht offen darüber.«

Ich seufzte. »Mittlerweile scheinen wir alle im selben Boot zu sitzen.«

»Ach, komm schon. Deine Probleme mit dem MIT sind nicht schön, aber ich bin mir sicher, dass sie sich bald klären werden.«