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EISKALTE NÄCHTE von KAREN BOOTH Kaufhaus-Erbin Sophie Eden will sich in ihrem Landhaus erholen. Doch als ihre Jugendliebe Jake Wheeler plötzlich auftaucht und ihr mit heißen Küssen den Verstand raubt, fühlt sie sich wie ein verliebter Teenager. Aber womöglich geht es dem attraktiven Investor nur um das Grundstück, auf dem ihr Kaufhaus steht …? SEI TREU UND KÜSS MICH von CANDANCE SHAW „Danke für letzte Nacht.“ Entsetzt liest Blythe die Nachricht auf Prestons Handy. Offenbar hat er die Nacht mit einer anderen verbracht! Dabei hat sie ihm vertraut, seit sie zusammen das Projekt im Kinderkrankenhaus managen. Kann dieser sexy Millionär einfach nicht treu sein? SO VERBOTEN SINNLICH von JESSICA LEMMON Eigentlich hat Stefanie den besten Freund ihres Bruders geheiratet, um einen Skandal zu verhindern – mit einer Zweckehe für ein halbes Jahr. Doch jetzt knistert es heiß, und sie landet mit Emmett im Bett! Woher kommen bloß diese verboten sinnlichen Gefühle?
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Seitenzahl: 578
Karen Booth, Candace Shaw, Jessica Lemmon
BACCARA EXKLUSIV BAND 252
IMPRESSUM
BACCARA EXKLUSIV erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe BACCARA EXKLUSIV, Band 252
© 2018 by Karen Booth Originaltitel: „A Christmas Temptation“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Katja Wagner Deutsche Erstausgabe 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 2112
© 2016 by Carmen S. Jones Originaltitel: „A Chase for Christmas“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susann Rauhaus Deutsche Erstausgabe 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA COLLECTION, Band 400
© 2018 by Jessica Lemmon Originaltitel: „A Christmas Proposition“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein Deutsche Erstausgabe 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA COLLECTION, Band 412
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751523295
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Karen Booth
Der Eden’s Department Store bot eine riesige Auswahl an Waren, aber Sophie Eden begann ihren Arbeitstag immer in der Schuhabteilung. Dort begutachtete sie die Neuware und hielt mit dem Verkaufspersonal ein Schwätzchen. Sie widmete ihrer Inspektionsrunde oft zehn bis fünfzehn Minuten, bevor sie sich in ihr Büro begab. Manchmal probierte sie sogar ein Paar Schuhe an, das neu hereingekommen war. Aber nicht heute. In weniger als einem Monat war Weihnachten, und die Geier kreisten über dem Eden’s. Jetzt war die Arbeit das Wichtigste.
Sie eilte über den breiten Mittelgang durch die Abteilung, vorbei an den Auslagen mit Riemchenpumps und Stilettos unter prächtigen Kristallleuchtern, die von der hohen Kassettendecke hingen. Ihre zierlichen Absätze klapperten auf dem glänzenden weißen Marmorboden. Heute trug sie ein Paar ihrer Lieblingsschuhe: Pumps von Manolo Blahnik mit schmalen Fesselriemchen in weihnachtlichem Rot. Die Farbwahl war kein Zufall. Weihnachten war Sophies liebste Zeit im Jahr, und sie würde versuchen, sie zu genießen. Das würde diesmal schwer genug werden: Es war das erste Jahr ohne Gram – ihre Großmutter, die Gründerin des Eden’s.
Sophie umrundete die Sektion des Kaufhauses, die bei Moderedakteurinnen auf der ganzen Welt als „Schuhhimmel“ bekannt war. In der hinteren Ecke gab es einen Privatfahrstuhl, der Sophie in das Innenleben des Eden’s beförderte. Während ihrer kurzen Fahrt in den ersten Stock atmete sie tief ein. Normalerweise liebte sie ihren Job, aber zurzeit war er von einem Himmel weit entfernt.
„Guten Morgen, Lizzie“, begrüßte Sophie ihre Assistentin. Sie streifte ihren cremefarbenen Wollmantel ab und legte ihn sich über den Arm. Angesichts des ganzen Schmutzes in der Stadt war die Farbwahl albern, aber sie liebte es, wie der Mantel ihr rotes Haar zur Geltung brachte.
Lizzie tauchte hinter ihrem Schreibtisch auf. Sie hatte ein sonniges Gemüt und strotzte vor Energie. Ihr platinblonder Kurzhaarschnitt wirkte heute besonders stachelig. „Guten Morgen, Ms. Eden. Wie geht es Ihnen?“
„Kommt darauf an. Wie sieht mein Tag aus?“
„Sie haben heute Morgen schon drei Präsentkörbe von Bauunternehmern bekommen.“
„Es ist gerade mal neun Uhr.“
„Die Kuriere sind ab acht hier eingefallen.“
Sophie schüttelte den Kopf. So lief es schon den ganzen letzten Monat, seit ihre Großmutter Victoria Eden verstorben war. Jeder wusste, dass Sophie und ihre Schwester Mindy das Eden’s erben würden. Es war ein Anliegen ihrer Großmutter gewesen. Das Eden’s war ein von und für Frauen aufgebautes Unternehmen, und es sollte weiter von Frauen geführt werden, dafür hatte Victoria Eden gesorgt, so gut sie konnte.
Das Testament sollte in der Woche vor Weihnachten verlesen werden. Es wurde nur als Formsache betrachtet. Sophie und Mindy würden das Geschäft erben. Das war auch der Grund für die Flut von Geschenkkörben, Blumen, Anrufen und E-Mails. Jedoch war kaum jemand am Eden’s als Unternehmen interessiert. Sie waren hinter dem Gebäude und dem Grundstück her. Alle nahmen an, dass Sophie und Mindy verkaufen wollten, was auf Mindy auch zutraf. Sophie allerdings wollte genau das Gegenteil.
„Oh, und Ihre Schwester hat angerufen und gesagt, dass sie es heute nicht schafft vorbeizukommen“, sagte Lizzie, während sie Sophie in deren Büro hinterherlief.
„Na toll.“ Sophie machte sich nicht die Mühe, ihren Unmut zu verbergen. Mindy und sie waren sich zurzeit ganz und gar nicht einig. „Ich rufe sie an und frage, was ihr Problem ist.“ Sie setzte sich in ihren extra angefertigten Stuhl aus pfauenblauem Samt mit goldenem Ziernagelsaum, zog ihren Laptop aus der Tasche und legte ihn auf den eleganten Glasschreibtisch. „Sonst noch etwas?“
„Steht alles in Ihrem Kalender. Um vierzehn Uhr haben Sie ein Meeting mit den Abteilungsleitern. Und Reginald kommt gleich vorbei, um die Weihnachtsdeko in Ihrem Büro anzubringen.“
„Ich bin froh, dass ich dann hier bin, um mitzuhelfen.“ Sophie liebte es, für Weihnachten zu dekorieren.
„Glauben Sie, dass Reginald das zulassen wird? Sie wissen doch, wie er ist.“ Lizzie riss die Augen auf. „Ein Kontrollfreak“, flüsterte sie.
„Und ich werde demnächst die Chefin des Eden’s Department Store sein. Außerdem liebte er Gram und weiß, wie nahe wir uns standen.“ Sophie war sich nicht sicher, wer bei der Beerdigung ihrer Großmutter mehr geweint hatte, sie oder Reginald. „Ich bin überzeugt, dass er absolut entgegenkommend sein wird.“
Lizzie ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen. „Oh, fast vergessen. Jake Wheeler hat gestern Abend wieder angerufen. Von ihm ist auch das Obst.“ Lizzie deutete auf das Sideboard hinter Sophies Schreibtisch, auf dem drei kunstvoll in Zellophan gehüllte Körbe standen.
Jake Wheeler. Wie konnte allein die Erwähnung seines Namens sie mit Ärger und Freude zugleich erfüllen? „Hat er eine Nachricht hinterlassen?“
„Hat er. Nämlich, dass es ihm sehr wichtig sei, mit Ihnen zu sprechen.“
„Natürlich. Er ist ein Mann, der gewohnt ist, alles zu bekommen, was er will.“ Sophie schnappte sich den Obstkorb. „Bringen Sie den in den Aufenthaltsraum für die Angestellten. Irgendjemand sollte sich daran erfreuen.“
Lizzie nahm ihr den tonnenschweren Korb ab. „Wollen Sie nicht erst die Karte lesen?“
Nicht wirklich, dachte Sophie. Aber Wissen war Macht, und sie musste erfahren, was Jake Wheeler dachte. Andernfalls würde er für sie ein Rätsel bleiben. Was er schon immer gewesen war. Sie riss den goldumrandeten Umschlag von der Zellophanhülle ab. „Danke, Lizzie.“
„Gern, Ms. Eden. Sie wissen, wo Sie mich finden, wenn Sie etwas brauchen.“
Sophie setzte sich kerzengerade in ihren Stuhl, während sie den Brief öffnete. Was hatte Jake wohl geschrieben? Als sie damals zusammen auf die Uni gingen, war alles, was aus seinem Mund kam, witzig und warmherzig gewesen. Deshalb hatte sie sich von Anfang an zu ihm hingezogen gefühlt. Und wegen seiner unvergesslichen grünen Augen.
Liebe Sophie,
Du kannst meine Anrufe nicht ewig ignorieren.
Irgendwann werde ich zu Dir durchkommen.
Beste Grüße,
Jake
Ein Gefühl wie ein Stromstoß durchzuckte sie. Aus den Nischen ihrer Erinnerung drang Jakes sexy Stimme zu ihr, deren Klang sie förmlich überwältigte. Sie hatte vergessen, wie sie sich dabei fühlte. Eine Welle der Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. Sophie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten zu dem magischen Moment vor acht Jahren, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Seine Lippen waren beharrlich gewesen und hatten geheime Fantasien in ihr zum Leben erweckt …
Er hatte sie geküsst und gehalten, als ob es ihm ernst gewesen wäre. Es war wie ein Traum gewesen, der in jeder Hinsicht wahr wurde. Sie hatte zwei Jahre verzweifelt auf diesen Moment gewartet und versucht, die Art von Frau zu sein, auf die er aufmerksam wurde. Dann hatte sie es geschafft.
Wie hätte sie wissen können, dass Jake Wheeler ihr das Herz brechen und ihre Träume in weniger als vierundzwanzig Stunden zerschmettern würde?
Sophie riss die Augen auf, als es an ihrer Tür klopfte.
Lizzie stand mit besorgtem Gesichtsausdruck vor ihr. Ihre Chefin saß normalerweise nicht mit geschlossenen Augen am Schreibtisch. „Ms. Eden? Reginald ist hier.“
Sophie richtete sich rasch auf und kam hinter dem Schreibtisch hervor. „Gut. Super. Guten Morgen, Reginald. Kommen Sie doch herein.“
„Alles in Ordnung?“, murmelte Lizzie.
„Nur ein leichter Kopfschmerz.“
„Guten Morgen, Ms. Eden.“ Reginald, Eden’s Kreativdirektor, schwebte in ihr Büro und beäugte prüfend Wände und Fenster. „Wir werden Ihr Büro in ein glamouröses Winterwunderland verwandeln.“ Reginald war ein kahlköpfiger, spindeldürrer Mann mit dicker Hornbrille, der stets einen Anzug mit Fliege trug. Das heutige Ensemble war marineblau mit fliederfarbenen Nadelstreifen; dazu hatte er eine fliederfarbene Fliege umgebunden. Reginald hielt nichts davon, sich zurückhaltend, gedeckt oder subtil zu kleiden. Was genau der Grund dafür war, dass die Schaufensterauslagen des Eden’s jedes Jahr eine der Hauptattraktionen in der Stadt waren.
Zwei junge Frauen eilten hinter ihm herein, die große, mit glitzernden silbernen und weißen Girlanden überquellende Kartons trugen. Sie stellten sie in ihr Büro und liefen wieder hinaus, vermutlich, um Nachschub zu holen.
„Was haben Sie geplant?“ Sophie betrachtete alles mit einer Mischung aus Vorfreude und Traurigkeit. Die Bürodeko war eine von Grams Traditionen. Sie hatte immer gewollt, dass auch die letzte Ecke des Eden’s von Weihnachtsstimmung erfüllt war. Es half, den anstrengendsten Monat des Jahres erträglich zu machen.
Reginald warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „Sie wollen doch wohl nicht hierbleiben, oder? Ich arbeite am besten unbeaufsichtigt.“
Sophie runzelte die Stirn. „Gram haben Sie auch helfen lassen, wenn Sie ihr Büro dekoriert haben.“
„Das war etwas anderes. Sie war die Matriarchin des Geschäfts. Die Königin. Eine unvergleichliche Frau.“
Mehr musste Sophie nicht hören. Ihr waren die Fußstapfen, die ihre Großmutter hinterlassen hatte, sehr wohl bewusst. Sie hatte jeden Tag in ihrem Schatten gelebt und gearbeitet. Sie und Mindy würden irgendwann die Rolle der Matriarchinnen übernehmen, aber sie jetzt schon zu beanspruchen, war nicht richtig. Diese Position konnte man nicht erben, man musste sie sich verdienen. „Verstanden.“
Reginald tätschelte ihr die Schulter. „Vertrauen Sie mir. Sie werden begeistert sein.“ Mit großartiger Geste deutete er auf die Tür. „Und jetzt raus mit Ihnen.“
Sophie schnappte sich ihr Handy und ging in den Flur. Grams Büro lag neben ihrem. Die Tür stand immer noch offen. Sie schaltete das Licht ein. Es wirkte merkwürdig ohne ihre Großmutter. Der rotblonde Bob, bei dem jedes Haar saß, war ihr Markenzeichen gewesen. An einem Tag wie diesem konnte Sophie sie sich in einem maßgeschneiderten Kleid in fröhlichen Farben – vielleicht ein gewagtes Blumenmuster – vorstellen, dazu goldene Armreifen und Diamantohrringe. Sie war immer ein Musterbeispiel glamouröser Perfektion gewesen.
Ihr Büro war ähnlich farbenfroh eingerichtet. Alles lag exakt am selben Platz wie an ihrem letzten Arbeitstag Ende Oktober. Sophie zog sich das Herz zusammen, wenn sie an diesen Tag zurückdachte. Ihr Arbeitstag war stressig gewesen, und sie hatte ihrer Großmutter beim Hinausgehen einfach nur zugewunken. Hätte sie gewusst, dass ihre Gram in der darauffolgenden Nacht im Schlaf an einem Herzinfarkt sterben würde, hätte sie ihr ein letztes Mal gesagt, dass sie sie liebte. Sie wäre zu ihr geeilt, um sie noch einmal zu umarmen.
Sophie schaltete das Licht aus. Sie war noch nicht soweit, Grams Büro zu benutzen. Vielleicht würde sie es niemals sein. Es vermittelte ihr nur ein Gefühl von Traurigkeit und Unzulänglichkeit. Die Leute, die daran vorbeiliefen, würden merken, dass die Frau hinter dem Schreibtisch nicht die Autorität ihrer Vorgängerin besaß.
Also setzte sie sich in eine leere Arbeitsnische hinter dem Empfangsbereich. Sie wählte die Nummer ihrer Schwester Mindy, die sofort abnahm. „Lizzie sagte, dass du heute nicht kommst. Warum nicht?“
„Weil wir Dezember haben, einer unserer Hochgeschwindigkeitsdrucker kaputt ist und mein Team damit kämpft, alle Aufträge zu erledigen. Ich habe keine Zeit für das Eden’s.“ Mindy besaß ihr eigenes erfolgreiches Unternehmen, By Min-vitation Only, einen Onlineshop für individuelle Grußkarten. „Jeder will seine Weihnachtskarten haben, am besten schon gestern. Es geht hier zu wie im Tollhaus.“
„Oh, okay. Verstehe.“
„Jetzt hör dich nicht so enttäuscht an, Sophie. Du wusstest, dass ich nicht einfach alles stehenlassen und noch mehr Verantwortung übernehmen kann. Ich weiß ja zu schätzen, dass du das Eden’s leitest, bis Grams Testament verlesen ist. Aber du musst dich mit unserer Lage abfinden.“
„Und wie genau sieht die aus?“ Sophie schlug die Beine übereinander und schielte auf ihre roten Pumps. Gott, sie liebte diese Schuhe. Mr. Blahnik war ein Genie.
„Ich bin zu beschäftigt, um im Eden’s mitzuarbeiten. Heute ist es Weihnachten, aber danach kommen Silvester und der Valentinstag. Ich habe keine Zeit übrig und werde mein Unternehmen nicht vernachlässigen. Dafür habe ich zu hart gearbeitet.“
Sophie verstand das Dilemma ihrer Schwester. Sie wünschte nur, es wäre anders. Jetzt, wo Gram nicht mehr da war, um Ratschläge zu erteilen und Probleme zu lösen, fühlte sie sich ständig überfordert. Und allein.
„Das Eden’s ist verloren, Sophie“, fuhr Mindy fort. „Es wird dir viel besser gehen, wenn du es einfach zugibst.“
„Das ist es nicht. Und Gram hat das auch nicht geglaubt. Wir kriegen das hin. Unser Gewinn ist im letzten Quartal um zwei Prozent gestiegen.“
„Und meiner um zwanzig.“
Reib’s mir noch unter die Nase. „Verstehe, Mindy. Aber dies ist unser Familienunternehmen.“
„Ich bin Familie. Und ich habe ein Unternehmen. Glaub mir, sobald das Testament verlesen ist, sollten wir das Eden’s an den Meistbietenden verkaufen und das Geld einstecken. Dann arbeitest du für mich, und wir können uns zurücklehnen.“
Bei Mindy hörte sich alles so einfach an. Aber sie hatte ihrer Großmutter ja auch kein Versprechen gegeben. Sie hatte nicht die letzten drei Jahre damit verbracht, von ihr zu lernen, zu wachsen und jeden Tropfen ihrer Genialität aufzusaugen. „Ich bin bis nach Weihnachten nicht bereit, darüber zu reden. Das gehört sich nicht.“ Sophie verließ ihre Nische und lief auf Zehenspitzen zu ihrer eigenen Bürotür, um einen Blick durch den Spalt zu erhaschen.
Reginald eilte sofort herbei. „Oh nein, kommt nicht infrage.“ Er schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
„Na schön.“ Mindy klang ungeduldig. „Aber wirst du wenigstens Jake Wheeler anrufen und dir seine Vorschläge anhören? Der Mann ist absurd hartnäckig. Er ruft mich zweimal am Tag an.“
Da war er wieder – dieser Name. „Ich weiß. Er hat mir einen Obstkorb geschickt.“
„Er ist wahnsinnig reich, Sophie. Und er spricht so liebevoll von dir, dass man glauben könnte, er wäre dein Ex-Freund.“
Sophie lehnte sich gegen die Wand. Ihre Augen verengten sich, und sie presste kurz die Lippen zusammen. „Du weißt, dass dem nicht so ist.“
„Oh, ich weiß. Ich kenne die Geschichte. Er ist der, der sich aus dem Staub gemacht hat, nachdem du ihn endlich hattest.“
Sophie schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist die Schlange, die durch den Staub davongekrochen ist. Und überhaupt hatte ich ihn nicht.“ Nur eine einzige, unglaublich heiße Nacht voller Hingabe.
„Egal. Ruf ihn an!“
„Ich denke darüber nach.“ Sophie wusste, dass sie es nicht tun würde. Es lag viel Weisheit in dem Spruch, nicht an alten Wunden zu rühren. Er hatte sie verletzt. Schlimm sogar. Das würde sie ihm niemals verzeihen.
„Beeil dich damit. Ich würde ihn gern von meiner To-do-Liste streichen.“
Sophie schnaubte. Jake Wheeler hatte zwei Jahre auf ihrer To-do-Liste verbracht. Und das bereute sie immer noch zutiefst.
Zugegeben, Beileidsbekundungen waren nicht Jake Wheelers Stärke. Er hatte es stets viel einfacher gefunden, traurige Zeiten zu beschönigen und schöne zu genießen. Nach drei unbeantworteten Anrufen, einer Beileidskarte und einer Spende für eine Benefizorganisation ihrer Großmutter, die allesamt unkommentiert geblieben waren, war er nun sicher, dass Sophie Eden von seinen Bemühungen nicht sonderlich beeindruckt war.
Audrey, Jakes Angestellte, meldete sich. „Mr. Wheeler, Ms. Edens Assistentin ist dran.“
Jake nahm ab. „Lizzie, ich fürchte, wenn wir weiter so viel Zeit am Telefon miteinander verbringen, wird man einen falschen Eindruck von unserer Arbeitsbeziehung bekommen.“
„Sir? Sie erinnern sich an meinen Namen?“
„Wie könnte ich das nicht? Telefonieren wir nicht schon zum vierten oder fünften Mal?“
„Ich bin nicht sicher, Sir. Wahrscheinlich zum fünften Mal.“
„Dann nehme ich an, dass Sie wissen, wieso ich anrufe.“ Jake lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute aus dem Fenster seines Büros im zehnten Stock des luxuriösen Hochhauses am Bryant Park Nr. 7. Er hatte einen Wahnsinnsausblick auf die öffentliche Bibliothek von New York und andere bedeutende Gebäude in Manhattan, aber den auf den Namensgeber dieses Hauses mochte er am liebsten. Das normalerweise friedliche Grün des Bryant Parks war im Moment von einem Weihnachtsmarkt mit Verkaufsbuden, Musik und Eislaufbahn besetzt worden. Jake konnte den Januar gar nicht abwarten, wenn all das wieder verschwunden war.
„Das tue ich. Und es tut mir sehr leid, aber Ms. Eden ist zurzeit nicht abkömmlich.“
„Können Sie mir wenigstens sagen, wann sie wieder zurück ist?“
„Sie ist die ganze Zeit hier, Mr. Wheeler. Aber ihr Terminkalender ist voll und ändert sich ständig. Es ist Dezember. Sie führt eins der größten Kaufhäuser von Manhattan. Sie verstehen sicher, dass sie sehr beschäftigt ist.“
„Natürlich.“ Jake trommelte mit seinem Stift auf dem Schreibtisch herum. „Hat sie den Obstkorb bekommen?“
„Das hat sie. Und sie war so großzügig, ihn der Belegschaft zu schenken. Alle haben sich sehr darüber gefreut. Vielen Dank.“
Jake war sich nicht sicher, was er noch tun konnte, um Sophie zum Zurückrufen zu bewegen. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum sie ihn mied. Ihr letzter Kontakt bei ihrem Uniabschluss war Jahre her und absolut angenehm verlaufen. Sie hatten beide beschlossen, ihre kurze Verbindung dort zu lassen, wo sie hingehörte – in der Vergangenheit.
„Aber zurzeit ist sie nicht da?“ Er ließ seine Stimme absichtlich misstrauisch klingen. Es war fast Feierabend. Wenn Sophie zu beschäftigt war, um ans Telefon zu gehen, musste sie noch im Büro sein.
„Tut mir leid, aber zurzeit ist sie nicht verfügbar.“
Jake war sich nicht sicher, was das bedeutete. Aber ihm war klar, dass er abgewimmelt wurde. „Na schön. Ich würde gern eine Nachricht hinterlassen. Mein Name ist Jake Wheeler und meine Nummer ist …“
„Ms. Eden hat Ihre Nummer.“
Jake unterdrückte ein frustriertes Knurren. „Bitte erinnern Sie sie daran, dass es sehr wichtig ist. Ich muss mit ihr sprechen.“
„Das weiß sie, Sir. Ich habe jede Ihrer Nachrichten persönlich überbracht.“ Angesichts seines Tonfalls verlor Sophies Assistentin offenbar langsam die Geduld. So viel hatten Sie gemeinsam.
„Toll. Danke.“ Jake legte auf, noch frustrierter als vorher. Er musste Sophie dazu bringen, mit ihm zu reden. Ihn zu treffen. Er war Partner eines exklusiven Investmentkonzerns, des War Chest, der sich nur den lukrativsten Geschäften widmete. Der Konzern wurde von dem Finanzier Jacob Lin geleitet, die anderen Mitglieder waren die Hoteliers Sawyer und Noah Locke sowie der Immobilienmakler Michael Kelly. Als Jake nach dem Tod von Sophies Großmutter das Eden’s als neues Zielobjekt vorschlug, hatten alle zugestimmt. Er hatte ihnen versichert, dass er durch Sophie leichten Zugang haben würde. Das hatte er zumindest noch vor einem Monat gedacht. Auf der Uni waren sie beste Freunde gewesen. Und für kurze, aber denkwürdige vierundzwanzig Stunden auch mehr.
„Audrey?“, rief er in die Leere seines Büros hinein.
In Sekunden erschien seine Assistentin in der Tür. Audrey war penibel, hyperorganisiert und sehr eigenwillig. „Sir, ich finde wirklich, dass es zu spät für Kaffee ist.“
„Ich brauche keinen Kaffee. Haben Sie irgendeine Idee, wie man eine Frau dazu bringt, zurückzurufen?“
„Schmuck. Blumen. Pralinen. Eine Liebeserklärung.“
Jake schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen. Es ist geschäftlich.“
„Also nichts Romantisches?“
Daran war nicht zu denken. Sophie und er blieben besser beim Geschäftlichen, so viel war sicher. „Nicht vorsätzlich romantisch, aber Ms. Eden weiß die schönen Dinge des Lebens zu schätzen, falls das hilft.“
Audrey nickte. „Aha. Die unromantische Empfängerin Ihres Obstkorbs.“
„Genau.“
„Und das hat nichts gebracht? Wer mag denn keine Obstkörbe?“
„Ich habe keine Ahnung.“
„Blumen?“
„Ist das nicht ein Klischee?“
„Nicht, wenn Sie eine unglaublich große Menge ihrer Lieblingsblumen kaufen und persönlich damit auftauchen.“
Jake zog die Augenbrauen hoch.
„Das hat mein Mann gemacht, als er um meine Hand anhielt.“
„Ich will um niemandes Hand anhalten.“
„Aber Sie wollen eine Frau dazu überreden, ihre Firma zu verkaufen, und das, nachdem das Familienoberhaupt erst vor ein paar Wochen verstorben ist. Vielleicht ist eine große Geste da angebracht.“
„Ausgezeichnetes Argument.“
„Irgendeine Ahnung, was ihre Lieblingsblumen sind?“
Jake erinnerte sich an ein Dinner bei einem Professor, bei dem Sophie eine Bemerkung über den Blumenschmuck gemacht hatte. „Rosen, aber nicht die aus dem Gewächshaus. Ich glaube, sie fangen mit F an.“
„Freilandrosen?“
„Genau die. In Rosa.“
„Bin schon dran.“
„Danke, Audrey.“ Jake lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wandte sich wieder den Sehenswürdigkeiten der Stadt zu. Der Himmel hatte sich verdunkelt, und leichter Schneefall setzte ein. Er bezweifelte, dass Blumen ihm den Weg ebnen würden. Aber er musste etwas tun. Mehrere Investoren und Bauunternehmer umwarben Sophie und ihre Schwester bereits. Sein Vorschlag würde viel besser persönlich überbracht funktionieren, besonders, wenn er Sophie allein erwischte. Sie hatte ihre taffe Fassade immer abgelegt, wenn sie nur zu zweit gewesen waren.
Bilder von Sophie blitzten durch seinen Kopf – ihr üppiges rotes Haar, ihre vollen Lippen. Wie ihre braunen Augen golden aufblitzten, wenn sie lächelte. Jede Erinnerung an sie war schöner als die vorige. Auf der Uni hatten sie sich vom ersten Moment an zueinander hingezogen gefühlt. Sie lachte über seine Witze und flirtete wie verrückt mit ihm. Die spontane Chemie zwischen ihnen war unübersehbar gewesen. Unter anderen Umständen hätte Jake sie gleich am ersten Abend mit nach Hause genommen.
Doch er hatte darauf bestanden, ihre Beziehung platonisch zu halten, auch wenn das an einigen Tagen übermenschliche Kraft kostete. Er wollte sie, das stand außer Frage. Aber Jake wusste auch, wie brutal die nächsten zwei Jahre werden würden. Er konnte es sich nicht leisten, dass eine Mitstudentin stinksauer auf ihn war, weil er sie erst verführt und dann abserviert hatte, bevor es zu ernst werden konnte. Denn das tat er jedes Mal. Seine einsetzende Panik, wenn eine Frau ihm zu nahe kam, war echt. Der Teil seiner Vergangenheit, der diese Reaktion hervorrief, war nicht auszulöschen.
Doch die Nacht, in der sie ihrer gegenseitigen Anziehungskraft erlagen, war magisch gewesen. Zwei Jahre des Wartens und Widerstehens hatten das Nachgeben umso schöner gemacht. Sie hatten stundenlang in der Bibliothek gelernt, um sich auf ihr Abschlussexamen vorzubereiten. Erschöpft hatte er Sophie gefragt, ob sie noch ein Bier trinken gehen wollten. Als sie merkte, wie spät es war, hatte sie ihn zu sich eingeladen.
„Meine Mitbewohnerin ist verreist, und ich muss ihre Katze füttern. Das arme Ding ist bestimmt schon am Verhungern. Komm mit zu mir, okay?“
„Ist gut. Ich kann eh nicht mehr lernen.“
Nachdem die Katze gefüttert war, setzten sie sich auf die Couch und tranken Bier. Bis heute konnte er sich an den Moment erinnern, als er sich entschied, sie zu küssen. Sie hatte ihr wunderschönes rotes Haar hochgebunden. Als sie über einen seiner albernen Witze lachte, rutschte ihr Pferdeschwanz zur Seite. Sie zog an dem Band, und das Haar fiel ihr auf die Schultern. Vielleicht war er müde. Oder es war das Bier. Er wusste nur, dass er sie nach fast zwei Jahren des Wartens endlich küssen musste.
Also tat er es.
Keine Frau hatte ihn je so hingebungsvoll geküsst wie Sophie. Ihre Lippen waren watteweich, ihr süßer Duft betörend und ihre Hände überall. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihm das Hemd über den Kopf gezogen und ihn auf die Couch gedrückt. Sie legte sich auf ihn und machte ihn verrückt vor Verlangen.
Der Moment, als sie ihn an die Hand nahm und in ihr Schlafzimmer führte, war nahezu unwirklich. Er hatte sich oft vorgestellt, wie es mit Sophie sein würde. Aber sie war auch die einzige Frau, mit der er nicht nur eine Freundschaft hatte aufbauen, sondern auch aufrechterhalten können. Kurz überlegte er, ihr zu sagen, dass es keine gute Idee wäre, miteinander zu schlafen. Doch in dem Moment, als sie ihr Top auszog und ihr grandioses rotes Haar ihr über die Schultern fiel, war er geliefert.
In jener Nacht liebten sie sich dreimal. Sie duschten sogar am nächsten Morgen zusammen. Schon allein das hätte ihn überzeugen sollen, dass Sophie vielleicht diejenige war, für die sich der nächste Schritt lohnte. Aber als klar wurde, dass sie darüber reden mussten, wie es mit ihnen weitergehen sollte, war er, wie üblich, in Panik geraten.
„Weißt du, Sophie, letzte Nacht war unglaublich, und ich werde mich immer daran erinnern. Aber wir sind so gute Freunde und wollen es beruflich noch so weit bringen. Ich finde, es wäre das Beste, so zu tun, als hätten wir einfach ein bisschen Dampf abgelassen.“
Er wusste, sie hatte etwas Besseres verdient. Sophie zog ihren Morgenmantel fest um sich zusammen und nickte mit gezwungenem Lächeln.
„Oh, klar. Zwei Freunde, die kurz was miteinander hatten, oder? Passiert doch ständig.“
Jake hörte den Schmerz in ihrer Stimme, sagte sich aber, dass es vorbeigehen würde. Sophie war zu besonders, zu klug, zu witzig und zu schön. Irgendein toller Kerl würde sie sich schnappen und sie so behandeln, wie sie es verdiente. Aber dieser Kerl würde nicht er sein. Er besaß nicht das Vertrauen, jemanden so nahe an sich heranzulassen. Er hatte es versucht und war gescheitert. Seine Unzulänglichkeit war ihm voll bewusst.
Nach dieser einen Nacht waren sie rasch zu ihrer gewohnten Freundschaft zurückgekehrt, zumindest fast. Keiner von ihnen erwähnte je wieder, was passiert war. Sie halfen einander beim Lernen und machten zusammen ihr Examen. Am Tag der Abschlussfeier hielten sie sich lange im Arm und wünschten sich gegenseitig viel Glück. Es war alles völlig normal und unverfänglich gewesen. Bis auf Sophies Abschiedsworte.
„Ich liebe dich, Jake.“
Verblüfft hatte er ignoriert, was sie gesagt hatte, und sie einfach gehen lassen. In den darauffolgenden acht Jahren hatte er sich immer wieder an ihre Worte erinnert … und sie dann beiseitegeschoben. „Ich liebe dich“ – das war etwas, was eine Frau sagte, bevor sie für immer verschwand. Und genau das war es, was Sophie Eden getan hatte.
Erneut begann Sophie ihren Tag mit dem eiligen Durchschreiten der Schuhabteilung, doch sie kam nicht weit. Abrupt blieb sie vor einem umwerfenden Paar grüngelber, auf einem hohen Podest platzierter Blahniks stehen. Mit den glitzernden Perlen und der raffinierten Schnürung stachen sie aus den anderen, unwürdigen Schuhen heraus wie ein Pfau unter Spatzen. Sophie stockte der Atem. Sie musste sie haben. Die Schuhe waren unsagbar sexy. Wenn sie nur einen Mann gehabt hätte, um sie an ihm zu testen. Seit sie im Eden’s arbeitete, war ihr Dating-Kalender tragisch leer.
„Marie“, rief sie ihrer Abteilungsleiterin zu. „Könnten Sie mir ein Paar von denen hier beiseite stellen?“
Marie lächelte breit. „Ich dachte mir schon, dass sie Ihnen ins Auge fallen würden. Sie sind schon in Ihrem Büro. Sagen Sie Lizzie Bescheid, falls sie Ihnen nicht gefallen. Dann lasse ich sie wieder abholen.“
„Glauben Sie wirklich, sie könnten mir nicht gefallen?“
Marie schüttelte den Kopf. „Nie im Leben.“
Grinsend lief Sophie zum Fahrstuhl und fuhr in den ersten Stock. „Guten Morgen, Lizzie. Wie viele Präsentkörbe sind es heute?“
„Fünf. Ich glaube, alle versuchen, sich gegenseitig auszustechen.“
Mit Blick auf die wunderschönen Pumps auf ihrem Schreibtisch lief Sophie an den Körben vorbei. Sie setzte sich, zog ihre Schuhe aus und die neuen an. Dann lief sie damit eine Runde durch ihr Büro. „Was denken Sie, Lizzie?“
„Ganz ehrlich? Sexy. Super sexy.“
Sophie bewunderte die Schuhe. Natürlich wurden ihre Zehen zusammengequetscht, und ihre Fußsohlen würden schreien, bevor der Tag um war. Aber egal. Schöne Schuhe waren zurzeit das Einzige, das sie glücklich machen konnte. „Sagen Sie Marie, dass ich sie behalte.“
„Mache ich. Jetzt zu Ihrem Tag. Es gibt eine lange Liste von Feuern, die darauf warten, gelöscht zu werden.“
„Toll. Kann’s gar nicht abwarten.“
„Alle sechs Garderobenmitarbeiterinnen haben die Grippe. In der Damentoilette im vierten Stock gab es gestern Abend einen Rohrbruch, und niemand hat es bemerkt. Im dritten ist ein Wasserschaden entstanden, aber ich habe schon Handwerker hingeschickt. Und als Letztes hat es der Parfumtresen irgendwie geschafft, sich das Chanel No. 5 ausgehen zu lassen, was zu Weihnachten ein Problem darstellen dürfte.“
„Ein Riesenproblem.“ Gram wäre entsetzt gewesen.
„Leider kann der Händler erst wieder in einer Woche liefern.“
„Darum kümmere ich mich. Können Sie eine Leiharbeitsfirma anrufen, um jemanden für die Garderobe zu bekommen? Die Kunden bleiben länger, wenn sie ohne ihre Mäntel herumlaufen können.“
Lizzie ging, und auch Sophie verschwendete keine Zeit. Zuerst kümmerte sie sich um den unerhörten Lieferschwund von Chanel No. 5. Dann sah sie sich die Vortagszahlen an, die – wenn auch gut – nicht so gut waren, wie sie sein sollten. Hier hätte sie wirklich Mindy gebraucht, um mit ihr neue Vertriebsideen für das nächste Jahr zu erarbeiten. Aber ihre Schwester hatte ihr Desinteresse ja bereits kundgetan.
Lizzie klopfte an ihre Tür. „Es scheint, als ob Jake Wheeler noch einen Schritt weitergegangen wäre.“
„Was jetzt? Riesige Gourmet-Glückskekse?“
Lizzie schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist hier. Mit Blumen. Und zwar jeder Menge davon.“
„Er ist hier?“ Unbegreifliche Erregung durchflutete Sophie, gefolgt von einer Art Schwindel, als ob sie gleich ohnmächtig werden würde. Sie hatte Jake acht Jahre lang nicht gesehen. Drei davon hatte sie gebraucht, um über ihn hinwegzukommen. Selbst jetzt noch war sie sich nicht sicher, ob sie ihn ganz aus ihrem Herzen verbannt hatte. Ihre Reaktion auf die Erwähnung seines Namens erhöhte nicht gerade die Wahrscheinlichkeit, dass sie erfolgreich gewesen war. „Was haben Sie ihm gesagt?“
„Er weiß, dass Sie hier sind. Tut mir leid, aber Marie kam wegen der Schuhe vorbei, und er hörte mich sagen, dass Sie sie gerade tragen.“
„Viele Blumen?“
„Tonnenweise.“
Sophie atmete tief ein und entschied, dass es das Beste sei, es hinter sich zu bringen. Sie konnte sich nicht ewig vor ihm verstecken. „Okay. Ich komme.“ Sie zog ihr enganliegendes schwarzes Kleid zurecht, über dessen Wahl heute Morgen sie jetzt aufrichtig glücklich war. Jake musste ja nicht wissen, dass es einfach bequem war, sondern nur, dass sie toll darin aussah. Und wenn seine Sehschärfe in den letzten acht Jahren nicht nachgelassen hatte, würde er kein Problem damit haben, es zu bemerken.
Das Problem war nur, dass sie nicht darauf vorbereitet war, ihn zu sehen. Insbesondere nicht, als sie in den Empfangsbereich marschierte und mit seinem Gesicht konfrontiert wurde, das acht Jahre später irgendwie noch attraktiver aussah und über einem Armvoll ihrer Lieblingsblumen – rosa Freilandrosen – hervorlugte. Es war, als ob ihr Unterbewusstsein diese Szene konstruiert hätte, um sie zu entwaffnen und sie zu einer Pfütze auf dem Boden dahinschmelzen zu lassen. Bei dem berauschenden Duft der Blumen und Jakes überwältigendem Anblick war sie überrascht, dass sie überhaupt noch aufrecht stehen konnte.
Sein dunkles Haar war so dicht und widerspenstig wie eh und je. Lieber Himmel, sie hatte peinlich viel Zeit damit verbracht sich vorzustellen, wie sie mit den Fingern hindurchfuhr. Und als sie schließlich die Chance bekam, war es noch schöner gewesen, als angenommen.
„Hi, Sophie. Es ist lange her.“ Mit seinen durchdringenden grünen Augen musterte er sie unverhohlen von Kopf bis Fuß. Sein unvergesslicher Mund verzog sich zu einem selbstsicheren Grinsen – eines, das ihr sagte, wie zufrieden er mit der Tatsache war, zu ihr vorgedrungen zu sein.
„Ja, tatsächlich, nicht wahr?“ Sophie straffte sich. Sie hatte vergessen, wie verletzlich sie sich bei seiner Begutachtung immer fühlte. Abgesehen von einem schönen Paar schwarzer Budapester und dem Saum seiner anthrazitfarbenen Hose war alles an Jake von Blumen verdeckt. Der Kampf, der immer in ihr tobte, wenn Jake ihr in den Sinn kam – oder wenn er, so wie jetzt, vor ihr stand –, brach erneut aus. Er wusste, was er tat, wusste genau, was für eine Schwäche für liebe Gesten und Sentimentalitäten sie hatte. Aber hier ging es ihm nicht darum, seine Gefühle auszudrücken. Sondern nur darum, dass Jake Wheeler bekam, was er wollte: Eden’s Department Store.
„Ich habe Freilandrosen mitgebracht.“
„Ist mir nicht entgangen. Erst das Obst und jetzt das?“ Sophie stemmte die Hände in die Hüften, um stark und unbesiegbar zu wirken. Wie jemand, der unverletzlich war. Sie bemerkte, wie er der Gelegenheit nicht widerstehen konnte, ihre Beine abzuchecken. Mr. Blahnik hatte mal wieder gute Arbeit geleistet.
Jake lachte. „Ich arbeite mich durch die besten Geschenkideen, die mit F anfangen. Angesichts deiner Reaktion auf die Freilandrosen hätte ich wohl besser in einen Ferrari investiert. Oder in ein Frettchen.“
Sophie versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken. Seine Schlagfertigkeit hatte sie schon immer schwach gemacht. Aber diesen weiteren, nicht unerheblichen seiner Vorzüge setzte er vermutlich nur ein, um ihre Abwehr zu untergraben. „Du bist unmöglich. Glaubst du, du kannst hier mit dem weltweit größten Strauß meiner Lieblingsblumen auftauchen, und schon rede ich mit dir?“
„Das tue ich in der Tat.“
Hitze stieg ihr in die Wangen. Ein Grund mehr, diesen Besuch kurz zu halten. Sie hatte eine Million Dinge zu tun, und Jake bedeutete nichts als Ärger. Auch wenn der Ärger nett anzusehen war. „Zehn Minuten. Mehr bekommst du nicht.“
„Wie wäre es mit zehn Minuten für uns und zehn Minuten fürs Geschäft?“
„Dies ist keine Verhandlung. Wir reden zehn Minuten übers Geschäft, und dann kannst du gehen.“ Sie hatte kein Interesse, alte Zeiten aufleben zu lassen. Zu schmerzhaft war die Erinnerung daran. Wie verliebt sie in ihn gewesen war und wie leichtfertig er sie zurückgewiesen hatte.
„Okay. Aber was ist mit den Blumen? Es wäre schön zu wissen, ob sie dir gefallen. Freilandrosen gibt es in Manhattan im Winter nicht. Ich musste sie einfliegen lassen.“
Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Dieser Mann, der ihr einst so wichtig gewesen war, hatte keine Kosten und Mühen gescheut. Seine Motive mochten fragwürdig sein, aber vielleicht sollte sie aufhören, sich wie eine Eiskönigin aufzuführen. „Tut mir leid. Sie sind wunderschön.“
Vorsichtig trat sie zwei Schritte auf ihn zu. Sollte sie ihn oder die Rosen ansehen? Mit jedem Zentimeter, den sie ihm näherkam, geriet sie mehr in seinen Bann. Sie griff nach den Blumen, aber der Strauß war so groß, dass er ganz dicht an sie herantreten musste, um ihn ihr in die Arme zu legen. Bei dem tiefen Blick aus seinen grünen Augen fragte sie sich, ob das hier ein Traum war. Irgendwo hinter dieser Fassade aus teuren Geschenken und großen Gesten, dem edlen Wollmantel und dem verführerischen Bartschatten lebte und atmete dieser Mann, der ihr einst die Welt bedeutet hatte, immer noch.
„Danke“, murmelte sie. „Sie sind wirklich traumhaft.“
Jake trat nicht zurück. Er unterbrach auch ihren Blickkontakt nicht. Seine warmen Hände lagen auf ihren bloßen Ellbogen, und seine Lippen waren immer noch wie zum Küssen gemacht. „Sie sind nichts gegen dich, Sophie. Du siehst umwerfend aus.“
Sophie zitterten die Knie. Seine Stimme verursachte ein tiefes Beben in ihr. „Du siehst auch toll aus. Aber du warst immer schon attraktiv, das weißt du ja.“
Attraktiv beschrieb Jake nicht mal annähernd. Vielleicht, weil er so viel mehr als gutaussehend war. Da waren sein selbstbewusstes Auftreten und seine ungezwungene Art. Das Glitzern in seinen Augen, bei dem jede Frau sich fühlte, als wäre sie die einzige in seinem Orbit.
„Das heißt nicht, dass ich es nicht gern höre.“
Sophie hielt den Atem an. Wenn dies ein Film gewesen wäre, käme jetzt der Teil, in dem er seine Zurückhaltung in den Wind schoss, sie in die Arme nahm und küsste, auch wenn er dabei Blumen im Wert von vermutlich tausend Dollar zerdrückte. Aber sie durfte sich von diesem Bild nicht hinreißen lassen. Also senkte sie den Blick auf das Arrangement in ihren Armen und schnupperte daran. „Ich stelle sie besser ins Wasser.“ Sie legte sie Lizzie auf den Schreibtisch. „Es wäre schön, wenn Sie hierfür eine Vase finden könnten.“
„Natürlich.“ Lizzie schielte an ihr vorbei zu Jake. Es war ihr anzusehen, wie sehr ihr sein Anblick gefiel. „Soll ich Ihre Anrufe zurückhalten?“
Ein Anruf wäre ein guter Grund für eine Unterbrechung, falls sie sich von Jake überwältigt fühlte. Aber sie musste sich sein Angebot anhören und dabei die Vergangenheit außer Acht lassen, um ihn danach wegschicken zu können. „Ich denke, ich komme klar.“ Sie winkte Jake in ihr Büro. „Hier herein, bitte.“
Beim Eintreten überkam Sophie ein Gefühl von Stolz. Ja, sie hatte ihre Position geerbt, aber auch hart dafür gearbeitet. Ihr Büro war beeindruckend, besonders jetzt. Reginald und sein Team hatten alles gegeben. Jedes der sechs Fenster in ihrem Eckbüro wurde von einem frischen Kranz mit Tannenzapfen, Beeren und einer breiten, weißen Schleife geschmückt. Glitzernde weiße und silberne Girlanden rahmten wunderschön den Blick auf die Stadt ein. Aber der absolute Hingucker war der Baum mit seinen silbernen Glaskugeln, den winzigen Vögeln und mehr funkelnden Lichtern an einem einzigen Weihnachtsbaum, als Sophie je gesehen hatte. Jedes Mal, wenn sie sich in ihrem Büro umsah, ging ihr das Herz auf.
„Bitte, setz dich doch.“ Sie deutete auf die beiden Sessel vor ihrem Schreibtisch.
„Hier drin sieht’s aus, als wäre Weihnachten explodiert.“ Jake klang etwas verblüfft.
„Wunderschön, oder?“ Sophie trat hinter ihren Tisch und ignorierte seine dürftige Wortwahl. Sicher hatte er es nicht so plump gemeint, wie es sich anhörte.
„Wer hat das deinem Büro angetan?“
„Reginald, unser Kreativdirektor. Er hat sich wirklich selbst übertroffen. Ich weiß gar nicht, wie ich hier arbeiten soll, so schön finde ich es.“ Sie setzte sich, faltete die Hände und entschied, dass dies genug Small Talk gewesen war. „Also, warum sagst du mir nicht, was du möchtest?“
Er knöpfte langsam seinen Mantel auf und legte ihn über die Lehne eines Sessels, während er immer noch den Raum bewunderte. Währenddessen versuchte Sophie, sich von seinem Anblick in dem makellos geschneiderten Anzug nicht allzu sehr ablenken zu lassen. Er räusperte sich, setzte sich und schlug ein Bein über das andere, ein Abbild lässiger Selbstsicherheit.
„Wie du weißt, sind du und deine Schwester in einer einzigartigen Lage. Ihr erbt nicht nur eines der größten Gewerbegebäude in Manhattan. Eure Großmutter war auch so weitsichtig, das Grundstück zu kaufen. Ich würde es gern haben. Deiner Schwester habe ich schon mitgeteilt, dass ich bereit bin, viereinhalb Milliarden Dollar für Grundstück und Gebäude zu bezahlen.“
Sophie hatte ständig mit Zahlen zu tun, aber diese hier übertraf alles. Sie wusste, wie viel die Immobilie wert war. Jake hatte seine Hausaufgaben gemacht. Sein Angebot war zwar an den Marktpreis angelehnt, enthielt aber zusätzlich einen verführerischen Bonus. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Vielen Dank. Aber nein.“
„Du kannst jeden Gutachter der Stadt fragen. Es ist ein sehr großzügiges Angebot. Wir sind eine kleine Gruppe von Partnern und könnten dir den gesamten Kaufpreis sofort überweisen.“
Sophie bekam einen Kloß im Hals. Dies war mehr Geld, als sie jemals ausgeben könnte. Aber darum ging es ihr nicht. Hier ging es um Grams Wünsche. Trotzdem war es gut, dass Mindy nicht hier war, denn ihre Schwester würde Sophie für das, was sie jetzt sagte, erdrosseln. „Noch einmal: nein. Aber danke.“
Jake lächelte und nickte, als ob sie gerade allem zugestimmt hätte, was er wollte. Sophie war nicht überrascht, dass er auf diese Verhandlungstaktik zurückgriff.
„Vielleicht sollte ich dich ein paar Tage über diese fette Zahl nachdenken lassen. Denn ich garantiere dir, dass kein anderes Unternehmen und kein Bauunternehmer dir das geben kann, was ich gewillt bin zu zahlen.“ Seine Stimme klang für den freundlichen Ausdruck in seinem Gesicht etwas zu bestimmt.
Doch Sophie musste standhaft bleiben. „Ich verstehe, aber die Antwort bleibt dieselbe. Meine Großmutter hat zu hart dafür gearbeitet, als dass ich jetzt aufgeben könnte.“
Jake nickte erneut langsam. „Ich weiß. Sie war eine Legende. Früher gehörte sie zu den erfolgreichsten Geschäftsleuten der Stadt.“
„Des Landes“, warf Sophie ein. „Der Welt, wahrscheinlich. Zu Eden’s besten Zeiten gab es sechsundsiebzig Läden in zwölf Ländern.“
„Ja, aber das waren die Achtziger Jahre. Jetzt gibt es nur noch dieses eine Geschäft. Die Zeiten und der Einzelhandel haben sich geändert. Heutzutage ist es fast unmöglich, einen so großen Laden rentabel zu führen. Das Eden’s wird einen sehr langsamen, qualvollen Tod sterben.“
Schon schmierte er ihr nicht mehr Honig ums Maul, sondern versuchte es mit harten Fakten. Sophie gefiel das gar nicht. „Immer noch der alte Pessimist, Jake? Weißt du, ich glaube, ich komme sehr gut allein klar. Und falls nicht, sterbe ich eben bei dem Versuch.“ Sophie stieß sich vom Tisch ab und stand auf. So wollte sie die Dinge zwischen ihnen nicht beenden, doch enden mussten sie. Sie musste ihm begreiflich machen, dass sie nicht an ihn verkaufen würde. Und sie durfte sich nicht erneut von ihm verzaubern lassen. „Vielen Dank für deinen Besuch. Und danke für die Freilandrosen.“
Er zog eine Augenbraue hoch und stand auf. „Und das Obst.“
„Und das Obst. Doch nichts davon war nötig. Und ich möchte demnächst auch keinen Flamingo oder Federboas in meinem Büro vorfinden.“
Jake stand da, die Hände in den Hosentaschen. Sie hatte das unangenehme Gefühl, dass er versuchte, die unsichtbare Mauer einzureißen, die sie zwischen ihnen errichtet hatte.
„Weißt du, Sophie, ich habe das untrügliche Gefühl, dass es hier um viel mehr als deine Großmutter geht.“
„Nur weil ich dein Angebot ablehne?“
„Deswegen und wegen deiner Abneigung, im selben Raum mit mir zu sein.“
Sophie erstarrte. Alles, was sie hörte, war nur noch ihr eigener donnernder Herzschlag. So ging er jetzt also vor. Im Gegensatz zu ihr wollte er nicht höflich ihre Vergangenheit unter den Tisch kehren, sondern sie vielmehr hervorzerren. Das konnte sie auch. So leicht musste sie ihn nicht davonkommen lassen. „Es ist schwer zu ignorieren, wie die Dinge zwischen uns geendet haben. Falls es das ist, was du andeutest.“
„Das letzte Mal haben wir uns bei unserer Abschlussfeier gesehen. Ich dachte, alles wäre gut. Wir haben uns umarmt und uns gegenseitig alles Gute gewünscht.“
Jener Moment war in Sophies Erinnerung so lebendig, als ob er in ihr Gehirn eintätowiert wäre. Selbst nach so langer Zeit fühlte es sich immer noch etwas wund an. Noch immer spürte sie ein tiefes Sehnen nach ihm, tief in ihrem Herzen, das ihr sagte, dass er alles war, was sie jemals wollte oder brauchte, aber nie haben würde.
Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe, und du hast so getan, als wäre es nichts.
„Es ist nicht ganz so, wie ich mich daran erinnere, aber ich bin froh, dass du es in so guter Erinnerung behalten hast“, sagte sie. „Ich war damals noch ziemlich verletzt davon, was sich nach unserer gemeinsamen Nacht abgespielt hat.“
Jake runzelte die Stirn. „Es war zu unserem Besten. Wir wussten beide, dass es zu nichts führen würde. Ich wollte unsere Freundschaft retten und dachte, das hätte ich getan. Jetzt fange ich an zu glauben, dass ich mich geirrt habe.“
Sophie schüttelte den Kopf. „Natürlich dachtest du, du würdest uns voreinander retten. Nicht nötig, sich darüber zu unterhalten. Ein paar Worte des Bedauerns, damit du aus dem Schneider bist, reichten also? Mehr als eine Person braucht es ja nicht, um Schluss zu machen.“
„Wenn es dich so mitgenommen hat, hättest du damals etwas sagen sollen. Du schienst überhaupt kein Problem damit zu haben.“
„Ich hatte gar keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Du hast mich praktisch abgeschoben.“
„Vertrau mir. Du bist jetzt besser dran, als wenn wir weitergemacht hätten.“
Ärger wallte in ihr auf. Wie konnte er wissen, dass es mit ihnen nicht geklappt hätte? Wenn er ihnen eine Chance gegeben hätte, wären sie jetzt vielleicht zusammen glücklich. „Ach, offenbar funktioniert deine Kristallkugel bestens. Meine ist gerade zur Reparatur. Aber danke, dass du auf mich aufgepasst hast.“
Wieder sah er sie an, als ob er fieberhaft nachdächte. „Weißt du, wenn es nicht völlig unangebracht wäre, würde ich dich jetzt fragen, ob ich dich küssen dürfte.“
Sophies Herz zog sich in ihrer Brust zusammen. Ein Kuss? War der Mann irre? „Ich dachte, du wolltest mich davor bewahren, verletzt zu werden.“
„Ich weiß, aber als ich dich zum ersten Mal geküsst habe, bist du in meinen Armen förmlich dahingeschmolzen. In dem Moment wusste ich, dass ich dich zu allem überreden könnte.“
Sophie starrte in seine gefährlich grünen Augen. Es lag so viel Intensität darin, dass sie Mühe hatte, standhaft zu bleiben. Sie konnte nicht glauben, dass er ihre Schwäche für ihn gerade so dreist gegen sie verwendete. „Raus hier. Sofort raus aus meinem Büro!“
„Du wirfst doch nicht den Kerl hinaus, der dir eine Wagenladung deiner Lieblingsblumen gebracht hat.“
„Es ist mein Ernst, Jake. Bring mich nicht dazu, Duane vom Wachschutz zu rufen. Er ist über zwei Meter groß, wiegt hundertsechzig Kilo, und ihm fliegt sehr schnell die Sicherung raus.“
„Komm schon, Sophie. Ich mache doch nur Spaß. Du kennst mich. Ich bin ein Witzbold.“
Sophie stieß ihn mit dem Finger vor die Brust. „Und wie gut ich dich kenne, Jake. Ich weiß genau, wozu du fähig bist. Was der Grund ist, warum ich dich bitten muss, zu gehen.“
Wie benebelt stieg Jake aus dem Fahrstuhl im Erdgeschoss des Eden’s. Er fühlte sich ein bisschen, als wäre er vom Bus überfahren worden. Nicht nur war sein Treffen mit Sophie alles andere als gut verlaufen. Er hatte auch vergessen, was es mit ihm anstellte, in ihrer Nähe zu sein. Ihr enges schwarzes Kleid allein hätte schon gereicht, ihr sein gesamtes Unternehmen zu überschreiben. Jede Kurve, die es betonte, erinnerte ihn daran, was er gehabt und wieder weggeworfen hatte. Und dann ihre wunderbaren roten Locken, die ihr über die Schultern fielen, die brennenden, tiefbraunen Augen und die vollen, kirschroten Lippen, die ihn zu dem zugegebenermaßen etwas dreisten Kommentar verführt hatten.
Er hatte wirklich geglaubt, sie mit den Blumen herumzukriegen. Sophie war lieb und sentimental. Welche Frau würde solch eine Geste nicht zu schätzen wissen? Er hatte nicht gleich ein Ja auf sein Angebot erwartet, aber doch zumindest, dass sie es sich überlegte. Stattdessen hatte sie alles getan, um Distanz zwischen sie beide zu bringen. Gefühlt war er im Grunde hinter einer Scheibe aus schusssicherem Glas gelandet.
Er traf sich mit seinem Fahrer David am Bürgersteig und sprang auf den Rücksitz des schwarzen Cadillac Escalade. Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf, während die Stadt an ihm vorbeizog. Sein Killerinstinkt, der ihm so viel Erfolg verschafft hatte, dass es ihn selbst überraschte, ließ nicht zu, dass er wegen einem einzigen schlecht verlaufenen Treffen aufgab. Die anderen Mitglieder des War Chest waren heiß auf den Deal. Aber je näher die Verlesung von Victoria Edens Testament rückte, desto unwahrscheinlicher war es, dass sein Plan funktionierte. Jeder in der Stadt mit einem dicken Bankkonto würde Sophie und ihrer Schwester bis dahin die Bude einrennen. Er konnte es sich nicht leisten, zu warten.
Als Jake in seinem Büro ankam, war ihm klar geworden, dass Blumen und Obstkörbe der falsche Ansatz gewesen waren. Er brauchte Fakten. Sophie und Mindy saßen auf einer Goldgrube, aber das Eden’s sah einer düsteren Zukunft entgegen. Davon war er überzeugt.
„Falls kein Anruf von Sophie oder Mindy Eden reinkommt, bin ich in einem Meeting“, sagte er zu Audrey, als er an ihr vorbeiging.
„Ja, Sir.“
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und griff sich den Ordner mit den Hintergrundinfos, den Audrey über das Eden’s zusammengestellt hatte. Dann öffnete er ein neues Browserfenster auf seinem Laptop. „Zeit, herauszufinden, wie schlecht die Dinge für das Eden’s stehen“, murmelte er vor sich hin.
Ein paar Stunden später hatte er seitenweise Zahlen und Notizen zusammengetragen und Schätzungen aufgestellt, wie viel Platz das Eden’s für jede seiner Abteilungen nutzte und verschwendete. Unglücklicherweise rief der profitabelste Bereich – die Schuhabteilung – Erinnerungen an Sophie in ihren sexy High Heels von vorhin in ihm wach. Einen Moment lang hatte er eine Vision, wie sie vor ihm lag. Wie sie ihm die Beine auf die Schultern legte … Er unterdrückte den Gedanken sofort, obwohl er später vielleicht gezwungen war, noch einmal darauf zurückzukommen.
Also berechnete er lieber, wie viel das Eden’s ungefähr für Marketing und Wachschutz ausgab und, ja, auch für das Dekorieren von Geschäftsführungsbüros, um sie aussehen zu lassen wie das Innere einer Schneekugel.
Es war ein bisschen wie Kaffeesatz lesen, aber es musste reichen. Zu wissen, dass kein anderer Geldsack oder Investor sich so viel Arbeit machen würde, befriedigte ihn zutiefst. Sophie würde begreifen, dass er nur auf sie achtgab. Es war schließlich zu ihrem Besten.
Und zu seinem natürlich. Der Deal würde jahrelang, vielleicht jahrzehntelang das Gespräch in Bauunternehmerkreisen sein. Und sein Konto würde erheblich davon profitieren. Aber zuerst musste er die Person anrufen, die auf seiner Seite war: Mindy Eden.
„Jake, ich sagte doch bereits, dass nicht ich es bin, die Sie überzeugen müssen, sondern Sophie. Ich habe null Interesse am Eden’s.“
Jake blickte aus seinem Bürofenster auf den geschäftigen Weihnachtsmarkt hinunter. Er hatte nie verstanden, wieso Menschen derart versessen auf Weihnachten sein konnten. „Okay. Dann sagen Sie mir, wie ich zu ihr durchdringe. Sie stemmt sich nicht nur gegen einen Verkauf, sondern lehnt jegliches Gespräch mit mir ab.“
Mindy lachte. „Sie wissen schon, dass Sie ihr das Herz gebrochen haben, oder?“
Jake erstarrte. „Das habe ich nicht. Sophie und ich hatten seinerzeit nur zu viel getrunken und ein bisschen Spaß. Ich habe es am nächsten Tag beendet, damit sie es nicht tun musste. Glauben Sie mir, ich habe nur in ihrem Sinne gehandelt. Jeder andere Kerl hätte sie monatelang hingehalten.“ Hatte Sophie wirklich das Gefühl gehabt, er hätte ihr das Herz gebrochen? Er hatte sie doch nur beschützen wollen.
„Oder er hätte sich in meine wunderbar kluge und schöne Schwester verliebt und wäre für immer glücklich und zufrieden gewesen.“
Nicht dieser Kerl. Jake schluckte schwer, um die Worte abzuwürgen. „Irgendetwas sagt mir, dass sie meiner sehr schnell überdrüssig geworden wäre.“
„Hm, ich weiß nicht.“
„Glauben Sie, es würde helfen, sie außerhalb des Büros zu treffen? Vielleicht am Wochenende, wenn sie entspannter ist?“
„Sophie entspannt sich nicht. Außerdem fährt sie dieses Wochenende weg.“
„Wohin?“
„In das Haus unserer Großmutter in der Nähe von Scarsdale. Die Familie verbringt dort immer Weihnachten. Sie fährt morgen hin.“
In Jakes Kopf arbeitete es. Das war doch eine Gelegenheit … „Ist es das Haus, in dem Sie und Sophie die Sommer verbracht haben?“
„Genau das. Eden House.“
„Sophie hat ständig davon geredet. Sie scheint viele schöne Erinnerungen daran zu haben.“
„Ja, wir beide, aber Sophie liebt es. Sie fährt dorthin, wann immer es geht.“
„Fahren Sie dieses Wochenende auch hin?“
„Ich habe zugesagt, Samstagabend nachzukommen. Das Wetter sieht nicht gut aus, aber sie wird mich umbringen, wenn ich nicht auftauche.“
Perfekt, dachte Jake. Er würde am Freitag hinfahren und Sophie von dem Deal überzeugen. Wenn Mindy am Samstag dazukam, konnten sie den Rest gemeinsam ausarbeiten.
Außerdem war es an der Zeit, sie zu besänftigen. Jake hasste den Gedanken, dass sie vielleicht all die Jahre einen heimlichen Groll gegen ihn gehegt hatte. Er hatte wirklich nur ihr Bestes gewollt, als er eine Romanze zwischen ihnen im Keim erstickte. Er wollte zwar nicht in seiner Vergangenheit kramen, in der es zu viele unglückliche Erinnerungen gab. Aber er konnte Sophie zumindest daran erinnern, dass sie sich einmal sehr nahegestanden hatten. Dass sie einen Weg finden konnten, miteinander klarzukommen und sich gegenseitig zu unterstützen.
„Also, Mindy. Ich frage mich, ob Sie mir mit einer Sache helfen könnten.“
„Klar. Welcher?“
„Ich brauche die Adresse des Eden House.“
In dem Moment, als Sophie ihren Bentley SUV in die gewundene Auffahrt des Eden House steuerte, fühlte sie sich schon mehr wie sie selbst. Vor ihr kam das Familienanwesen in Sicht mit seiner Fassade aus grauen Zedernschindeln mit weißen Zierleisten und dem Giebeldach mit den drei steinernen Schornsteinen. Das Haus war umgeben von einem Labyrinth aus sauber gestutzten Hecken. Hier hatte sie ihre glücklichsten Zeiten verbracht. Endlose Sommertage am Pool, Morgenspaziergänge mit Gram durch den Rosengarten, Kartenspiele und Marshmallow-Rösten über der Feuerstelle der Gartenterrasse. Bald würde ihr das Haus gehören, vermacht von ihrer Großmutter. Würde es sich je wieder mit Liebe und Lachen füllen? Diese Weihnachten waren ihr erster großer Test, und sie hatte fürchterliche Angst, zu versagen.
Sophie parkte ihren Wagen unter dem Carport vor dem Seiteneingang, um ihre Einkäufe direkt in die Küche tragen zu können, und stieg aus. Der saubere, aber eisige Geruch von Schnee lag in der Luft, von dem laut Wettervorhersage in Kürze ein paar Zentimeter fallen würden. Sophie machte sich keine Gedanken. In gewissem Sinne war es ein Traum, im Eden House eingeschneit zu sein. Die elektrischen Leitungen waren unterirdisch verlegt, also gab es immer Strom. Sie hatte ihr Handy dabei und Internetzugang, falls sie arbeiten musste, und im Familienkeller lagerte mehr als genug Wein. Ein, zwei Tage ohne das Geschäft würden ihr vermutlich guttun.
Mit eiskalten Fingern jonglierte sie die Lebensmittel, während sie gleichzeitig die Tür aufschloss. Sie ließ ihre Tüten auf die Kücheninsel fallen und öffnete den Kühlschrank. Beim Blick hinein kamen ihr die Tränen.
Der Kühlschrank war fast leer, aber auf der mittleren Ablage standen drei Flaschen Krug Champagner. Gram hatte Champagner abgöttisch geliebt und ihn bei jeder gesellschaftlich akzeptablen Gelegenheit getrunken. Sophie nahm sich eine der Flaschen und fuhr mit dem Finger über das goldene Etikett. Gram hatte sie Anfang Oktober in Erwartung des Weihnachtsfests mit der Familie gekauft. Aber jetzt würde sie sie nicht mehr genießen können.
Sophie stellte die Flasche zurück und wischte sich die Tränen ab. Unzählige Erinnerungen an ihre Großmutter würden sie dieses Wochenende verfolgen, aber Gram würde nicht wollen, dass sie sich zu sehr in Traurigkeit verlor. Sie hatte einen unerschütterlichen Glauben an die Kraft des positiven Denkens gehabt. Das Leben war so viel lebenswerter, wenn man einen Weg fand, glücklich zu sein. Schlimme Dinge passierten, aber am nächsten Tag schien wieder die Sonne, und irgendwie ging das Leben weiter.
Nachdem sie die Lebensmittel verstaut hatte, holte Sophie ihren Koffer aus dem Wagen. Es schneite bereits dicke Flocken. Sie sollte besser Mindy anrufen und sie warnen.
„Bist du schon da?“, fragte Mindy, als sie abnahm.
„Ich bin gerade angekommen. Es schneit, und laut Wettervorhersage werden es jetzt schon mindestens zehn Zentimeter. Ich finde wirklich, du solltest früher als morgen losfahren. Es kann sein, dass du sonst nicht mehr durchkommst.“
Lärm drang durch das Telefon. „Auf keinen Fall. Hier geht es drunter und drüber.“
„Aber du bist die Chefin. Außerdem ist dies das Wochenende, an dem wir das Haus dekorieren. Es wird kein anderes geben.“ Mit jedem Wort fühlte Sophie mehr Panik in sich aufsteigen. Die Familientradition lag ihr unendlich am Herzen. „Ich kann das nicht allein, und ich will es auch nicht. Es fühlt sich nicht richtig an.“
„Also, erst mal habe ich keinen Zweifel, dass du es allein schaffst. Und zweitens besteht die Möglichkeit, dass du das auch nicht musst.“
„Also kommst du doch früher?“
„Nein. Ich bleibe bei meinem Plan. Aber es wäre möglich, dass du Jake über den Weg läufst.“
„Ihm über den Weg laufen? Wo denn?“ Sophie blieb fast das Herz stehen.
„Ich weiß nicht. In der Küche? Im Wohnzimmer?“
„Was hast du getan? Hast du ihn mir hinterhergeschickt?“
„So ernst es dir damit ist, nicht zu verkaufen, so ernst ist es mir, dich vom Gegenteil zu überzeugen.“
Ein Sturm der Gefühle brodelte in Sophie hoch: Ärger, Frustration und das gewohnte Flattern, das gleichbedeutend mit der Erwähnung von Jake war. Wie sehr sie sich wünschte, dass es endlich aufhören würde. „Ich kann nicht glauben, dass du mir das antust.“
„Würde ich nicht, wenn er ein Fremder wäre. Aber du kennst Jake, und zwar schon ewig. Er will nur eine Chance, mit dir allein zu reden.“
Allein, allein, allein. Die Worte hallten in Sophie Kopf wider. „Er wird nicht herkommen. Dazu ist er zu stolz.“
„Er ist mit vier Dutzend Freilandrosen in deinem Büro aufgetaucht, oder? Hört sich für mich so an, als würde er alles tun, um einen guten Eindruck auf dich zu machen.“
Sophie schüttelte den Kopf und lief in den Flur. Sie konnte schon den Duft der frisch geschlagenen Tanne riechen, die zu besorgen sie Barry, den Verwalter von Eden House, gebeten hatte. Der Geruch hob ihre Stimmung, doch der Gedanke, dass Jake versuchte, sie zu beeindrucken, ärgerte sie.
Damals hatte sie es sich mehr als alles andere gewünscht, doch da hatte er nicht einmal den Versuch unternommen. Was also hatte sich geändert? Natürlich die Aussicht auf ein dickes Geschäft. Das war alles, was Jake interessierte. Jegliche Anstrengungen, die er unternahm, um sie zu manipulieren und an ihr Herz zu appellieren, dienten ausschließlich dazu, Geld zu verdienen. So konnte sie nicht mit sich umspringen lassen. „Ich muss auflegen.“
„Bist du sauer, Sophie?“
„Natürlich bin ich sauer. Du hast Jake auf mich gehetzt. Du weißt, dass er mir das Herz gebrochen hat.“
„Ja, schon. Und das habe ich ihn auch wissen lassen.“
„Du hast was?“ Sophie betrat das Wohnzimmer. In einer Ecke stand der Baum und wartete darauf, geschmückt zu werden. „Er nimmt mich schon als Geschäftsfrau nicht ernst. Warum musstest du auch noch unsere Vergangenheit ins Spiel bringen?“
„Weil er völlig ahnungslos ist. Er konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, warum du ihm nicht nachgibst.“
„Ich will nicht verkaufen. Das hat nichts mit ihm zu tun.“
„Erwartest du wirklich, dass ich das glaube? Eure Vergangenheit überschattet dein Urteilsvermögen. Du musst sie hinter dich bringen, nicht nur zu meinem, sondern auch zu deinem Besten. Ich glaube, es wird euch guttun, endlich alles auszusprechen. Macht reinen Tisch.“
Sophie ging zu einem der großen, bleiverglasten Fenster mit Blick auf den großen Vorplatz. Alles, was sie vom Anwesen sehen konnte, war bereits mit einer dünnen Schneedecke überzogen. „Jake und ich haben nichts zu bereden. Ich weiß doch, was er über mich denkt.“
„Und was genau?“
„Er sieht mich als die liebe, naive Sophie, die alles für ihn tun würde. Aber diese Frau bin ich nicht mehr. Und ich werde mich von ihm auch nicht mehr dazu machen lassen.“
„Hör ihm einfach zu, wenn er auftaucht, okay?“, sagte Mindy. „Mehr will ich gar nicht.“
„Solange du verspricht, dass du versuchst, morgen zu kommen.“
„Ich tue mein Bestes. Ich rufe dich morgen früh nochmal an, ja?“
„Gut.“
„Ich hab dich lieb, Sophie.“
„Hab dich auch lieb.“ Sophie legte auf und atmete tief durch. Kurz überlegte sie, Jake anzurufen, damit er nicht kam, aber vermutlich hatte Mindy recht. Vielleicht war es wirklich für sie beide Zeit, ein paar Dinge zu besprechen. Vielleicht war sie danach in der Lage, ihn ein für alle Mal zu vergessen.
Da sie das Haus nicht ohne Mindy dekorieren würde, entschied sie sich für ein Nickerchen. Nach der langen Fahrt und der höllischen Arbeitswoche war es mehr als nötig. Sie schnappte sich ihren Koffer und trug ihn nach oben.
Im Eden House konnten bequem zwanzig Leute unterkommen. Die Schwestern hatten immer ihre eigenen Schlafzimmer gehabt. Sophies war wunderschön in Weiß mit grauen und rosa Pastelltönen gehalten. Es hatte ein Himmelbett, das wie eine Wolke aussah, und einen malerischen Ausblick über den Garten und die Wälder dahinter.
Sophie zog eine bequeme, fliederfarbene Seidenpyjamahose und ein Trägertop an und schlüpfte unter die flauschige Bettdecke. Sie schloss die Augen, sank in die Federkissen und versuchte, möglichst nicht daran zu denken, ob Jake tatsächlich hierherkommen würde.
Als sie wieder erwachte, war es viel dunkler im Zimmer. Von irgendwoher drang eine Art Hämmern zu ihr. Sie schoss im Bett hoch und presste sich die Bettdecke vor die Brust, während ihr Gehirn langsam zu sich kam. Wie lange hatte sie geschlafen? Sophie tastete nach ihrem Handy. Ihr Nickerchen hatte Stunden gedauert. Wieder das Hämmern. Sie zuckte zusammen. Dann hörte sie den angenehmeren Ton der Türklingel, und ihr wurde klar, woher das Hämmern kam. Jake.
Sie schlüpfte in eine dicke, cremefarbene Strickjacke und ihre Filzpantoffeln und lief die Treppe hinunter. Unten angekommen, versuchte sie, durch das Seitenfenster etwas zu erkennen. Aber der Schnee fiel jetzt so dicht, dass sie kaum mehr sehen konnte als eine große Silhouette in einer dunklen Jacke.