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Mascen Wade, der strahlende Star-Pitcher des Baseballteams der Aldridge University, ist vieles: wohlhabend, unwiderstehlich und der Inbegriff des Bad Boys. Unsere Wege haben sich schon oft gekreuzt, doch mein Ziel ist es, unauffällig zu bleiben, meinen Abschluss zu machen und diese Stadt endlich hinter mir zu lassen. Als Mascen Wade mich eines Tages erkennt, ist es vorbei mit meinem Plan. Denn er hat sich vorgenommen, mein Leben auf den Kopf zu stellen und mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich habe nicht vor, mich von seinen Spielchen einschüchtern zu lassen – und ich bin fest entschlossen, seinem Charme nicht nachzugeben. Doch wie lange kann ich diesem gefährlichen Spiel widerstehen?
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Seitenzahl: 465
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Mascen Wade, der strahlende Star-Pitcher des Baseballteams der Aldridge University, ist vieles: wohlhabend, unwiderstehlich und der Inbegriff des Bad Boys. Unsere Wege haben sich schon oft gekreuzt, doch mein Ziel ist es, unauffällig zu bleiben, meinen Abschluss zu machen und diese Stadt endlich hinter mir zu lassen.
Als Mascen Wade mich eines Tages erkennt, ist es vorbei mit meinem Plan. Denn er hat sich vorgenommen, mein Leben auf den Kopf zu stellen und mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich habe nicht vor, mich von seinen Spielchen einschüchtern zu lassen – und ich bin fest entschlossen, seinem Charme nicht nachzugeben.
Doch wie lange kann ich diesem gefährlichen Spiel widerstehen?
Micalea Smeltzer lebt mit ihren beiden Hunden Ollie und Remy in Nord-Virginia. Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, liebt sie es, sich selbst in einem spannenden Buch zu vergraben.
Als Empfängerin einer Nierentransplantation setzt sie sich dafür ein, das Bewusstsein für die Auswirkungen von Nierenerkrankungen, Dialyse und Transplantation zu schärfen und die Menschen über Lebendspenden aufzuklären.
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Micalea Smeltzer
Bad Boys Break Hearts
College Sports Romance
Aus dem Englischen von J. Evers
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
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PROLOG — Vor zehn Jahren…
KAPITEL EINS — Rory
KAPITEL ZWEI — Mascen
KAPITEL DREI — Rory
KAPITEL VIER — Mascen
KAPITEL FÜNF — Rory
KAPITEL SECHS — Mascen
KAPITEL SIEBEN — Rory
KAPITEL ACHT — Mascen
KAPITEL NEUN — Rory
KAPITEL ZEHN — Mascen
KAPITEL ELF — Rory
KAPITEL ZWÖLF — Mascen
KAPITEL DREIZEHN — Rory
KAPITEL VIERZEHN — Mascen
KAPITEL FÜNFZEHN — Rory
KAPITEL SECHSZEHN — Mascen
KAPITEL SIEBZEHN — Rory
KAPITEL ACHTZEHN — Mascen
KAPITEL NEUNZEHN — Rory
KAPITEL ZWANZIG — Mascen
KAPITEL EINUNDZWANZIG — Rory
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG — Mascen
KAPITEL DREIUNDZWANZIG — Rory
KAPITEL VIERUNDZWANZIG — Mascen
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG — Rory
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG — Mascen
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG — Rory
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG — Mascen
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG — Rory
KAPITEL DREISSIG — Mascen
KAPITEL EINUNDDREISSIG — Rory
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG — Mascen
KAPITEL DREIUNDDREISSIG — Rory
KAPITEL VIERUNDDREISSIG — Mascen
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG — Rory
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG — Mascen
KAPITEL SIEBENUNDDREIßIG — Rory
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG — Mascen
KAPITEL NEUNUNDDREIßIG — Rory
KAPITEL VIERZIG — Mascen
KAPITEL EINUNDVIERZIG — Rory
KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG — Mascen
KAPITEL DREIUNDVIERZIG — Rory
KAPITEL VIERUNDVIERZIG — Mascen
KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG — Rory
KAPITEL SECHSUNDVIERZIG — Mascen
KAPITEL SIEBENUNDVIERZIG — Rory
KAPITEL ACHTUNDVIERZIG — Mascen
KAPITEL NEUNUNDVIERZIG — Rory
Epilog — Rory
Danksagungen
Impressum
Lust auf more?
Vor zehn Jahren…
Die Sonne wärmt meine Haut und verbrennt mir den Nacken. Es kribbelt und ich kratze mich. Ich hätte mich mit Sonnencreme einschmieren sollen, so wie Mommy gesagt hat, aber ich habe nicht auf sie gehört. Sie sagt, ich höre nie auf sie.
»Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.« Meine ältere Schwester kichert und ihr Blick wandert zwischen mir und meinem besten Freund Mascen hin und her.
Ich blinzele. »Was soll das bedeuten?«, zische ich Mascen zu.
»Ich glaube, wir müssen uns jetzt küssen«, flüstert er zurück und schaut auf den Grashalm, der wie ein Ring um meinen Finger gewickelt ist. Mommy wollte mir ihren Ring nicht leihen.
»Küssen?«
Er nickt und spitzt die Lippen.
Nur bin ich erst acht und sollte niemanden küssen. Daddy würde ausflippen, wenn er mich sehen würde.
Aber bevor ich Mascen wegschubsen kann, küsst er mich schon. Es geht unglaublich schnell und brennt auf den Lippen.
»Aua!« Ich fasse mir an den Mund. »Das hat wehgetan.«
»Küssen tut nicht weh«, behauptet Mascen.
Hazel läuft zur Schaukel, das Spiel langweilt sie. Ich befreie mich von dem kratzigen Kleid, das ich über meine eigenen Sachen ziehen musste, damit die Zeremonie wie eine echte Hochzeit wirken würde.
»Das hat aber doch wehgetan.« Trotzig starre ich zu dem Jungen hoch, der so groß ist, dass er glatt für zwölf durchgehen würde, obwohl er erst zehn ist. Total nervig.
»Du wusstest doch, dass ich dich küssen würde.« Mascen betrachtet den Grashalm um meinen Finger. »Und was machen wir jetzt?«
»Hazel ist weg, also können wir machen, was wir wollen.« Ich bin schon halb auf dem Weg zum Klettergerüst.
»Wir sind verheiratet. Wir sollten Sachen machen, die Verheiratete machen. Wie zum Beispiel … uns noch mal küssen.«
Ich werfe Mascen einen verwirrten Blick zu. »Meine Eltern küssen sich nie. Sie streiten nur.«
Mein bester Freund bleibt stehen. »Echt? Meine küssen sich andauernd. Voll eklig, aber dich zu küssen ist nicht eklig.«
Ich fühle, wie meine Wangen heiß werden. »Keine Küsse mehr. Wir sind nicht richtig verheiratet.«
»Und wenn ich es doch sein will?« Er neigt den Kopf und stemmt die Hände in die Hüften.
»Wir sind zu jung dafür.«
Mascens Augen weiten sich. »Na schön, dann wirst du eben meine richtige Frau, wenn wir älter sind.«
»Wie du meinst. Können wir jetzt spielen?«
»Klar, Rory.«
Er nimmt meine Hand und wir rennen den restlichen Weg zum Klettergerüst.
An diesem Tag fühlte sich mein Leben zum letzten Mal leicht an.
Am nächsten Tag ging alles den Bach runter.
Rory
Beim Anblick des monströsen Backsteinbaus, der nahezu vollständig von Efeu überwuchert ist, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Ich habe es aus eigener Kraft hierhergeschafft. Lange Zeit dachte ich, dass ich niemals aufs College gehen könnte. Besonders nicht auf so ein renommiertes wie Aldridge, das sich fünfundvierzig Minuten außerhalb von Nashville in die endlosen, grünen Hügel schmiegt. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um ein Stipendium zu ergattern, und habe das bisher noch nicht einmal gefeiert. Vermutlich, weil es sich bis gerade eben nicht real anfühlte.
Ich bin frei.
Die Sonne strahlt vom wolkenlosen, blauen Himmel. Ein Bilderbuchtag heißt mich in meinem neuen Zuhause willkommen.
Ich schließe die Tür meines klapprigen alten Ford Pick-ups, den ich von meinem Großvater geerbt habe, und gehe über die Straße zum Hauptgebäude, um mir meinen Vorlesungsplan und die Wohnheimzuweisung abzuholen. Die habe ich nicht bekommen. Oder meine Mutter hat sie in der Post entdeckt und direkt Richtung Müll befördert. Sie würde alles tun, um mich aufzuhalten und genauso unglücklich zu machen, wie sie selbst es ist.
Ich habe es noch nicht mal halb über den Zebrastreifen geschafft, als ein paar Reifen neben mir scheußlich laut quietschen. Ich drehe mich nach links und starre auf eine Stoßstange.
Der riesige, bronzefarbene SUV kommt nur Zentimeter vor mir zum Stehen.
Mir bleibt die Luft weg, während ich weiter wie gelähmt auf die Stoßstange starre, auf der in Großbuchstaben DEFENDER steht. Ich habe keine Ahnung, was ein Defender ist, auch wenn ich gerade beinahe seine Motorhaube mit meinem Blut verziert hätte. Rot auf Bronze. Kein gutes farbliches Match.
Ich versuche, mich zu beruhigen, und fixiere die getönten Scheiben. Sie sind zu dunkel, um den Fahrer dahinter zu erkennen.
Bevor ich zu Atem kommen kann, hupt der Blödmann – oder die blöde Kuh – hinterm Steuer, so als hätte ich etwas falsch gemacht.
Wut wallt in mir auf und meine linke Hand schießt mit erhobenem Mittelfinger in die Luft und winkt dieser Knalltüte zu, die es für angemessen hält, jemanden anzuhupen, den sie fast überfahren hätte.
Die Person hupt noch einmal und ich schlage mit der Hand auf die Motorhaube. Es gibt keine Delle, nicht einmal einen Kratzer, aber ich fühle mich besser. Ich schaffe die letzten Meter unversehrt auf die andere Seite, auch wenn mein Herz immer noch unkontrolliert schlägt.
Das Arschloch steigt aufs Gas und hinterlässt den Gestank von verbranntem Gummi.
»Ganz ruhig, Rory.« Ich lege mir die Hand auf die Brust und atme tief durch, um mich etwas zu beruhigen. »Es geht dir gut. Du bist in Sicherheit.«
Aber vielleicht kannst du später die Reifen von diesem Defender aufschlitzen. Viele von diesen SUVs kann es nicht mal hier an dieser exklusiven Uni geben.
Als ich das Gebäude durch die massive Holztür betrete, klappt mir die Kinnlade runter. So hohe Decken habe ich noch nie zuvor gesehen. Dunkler Dielenboden zieht sich durch das gesamte Foyer. An den Steinwänden sind überall Leuchten angebracht, die dem Raum das Flair einer mittelalterlichen Burg verleihen.
An einer Wand entdecke ich eine Bank und setze mich, um kurz zur Ruhe zu kommen. Das Letzte, was ich will, ist mit einer Sekretärin oder einem Prof zu reden, solange ich aussehe wie … na ja, als wäre ich von einem Truck überrollt worden. Fast wäre es mir ergangen wie dem Opfer eines Wildunfalls. Ironischerweise würde man mich genauso wenig vermissen. Niemandem würde das arme Mädchen fehlen, das auf dem Campus überfahren wurde. Meine Mutter würde nicht einmal mit der Wimper zucken. Vielleicht wäre meine Schwester traurig, aber auch da bin ich mir nicht sicher, wir haben kaum Kontakt.
Ich streiche mir die Haare zurück und atme tief durch.
Als meine Hände nicht mehr zittern, stehe ich auf und durchquere die Halle, als wüsste ich genau, wohin ich will. Dabei habe ich natürlich keine Ahnung. Jemand zeigt mir den Weg und ein paar Minuten später stehe ich im Studierenden-Sekretariat.
Nachdem ich meine Situation erläutert habe, druckt mir die freundliche Dame dort alle wichtigen Infos aus. Zum Glück fragt sie nicht, warum ich nicht von meinem Computer aus darauf zugreifen konnte. Ich habe nämlich keinen. Und wenn ich einen gehabt hätte, hätte ihn mir meine Mutter längst geklaut, um ihn für ein paar schnelle Dollar zu verscherbeln. Ich benutze immer den Computer in einer alten, ein paar Meilen entfernten Bibliothek, und bevor ich den Truck von Grandpa bekommen habe, musste ich sogar dorthin laufen.
Jetzt brauche ich allerdings ein eigenen Laptop, um in den Vorlesungen mitzuschreiben und für meine Hausarbeiten. Ich habe den ganzen Sommer in dem Diner in der Nähe unseres Trailers gearbeitet und jeden Dollar gespart. Glücklicherweise muss ich mir über die Studiengebühren keine Gedanken machen und auch nicht über die Kosten für Verpflegung, solange ich in der Mensa esse.
»Vielen Dank.« Ich schenke der Sekretärin ein Lächeln und falte die Papiere zusammen.
Den Rückweg zum Parkplatz schaffe ich, ohne beinahe überfahren zu werden.
Mit meinem Truck kurve ich über das Gelände und suche das Studierendenwohnheim, das auf dem Formular genannt ist. Islebrook klingt eher wie der Name einer ganzen Universität, nicht wie der eines Wohnheims, aber vermutlich muss hier alles irgendwie nobel klingen. Das Gebäude ist sicher nach einem spendierfreudigen Alumnus benannt – aus einer dieser reichen, konservativen Familien, die eine lange Tradition mit der Universität verbindet.
Ich parke vor dem Wohnheim und stelle den Motor aus. Der Auspuff knallt und ein paar Studierende drehen sich kurz um und mustern kopfschüttelnd meine Rostlaube. Meine Wangen werden heiß. Keines der anderen Autos hier ist so alt wie meins.
Ich schiebe mir die Brille ins Haar, steige aus und ziehe meinen Seesack von der Ladefläche.
Alles, was ich besitze, mein ganzes Dasein, passt in diesen Sack. Ich weiß nicht, ob ich mir dafür auf die Schulter klopfen oder vielmehr traurig sein soll, weil ich nichts im Leben bekommen habe, das es wert war, aufgehoben zu werden.
Mit einem letzten Blick auf das Stück Papier in meiner Hand mache ich mich auf den Weg in das Gebäude und hinauf zu der Wohneinheit im dritten Stock, die ich mir mit zwei anderen Studentinnen teilen werde.
Es wäre schön gewesen, ein Einzelzimmer zu haben, denn ich bin gern für mich allein, aber vielleicht tut mir die Gesellschaft auch gut.
Mit der Schlüsselkarte, die mir die nette Sekretärin gegeben hat, öffne ich die Tür, und bin erstmal positiv überrascht. Der Gemeinschaftsraum ist ziemlich groß und bietet Platz für eine Couch, einen Sessel, einen Fernseher, ein Bücherregal und sogar eine Küchenzeile. Auf der anderen Seite des Wohnbereichs liegen das Bad und die drei Schlafzimmer. Nur eine Tür steht noch offen, also gehe ich hinein und stelle meine Tasche aufs Bett.
Es gibt weder Bettwäsche noch eine Bettdecke oder ein Kopfkissen. Das hätte ich mir denken können, aber in meiner Eile, aus unserem Trailer zu verschwinden, habe ich es schlicht vergessen.
Ich seufze, denn jetzt muss ich vor dem Schlafengehen noch zu Walmart. Aber egal, bis dahin liegt noch ein halber Tag vor mir.
Im Zimmer direkt nebenan ist Stimmengemurmel zu hören. Wahrscheinlich lernen sich meine Mitbewohnerinnen gerade kennen. Oder vielleicht kennen sie sich auch schon und ich bin bereits jetzt die Außenseiterin.
Ich zögere kurz, doch dann wische ich die Hände an meinen zerrissenen Jeans-Shorts ab und beschließe, mich vorzustellen, anstatt mich in meinem Zimmer zu verkriechen.
Ich klopfe an die Tür und warte, bis sie geöffnet wird. Vor mir steht ein asiatisches Mädchen mit makelloser Haut und lächelt mich an.
»Du musst unsere andere Mitbewohnerin sein. Ich bin Li.«
»Hi.« Ich winke unbeholfen. »Ich bin Aurora.«
»Wow, cooler Name.«
»Danke, ihr könnt mich einfach Rory nennen. Die meisten nennen mich so.« Schon als Kind fiel mir auf, dass Aurora für die meisten Leute schwer auszusprechen ist. Außerdem passt Rory besser zu mir als der blumige Prinzessinnenname.
Li öffnet die Tür ein Stück weiter und macht den Blick frei auf Berge von Sachen, die noch eingeräumt werden müssen. Aber man kann schnell ihren persönlichen Touch erkennen: Fotorahmen, Bücherstapel, rosa Bettdecke, eine Lichterkette, die bereits über dem Bett hängt ...
Li nickt zu dem anderen Mädchen im Zimmer. »Das ist Kenna.«
Kenna hat hellbraune Haare und jede Menge Sommersprossen. Ich lächle sie an.
»Kanntet ihr euch schon?«, frage ich.
Li schüttelt den Kopf. »Nö, wir haben uns gerade kennengelernt. Wir sind alle neu hier.«
Ich bin total erleichtert, dass ich nicht von vornherein die Außenseiterin bin.
»Das hier ist mein Zimmer«, fährt Li fort. »Kennas ist da drüben und deins hast du ja sicher schon gefunden.«
Ich nicke. »Ja, schön euch kennen zu lernen!«
Kenna mustert mich nachdenklich. »Du siehst so aus, als würdest du nicht gerade viel rauskommen, Rory.«
Ihr Kommentar trifft mich unvorbereitet. Ich blicke an meinem weiten, kurzen Top, den Shorts und den No-Name-Sneakers aus dem Second-Hand-Laden hinunter.
»Nicht deine Klamotten. Dein Gesicht.« Kenna lächelt. »Du hast so einen natürlichen Look. Aber keine Sorge, ich mach das schon.«
Ich bin einigermaßen verwirrt. »W… was meinst du damit?«
»Nichts Schlimmes. Wie wär’s, wenn wir heute Abend ausgehen? Ich hab gehört, es gibt in der Nähe vom Campus eine Bar, die auch Alkohol an Minderjährige ausschenkt. Seid ihr dabei?« Kenna schaut zuerst Li an und dann mich. Ihre grünen Augen funkeln begeistert.
Li zuckt mit den Schultern. »Ich muss dringend mal hier raus, also bin ich dabei.«
Ich knabbere an meinen Lippen. Früher hatte ich nie Zeit zum Feiern. Wenn ich nicht in der Schule war, dann lernte ich und wenn ich nicht lernte, dann arbeitete ich.
Worauf zum Teufel wartest du? Darum wolltest du doch so weit wie möglich von Mom wegziehen: Um einen Abschluss zu machen und endlich ein richtiges Privatleben zu haben, stupst mich meine innere Stimme an.
»Okay, geht klar«, sage ich laut.
»Mega.« Kenna grinst. »Hast du was zum Anziehen?«
Ich denke an das Minimum an Klamotten, das ich eingepackt habe, und schüttele den Kopf. »Ich muss zu Walmart und ein paar Sachen kaufen ...«
Kenna kräuselt die Nase. »Ich kann dir gern was borgen.«
»Oh … ähm … okay. Ich muss trotzdem noch mal kurz los, bin aber rechtzeitig zurück. Braucht ihr irgendwas?«
Ich atme auf, als beide den Kopf schütteln. Li schnappt sich einen Pulli und hängt ihn auf.
»Bis später, Rory«, ruft Kenna mir hinterher, als ich zu meinem Zimmer rübergehe.
Ich schnappe mir mein Handy, mein Portemonnaie und die Schlüssel. Auf dem Weg nach draußen winke ich den Mädels zu.
Ich schaffe das, sage ich mir. Ich kann eine normale College-Studentin sein. Ich kann Freunde finden. Ausgehen. Mein Leben leben. Ich bin keine Gefangene mehr.
Nur warum fühle ich mich dann wie ein Vogel in einem offenen Käfig, der vergessen hat, wie man fliegt?
Mascen
Ich parke meinen Land Rover in der Garage meines Stadthauses und bleibe für ein paar Augenblicke sitzen. Obwohl ich die letzten Stunden allein auf dem Sportplatz verbracht habe, um an meinem Pitch zu arbeiten, fühle ich mich kein bisschen besser. Ich bin total verschwitzt und sollte reingehen und duschen, aber ich kann mich nicht dazu aufraffen.
Dass ich auf dem Campus beinahe irgendeine Tussi angefahren habe, hebt meine Laune nicht gerade. Ich habe nicht aufgepasst und hätte sie fast erwischt, was allein schon verdammt beängstigend ist, aber weil ich nun mal so bin wie ich bin, habe ich auch noch gehupt, als wäre meine Unaufmerksamkeit ihre Schuld. Ich kann manchmal ein richtiges Arschloch sein. Dabei meine ich es noch nicht einmal so … meistens jedenfalls. Manchmal macht es mir allerdings auch Spaß. Ich weiß nicht, was das über mich aussagt, aber so ist es nun einmal.
Ab und zu ist es ja ganz praktisch, ein Arsch zu sein, besonders wenn man nicht will, dass einem andere zu nah kommen. Ich bin in einer berühmten Familie aufgewachsen und es nervt mich schon immer, wenn sich irgendwelche Leute in meine Angelegenheiten einmischen. Ätzend. Ich bin gerade einmal zwanzig und nur weil mein Vater Drummer in einer mega-erfolgreichen Band ist, heißt das nicht, dass ich mein ganzes Leben in den Schlagzeilen wiederfinden will. Aber den Medien ist das scheißegal. Sie wollen nur eine Story. Die Neueste hat mich heute auf den Sportplatz getrieben. Irgend so ein Blödsinn mit einem Foto von mir in einer Kneipe. Der Text dazu:
Mascen Wade mit Bier in der Hand in einer Bar gesichtet. Tritt der Minderjährige Wade in die Fußstapfen seines Alkoholiker-Onkels?
Soweit ich weiß, war mein Onkel Mathias, der Zwillingsbruder meines Vaters und Lead-Sänger ihrer Band, nie Alkoholiker. Vielleicht hat er manchmal zu viel getrunken, aber die Medien übertreiben gern, um ihren Stories mehr Drama zu verpassen, und der Mist verkauft sich ja bekanntlich gut. Das nervt so.
Mal ehrlich, wer hat nicht schon mal Alkohol getrunken, bevor er einundzwanzig war?
Ich schlage mit dem rechten Handballen auf das Lenkrad. Das Mädchen, das ich fast überfahren hätte, kommt mir wieder in den Sinn. Mit den braunen Haaren und den großen Augen hinter der Brille kam sie mir irgendwie bekannt vor, erinnerte mich an ein längst vergangenes Leben. Als ich noch nicht so abgestumpft war.
Manchmal vermisse ich jene einfachen Tage, die Sommer, in denen ich über die Wiesen des Anwesens meiner Eltern in Virginia gerannt bin. Dort hat es mir immer besser gefallen als in L.A..
Ich schnappe mir meine Sporttasche vom Beifahrersitz und gehe hinein.
»Yo, Cole, bist du zu Hause, Mann?«, rufe ich, während ich nach oben gehe.
Keine Antwort, aber als ich den oberen Treppenabsatz erreiche, öffnet sich eine Tür.
»Wo zum Teufel bist du gewesen?«, fragt mein Mitbewohner und mustert mich stirnrunzelnd.
»Sportplatz«, antworte ich und bleibe vor seiner Schlafzimmertür stehen.
Cole zieht eine Augenbraue hoch. »Wusste gar nicht, dass das Baseball-Training schon stattfindet. Das Semester hat offiziell ja noch nicht mal angefangen.«
»Stimmt.« Ich nehme meine Baseballkappe ab und wische mir das schweißnasse Haar aus den Augen. »Ich musste mal Dampf ablassen.«
Er grinst. »Da hilft auch ne Muschi.«
»Bin nicht in der Stimmung.«
»Tu, was du nicht lassen kannst, Alter. Aber geh duschen. Du stinkst.«
»Das war mein Plan.«
Ich fliehe vor dem nächsten dummen Kommentar meines besten Freundes in mein Zimmer, werfe meine Tasche auf die Bank vor dem Bett und gehe direkt ins Bad. Cole hat Recht: Ich stinke.
Ich drehe den Warmwasserhahn in der begehbaren Dusche auf, streife mir die Klamotten ab und werfe sie in den Wäschekorb. Meine Boxershorts landen daneben. Aus Gewohnheit gehe ich hin und hebe sie auf, anstatt sie auf dem Boden liegen zu lassen.
Meine Mutter hasst es, wenn dreckige Klamotten herumliegen, und anscheinend habe ich diesen Tick von ihr. Ich habe auch ihre Vorliebe für heißen Tee geerbt, aber das wissen nicht viele Leute. Passt nicht zu meinem männlichen Image.
Ich stelle mich unter die Brause und beobachte, wie das Wasser um den Abfluss kreiselt. Meine Schultern sinken, erschöpft von einer Last, von der ich selbst nicht weiß, warum ich sie mit mir herumtrage. Mir ist klar, dass es sinnlos ist, mir Gedanken darüber zu machen, was bestimmte Leute von mir halten, aber ich kann einfach nicht anders.
Ich nehme die Seife und schrubbe mir den Dreck und den Schweiß von der Haut. Ich wasche mir auch die Haare und am Ende rieche ich von oben bis unten wie der Atlantische Ozean, oder zumindest sollte ich so riechen laut dem Etikett auf der Flasche. Ich mache mir nicht viel aus dem Kram, aber meine Mutter hat mich zu Weihnachten mit jeder Menge duftendem Zeug eingedeckt. Keine Ahnung, ob das einfach nur nett gemeint war oder ob sie mir auf ihre subtile Art sagen wollte, dass ich müffle.
Ich schnuppere sicherheitshalber nochmals an meiner Achselhöhle und trete dann auf die Badematte. Ich habe vor Kurzem eine harte Lektion gelernt, als ich noch keine Matte hatte und beim Aussteigen aus der Dusche auf dem Arsch gelandet bin. Den anderen hab ich erzählt, mein Steißbein hätte einen Baseball abgekriegt, weil es sich cooler anhörte als zuzugeben, dass ich auf meinen eigenen Badezimmerkacheln ausgerutscht bin.
Ich nehme ein Handtuch, binde es mir um die Hüften und greife nach einem zweiten kleineren, um mir die Haare trocken zu rubbeln.
Als ich zum Waschbecken tapse, vibriert mein Handy mit einer Textnachricht. Sie kommt von Jules, einer meiner regelmäßigen Bettgeschichten vom letzten Jahr. Jules schreibt, dass sie wieder in der Stadt ist und gerade in ihr Wohnheim eingezogen ist.
»Sorry, kein Interesse«, murmele ich vor mich hin, schalte mein Phone aus und schiebe es beiseite.
Ich habe viel zu beschissene Laune, als dass ich es genießen könnte, wenn mir jemand den Schwanz lutscht.
Einmal mehr wünschte ich, ich wäre nicht der Sohn von Maddox Wade.
Nachdem ich mir mit einer kleinen Menge Gel die Haare einigermaßen gestylt habe, nehme ich mir ein Paar Baumwollshorts und streife sie über.
Unten sitzt Cole auf unserem großen Sofa vor dem Flachbildschirm. Ich hole mir erst einmal eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, um meinen Flüssigkeitshaushalt wieder aufzufüllen.
Er sieht mich über die Lehne der Couch hinweg an. »Ein paar Jungs gehen später noch zu Harvey’s. Kommst du mit?«
Ich kippe den Rest des eiskalten Wassers hinunter. »Nee, heute nicht.«
Cole zieht die Augenbraue hoch. »Warum zum Teufel nicht, Mann? Es ist Jagdsaison für Erstsemester. Mit ein bisschen Bier und einer Pussy geht’s dir gleich viel besser.«
Mir fällt Jules’ Nachricht wieder ein und ich fahre mir mit der Hand über das glatt rasierte Kinn. »Ich hab einfach keine Bock.«
Das Harvey’s ist nicht schlecht, aber ich habe heute wirklich keine Lust in einer schummrigen Bar mit lauter Country-Musik und tanzenden Leuten herumzuhocken. Ich hätte nichts dagegen, mit den Jungs zuhause abzuhängen, aber wenn sie auf Mädels aus sind, ist das Harvey’s natürlich genau das Richtige.
»Alter, du bist ja echt beschissen drauf.« Cole steht auf, kommt zu mir in die Küche und schnappt sich ein Bier. Er macht den Kronkorken ab und gibt mir die Flasche. »Wenn du nicht ausgehen willst, ist das ne klare Ansage. Du kannst dich ja hier volllaufen lassen. Vielleicht geht’s dir dann besser.«
Ich verziehe das Gesicht zu einem halben Lächeln und proste ihm zu. »Das klingt wie ein Scheiß-Ratschlag.« Ich trinke einen tiefen Schluck. Dann stelle ich die Flasche zurück auf den Küchentresen und neige den Kopf zur Seite. »Tatsächlich, ich fühle mich schon besser. Du bist so was wie ein verdammter Fernsehdoktor, Cole.«
Cole zuckt mit den Schultern. »Ich gebe mein Bestes. Bist du wirklich sicher, dass du nicht mitkommen willst? Ich gehe sonst rüber zu Teddy, wenn du nicht mitgehst.«
»Ich bleib hier.«
Cole weiß eigentlich, dass ich einen einmal gefassten Entschluss nicht mehr ändere, aber das hält ihn nie davon ab, es mehrfach zu versuchen.
»Na schön. Wir sehen uns später, Mann.« Er klopft mir auf die Schulter, nimmt seine Schlüssel und verschwindet die Treppe hinunter in die Garage.
Ich kippe das restliche Bier ins Spülbecken und werfe die leere Flasche in den Müll. Dann mache ich mir ein Sandwich, nehme mir noch ein Wasser und gehe nach oben.
Ich lege mich aufs Bett, strecke meine Beine aus und stelle mir den Teller auf den Schoß. Es ist ein komisches Gefühl, in einem fast dreihundert Quadratmeter großen Haus allein zu sein. Ich war nie gern allein, aber wenn man in einer großen Familie aufwächst und einem auf Schritt und Tritt die Security folgt, ist man sowieso nie für sich. Aber selbst nach zwei Studienjahren, in denen ich die Freiheit genießen konnte, in diesem riesigen Haus zu wohnen, fühlt es sich noch seltsam an.
Ich nehme die Fernbedienung in die Hand, zappe ein bisschen rum und entscheide mich für eine Wiederholung von Die Zauberer vom Waverly Place.
Cole würde mir die Hölle heiß machen, wenn er mich erwischen würde, aber scheiß drauf. Wer schwelgt nicht gern ein bisschen in Kindheitserinnerungen?
Außerdem ist Selena Gomez heiß.
Rory
Ein paar Stunden später komme ich mit zwei Händen voller Tüten mit Sachen für mein Zimmer zurück, darunter auch ein paar, die nicht unbedingt notwendig waren, aber den Raum zu meinem kleinen Reich machen werden. Ich finde, ich habe das verdient, nachdem ich jahrelang jeden Cent gespart und versteckt habe. Ich habe auch ein paar Sachen für die Uni besorgt, Textmarker, Stifte und Notizbücher. Außerdem war ich noch im Uni-Shop und habe einen Laptop gekauft. Dank des Studierendenrabatts und weil ich ein generalüberholtes Modell genommen habe, konnte ich ein glänzendes, goldenes MacBook Air erstehen. Ich freue mich riesig darüber. Später werde ich das gute Stück sicher noch ausgiebig testen.
Ich stelle die Sachen auf meiner leeren Matratze ab und mache mich ans Werk. Li und Kenna sind nirgends zu sehen, wahrscheinlich sind sie in die Mensa gegangen, um einen Happen zu essen.
Zuerst beziehe ich mein Bett. Die weißen Laken und die graue Bettdecke sind ganz schlicht, gefallen mir aber besser als irgendetwas in Petrol oder Rosa. Das spiegelt zwar nicht gerade meine Persönlichkeit wider, aber ehrlich gesagt, kenne ich die auch überhaupt nicht mehr. In meinem Leben hat sich so lange alles ums reine Überleben gedreht, dass ich im Laufe der Jahre vergessen habe, wer ich bin.
Man hört ja oft, dass man am College die Gelegenheit hat, sich selbst zu finden, und ich glaube, für mich trifft das absolut zu.
Ich packe die Schreibutensilien aus und platziere den Laptop in der Mitte des Schreibtisches. Dann hänge ich Lichterketten um das Fenster herum auf, so wie Li es in ihrem Zimmer gemacht hat. Mir gefällt das warme heimelige Licht, das schafft eine gemütliche Atmosphäre. Ich trete zurück und begutachte mein Werk. Der Raum ist immer noch schlicht und ich habe nicht daran gedacht, einen Teppich zu kaufen, aber immerhin sind diese paar Quadratmeter jetzt ganz allein mein Reich. Meine Mutter kann mir hier nichts anhaben. Vielleicht können es die Erinnerungen auch nicht.
Die Tür zu unserer Wohnung geht auf und ich höre die Stimmen der Mädels. Ich strecke meinen Kopf heraus.
»Oh, hey, du bist wieder da. Das ist für dich.« Kenna kommt auf mich zu und hält mir einen Smoothie hin. »Wir wussten nicht, was du magst. Es ist Erdbeere und Banane und noch irgendwas anderes Gesundes drin.«
»Danke.« Ich nehme den Becher entgegen und spüre, wie sich meine Kehle zuschnürt. Es ist nur ein Getränk, aber ich bin trotzdem total gerührt. Niemand tut je etwas Nettes für mich, außer vielleicht meine ältere Schwester, aber die habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Hazel ist vier Jahre älter als ich und nachdem wir aus Virginia weggezogen waren, wurde sie superschnell erwachsen. Und als unsere Mutter immer mehr durchdrehte, brach Hazel mit sechzehn die Schule ab und machte sich aus dem Staub. Ich weiß, dass sie sich schuldig fühlt, weil sie mich im Stich ließ, aber ich kann sie gut verstehen. Ich wäre auch nicht dageblieben.
Gelegentlich telefonieren wir über Facetime und manchmal schickt sie mir ein bisschen Bargeld.
Nach ihrer Flucht machte Hazel ihren High-School-Abschluss nach, aber trotzdem arbeitet sie bis heute in einem Strip-Club. Sie verdient gutes Geld und kann selbst für sich sorgen. Viele Leute können das nicht von sich behaupten.
»Hast du alles bekommen, was du brauchst?«, fragt Li, lässt ihre Handtasche auf den Couchtisch fallen und wirft ihr langes, glattes Haar über die Schulter zurück.
»So ziemlich.«
Ich habe an alles Wichtige gedacht, auch an die Zahncreme und die Bürste, die ich zu Hause vergessen habe.
Während wir drei ein wenig verlegen herumstehen, wird mir mal wieder klar, dass ich nicht gut in Small-Talk bin und wie schwer es mir fällt, mich mit Leuten anzufreunden und überhaupt gesellig zu sein. Hazel war die Einzige an meiner Seite, bis sie weglief. Danach blieb ich allein.
Ich wippe auf meinen Fersen vor und zurück. »Also, wisst ihr schon, was ihr machen wollt?« Mann! Wie bescheuert hört sich das denn an. »Also, ich meine, welches Hauptfach ihr wählen wollt?«
»Grafik-Design«, antwortet Kenna wie aus der Pistole geschossen. Erleichterung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie ist ganz klar die Extrovertierteste von uns dreien. »Ich würde nach dem Abschluss gern für ein großes Unternehmen arbeiten. Branding und Packaging-Design … so was.«
»Wow, das klingt ziemlich cool.« Für mich kommt so ein Fachbereich nicht in Frage, ich bin nicht besonders kreativ.
»Und du?« Kenna setzt sich auf den Sessel und schlägt die Beine übereinander. Während sie auf meine Antwort wartet, reckt sie das Kinn in die Höhe.
Ich schlucke und wende den Blick ab, weil ich befürchte, dass meine Augen zu viel preisgeben könnten. »Ich möchte Anwältin für Kinderrechte werden.«
»Wow, dafür musst du aber lange studieren, oder?« Kenna schüttelt den Kopf. »Ich glaube, für so was fehlt mir das nötige Durchhaltevermögen.«
»Ja, zuerst vier Jahre bis zum Bachelor und dann muss ich mich für ein Master-Studium in Jura bewerben, das sind noch mal drei Jahre.« Ich spiele mit einer Haarsträhne. »Deshalb bin ich auch echt happy, dass ich hier anfangen kann, dann muss ich zumindest nicht die Uni wechseln.«
Ich wende meinen Blick Li zu: »Und was ist mit dir?«
»Ich will was mit Bio machen. Was genau, weiß ich noch nicht. Ich könnte natürlich Professorin werden, aber ob unterrichten so mein Ding ist? Ich glaub, Forschung liegt mir mehr.«
»Wow, wir interessieren uns alle drei für total verschiedene Sachen.« Kenna lacht leise. »Spannend. Ich geh jetzt mal duschen und style mich schon mal für heute Abend, okay?«
»Wann wollen wir los?«
»Um neun«, antwortet sie, schon halb auf dem Weg ins Bad.
Ich sehe auf die Uhr. »Es ist erst fünf. Brauchst du so lange, um dich fertig zu machen?«
Gut, ich bin eher der Typ Messy-Bun, Lipgloss, Wimperntusche und das war’s, aber knapp vier Stunden scheint mir doch ein bisschen sehr lang für ein ganz normales Abend-Styling.
»Perfektion braucht halt ihre Zeit.« Kenna zwinkert uns zu und spaziert mit einem theatralischen Winken ins Bad.
Ich werfe einen Blick zu Li. »Ich gehe dann mal weiter auspacken.«
Eigentlich gibt es ja nichts mehr auszupacken, aber ich kann noch ein bisschen umräumen und den Lageplan vom Campus verinnerlichen, damit ich am Montag klar komme.
»Ich auch.« Li lächelt verlegen und geht an mir vorbei in ihr Zimmer.
Als ich gerade meine Tür hinter mir schließe, stellt Kenna die Dusche an. Sekunden später beginnt sie ihre Karaoke-Show mit Oops I did it again von Britney Spears.
Ich schließe die Augen und atme ruhig und langsam aus.
Egal, was passiert, hierher zu kommen, war die richtige Entscheidung.
***
»In dem Outfit kann ich nicht rausgehen.«
Ich starre mein bodentiefes Spiegel-Ich an. Kenna hat mir einen Jeans-Mini und irgend so einen Bustier-Body mit Spitze aufgedrängt, mit einem in der Taille geknoteten offenen Holzfäller-Hemd darüber. Ein Paar Cowboy-Stiefel vervollständigen den Look.
»Wir sind hier in Tennessee. Sich so zu kleiden ist hier praktisch Pflicht.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Bist du dir da sicher?«
»Ähm …« Sie zögert und im Spiegel sehe ich sie hinter mir blinzeln. »Absolut.«
Während wir uns fertig machten, habe ich erfahren, dass Kenna aus Kalifornien stammt. Sie hat mir von ihrer Familie erzählt und dabei die ganze Zeit gelächelt. Ihr Dad ist so ein Tech-Genie mit einer eigenen Firma, und an den ganzen Designer-Teilen in ihrem Zimmer erkennt man sofort den Wohlstand ihrer Familie. Das ist nicht weiter überraschend. Aldridge ist ganz klar eine Uni-Adresse für die oberen Gesellschaftsschichten. Ich bin hier nur als Sozialfall geduldet, aber das macht mir nichts aus. Hauptsache ich erreiche mein Ziel: einen Abschluss in Jura und eine sichere Berufslaufbahn. Ich habe kein Problem damit, mein Leben von Grund auf selbst aufzubauen. Nicht jeder braucht ein Sprungbrett, um Großes zu erreichen. Außerdem: ohne Fleiß, kein Preis.
»Du siehst heiß aus«, fährt Kenna fort. »Umwerfend, ehrlich. Ich wünschte, ich hätte deine Brüste.«
Ich sehe hinunter auf meine B-Körbchen. Sie sehen viel voller aus in dem Push-up-BH, den Hazel mir gekauft hat.
»Danke?« Es klingt wie eine Frage, aber Kenna scheint das nicht zu bemerken.
»Aber was ist mit der Brille?« Sie beäugt meine Hornbrille. »Kannst du die nicht weglassen?«
Ich starre sie mit offenem Mund an. »Na ja, nur wenn ich praktisch blind rumlaufen will.«
»Ich meine ja bloß, hast du nicht vielleicht Kontaktlinsen oder so?«
»Nein, ich finde meine Brille zufällig gut«, antworte ich bissig.
»Oh, tut mir leid.« Ihr Gesicht läuft rot an. »Ich wollte nicht gemein sein. Ich bin echt schlecht darin, erst zu denken und dann zu reden. Mein Vater hat versucht, mir das beizubringen. Hat offensichtlich nicht geklappt.«
»Schon gut«, murmele ich und versuche, mich nicht zu ärgern. Kenna ist nicht die Erste, die sich über meine Brille auslässt und sie wird wohl auch nicht die Letzte sein. Der ätzendste Kommentar kam einmal von einem Mädchen in der Schule, die meinte, ich würde ohne Brille bestimmt viel hübscher aussehen. Darüber war ich so sauer, dass ich ausnahmsweise einmal direkt verbal konterte: »Ja, und du wärst hübscher ohne deine herablassende Art.«
Danach konnte sie mir nie mehr in die Augen sehen.
»Echt jetzt, du siehst super aus. Geh einfach raus und sei einen Abend lang ein anderer Mensch.« Kenna zuckt mit den Achseln und greift nach einem Paar High Heels.
Li steckt ihren Kopf zu Tür herein. »Fertig, Leute?«
Sie trägt zerrissene Jeans und ein Holzfäller-Hemd, das genau wie meins geknotet ist. Ich beneide sie um die Jeans. Ich zeige viel mehr Haut als sonst, aber was hat Kenna gerade gesagt: Sei einen Abend lang ein anderer Mensch.
Ich bin in einem neuen Bundesstaat, in einem College, wo mich keiner kennt und ich endlich die Vergangenheit hinter mir lassen kann. Jemand anders zu sein, klingt ziemlich verlockend. Hier hat man mich noch nicht in irgendeine Schublade gesteckt.
»Fertig«, antworte ich Li und dieses Mal lächele ich meinem Spiegelbild zu. Ich lockere mein Haar auf, das mir in Wellen über die Brüste fällt. »Los geht’s.«
***
Harvey’s, die Bar zu der Kenna uns fährt, ist eine ziemliche Spelunke. Die Art von Bar, vor der normalerweise Biker rumhängen. Aber heute parkt hier kein einziges Motorrad. Stattdessen stehen dort lauter Luxusschlitten wie Soldaten Spalier. Man kann das Geld auf Rädern förmlich riechen.
Kenna stellt den Motor ab. Das hört man kaum, so leise, wie ihr Elektroauto dahinrollt.
»Show-Time, Mädels.« Sie reibt sich die Hände und ihre Augen funkeln vor Vorfreude.
Während Kenna aus dem Auto schlüpft, lehnt sich Li zu mir vor und flüstert: »Ehrlich. Sie macht mir ein bisschen Angst.«
Ich lache los. »Sie ist ein echtes Original.«
Kenna winkt uns aufgeregt, dass wir schnell aussteigen sollen. Also beeilen wir uns.
Ein Country-Song schallt uns entgegen, als wir auf die Bar zugehen. Kenna drückt mit gespreizten Fingern die Tür auf, wie ein Cop in einem Western-Film. Oder vielleicht ist es auch der Bandit, der üblicherweise so einen Auftritt hinlegt.
Drinnen ist die Musik noch lauter und die Beleuchtung gedämpft. Es gibt Nischen mit Tischen und eine riesige, runde Theke in der Mitte des Raums, außerdem eine Tanzfläche, wo jede Menge Leute gerade so eine Art Step-Shuffle-Linedance tanzen.
Die lebhafte Atmosphäre gefällt mir.
Kenna nimmt mich an die Hand und ich greife schnell nach Lis Hand und so ziehen wir durch die Bar. Ich schätze, Kenna ist schon heute die heimliche Anführerin unserer Gruppe geworden.
Mit einem Blick nimmt sie den Raum in Beschlag. Weiter hinten in einer Ecke entdeckt sie eine Sitznische mit freier Aussicht auf die Tanzfläche. Sie liegt etwas abseits, was Kenna wohl ein wenig enttäuscht. Ihr Gesicht hellt sich aber schnell wieder auf, als sie erklärt, dass alle Drinks heute Abend auf sie gehen. Mit wehenden Haaren schwebt sie zur Bar hinüber und hinterlässt eine Wolke ihres blumigen Parfüms.
Li setzt sich und tippt sich mit dem Finger an die Wange. »Das ist normalerweise nicht so meine Szene«, sagt sie leise. »Dieses ganze Country-Zeug ist nicht so meins.«
Ich sage ihr nicht, dass das alles hier nur ein Fake ist, um den reichen College-Snobs die Illusion einer echten Country-Bar zu geben. Wenn das hier echt wäre, würden Trucks mit riesigen, verdreckten Reifen draußen parken, das Bier wäre halb so teuer und wahrscheinlich würde gerade jemand verprügelt werden.
Ich erkenne auf einen Blick, dass hier keine Einheimischen sind. Der Song endet und die Leute klatschen. Manche machen sich auf den Weg zurück zu ihren Tischen, andere bleiben, um weiter zu tanzen.
Ich habe total Lust auf Chicken Nuggets, aber ich glaube nicht, dass es die hier gibt.
»Ist da eine Speisekarte?«, frage ich Li und zeige ans Ende des Tisches, wo ein Korb mit Ketchup und andere Saucen steht.
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, ich sehe keine.«
Im selben Moment taucht Kenna mit einem Pitcher Bier auf. Wahrscheinlich hausgebraut oder eine regionale Spezialität. Dazu gibt es drei Shots.
»Los, Ladys.« Sie verteilt die Shots. »Aufs College.« Sie erhebt ihr Glas und wartet darauf, dass wir mit ihr anstoßen.
»Auf das Leben«, ergänzt Li.
»Auf die Freiheit.«
Die Gläser klimpern und ich versuche, das Gesicht nicht zu verziehen, während ich den Drink runterkippe. Es gelingt mir nicht, denn ich höre ein Lachen neben mir und verschlucke mich. Als ich nach oben schaue, blicke ich in bernsteinfarbene Augen. Ich brauche nicht lange, um zu erkennen, dass der Typ, der zu diesen Augen gehört, sexy und durchtrainiert ist. Wahrscheinlich ein Sportler. Seine Haut ist hellbraun und er hat kurz geraspeltes, schwarzes Haar. Tattoos schlängeln sich seinen linken Arm hinab.
»Irgendwelche Probleme?«
Jetzt huste ich erst recht. Verdammt.
Der Typ ist superattraktiv, Rory. Reiß dich zusammen.
Ich schnappe mir eine Serviette und drücke sie mir auf den Mund. »Ich … Mir geht es gut«, stammle ich.
Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Grinsen. »Ich spendiere dir ein Wasser.«
Kenna und Li schauen von dem Typen zu mir und wieder zurück. Dann wackelt Kenna leicht mit den Schultern, zwinkert und bedeutet mir mit dem Zeigefinger, dass ich aufstehen und dem Kerl zur Bar folgen soll.
Ich will Nein sagen, schiebe den Gedanken aber sofort beiseite. Ich verdiene ein bisschen Spaß und was ist schon dabei: ein süßer Typ redet mit mir und will mir einfach nur ein Wasser ausgeben. Wahrscheinlich hat er bloß Mitleid mit mir wegen meines peinlichen Hustenanfalls und will sichergehen, dass es mir gut geht.
»Ja, danke. Wasser wäre super.« Ich schlüpfe aus der Nische und seine Hand legt sich sofort an meine Taille. Seine langen, schlanken Finger berühren den Bund meines Jeansrocks.
Ich fühle mich beobachtet und spüre eifersüchtige Mädels-Blicke im Nacken. Wer immer der Typ ist, er ist eine große Nummer.
An der Bar gibt er dem Barkeeper ein Zeichen und innerhalb von Sekunden wird Eiswasser ausgeschenkt und mir zugeschoben.
»Wie heißt du?« In seiner tiefen Stimme erkenne ich einen leichten Südstaaten-Akzent.
»Rory«, antworte ich und nehme den Strohhalm zwischen die Lippen. Sein Blick wandert mit meiner Bewegung nach unten und ein Schauer läuft mir über den Rücken.
Es ist Monate her, seit ich mit einem Typen zusammen war, und keine meiner wenigen Zufallsbekanntschaften war besonders toll. Die Art, wie dieser Typ mich ansieht, spricht eine klare Sprache. Der weiß, was er tut, wenn ich ihn ranlassen würde. Wahrscheinlich hatte er schon mit den meisten Frauen auf dem Campus was laufen.
Was soll’s? Man lebt nur einmal.
»Und was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein, Süße?« Sein großspuriges Gequatsche würde mich normalerweise total ankotzen, aber heute Abend ist mir das egal. Vermutlich ein weiterer Nebeneffekt meiner neuen Freiheit.
»Wie heißt du?« Ich versuche, ein Lächeln zu unterdrücken, aber es gelingt mir nicht, trotz Strohhalm.
Seine bernsteinfarbenen Augen funkeln. »Cole.«
Ich habe noch nie Augen in einer solchen Farbe gesehen, es ist eine einzigartige Mischung aus Gold und einem Hauch Orange.
»Kein Nachname?« Ich ziehe eine Braue hoch.
»Anderson.«
»Nett dich kennenzulernen, Cole Anderson.«
»Du hast mir deinen Nachnamen auch nicht gesagt.« Coles Grinsen wird breiter und er gibt dem Barkeeper erneut ein Zeichen. In null Komma nichts bekommt er eine Flasche Bier in die Hand gedrückt, wahrscheinlich eins von diesen »Männer-Bieren«, die wie Pisse schmecken.
»Abbott.«
»Tanzt du mit mir Rory Abbott?« Er beißt sich gespielt verlegen auf die Unterlippe. Irgendwas daran ist unglaublich sexy.
»Nur wenn du willst, dass ich dir auf die Füße trete.« Ich wünschte, ich könnte tanzen, aber Hazel hat alle Rhythmus-Gene unserer Eltern geerbt. Ich habe dafür die Fähigkeit abgekriegt, allem und jedem zu widersprechen.
»Das macht mir nichts aus.«
Ich nippe an meinem schon halb leeren Wasser, während Cole mit einem herausfordernden Glitzern in den Augen seine Flasche an die Lippen hebt.
Als das Wasser alle ist, nehme ich seine freie Hand. »Warum nicht. Zeig mir, wie’s geht, Anderson.«
Mascen
Langsam bereue ich meine Entscheidung, nicht mit meinen Freunden losgezogen zu sein. Etwas Ablenkung würde mir ganz guttun, aber stattdessen sitze ich auf der Couch, die Füße hochgelegt, während im Fernsehen der History Channel läuft. Ich habe eine Schwäche für Ancient Aliens – Unerklärliche Phänomene. Cole hat sich weggeschmissen, als er mich zum ersten Mal beim Gucken der Doku-Reihe erwischt hat. Aber inzwischen ist er der Angeschmierte, weil ich ihn ganz schnell süchtig danach gemacht habe.
Ich setze mir die Bierflasche an die Lippen, aber sie ist leider leer.
Mit einem Seufzer stelle ich sie auf den Beistelltisch. Ich würde gern noch ein Bier trinken, aber ich muss vorsichtig sein. Es ist zwar offiziell noch keine Baseball-Saison, aber bei Coach Meyers gibt es eigentlich keine Auszeit. Er führt ein strenges Regiment. Und um von ihm gecoacht zu werden, wollte ich ja überhaupt hierherkommen. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um aufgrund meiner schulischen Leistungen an der Aldridge University angenommen zu werden. Und eben nicht wegen meines Beitrags für das Baseballteam oder wegen des Bankkontos meiner Eltern.
Viele reiche Leute lehnen sich einfach zurück und lassen ihr Geld sprechen, aber meine Familie ist anders.
Meine Eltern kommen beide aus armen Verhältnissen. Mein Vater und sein Bruder sind in Pflegefamilien aufgewachsen und haben dafür gesorgt, dass meinen Schwestern und mir immer klar war, dass nicht jeder so privilegiert ist wie wir. Wir haben nicht nur gelernt, zu teilen, sondern auch zu arbeiten für das, was wir haben wollten. Natürlich sind wir auch verwöhnt, man muss sich ja nur mal mein Auto und dieses noble Haus angucken, aber wir können die Dinge trotzdem besser einordnen als viele andere.
Ich kenne jede Menge reiche Arschlöcher, die mir mächtig auf den Sack gehen.
Wahrscheinlich habe ich mich deshalb mit Cole von Anfang an so gut verstanden. Wir haben uns im ersten Studienjahr während der Orientierungsphase kennengelernt, hingen mit denselben Leuten ab und wurden schnell gute Freunde. Cole hat ein Stipendium, denn er ist ein unfassbar guter Basketball-Spieler. Und zu meinem Glück interessiert es ihn einen Scheiß, wer mein Vater ist.
Als er meine Eltern kennenlernte, hat er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Das war mal eine erfrischende Abwechslung. Ich habe ihn irgendwann darauf angesprochen und seine Antwort war: »Ich will da draußen auf dem Basketball-Court etwas aus mir machen. Dein Nachname hilft mir nicht dabei, einen Drei-Punkte-Treffer zu landen.«
Meine Gedanken schweifen ab. Ich versuche aufzupassen, was im Fernsehen erzählt wird, aber ich kann mich nicht konzentrieren.
Schließlich stehe ich auf, nehme die leere Flasche vom Tisch und werfe sie in den Recycling-Behälter. Dann gucke ich, ob noch irgendwo schmutziges Geschirr rumsteht. Diese Lektion habe ich im ersten Jahr, in dem ich allein lebte, bitter gelernt. Ich habe vier Teller dadurch ruiniert, dass ich die Reste von einem Abendessen mit Freunden dauerhaft darauf habe verkrusten lassen. Ich schalte die Alarmanlage ein. Eine weitere Lektion, die ich in meinem ersten Jahr gelernt habe: Menschen sind total verrückt. Genauer gesagt: Frauen sind total verrückt. Kaum weiß ein Mädel, wo ich wohne, versucht sie hier buchstäblich einzubrechen und Sachen zu klauen. Als ob ich irgendwelche Erinnerungsstücke an die Band meines Vaters in meiner Wohnung herumliegen hätte.
Man sollte meinen, dass Frauen im Alter meiner Eltern meinen Vater vergöttern, aber Frauen in jedem Alter sind besessen von Willow Creek. Der totale Wahnsinn.
Ich nehme mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und dazu noch ein paar Cool Ranch Doritos – meine Schwäche – bevor ich das Licht ausschalte und ins Bett gehe.
Da klingelt das Handy in meiner Hosentasche.
Ich stelle Wasser und Chips auf dem Nachtisch ab und krame mein Phone heraus.
Lächelnd nehme ich den Facetime-Anruf an.
»Hey, Momma.«
Das strahlende Gesicht meiner Mutter leuchtet geradezu auf dem Telefon. Ihr lockiges Haar füllt fast den ganzen Bildschirm aus und beim Anblick ihrer liebevollen, braunen Augen wird mir das Herz schwer. Ich bin durch und durch ein Muttersöhnchen.
»Wie geht es meinem kleinen Jungen?«
»Ich wollte gerade ins Bett gehen«, antworte ich und knipse das Licht an, damit sie mich besser sehen kann.
»Ah, da bist du ja.« Sie lächelt und lehnt sich gegen den Küchentresen. »Wo steckt Cole denn?«
»Er ist mit den Jungs unterwegs.«
»Und du bist nicht mitgegangen?«
»Nee. Hatte keine Lust.«
Sie runzelt die Stirn. »Was ist es denn dieses Mal?«
»Das Übliche.« Kurz wende ich den Blick ab.
»Mascen …« Sie seufzt leise und ihre Augen sind plötzlich traurig.
»Mach dir keine Sorgen, Mom.«
Ihr Stirnrunzeln verstärkt sich, je öfter ich das Wort Mom sage. »Dein Dad meint es gut, Schatz, er hat nur …«
»Er hat Willow und Lylah einfach mehr lieb«, beende ich den Satz für sie und versuche, nicht verbittert zu klingen.
Meine Mutter atmet hörbar aus. »Mascen Zane Wade, das stimmt nicht. Auf keinen Fall. Dein Vater liebt euch alle gleich.«
Ich sehe sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Als ich losmusste, war er noch nicht mal zu Hause, um sich zu verabschieden. Und warum? Er war wegen Willow unterwegs.«
»Er stand auf dem Heimweg im Stau und das weißt du auch. Du wolltest nicht warten, bis er wieder da ist.«
»Er hätte gar nicht erst zu Willow fahren müssen. Wen interessiert’s, dass dieser Hund weggelaufen ist? Hat sie für sowas nicht ihren Verlobten?«
Scheiße, ich klinge echt verdammt wehleidig.
Die Wahrheit ist, dass die Abwesenheit meines Vaters gestern mir schwer auf der Seele liegt, sogar noch mehr als dieser beschissene Artikel, den ich beim Tanken am Kiosk entdeckt habe.
»Mascen.« Meine Mutter legt den Kopf schief. »Jetzt sei nicht so kleinlich. Du und dein Dad, ihr habt ein Kommunikationsproblem. Vielleicht seid ihr euch einfach zu ähnlich.« Ich öffne den Mund, um zu sagen, dass wir uns kein bisschen ähnlich sind und dass das meiner Meinung nach der eigentliche Grund ist, warum wir dauernd aneinandergeraten, aber Mom schneidet mir das Wort ab. »Doch seid ihr, Mascen. Er ist mein Mann und du bist mein Sohn. Glaub mir, ich kann das beurteilen. Du hättest auf ihn warten können.«
Ich sehe vom Display weg. Meine Mutter hat recht, das hätte ich natürlich machen können. Aber ich sage nichts. Da läuft so viel mehr Scheiß zwischen meinem Vater und mir, als nur die Tatsache, dass er gestern nicht da war, um sich zu verabschieden.
Ich höre die Tür aufgehen und dann seine Stimme.
»Ich spreche mit Mase«, antwortet Mom auf das, was er gesagt hat.
Und dann taucht neben ihr plötzlich Dads Gesicht auf. Attraktiv wie immer, mit Fältchen um die Augenwinkel und den ersten Anzeichen von Grau an den Schläfen.
Letztes Jahr hat mir ein Mädchen auf dem Campus hinterhergerufen, dass mein Vater ein DILF sei. Das fand ich total eklig, besonders als ich die Kleine erkannte. Sie hatte mir erst ein paar Wochen zuvor auf dem Klo bei Harvey’s einen geblasen.
Ich räuspere mich und winke dem Bildschirm zu. »Hi, Dad.«
»Bist du gut angekommen?«
»Sieht ganz so aus.«
Er presst die Lippen zusammen, sagt aber nichts. Aus seiner Hemdtasche lugt eine kleine schwarze Nase hervor und dann kommt der ganze Kopf eines kleinen Igels zum Vorschein.
»Oh«, meint mein Vater und zieht das Tierchen aus der Tasche. »Quilly Wonka will Hallo sagen.«
»Warum ist er in deiner Tasche?«
Dass mein Vater einen Igel mit sich herumträgt, ist nicht ungewöhnlich. Sie sind seine Lieblingstiere, er züchtet sie sogar. »Man kann nie zu viele Igel haben«, ist einer seiner Lieblingssätze.
Ich hätte gerne einen Golden Retriever oder so was gehabt. Aber nein, wir retteten und hielten Igel als Haustiere.
»Er hatte einen Streit mit Quilliam Shakespeare. Obwohl ich ihm gesagt habe, dass er nicht an die Mehlwürmer gehen soll.«
Ich fahre mir mit den Fingern durch die Haare und seufze. »Ich bin wirklich müde und gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht, Leute.«
»Ich hab dich lieb, ruf mich morgen an.« Meine Mutter wirft mir einen Kuss zu.
Ich fange den Kuss auf und lege meine Handfläche auf meine Brust. »Ich hab dich auch lieb, Momma.«
Dann blicke ich in die grauen Augen meines Vaters und sage schlicht: »Tschüss.«
»Tschüss, mein Sohn.«
Ich lege auf und werfe das Phone aufs Bett.
»Scheiße.«
Ich schalte den Fernseher ein und schnappe mir die Chips zum Knabbern. Kurz darauf gibt mein Körper der Erschöpfung nach und ich schlafe ein.
Rory
Das Pochen in meinem Kopf kann nicht normal sein.
Es pulsiert im Takt mit meinem Herzschlag. Ein Stöhnen löst sich aus meiner Kehle und ich kneife die Augen noch fester zu. Unter der warmen Decke mache ich eine Bestandsaufnahme. Ich wackle mit den Zehen und den Fingern. Anscheinend sind alle Gliedmaßen intakt und funktionsfähig. Das ist schon mal gut.
Öffne die Augen, Aurora.
Widerstrebend mache ich die Augen einen Spalt breit auf. Da sind Verdunklungsvorhänge vor dem Fenster.
Nur, dass ich in meinem Zimmer keine Verdunklungsvorhänge vors Fenster gehängt habe.
Oh mein Gott.
Ich neige den Kopf und stelle fest, dass ich nur meinen BH und meinen Slip anhabe. Der Typ neben mir liegt mit einem Kissen im Arm auf dem Bauch und schnarcht leise. Ich starre auf die weiche, muskulöse Kontur seines Rückens und mein Herz beginnt augenblicklich zu rasen bei dem Gedanken daran, was ich vielleicht letzte Nacht getan habe.
Die Erinnerung kommt in Schüben.
Tanzen mit Cole.
Lachen. Erst mit Kenna und Li.
Dann gemeinsam mit Coles Freunden.
Mehr Shots. Essen. Tanzen. Trinken. Lachen.
Irgendwie bin ich schließlich in Coles Stadthaus gelandet.
Wir haben ein bisschen rumgemacht. Ich weiß noch, wie ich mich an ihn drückte und dann … nichts mehr.
»Scheiße«, fluche ich und klettere aus dem Bett.
Ich stolpere durch das Zimmer und sammle meine Klamotten ein – besser gesagt, Kennas Klamotten.
Hektisch schlüpfe ich in den Jeansrock und suche nach dem Holzfäller-Hemd, kann es aber nirgends finden. Stattdessen greife ich mir ein Shirt, das vermutlich Cole gehört, und ziehe es mir über den Kopf. Es ist riesig und bedeckt mehr von meinen Beinen als der Rock.
Als ich aus dem Zimmer stolpere, knalle ich die Tür ein bisschen zu laut hinter mir zu.
Ich muss dringend mal meine Blase entleeren, aber im Moment will ich nur noch hier raus, wo immer das auch ist, und zurück in mein Wohnheim.
»Keinen Alkohol mehr, Rory«, ermahne ich mich viel zu spät.
Bibbernd halte ich mir den pochenden Schädel. Ich kann mich unmöglich hier auf das Parkett übergeben. Das wäre mega-peinlich.
Einatmen. Ausatmen.
Schon besser.
Ich wanke weiter den Flur entlang, als eine Tür auffliegt.
»Cole, bist du das?«
Klatsch.
Ich pralle auf einen nassen, muskulösen Männerkörper.
Wir strecken beide die Hände aus, um uns zu stützen und nicht gemeinsam zu Boden zu gehen.
Während ich zurücktaumle, erhasche ich einen Blick in das Gesicht meines Gegenübers. Ich dachte schon, Cole wäre heiß, aber verdammt, diesem Typen kann er nicht das Wasser reichen.
Kantige Konturen, volle Lippen, markante Nase, schräge Augen. Er ist ein Adonis, wie aus Stein gemeißelt. Perfekt. Man sollte ihn in einem Museum ausstellen, damit ihn jeder bewundern kann. Außerdem ist er praktisch nackt. Das dicke anthrazitfarbene Handtuch, das er sich um die Hüfte gebunden hat, hängt gerade noch so an seinem durchtrainierten Körper. Sein braunes Haar ist vom Duschen nass und klebt ihm am Kopf.
Und dann registriere ich die grauen Augen.
Entsetzen erfüllt mich, Galle steigt mir die Kehle hoch.
Ich kenne ihn, schreit mein Gehirn, und gleichzeitig denke ich, das kann nicht sein.
Aber er ist es.
Mascen Wade höchstpersönlich. Mein Kindheitsfreund, von dem ich mich nie verabschieden konnte. Der Sohn eines berühmten Drummers. Ich habe sein Gesicht immer mal wieder in irgendwelchen Zeitschriften gesehen und kann nicht fassen, dass ich ihn nicht sofort erkannt habe. Dieser verdammte Alkohol.
Mein Mund formt seinen Namen, aber es kommt kein richtiger Ton heraus. Wiedererkennen flackert in seinen Augen auf, aber ist so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen ist. Sein Ausdruck wird verschlossen und er runzelt wütend die Stirn.
Dann sagt er etwas, doch meine Ohren lassen mich im Stich.
Bin ich überhaupt schon richtig wach? Vielleicht träume ich ja. Ich habe im Lauf der Jahre ein paar Mal von Mascen geträumt, aber …
»Warum hast du mein Shirt an?«
Ich sehe an mir herunter. Auf der Vorderseite des riesigen Shirts ist Aldridge Baseball aufgedruckt, zusammen mit einem Wolf als Maskottchen.
»D… dein Shirt?«, stammle ich. »Ich hab’s in Coles Zimmer gefunden?« Ich weiß nicht, warum es wie eine Frage herauskommt. Die Situation hier bringt mich total aus dem Konzept.
»Es gehört mir«, presst Mascen durch seine zusammengebissenen Zähne hervor. Er mustert mich voller Verachtung. »Zieh es aus.«
»Was?« Ich verziehe ungläubig das Gesicht. »Nein. Ich kann mein Hemd nicht finden und …«
Er stützt seine Hände auf seine schmalen Hüften und lenkt meinen Blick auf das tiefhängende Handtuch und seinen – eins, zwei, drei – Eightpack-Bauch.
»Es ist mein verdammtes Shirt und ich verschenke meinen Kram nicht an Coles Schlampen.«
Ich zucke zurück. »Ich … ich kann hier nicht halb nackt rausgehen.« Es wäre so was von entwürdigend, den Walk of Shame ohne Oberteil zu machen. Aber Mascens Augen sind finster und regungslos.
»Daran hättest du denken sollen, bevor du mit ihm gevögelt hast. Gib mir mein verdammtes Shirt.« Er öffnet und schließt seine Hand. Fordernd. Unnachgiebig.
Ich mache den Mund auf, um seinen Namen zu sagen, um zu betteln, zu flehen oder was auch immer, verkneife es mir aber sofort. Ich werde mich nicht von einem Arschloch erniedrigen lassen, auch wenn er vor langer Zeit mal mein Freund war.