Die Zuversicht der Wildblumen - Micalea Smeltzer - E-Book
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Die Zuversicht der Wildblumen E-Book

Micalea Smeltzer

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Beschreibung

Wildblumen sind stark. Widerstandsfähig. Sie gedeihen unter den widrigsten Bedingungen. So möchte ich auch sein. Ich möchte die Zuversicht von Wildblumen besitzen … niemals aufgeben, blühen und gedeihen, was auch immer geschieht. Mein Leben verläuft ziemlich unspektakulär, aber das ist für mich in Ordnung. Das ändert sich, als Thayer Holmes nebenan einzieht. Der mürrische Landschaftsgärtner bringt frischen Wind in meinen Alltag. Und als er mich darum bittet, als Kindermädchen für seinen kleinen Sohn einzuspringen, stimme ich spontan zu. Es ist einfach unmöglich, Thayer und seinen Sohn nicht zu mögen. Allerdings gibt es ein großes Problem: Ich bin achtzehn Jahre alt, er einunddreißig. Sich in ihn zu verlieben, war nicht geplant. Und ja, ich sehne mich auch danach, meine inneren Dämonen zu überwinden. Doch manchmal haben die schönsten Dinge die schlimmsten Konsequenzen .... Erster Band der Wildflower Duet Reihe von Micalea Smeltzer. Wir empfehlen, die Bücher in der korrekten Reihenfolge zu lesen. 

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Seitenzahl: 464

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Wildblumen sind stark. Widerstandsfähig. Sie gedeihen unter den widrigsten Bedingungen. So möchte ich auch sein. Ich möchte die Zuversicht von Wildblumen besitzen … niemals aufgeben, blühen und gedeihen, was auch immer geschieht.

Mein Leben verläuft ziemlich unspektakulär, aber das ist für mich in Ordnung. Das ändert sich, als Thayer Holmes nebenan einzieht. Der mürrische Landschaftsgärtner bringt frischen Wind in meinen Alltag. Und als er mich darum bittet, als Kindermädchen für seinen kleinen Sohn einzuspringen, stimme ich spontan zu. Es ist einfach unmöglich, Thayer und seinen Sohn nicht zu mögen.

Allerdings gibt es ein großes Problem: Ich bin achtzehn Jahre alt, er einunddreißig. Sich in ihn zu verlieben, war nicht geplant. Und ja, ich sehne mich auch danach, meine inneren Dämonen zu überwinden. Doch manchmal haben die schönsten Dinge die schlimmsten Konsequenzen ....

Erster Band der Wildflower Duet Reihe von Micalea Smeltzer. Wir empfehlen, die Bücher in der korrekten Reihenfolge zu lesen. 

Über Micalea Smeltzer

Micalea Smeltzer lebt mit ihren beiden Hunden Ollie und Remy in Nord-Virginia. Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, liebt sie es sich selbst in einem spannenden Buch zu vergraben.

Als Empfängerin einer Nierentransplantation setzt sie sich dafür ein, das Bewusstsein für die Auswirkungen von Nierenerkrankungen, Dialyse und Transplantation zu schärfen und die Menschen über Lebendspenden aufzuklären. 

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Micalea Smeltzer

Die Zuversicht der Wildblumen

Aus dem Amerikanischen von Anne Morgenrau

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Triggerwarnung

Widmung

Zitat

Prolog — Fünf Jahre zuvor

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Dank

Triggerwarnung

Impressum

So geht es weiter ...

Triggerwarnung

Liebe Leser:innen,

in Die Zuversicht der Wildblumen

sind potenziell triggernde Inhalte enthalten.

Hierzu findet Ihr am Ende dieses Buches entsprechende Hinweise.

Wir wünschen Euch ein schönes Leseerlebnis.

Eure Aufbau Verlage

Für alle, die um etwas Geliebtes kämpfen müssen, was auch immer es sein mag.

»Liebe ist wie Wildblumen; sie findet sich häufig an den seltsamsten Orten.«

Ralph Waldo Emerson

Prolog

Fünf Jahre zuvor

Ich weinte nicht, als mein Vater starb.

Der Krebs zerstörte seinen Körper, seine Muskeln, das Gewebe, zerfraß jeden Teil von ihm … und ich weinte nicht.

Als seine Leiche in einem schwarzen Sack auf einer Bahre aus dem Haus befördert wurde, weinte ich nicht.

Als ich seine ehemals ausgemergelte Gestalt in dem Sarg betrachtete, die der Bestatter entweder mit Spachtelmasse bearbeitet oder sonst wie auf wundersame Weise aufgefüllt hatte, weinte ich nicht.

Auf der Fahrt zum Friedhof weinte ich nicht.

Ich weinte nicht, als der Pfarrer über das Leben und den Tod und die Unvermeidlichkeit all dessen selbst nach einem erfüllten Leben sprach.

Ich weinte nicht.

Meine Schwester weinte nicht.

Und meine Mutter auch nicht.

Missbrauchstäter verdienen keine Tränen.

Als die letzte Blume auf den Sarg gelegt wurde und alles vorbei war, weinte ich nicht.

Ich lächelte.

Kapitel 1

Mit achtzehn sollst du einen Plan für dein Leben haben.

Niemand sagt es dir ins Gesicht, aber es ist die unausgesprochene Botschaft, wenn die Leute von dir erwarten, dass du dir ein College ausgesucht hast und deinen kompletten Karriereweg vor dir siehst. Dass du einen Plan hast, wo und wer du sein willst.

Meine ältere Schwester wusste in diesem Alter, dass sie aufs College gehen und Krankenschwester werden wollte. Danach wollte sie in eine Großstadt ziehen, große Taten vollbringen und ein wichtiger Mensch sein.

Aber jetzt ist sie wieder zu Hause in Hawthorne Mills, unserer kleinen Stadt in Massachusetts.

Pläne funktionieren nicht immer, und trotzdem werden sie einem aufgedrängt, so als wäre alles in Ordnung, solange man den Weg nur klar vor sich sieht.

Was für eine verdammte Lüge.

Ich habe keinen Plan, und ich will auch keinen.

Vor zwei Wochen habe ich als Highschool-Absolventin ohne die Absicht, ein College zu besuchen, die Bühne der Schulaula überquert. Mein Freund will unbedingt aufs College gehen, und ihm ist unbegreiflich, warum ich ihm nicht folgen will.

Ich bin kein Hündchen an der Leine.

Den Wünschen eines anderen zu folgen, das klingt nach einer einfachen Fahrkarte in meine Version der Hölle … da war ich schon mal, und ich werde nie wieder dorthin zurückgehen.

Eine leichte Brise zerzaust mir die schulterlangen Haare, und ich binde mir die Haare mit einem Haargummi zurück. Ich ziehe die Beine an die Brust und schlinge die Arme darum. Auf dem Knie habe ich einen blauen Fleck – keine Ahnung, woher.

Das Auto meiner Mom biegt in unsere Straße ein, und ich krabble durch das Fenster in mein Zimmer zurück, bevor sie mich hier oben entdeckt. Sie findet es schrecklich, wenn ich draußen auf dem Dach sitze, ist fest davon überzeugt, dass ich eines Tages herunterfallen werde, obwohl ich bisher nicht einmal ausgerutscht bin. Ich habe ihr schon oft erklärt, dass Dachziegel rau sind und dadurch einen gewissen Halt bieten, aber sie hört mir nicht zu. Na ja, vermutlich erfüllt sie einfach ihre mütterliche Pflicht, indem sie auf mich aufpasst.

Seufzend schließe ich das Fenster hinter mir und betrachte lächelnd meinen schwarzen Kater, der zusammengerollt auf dem Bett liegt. Er mustert mich mit leuchtend grünen Augen, und sein Blick scheint zu besagen: »Wenn sie dich gesehen hat, steckst du echt in Schwierigkeiten.«

Ich nicke. Ja, schon klar.

Ich habe Binx, wie ich ihn nach der Katze in meinem Lieblingsfilm Hocus Pocus genannt habe, als Junges gefunden. Jemand hatte ihn in der Gasse hinter dem Antiquitätenladen meiner Mom ausgesetzt, und ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihn einfach dort zu lassen. Damals hatte ich nur eine vorläufige Fahrerlaubnis und war gerade mit dem Fahrrad unterwegs. Ich wickelte den Kater in meine Jacke und nahm ihn mit nach Hause. Ich flehte und bettelte, bis Mom mir erlaubte, ihn zu behalten. Ich hätte nicht gedacht, dass sie Ja sagen würde, aber wie durch ein Wunder tat sie es doch. Ich glaube, er hat auch ihr das Herz gestohlen.

Die Haustür schwingt auf, und wenige Sekunden später ruft Mom auch schon nach mir: »Salem?«

Jep, ich bin ebenfalls nach einer erfundenen Katze benannt.

Aber eigentlich heiße ich wie die Stadt, in der ich gezeugt wurde … hat man mir jedenfalls gesagt. So viel zum Thema eklig.

»Ja?« Ich wage mich aus meinem Zimmer und bleibe oben an der Treppe stehen.

Das viktorianische Haus, das Mom nach und nach umgestaltet, verfügt über eine breite geschwungene Treppe, wie man sie in alten Filmen sieht, in denen die Debütantin herabgeschwebt kommt, eine Hand elegant auf das Geländer gelegt.

Leider bin ich keine Debütantin, und ich habe auch nichts Elegantes an mir, meinen zerrissenen Jeansshorts, den schmutzigen Sneakers und dem Tanktop nach zu urteilen.

»Hast du heute Nachmittag etwas vor?« Sie bläst sich die Ponyfransen aus der Stirn, hält mehrere Papiertüten mit Lebensmitteln in Händen.

Ich steige die Treppe hinunter und nehme ihr ein paar ab. »Bisher nicht.«

»Wenn ich die Sachen weggeräumt habe«, sagt Mom, während sie auf die Küche zusteuert und ich ihr folge, »könntest du mir helfen, ein paar Cupcakes zu backen, falls du Lust hast. Thelma veranstaltet einen Kuchenbasar, und ich möchte ein paar Rezepte ausprobieren.«

Thelma Parkington, auch bekannt als größte Wichtigtuerin der Stadt. Sie ist weit über siebzig und trägt immer übergroße Brillen und bunte Kleider mit merkwürdigen Mustern. Sie ist eine richtige Klatschtante, die alles weiß, was es über die Einwohner dieser kleinen Stadt zu wissen gibt.

Schulterzuckend nehme ich eine Packung Frühstücksflocken aus einer Tüte und stelle sie in der Küche auf die Arbeitsplatte. »Klingt spaßig.«

»Gut.« Mom hält eine Packung Salzgebäck in der Hand und lächelt. »Ich freue mich, wenn du mir beim Backen hilfst.«

Ich erwidere ihr Lächeln. Das Leben war nicht immer so leicht und unbeschwert, nicht, solange Dad noch lebte. Hinter verschlossenen Türen war er ein missbrauchendes, kontrollierendes Arschloch, während er in der Öffentlichkeit ein völlig anderes Bild abgab. Das Leben mit ihm war die Hölle. Meine Mutter, meine Schwester und ich hielten ständig die Luft an und fragten uns, worüber er sich wohl als Nächstes aufregen würde. Der kleinste Anlass genügte – sei es, dass jemand das Licht nicht ausgemacht hatte, sei es, dass die Küche nicht schnell genug aufgeräumt worden war.

Jetzt können wir zusammen Cupcakes backen und die Küche tagelang im Chaos versinken lassen, wenn wir wollen.

Wir tun es nicht, es geht nur darum, dass wir es könnten.

Wir räumen sämtliche Lebensmittel weg, ehe Mom eine ihrer zahlreichen Schürzen herausholt. Diese ist bunt und mit Tortenstücken bedruckt. Mir reicht sie ein Exemplar mit Blumenmuster.

»Welche Geschmacksrichtungen willst du ausprobieren?« Ich binde mir die Schürze um die Taille und knote sie fest zu, damit meine Kleidung nicht schmutzig wird, aber wie ich mich kenne, werde ich mich trotzdem mit Mehl oder Zuckerguss beschmieren.

»Ich dachte an mein Honig-Lavendel-Rezept, dann die altbewährten Schokoladen-Cupcakes und vielleicht noch Zitrone-Minze.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Letztes Mal war es zu viel Minze, ich werde also ein bisschen an dem Rezept herumdoktern müssen.«

»Was ist mit deinen Cookie-Dough-Cupcakes? Die kommen doch immer gut an.«

Sie lacht leise und folgt mir mit dem Blick, als ich nach ihrem persönlichen Rezeptbuch greife, für den Fall, dass sie eine Rezeptur anpassen möchte.

»Das sagst du nur, weil es deine Lieblingssorte ist.«

Ich drehe mich zu ihr und lege das Buch auf die Kücheninsel. »Okay, erwischt«, sage ich.

Mom schüttelt den Kopf und verzieht amüsiert die Lippen, aber sie lehnt meine Bitte nicht ab. Ich lächle. Wir arbeiten Hand in Hand, holen Zutaten, Rührschüsseln und alle anderen notwendigen Utensilien heraus.

Ich kann nicht so gut backen wie Mom, aber immer noch ziemlich gut, und Backen ist etwas, das ich gern mit ihr mache.

Es ist schon ziemlich heiß im Haus – eine der kleinen Freuden, wenn man in einem alten Gebäude ohne Klimaanlage wohnt –, darum schalte ich den Decken- und den Standventilator ein, damit es in der Küche kühl bleibt. Sobald der Ofen vorheizt, wird es echt übel.

Meine Mutter macht uns zum Arbeiten Musik an, und wir tanzen durch die Küche und singen mit. Unser Lachen erfüllt den Raum. Ich erinnere mich an eine Zeit in unserem alten Zuhause, in der dieses Geräusch nicht mehr vorkam.

Ich versuche, nicht zu häufig an die Zeit davor zu denken – das Leben mit meinem Vater –, aber manchmal ist es schwer, den Gedanken zu verdrängen.

Ich fülle gleich große Mengen Teig in die Vertiefungen der beschichteten Cupcake-Form, während Mom drei verschiedene Sorten Glasur zubereitet. Die Küche ist der modernste Teil des Hauses, und Mom hat auf einem Doppelbackofen bestanden, weil sie so gern bäckt. Was natürlich sehr praktisch ist, wenn wir, so wie jetzt, mehrere Bleche Cupcakes gleichzeitig zubereiten wollen.

Ich schiebe die Formen in den Ofen und stelle den Timer, obwohl das eigentlich überflüssig ist.

Mom hat für solche Dinge einen sechsten Sinn. Es ist seltsam, dass sie immer weiß, wann etwas fertig ist, aber ihr Gespür hat sie noch nie getrogen.

Naserümpfend schaut sie auf ihr Handy. »Was ist?«, frage ich, während ich mir Teigspritzer von den Händen wasche.

»Deine Schwester.«

Ich verdrehe die Augen. Ich habe eine gute Beziehung zu meiner älteren Schwester, aber das heißt nicht, dass ich ihre Fehler nicht sehe … und sie hat eine Menge davon.

»Was hat sie jetzt wieder angestellt?« Ich trockne mir die Hände an einem Spültuch ab und fange an, schmutzige Schüsseln und Teigschaber einzusammeln.

»Sie kommt zum Abendessen nicht nach Hause, weil sie mit Michael ausgehen will.«

Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Michael ist seit Jahren immer mal wieder Georgias Freund. Er ist kein schlechter Kerl, aber zusammen sind die beiden eine tödliche Kombination. Wild und spontan, eine drohende Katastrophe.

Bei ihrer letzten Trennung hat Georgia geschworen, ihn niemals wiederzusehen.

Diese kleine Lügnerin.

Versteht mich nicht falsch, es ist ihr Leben, und sie kann damit tun und lassen, was sie will, aber ich wünsche mir nun mal, dass sie einen Mann findet, der sie wie eine Königin behandelt, und dass sie diesen Typen, der es sich immer wieder anders überlegt, endlich abserviert. Denn obwohl die beiden seit Jahren ein Paar sind, ergreift er die Flucht, sobald von Heirat auch nur die Rede ist. Ich bin vielleicht erst achtzehn, aber ich bin nicht dumm. Wenn es um gemeinsame Pläne geht, sollte ein Paar auf einer Wellenlänge sein, aber diese beiden scheinen in verschiedenen Ozeanen zu schwimmen.

»Ich dachte, es wäre aus?«, frage ich und schrubbe die Edelstahl-Rührschüssel heftiger als nötig.

»Du kennst doch Georgia. Sie liebt ihn und glaubt jedes Mal wieder, dass sich etwas ändert.«

»Vielleicht klappt es ja diesmal.« Ich versuche, Hoffnung in meine Stimme zu legen, aber wir lachen beide, da wir wissen, wie unwahrscheinlich es ist.

Als ich alles abgewaschen habe, helfe ich Mom, die Glasur zuzubereiten.

»Die Cupcakes sind fertig.« Ruckartig hebt sie den Kopf und eilt zum Ofen, wo sie einen Küchenhandschuh überstreift. Sie holt die Bleche zum Abkühlen heraus. »Kannst du bitte mal nachschauen, ob die Post schon da ist?«

»Klar, kein Problem.«

Ich öffne die Seitentür, steige zwei Stufen hinunter und stehe in der Einfahrt. Sie wurde vor Kurzem gepflastert – meine Großeltern haben die Arbeiten bezahlt –, und es fehlt mir, gegen den Kies zu treten.

Ich werfe einen Blick auf das Nachbarhaus, das vor einiger Zeit verkauft wurde. Noch ist niemand eingezogen, aber heute steht ein Pick‑up davor.

Holmes Landschaftsgärtnerei.

Hm. Vielleicht hat der Käufer einen Gärtner engagiert, der das überschüssige Grünzeug beseitigt. Der Garten und das Haus können ein bisschen liebevolle Zuwendung definitiv gebrauchen, aber genau wie unseres ist auch das Nachbarhaus hübsch und bietet viel Potenzial. Als meine Mom das Haus gekauft hat, habe ich sie anfangs für verrückt gehalten, weil sie keinen Neubau genommen hat, aber dann habe ich es verstanden. Ältere Häuser haben viel mehr Charakter. Man muss ihnen nur mit Liebe begegnen.

Ich öffne den Briefkasten, nehme die Post heraus und mache gerade kehrt, um wieder ins Haus zu gehen, da höre ich einen Schmerzenslaut von der anderen Seite des Zauns, der unseren Garten von dem daneben trennt.

»Hallo?«, rufe ich.

Keine Antwort, aber es klingt, als ob sich jemand mit irgendetwas abmüht.

Zögernd betrete ich das Grundstück und stelle fest, dass das Tor zum Garten hinter dem Haus offen steht. Ich werfe einen Blick auf den Pick‑up an der Straße.

Salem, auf diese Art kommt es dazu, dass Menschen ermordet werden.

Aber der Gedanke hält mich nicht davon ab, den Garten zu betreten.

»Hallo?«, erklingt meine Stimme in der Hitze des Nachmittags. »Ist da jemand?«

Als Antwort bekomme ich nur ein Schnaufen und Keuchen, als wollte jemand mit bloßen Händen das ganze Haus niederreißen.

Ich gehe an der Seite entlang und erblicke einen Mann, der zwischen verwilderten Blumen und Büschen wütend Unkraut jätet. Es ist nicht zu übersehen, wie muskulös seine Arme und Beine sind. Ganz zu schweigen von seinem Hintern.

Hör auf, diesem Fremden auf den Hintern zu starren!

Seine Haut ist tiefbraun; es ist die Art Bräune, die man nur durch viele Stunden in der Sonne bekommt.

Was vermutlich Sinn ergibt, wenn der Pick‑up mit dem Schriftzug des Landschaftsgärtners diesem Typen gehört. Seine schokoladenbraunen Haare sind von naturblonden Strähnen durchzogen.

Er wirft das Unkraut hinter sich, vieles landet in dem schmutzigen Pool, der schon viel zu lange unbenutzt daliegt.

»Hey. Kann ich Ihnen helfen?«

Beim Klang meiner Stimme erstarrt er, dreht sich dann aber um. Taxiert mich mit schmalen kastanienbraunen Augen von Kopf bis Fuß. Meine schmutzigen Schuhe, meine Hände, die die Briefe umklammert halten, meinen ganzen Körper.

»Du begehst Hausfriedensbruch«, knurrt er und setzt sich auf die Fersen zurück. Sommersprossen sprenkeln seine Nase, und obwohl ich den Mann auf Anfang dreißig schätzen würde, lassen sie ihn irgendwie jünger, jungenhafter aussehen. Sein Dreitagebart wirkt diesem Eindruck allerdings entgegen.

»Und Sie sollten sich eine Sonnenbrille aufsetzen.« Ich habe keine Ahnung, warum dies die ersten Worte sind, die aus meinem Mund kommen.

»Hä?« Er streicht sich ein paar wirre Haarsträhnen aus der Stirn und schaut blinzelnd zu mir hoch. Offenbar ist auch er der Meinung, dass ich etwas Dummes gesagt habe. Obwohl er tatsächlich eine Sonnenbrille tragen sollte.

»Tut mir leid«, sage ich schulterzuckend. »Ich wohne nebenan.« Mit dem Daumen zeige ich über die Schulter auf unser Haus. »Ich habe Sie hier drüben gehört. Es klang, als hätten Sie Probleme, und da dachte ich, ich sehe besser mal nach.«

»Mir geht’s gut.« Seine Stimme ist tief und voll, die Klangfarbe jagt mir einen Schauer über den Rücken. »Du kannst wieder gehen.«

Ich mustere ihn mit schmalen Augen. »Dürfen Sie überhaupt hier sein?«

Seine Lippen zucken, ein kaum wahrnehmbarer Anflug von Belustigung. »Das Haus gehört mir, also ja, ich darf hier sein. Und du? Darfst du hier sein?«

Die Antwort auf diese Frage kennen wir beide.

»Oh.« Ich trete einen Schritt zurück. »Ich … nein … wahrscheinlich nicht.« Meine eigene Dummheit bringt mich zum Stolpern. »Tut mir leid.«

Er schenkt mir keine Beachtung, sondern wendet sich wieder seiner mühseligen Arbeit zu. Dem Zustand des Gartens nach zu urteilen, wird es verdammt lange dauern, bis er allein alles ausgemistet hat, aber vielleicht hat er ja vor, sich später Hilfe zu holen, und muss gerade nur seinen Frust an den Pflanzen auslassen.

»Ich wollte nicht stören«, plappere ich und gehe rückwärts auf das offene Tor zu. »Ich habe mir nur Sorgen gemacht.« Der Typ ignoriert mich und wirft noch mehr Grünzeug hinter sich. »Wie auch immer, wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie einfach bei uns.«

Ich begreife, dass er mir nicht antworten wird, also stürme ich zum Tor hinaus und in unsere Einfahrt.

Die Seitentür schwingt auf, und Mom streckt den Kopf heraus. »Ich wollte kurz nach dir sehen. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«

Kopfschüttelnd husche ich die Stufen ins Haus hinauf. »Tut mir leid, ich habe nur gerade unseren neuen Nachbarn kennengelernt.«

»Oh.« Ihr Tonfall verrät, wie überrascht sie ist, und sie sieht sich um, als könnte sie in unserer Einfahrt jemanden entdecken. »Ich wusste nicht, dass schon jemand eingezogen ist.«

»Er kommt mir nicht besonders nett vor.«

Stirnrunzelnd schließt Mom die Tür ab. Sie hat die Cupcakes schon aus den Formen gelöst und sie in einer Reihe auf die Arbeitsplatte gestellt. »Das ist schade.«

»Mhm«, murmle ich.

»Vielleicht hatte er nur schlechte Laune. Umziehen kann stressig sein.«

Ich zucke gleichgültig die Schultern, aber mein Blick schweift zu dem Fenster über der Essecke, das auf den Nachbargarten hinausgeht. Ich kann ihn nicht sehen, stelle mir aber vor, wie er dort drüben auf dem Boden hockt.

»Kann sein.«

Irgendwie bezweifle ich das, muss mir aber eingestehen, dass ich trotz seines unfreundlichen Verhaltens neugierig auf unseren neuen Nachbarn bin.

Kapitel 2

Der neue Nachbar – unsere Begegnung ist jetzt drei Tage her, und ich weiß immer noch nicht, wie er heißt – arbeitet systematisch an der Pflege des Gartens. Er hat große Fortschritte gemacht, und gestern haben ihm ein paar Leute geholfen.

Er hat nicht bemerkt, dass ich ihn vom Dach aus beobachtet habe.

Wenn Mom mich erwischt, wird sie sagen, dass ich spioniere, aber der Ausdruck gefällt mir nicht.

Ich habe immer schon gern Menschen beobachtet – allerdings nicht wie eine Spannerin – und über ihr Leben nachgedacht, darüber, wen sie vielleicht lieben und was ihnen möglicherweise Sorge bereitet. So viele Menschen, so viele einander überschneidende Leben, und dennoch gehen wir gedankenlos aneinander vorbei.

Wenn ich sehe, wie er im Garten arbeitet, wütend das Unkraut herausreißt und sich den Schweiß von der Stirn wischt, ertappe ich mich bei der Frage, welche Dämonen ihn wohl quälen. Er scheint eine Menge aufgestauter Wut in sich zu haben, und ich frage mich, was der Grund dafür ist.

Aber danach kann ich ihn nicht fragen.

Also beobachte ich ihn stattdessen.

Ich beobachte ihn und stelle mir Fragen.

Die Neugier bringt mich fast um. Ich klettere durch das Fenster wieder in mein Zimmer, schließe und verriegele es, ehe ich Binx den Kopf kraule und die Treppe hinunterhüpfe.

Im Augenblick ist außer mir niemand zu Hause, also hält mich auch niemand davon ab, mir einen Cupcake von jeder Sorte zu nehmen, und dazu ein Glas von Moms frischer Limonade.

Ich gehe damit nach nebenan und bete im Stillen, dass der Nachbar heute besser gelaunt ist als vor Kurzem, aber nachdem ich ihn eine Stunde lang beim Arbeiten beobachtet habe, komme ich zu dem Schluss, dass ich mir lieber keine Hoffnungen machen sollte.

»Hi!«, rufe ich fröhlich.

Der Mann hält beim Ausgraben eines Strauchs inne und mustert mich mit schmalen Augen.

Heute trägt er kein Hemd, und von Nahem sehe ich, dass Schweiß auf seiner muskulösen Brust glänzt. Seine Schultern sind breit, die Taille wirkt dadurch schmal. Den Muskeln nach zu urteilen, ist der Typ sportlich; wenn er nicht arbeitet, verbringt er bestimmt eine Menge Zeit im Fitnessstudio.

Heute trägt er eine Baseballmütze, um seine Augen vor der Sonne zu schützen. Meine Mundwinkel zucken vor Belustigung, als ich an meinen Patzer mit der Sonnenbrille denke. Offenbar hatten meine Worte doch eine Wirkung.

Er senkt den Blick auf das Tablett in meinen Händen und dreht den Mützenschirm nach hinten.

»Schon wieder Hausfriedensbruch?«

Ich verdrehe die Augen. »Ich benehme mich nur wie eine gute Nachbarin. Cupcakes und Limonade.« Triumphierend halte ich das Tablett hoch.

Seine Zunge blitzt hervor und feuchtet seine Lippen an. Er macht keine Anstalten, mir das Tablett abzunehmen.

»Sie sind nicht vergiftet«, schwatze ich drauflos. »Es sind Cookie-Dough-Cupcakes, außerdem welche mit Lavendel und Honig und Zitrone mit Minzglasur. Ich persönlich mag am liebsten Cookie Dough.«

»Du redest ziemlich viel.«

Unbeeindruckt von dieser Feststellung zucke ich mit den Schultern. »Höre ich nicht zum ersten Mal.«

In Hawthorne Mills, Massachusetts, ist es an den meisten Tagen im Jahr kühl, aber im Sommer kann es drückend heiß werden. Heute ist definitiv ein solcher Tag. Obwohl ich nur zwei Gärten durchqueren musste, läuft mir bereits der Schweiß den Rücken hinunter. Ich spähe zu dem Pool rechts von mir und frage mich, ob der Typ vorhat, ihn noch vor dem Ende des Sommers zu reinigen und wieder in Betrieb zu nehmen.

Seufzend wischt er sich die Hände an seinen Shorts ab. »Welcher ist der mit Cookie Dough?«

Ich deute mit dem Kopf auf den Cupcake in der Mitte, und mit schlanken, gebräunten Fingern greift er danach. »Die anderen wollen Sie nicht?«

»Nein«, sagt er kopfschüttelnd und macht Anstalten, sich wieder seiner Arbeit zuzuwenden.

»Was ist mit der Limonade?«

Er zögert, dann nimmt er das Glas und stellt es auf einem ebenen Stück Erde ab.

Ich warte ab, in der Hoffnung, dass er etwas sagt, vielleicht so etwas wie Vielen Dank. Aber er greift nur nach der Schaufel, bereit, weiterzugraben.

»Brauchen Sie noch etwas?«, frage ich.

Er dreht seine Mütze wieder um, so dass ihm der Schirm tief in die Stirn reicht und seine braunen Augen verbirgt. »Nein. Das ist alles.«

Resigniert mache ich kehrt und steuere auf unser Haus zu. Am Tor angekommen, rufe ich ihm zu: »Gern geschehen!«

Hinter mir ertönt ein leises Glucksen.

Als ich den Antiquitätenladen an der Hauptstraße unserer kleinen Stadt betrete, signalisiert das fröhliche Klingeln der Glocke meine Ankunft.

Der Laden namens A Checkered Past Antiques ist Moms ganzer Stolz. Obwohl sie zu Hause gern bäckt, hat sie nie von einer eigenen Bäckerei geträumt. Nein, das hier ist es, was sie immer gewollt hat. Ein hübscher kleiner Laden voller selbst ausgesuchter Dinge. An manchen hat sie keinerlei Veränderungen vorgenommen, anderen hat sie – oder ich – in der Garage hinter dem Gebäude ein kleines Facelifting verpasst.

»Hey, Mom!«, rufe ich und steuere auf den hinteren Teil des Ladens zu. Ich stelle meine Tasche hinter dem Tresen ab.

»Hi, Süße.« Sie blickt von einer Vitrine auf, die sie zum vierten Mal in dieser Woche umdekoriert.

Manche Leute würden es wahrscheinlich hassen, für ihre Mutter zu arbeiten, aber ich liebe es. Gespräche mit Kunden führen, Objekte herausputzen, sehen, wie die Leute sich in die alten Sachen verlieben … all das ist absolut magisch.

Außerdem ist es toll, dass Mom mir erlaubt, meine selbstgezogenen Kerzen zu verkaufen. Als kleines Hobby hat es angefangen, ein Vorschlag meiner Therapeutin, der mir helfen sollte, meine Wut und meine Depression in etwas Produktives umzuwandeln. Na ja, von Kerzen hat sie nicht direkt gesprochen. Sie erzählte etwas von Malen oder Fotografie, auch von Sport, aber irgendwie bin ich dann bei Kerzen gelandet. Inzwischen sind sie in unserer kleinen Stadt ziemlich beliebt, und ich verkaufe sie sogar online. Ich muss mit der Herstellung der Herbstdüfte anfangen, damit sie fertig sind, wenn die Saison beginnt.

»Brauchst du Hilfe?« Ich gehe auf den Schaukasten zu.

Sie schüttelt den Kopf und fügt der Auslage eine meiner Kerzen mit dem Logo von Salem & Binx hinzu – eine kleine schwarze Katze mit der Aufschrift S&B. »Nein, bin gleich fertig, und dann verschwinde ich.«

Ich werde den Laden am Nachmittag allein betreuen, ehe ich ihn abends abschließe und zum Abendessen nach Hause gehe.

Nach meiner Ankunft dauert es nicht mehr lange, bis Mom mich umarmt und dann aufbricht.

Einige Leute schauen vorbei, ein paar Einwohner, ein paar Touristen, und ich bin nicht weiter überrascht, als nach ungefähr einer Stunde mein Freund Caleb hereinkommt.

»Hey«, begrüßt er mich und hält eine Tüte mit Essen aus einem Diner in der Nähe hoch. »Ich hoffe, du hast Hunger.«

»Und wie.« Mein Magen knurrt zustimmend.

Caleb Thorne ist der Inbegriff des All-American Boy. Nachfahre des Stadtgründers, Star des Footballteams unserer Highschool, gesegnet mit welligem blondem Haar, eisblauen Augen und Wangenknochen, wie man sie sonst nur bei Models sieht.

Und er gehört mir.

Er stellt die Tüte mit dem Essen auf den Tresen und beugt sich darüber, um mich zu küssen. »Hab dich vermisst«, sagt er und schenkt mir das Lächeln, das mir allein vorbehalten ist.

»Ich hab dich auch vermisst.« Caleb war für ein paar Tage in Boston, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen, weil er im Herbst dort hinziehen wird, um in Harvard zu studieren.

»Ist während meiner Abwesenheit irgendwas Aufregendes passiert?« Er packt die Tüte aus, während ich unter den Tresen greife und ein paar Getränke aus dem Mini-Kühlschrank hole, den Mom dort angeschlossen hat.

Ich denke an den launischen Nachbarn, beschließe aber, darüber hinwegzugehen. »Nee. Ich hab auf dem Dach gesessen und Leute beobachtet. Hab mir ein paar neue Duftrichtungen für meine Kerzen überlegt.« Dann hebe ich meinen von Kratzern verunstalteten Arm und füge hinzu: »Außerdem habe ich Binx gebadet, weil er rausgeschlichen ist und saumäßig gestunken hat, als ich ihn gefunden habe.«

»Autsch.« Vorsichtig untersucht Caleb meinen Arm. »Sieht aus, als wärst du in den Krieg gezogen.«

»So könnte man es nennen.«

Er lacht in sich hinein und lässt mich los, ehe er sich zu mir beugt, um mich ein weiteres Mal zu küssen. »Zum Glück hast du überlebt«, sagt er und klappt einen Styroporbehälter auf. Er nimmt eine Putenkeule heraus und reicht sie mir.

»Wie war’s in Boston?« Ich reiße die Lasche der Diet Coke auf.

»Einfach unglaublich, verdammt.« Er kann nicht anders, er muss lächeln, obwohl er gleichzeitig wehmütig wirkt. Caleb träumt von Harvard, seit wir im zweiten Highschool-Jahr zusammengekommen sind. Er war fest überzeugt, dass sie ihn dort nicht annehmen würden, aber ich wusste es besser. »Es würde dir dort gefallen.«

Ich runzle die Stirn. Da ist es wieder, das Problem, mit dem wir neuerdings konfrontiert sind. Caleb hält es für sinnvoll, dass ich ebenfalls nach Boston ziehe und mir eine Wohnung außerhalb des Campus suche, während ich diese Idee echt blöd finde. Ich mag die Stadt nicht besonders, und Caleb wird mit seinem Studium beschäftigt sein. Was soll ich dort tun? In einer Wohnung sitzen und Däumchen drehen? Ich meine, ich würde mir einen Job suchen, logisch, aber hier habe ich bereits einen, den ich liebe. Und ich kann mein Kerzengeschäft noch weiter ausbauen.

»Wenn ich dich dort besuche, gefällt es mir bestimmt.«

Seufzend schüttelt er den Kopf. Er nimmt eine Pommes und dreht sie zwischen den Fingern. »Du kommst wirklich nicht mit, oder?«

»Caleb«, sage ich und seufze entnervt. »Ich wäre dort nicht glücklich.«

»Babe, das kannst du gar nicht wissen.«

Ich nehme mein Sandwich und beiße hinein. Ich bin so hungrig, dass mir nicht mal bei diesem Thema der Appetit vergeht. »Und du kannst nicht wissen, dass ich dort glücklich wäre.« Mein Ton ist entschieden, aber nicht streitlustig. »Ich muss hierbleiben und herausfinden, was mein nächster Schritt ist.«

Er lässt die Schultern hängen. »Ich weiß. Ich wollte nur …«, setzt er an, verstummt aber und fährt sich durchs Haar. »Du wirst mir fehlen, das ist alles.«

»Ich weiß, und du wirst mir auch fehlen, aber nach Boston ist es doch nicht weit. Ich kann dich oft besuchen und du mich auch.« Von Hawthorne Mills aus dauert die Zugfahrt nur drei Stunden. Caleb benimmt sich, als läge die Stadt auf einem anderen Planeten, und das stimmt nun wirklich nicht.

»Du hast recht.«

Wie durch ein Wunder kommen keine Kunden herein, während wir essen und uns gegenseitig auf den neuesten Stand bringen. Als wir fertig sind, sammelt Caleb alles ein und gibt mir einen Abschiedskuss. Am Wochenende werden wir uns einen Film anschauen.

Der restliche Nachmittag verläuft reibungslos, und nachdem ich die Ladentür hinter mir abgeschlossen habe, fahre ich nach Hause. Überrascht stelle ich fest, dass der Pick‑up des Nachbarn noch immer in der Einfahrt steht. Normalerweise ist er vor fünf verschwunden, und jetzt geht es bereits auf sechs Uhr zu.

Kopfschüttelnd gehe ich über die Einfahrt zum Nebeneingang, bleibe aber stehen, als ich etwas auf der Treppe sehe.

Es ist das Limonadenglas, und darunter liegt ein zerfleddertes Stück Papier, auf das jemand etwas geschrieben hat. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich, die Handschrift zu entziffern.

Es ist nur ein Wort, aber ich kann nicht anders, ich lache leise und schüttle den Kopf.

Danke.

Kapitel 3

In manchen Nächten kann ich nicht schlafen, egal, was ich tue. Es kommt nicht mehr so häufig vor wie früher, aber wenn es passiert, ist es besser, nicht gegen die Schlaflosigkeit anzukämpfen, das weiß ich inzwischen. Um kurz nach fünf Uhr morgens schlüpfe ich aus dem Bett. Binx reißt ein großes grünes Auge auf und starrt mich wütend an, weil ich seinen Schlummer störe, dann schließt er es wieder und schläft weiter.

Ich tausche den Schlafanzug gegen Laufklamotten und schleiche auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, um Mom und meine Schwester nicht zu stören. Ich schreibe rasch eine Nachricht, damit sie wissen, dass ich laufen gegangen bin. Dann trete ich aus dem Haus und atme die Luft des frühen Morgens ein. Tau umhüllt die Grashalme, während ich ein paar Dehnübungen für die Beine mache, ehe ich langsam lostrabe.

Ich höre beim Laufen nie Musik, zum Teil aus Sicherheitsgründen, aber auch, weil ich nicht gern abgelenkt bin. Ein leerer Geist, regelmäßige Atemzüge und eine erneuerte Verbindung zu der Welt um mich herum, das ist es, was ich brauche, wenn die Schlaflosigkeit zuschlägt.

Mein Atem geht ruhig, als ich in die kleine Innenstadt laufe und den Pavillon in der Stadtmitte umrunde – um diese Jahreszeit wächst Efeu an seinen Seiten, und Blumen ranken sich an ihm empor –, dann an unserem Antiquitätenladen vorbei und zurück nach Hause laufe. Wieder in unserer Straße angekommen, habe ich eine Runde von dreieinhalb Meilen hinter mich gebracht.

Während ich langsamer werde und schließlich ins Gehen verfalle, kommt vom anderen Ende der Straße der graue Pick‑up auf mich zu. Vor dem Haus hält er an, und unser neuer Nachbar steigt aus. Er bleibt auf dem Gehweg stehen und stemmt die Hände in die Hüften, während er sein Haus anstarrt wie ein riesiges Hindernis, das er überwinden muss.

Eigentlich ist es keine große Sache. Die Verkleidung muss gestrichen und das Dach zum Teil ersetzt werden; einige Fensterläden scheinen nur noch am seidenen Faden zu hängen. Aber bereits nach wenigen Tagen Arbeit sieht der Garten allmählich wieder wie ein … na ja, wie ein richtiger Garten und nicht mehr wie ein Dschungel aus.

Beim Geräusch meiner Schritte dreht er den Kopf, mustert mich durchdringend.

»Du bist früh auf den Beinen.« Seine Stimme klingt schroff. Er dreht sich wieder zu seinem Pick‑up und öffnet die Beifahrertür, holt einen Kaffeebecher mit Deckel heraus und schließt die Tür in dem Augenblick, in dem ich ihn erreiche.

»Ich bin häufig früh wach.«

Er nimmt einen Schluck Kaffee. »Du bist jung. Du musst vorsichtig sein da draußen.«

Ich schnaube, und das wenig schmeichelhafte Geräusch hängt zwischen uns in der Luft. »Machen Sie sich um mich mal keine Sorgen. Ich komme schon klar.«

Ich sage es ihm nicht, aber tatsächlich machen sich alle so große Sorgen wegen der Monster dort draußen, dass sie die vergessen, die einen hinter verschlossenen Türen heimsuchen können.

»Du warst laufen.« Erst jetzt bemerkt er meine Sportklamotten. Wahrscheinlich hat er geglaubt, ich lungere just for fun am frühen Morgen hier draußen herum.

Es ist keine Frage, aber ich antworte, als wäre es eine. »Ja. Wenn ich nicht schlafen kann, gehe ich laufen. Auf die Art bekomme ich den Kopf frei.«

Er sieht mich fragend an. »Du kannst nicht schlafen?«

»Manchmal«, sage ich schulterzuckend und bemerke, dass die Ladefläche des Wagens mit frischem Rindenmulch gefüllt ist. »Schlaflosigkeit ist echt Mist.«

Er deutet ein Lächeln an. »Ich mache mich jetzt besser mal an die Arbeit.«

»Ja, klar.« Ich mache Anstalten, wegzugehen, drehe mich aber noch einmal um. »Sie sind mein neuer Nachbar, aber Ihren Namen weiß ich immer noch nicht.«

Er zieht eine Braue hoch. »Thayer.«

Ich lege den Kopf schief. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Thayer. Ich bin Salem.«

Er sagt nichts, also setze ich mich wieder in Bewegung. Ich habe auf unserer Einfahrt erst wenige Meter zurückgelegt, da fragt er: »Hast du noch ein paar von diesen Cookie-Dough-Cupcakes?«

Lächelnd schaue ich über die Schulter und nicke.

Wir hatten keine Cupcakes mehr, aber aus irgendeinem Grund konnte ich Thayer das nicht sagen.

Thayer.

Den Namen habe ich noch nie gehört, aber er passt perfekt zu dem schroffen Mann im Nachbarhaus.

Mom und meine Schwester sind zur Arbeit gefahren, darum stehe ich nun allein in der Küche und zaubere ein paar Cupcakes. Ich weiß, dass Mom neugierig sein wird, warum ich sie gebacken habe; ich werde mir also eine Ausrede einfallen lassen müssen, anstatt ihr zu erzählen, dass ich sie dem mürrischen Nachbarn geschenkt habe. Irgendetwas sagt mir, dass sie dafür kein Verständnis hätte.

Während ich backe, ist es still im Haus, aber das stört mich nicht. Ich bin gern allein, sehne mich geradezu danach. Wenn niemand da ist, muss ich mich nicht verstellen, ich muss nicht lächeln, wenn mir nicht danach zumute ist, oder mich an Gesprächen beteiligen, obwohl ich lieber schweigen würde.

Binx streicht mir um die Beine, und ich blicke lächelnd auf den Kater hinab. Er ist wirklich mein bester Freund … auch wenn ich das Lauren niemals erzählen würde. Sie wäre total beleidigt, wenn sie wüsste, dass mir eine Katze mehr bedeutet als sie.

Wie von meinen Gedanken herbeigerufen, fängt mein Handy zu klingeln an: ein FaceTime-Anruf von ihr. Seufzend wische ich mir die Hände an der Schürze ab, die ich umgebunden habe, und stelle das Handy aufrecht hin, ehe ich ihren Anruf entgegennehme.

»Halloooo!«, ruft sie ein bisschen zu laut.

»Hey«, antworte ich und fülle Zuckerguss in eine Spritztüte.

Sie rümpft die Nase, schürzt nachdenklich die rot geschminkten Lippen. »Bist du am Backen?«

»Ja.« Ich drehe die Spritztüte zu.

»Aha«, sagt sie und wirft die dunkelbraunen Haare über die Schulter zurück. »Also, ich rufe an, weil Oscar am Wochenende eine Poolparty schmeißt, und wir gehen zusammen hin.«

»Tun wir das?«

Sie verdreht die Augen. »Natürlich. Schließlich ist es der letzte Sommer, in dem wir einfach rumhängen können. Partys, zu viel Alkohol, Sex … das volle Programm.«

»Du bist verrückt«, sage ich kopfschüttelnd.

»Und du liebst mich trotzdem.«

Da hat sie recht. Lauren ist manchmal ein bisschen überdreht, aber sie ist die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann. Total loyal und beschützend.

»Ich brauche einen neuen Badeanzug«, sage ich und denke an den rauen Stoff meines alten, den ich jahrelang getragen habe.

»Perfekt.« Sie klatscht begeistert in die Hände. »Lass uns heute Nachmittag shoppen gehen.«

»Ich muss arbeiten«, entgegne ich und schalte das Ofenlicht ein, um nachzusehen, wie weit die Cupcakes sind.

»Dann also morgen?«

»Ja, morgen.«

»Soll ich dich gegen elf abholen? Wir können uns Doughnuts und Kaffee holen, bevor wir in die Shoppingmall gehen.«

»Klingt super.«

»Okay, dann bis morgen.«

Ohne tschüss zu sagen, legt sie auf. Typisch Lauren. Immer in Eile.

Eine Stunde später bringe ich eine Ladung frisch glasierter Cookie-Dough-Cupcakes nach nebenan. Sechs behalte ich, die anderen sechs bekommt Thayer.

Als ich seinen Garten betrete, kniet er im vorderen Bereich auf dem Boden und installiert irgendein langes, geschwungenes Plastikteil. Mir fällt auf, dass nur noch die Hälfte des Rindenmulchs da ist.

»Ich komme mit Cupcakes«, sage ich, um meinen Auftritt zu rechtfertigen.

Er blickt über die Schulter, dann steht er auf und zieht sich die Handschuhe aus. »Von denen habe ich gerade geträumt.«

Heute scheint er besser gelaunt zu sein als bei unseren bisherigen Begegnungen. Ich frage mich, was sich verändert hat … oder wichtiger noch: was ihn in derart miese Stimmung versetzt hatte.

»Sie sind ja auch traumhaft.«

Er greift nach der Dose, zieht den Deckel ab, schnuppert an den Cupcakes und nimmt einen heraus, ehe er den Deckel wieder auf die Dose drückt. Er wickelt den Cupcake aus und nimmt einen riesigen Bissen – ungefähr die Hälfte des Teils.

»Köstlich«, sagt er. Ihm fliegen ein paar Krümel aus dem Mund, und er gibt ein jungenhaftes Lachen von sich, während er den Bissen hinunterschluckt. »Tut mir leid.«

Ich zucke ungerührt mit den Schultern. »Freut mich, dass noch jemand sie gern isst.« Und dann platze ich, ohne zu überlegen, heraus: »Heute sind Sie wohl besser gelaunt.«

Er zieht die Nase kraus. »Das hast du also gemerkt, ja?« Er isst noch den Rest des Cupcakes.

»Ist schwer zu übersehen, wenn sich jemand wie ein Arsch benimmt.«

Er zuckt zusammen, und ein Teil von mir wünscht sich, ich könnte die Worte zurücknehmen, während ein anderer Teil froh ist, dass ich es ausgesprochen habe. Ich finde, die Leute sollten auf den Mist, den sie verzapfen, öfter mal angesprochen werden. »Tut mir leid.« Mit schlanken Fingern fährt er sich durch die welligen Haare. »Im Moment passiert einfach eine Menge Bullshit.« Er späht über die Schulter zu dem Haus, und ich bin mir sicher, dass ein Teil des sogenannten Bullshit damit zu tun hat, aber das ist definitiv noch nicht alles. Um nicht übertrieben neugierig zu wirken, nicke ich nur und sage: »Viel Spaß mit den restlichen Cupcakes.«

Er nickt zurück, und ich drehe mich um und mache Anstalten, fortzugehen.

»Danke, Salem.«

Beim Klang seiner Stimme halte ich inne. Mein Name aus seinem Mund lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen, und ich weiß nicht, warum.

Einen Fuß vor den anderen setzend, entferne ich mich von ihm.

Kapitel 4

»Die sind alle scheußlich.« Lauren klaubt meine Auswahl an Badeanzügen aus der Umkleidekabine. »Warte hier, ich hole dir ein paar andere.«

»Aber nichts allzu Knappes.«

Sie hebt beide Hände, als wollte sie sagen: Ich weiß.

Ich sitze in der Kabine auf der Bank und warte, dass sie zurückkommt. Die Wände sind mit hellen, exotisch gemusterten Tapeten bedeckt, in dem Laden hängen jede Menge Neonreklamen, und aus den Lautsprechern dröhnt Popmusik.

Nach wenigen Minuten kommt Lauren zurück und hält drei Varianten hoch. Ich entscheide mich für einen schlichten schwarzen Bikini mit einer hoch geschnittenen Hose, die meinen Hintern vollständig bedeckt.

Lauren lacht. »Ich wusste, dass du diese nehmen würdest.«

»Die beiden anderen sind …« Na ja, sie überlassen nur wenig der Fantasie. Mir ist es egal, wie sich andere Mädchen anziehen, aber ich mag es, wenn mein Körper weitgehend bedeckt ist. Einfach eine persönliche Vorliebe.

»Ich weiß, ich weiß.« Sie schiebt mich mit dem schwarzen Teil in die Ankleidekabine. »Zieh das Ding an, und ich sehe nach, was sie sonst noch haben.«

»Ich brauche nur einen«, widerspreche ich in der Hoffnung, dass dieses Modell mir passt.

»Blablabla«, wiegelt sie mich in scherzhaftem Ton ab.

Ich ziehe den Bikini an und betrachte mich im Spiegel. Dichtes, blondes Haar hängt mir weit über die Brüste hinab, aber wegen der grauenhaften Beleuchtung in der Kabine sieht es aus, als wäre es in einem scheußlichen Rosaton gefärbt. Meine Haut hat bereits eine leichte Sonnenbräune angenommen, und meine Brust ist von Sommersprossen bedeckt, obwohl ich mich gründlich mit Sonnenschutz eingecremt habe.

Der Vorhang saust zur Seite. »Wow, siehst du heiß aus!« Laurens Kompliment lässt meine Wangen erröten.

»Ich hätte nackt sein können.«

»Als hätte ich dich noch nie nackt gesehen«, sagt sie und verdreht die Augen.

»Aber wir sind in der Öffentlichkeit!«

»Sei nicht so theatralisch. Alle wichtigen Teile sind bedeckt.« Sie mustert mich von Kopf bis Fuß. »So ein schlichter Bikini sieht wirklich nur an dir so gut aus. Ich habe ihn auch noch in dieser Farbe gefunden.« Sie hält einen pinkfarbenen hoch.

»Okay, ich nehme beide«, versetze ich und schnappe ihr das Ding aus der Hand. »Und jetzt raus hier, damit ich mich wieder anziehen kann.«

»Wie dramatisch«, scherzt Lauren, lässt mich aber in Ruhe.

Ich bezahle die Badeanzüge, während meine Freundin sich weiter in dem Laden umsieht.

»Ich amüsiere mich super.« Sie hakt mich unter, während wir aus dem Laden und in das Einkaufszentrum gehen. »Du auch?«

»Auf jeden Fall«, flunkere ich, um ihr nicht den Spaß zu verderben. Einkaufszentren und Shopping sind eigentlich nicht mein Ding.

Lachend wirft sie den Kopf zurück. »Du bist eine kleine Lügnerin, aber heute lasse ich es dir durchgehen«, sagt sie und zerrt mich in einen weiteren Laden. »Mal sehen, ob du dich auch in diesem Geschäft auf jeden Fall amüsieren wirst«, sagt sie spöttisch.

Na großartig.

Händchenhaltend marschieren Caleb und ich auf den Garten hinter Oscars Haus zu. Lauren hüpft vor uns her, eine Tasche über die Schulter geworfen, die groß genug ist, um ein Kleinkind darin unterzubringen. Sie schaut sich zu uns um; eine winzige Sonnenbrille sitzt tief auf ihrer hübschen kleinen Nase. Die Gläser sind viel zu klein, um ihre Augen wirksam zu schützen.

»Beeilt euch, ihr Trantüten.«

Leise lachend drückt Caleb meine Hand. »Sie wird sich niemals ändern, oder?«

»Meinst du, ob sie jemals aufhören wird, andere herumzukommandieren?«, frage ich lächelnd. »Nein, niemals.«

Ich weiß, dass Lauren für manche Leute ein bisschen zu viel ist. Sie kann herrisch und grob sein, obwohl ich nicht glaube, dass sie sich absichtlich so verhält, denn dieses Mädchen hat ein Herz aus Gold. Diese Seite von sich zeigt sie nur wenigen Menschen, aber ich bin einer davon, und das weiß ich sehr zu schätzen.

Oscars Familie gehört ein riesiges nagelneues Haus, und als wir es von hinten betreten, verschlägt es mir beim Anblick des schönen, luxuriösen Anwesens die Sprache. Man sieht, dass der Garten von einem Profi angelegt wurde. Der Pool ist ein geschwungenes Kunstwerk mit nicht einer, sondern gleich zwei Rutschen.

Kein Vergleich mit dem Plastikbecken voller Gummientchen, das ich als Kind besessen habe.

Caleb wirkt genauso ehrfürchtig wie ich. Sein Zuhause ist ein historisches Herrenhaus, und es ist schön, aber es ist nicht wie das hier.

Auf der Highschool habe ich nur nach Spielen an Feiern unter freiem Himmel und gelegentlich an einer Kellerparty teilgenommen. Das war etwas völlig anderes als diese Party hier.

»Es gibt tatsächlich Kellner«, murmelt Caleb so leise, dass nur ich es hören kann.

»Ist das etwa …?«

»Jep. Es ist mit ziemlicher Sicherheit Champagner.«

»Wow. Ich wusste nicht, dass Oscar … na ja, das alles hier hat.« Ich deute mit einer Hand auf den Palast, der vor uns steht.

»Ich auch nicht. Ich hänge nur selten mit ihm ab.«

Caleb mag ein Goldjunge sein, aber er steht nicht gern im Rampenlicht und geht solchen Gelegenheiten normalerweise aus dem Weg, es sei denn, er ist mit engen Freunden oder mit mir zusammen. In diesem Fall habe ich ihn zum Mitkommen überredet.

Es sind ziemlich viele Leute hier, was mich noch nervöser macht. Große Menschenmengen und Small Talk mag ich nicht besonders.

Caleb weiß das, und zum Glück steuert er auf dem kürzesten Weg auf eine einsame Chaiselongue zu, auf der noch niemand sitzt. Sie steht in einem weniger bevölkerten Bereich des Gartens, da die meisten Gäste entweder im Pool sind oder in der Nähe des Büfetts herumlungern.

Ich stelle meine Tasche ab, sehe mich nach Lauren um und entdecke sie in der Nähe des Büfetts, wo sie sich mit Melanie unterhält, einem Mädchen aus unserem Jahrgang. Ich winke, als Melanie zu uns herüberschaut. Sie winkt zurück, und ihr Lächeln wirkt gezwungen, während sie den Blick auf Caleb richtet, der neben mir steht.

So was kommt öfter vor. Die anderen Mädchen waren eifersüchtig, dass er sich für mich entschieden hat, und sie taten, als hätte ich ihn gestohlen oder verhext, damit er sich in mich verliebt.

Verlegen senke ich den Kopf und drehe mich wieder zu der Chaiselongue um. Caleb hat von dem Blickwechsel nichts mitbekommen. »Ich habe Durst, willst du auch was?«

»Diet Coke, wenn es welche gibt.«

Er nickt. »Bin gleich wieder da.«

Ich nehme ein Handtuch aus meiner Tasche – die viel kleiner ist als Laurens – und breite es auf der Chaiselongue aus. Dann streife ich die Flipflops ab und greife nach dem Saum meines Oversize-Shirts mit dem Coca-Cola-Logo. Ein Scherzgeschenk von Caleb, weil ich die Light-Version so gern mag. Ich rolle das Shirt zusammen und stopfe es in meine Tasche. Ich greife nach dem Knopf an meinen Shorts, zögere aber einen Moment, bevor ich sie ausziehe.

Caleb kommt in dem Augenblick zurück, in dem ich die Shorts in die Tasche stecke, und er setzt sich auf das Sofa und stellt die Getränke neben sich auf den Boden. Mit einer Geste fordert er mich auf, zwischen seinen Beinen Platz zu nehmen. Ich tue es und lehne mich mit dem Rücken an seine Brust. Als er mir die Arme reibt, seufze ich. »Hast du Sonnenschutz aufgetragen?«

»Ach, nein.« Stöhnend greife ich in meine Tasche und hole das Spray heraus. Ich sprühe mich ein und reiche die Flasche an ihn weiter.

Sobald wir beide ausreichend vor der Sonne geschützt sind, lehne ich mich an ihn und schließe die Augen.

Seine Lippen streifen mein Haar, und ich muss lächeln. »Es kommt mir vor, als hätte ich dich seit dem Abschluss kaum noch gesehen«, sagt er.

»Wir sind beide sehr beschäftigt«, sage ich traurig. Neben unseren Jobs und seinen Vorbereitungen für die Abreise zum College, die in wenigen Monaten ansteht, bleibt deutlich weniger Zeit als sonst nur für uns beide übrig. »Bleibt es bei dem Film morgen?«

Er zuckt zusammen. »Fuck, hab ganz vergessen, es dir zu sagen. Ich muss für Mom die Garage aufräumen. Seit mein Auszug feststeht, sucht sie förmlich nach Aufgaben, bei denen sie meine Hilfe braucht.«

Ich lache, als ich mir vorstelle, wie Mrs. Thorne durch ihr Haus streift, auf der Suche nach Dingen, die repariert werden müssen und bei denen ihr Caleb, wie sie genau weiß, eine größere Hilfe ist als ihr Ehemann. Klar, sie könnte dafür jemanden einstellen, aber wo bleibt denn da der Spaß?

»Tut mir leid«, sagt Caleb und lenkt meine Aufmerksamkeit erneut auf sich.

»Ist schon okay.« Ich habe kein Problem damit. Ich verstehe, dass sich vieles ändert. Bald werde ich ihn nur noch sehen, wenn ich nach Boston fahre oder wenn er übers Wochenende nach Hause kommt. Mein Brustkorb schmerzt. Seit drei Jahren ist er ein fester Bestandteil meines Lebens. Es wird mir komisch vorkommen, wenn er weg ist, aber vielleicht ist es auch gut für mich. Dann bin ich gezwungen, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Auf meine Wünsche und Bedürfnisse. Meine Hoffnungen und Träume für die Zukunft, ob es nun ein College oder etwas anderes ist.

»Nein, es ist nicht okay.« Seine Lippen berühren sanft die nackte Haut meiner Schulter, die in der Sonne bereits warm geworden ist. »Ich möchte Zeit mit dir verbringen.«

»Wir machen etwas anderes. Vielleicht kannst du zum Abendessen vorbeikommen«, schlage ich vor.

Caleb runzelt nachdenklich die Stirn. »Mal sehen.«

Ich habe keine Lust, noch länger darüber zu reden. Wenn ich mich auf der Party so umschaue, habe ich den Eindruck, dass unser kompletter Abschlussjahrgang hier versammelt ist, sogar ein paar Leute aus dem Jahr darunter sind gekommen. Allerdings gibt es an unserer Schule auch nicht viele Schüler. Die Stadt ist klein, die Einwohnerzahl entsprechend niedrig.

»Willst du rein?« Caleb zeigt auf den Pool.

Ich schüttle den Kopf. »Geh ruhig, wenn du willst.«

»Nee.« Er schließt die Arme fester um mich. »Hier geht’s mir gut.«

Ich lächle, was er nicht sieht, weil er hinter mir sitzt, und lasse mich entspannt gegen seinen Körper sinken.

»Boah, wie schrecklich«, sagt Lauren und tut so, als müsse sie würgen, als sie an uns vorbeigeht und ihre Sachen auf den Weg neben uns stellt. »Ihr zwei seid so ekelhaft süß, dass mir schlecht wird. Richtig übel, ich sag’s euch.«

»Du solltest dir dringend einen Freund zulegen«, sagt Caleb, woraufhin sie angewidert das Gesicht verzieht.

»Nein, danke. Ich habe keine Lust, mich jetzt schon festzulegen.«

»Wie du meinst.« Er wickelt sich eine Strähne meiner blonden Haare um den Finger. »Vergiss deinen Drink nicht.«

»Ach ja.« Ich lehne mich hinüber, greife nach meinem Glas, nehme einen Schluck und warte, bis die Bläschen in meinem Magen angekommen sind. Ich weiß, ich sollte keine Limonade trinken, weder normale noch zuckerfreie. Es ist furchtbar schädlich, aber ich kann diese Gewohnheit einfach nicht ablegen.

»Ihr beiden Loser könnt ja hier zusammen abhängen …« – Lauren rückt ihr Bikinihöschen zurecht – »… aber ich gehe jetzt in diesem Pool schwimmen. Behaltet mein Zeug für mich im Auge.« Ohne auf eine Antwort zu warten, steuert sie geradewegs auf den Pool zu. Ich rechne damit, dass sie die Treppe nehmen und anmutig hineinsteigen wird. Stattdessen höre ich sie schreien: »Arschbombe!«, und gleich darauf springt sie ins Wasser. Als sie wieder auftaucht, sieht sie sich hektisch um. »Wo ist mein Oberteil geblieben?«

Kapitel 5

Das orange-violette Leuchten des Sonnenaufgangs dringt durch die Jalousien in mein Zimmer, während ich die Schnürsenkel meiner Laufschuhe zubinde.

Binx betrachtet mich mit Schlitzaugen vom Fußende des Betts aus, genervt, weil ich mal wieder so früh aus dem Haus gehe.

»Tut mir leid, Binx.«

Ich schwöre, dass er schnaubt, bevor er die Augen wieder schließt. Katzen. Ich kann weder mit ihnen noch ohne sie leben.

Ich binde mir die Haare zu einem Pferdeschwanz und blicke in den Spiegel über der Kommode, um eventuell abstehende Strähnen glattzustreichen. Zufrieden, weil sich mein Zopf während des Laufens nicht auflösen wird, gebe ich Fettstift auf meine Lippen, kraule Binx hinter den Ohren und steige leise die Treppe hinunter. Dabei muss ich mir Zeit lassen, denn die alte Treppe knarrt wie ein schmerzender Rücken.

Rasch schreibe ich eine Nachricht für Mom und schlüpfe zur Tür hinaus. Ich nehme mir kurz Zeit zum Dehnen und um meine Lunge mit der frischen Morgenluft zu füllen, die schon in wenigen Stunden aufgeheizt sein wird.

Ich gehe zum Ende der Zufahrt und unterdrücke ein Stöhnen, als ich Thayer hinter seinem Pick‑up stehen sehe. Die Klappe der Ladefläche ist offen, alle möglichen Blütenpflanzen und Sträucher stehen darauf.

Er stellt die Blumen auf den Gehweg, und sein Blick fällt auf meine Schuhe. Rasch hebt er den Kopf.

»Mal wieder früh auf den Beinen?«

»Jaaa?«, sage ich gedehnt.

Seine Augen werden schmal. »Hast du kein Laufband oder so was?«

»Nein. Und selbst wenn, ich laufe lieber draußen.«

»Hast du Pfefferspray dabei?«

»Nein.«

Kopfschüttelnd stemmt er die Hände in die Hüften. »Das ist gefährlich.«

»Ich werde Sie nicht um Erlaubnis bitten, wenn ich in meiner Heimatstadt laufen will. Ich habe das schon lange gemacht, bevor Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehrt haben«, sage ich und deute mit dem Kopf auf sein Haus.

»Tut mir leid, dass ich mir Sorgen um deine Sicherheit mache.«

»Ich kann selbst auf mich aufpassen.«

»Bist du sicher? Du wirkst ziemlich jung.«

»Ich bin schon achtzehn.« Zugegeben, wenn ich es laut ausspreche, klingt es tatsächlich jung und ist kein Beweis für meine Behauptung. Um das Thema zu wechseln, deute ich auf eine Pflanze. »Pflanzen Sie Jasmin?«

»Kennst du dich mit Pflanzen aus?«

»Mit manchen schon«, sage ich und wedle vage mit der Hand.

»Aha«, sagt er. Es wirkt ansatzweise beeindruckt. »Da ich dich nicht aufhalten kann, ist es wohl besser, wenn du jetzt einfach losläufst.«

Ich schüttle den Kopf. Dieser Mann ist mir wirklich ein Rätsel.

»Bis dann, Thayer.«

»Viel Spaß beim Laufen, Salem«, antwortet er und dreht sich bereits zu seinem Wagen um, um weiter abzuladen.

Ich laufe ziemlich lange, weil es mir hilft, den Kopf freizubekommen. Als ich wieder in unsere Straße einbiege, steht dort ein weiterer Pick‑up, und nun arbeitet ein ganzes Team an Thayers Haus.

Interessant.

Ich schenke den Männern keine Beachtung. Einige starren mich unverhohlen an, während ich an ihnen vorbeigehe.

»Hört auf zu glotzen, und macht euch an die Arbeit!«, schnauzt Thayer sie an.

Kopfschüttelnd sehe ich nach der Post und gehe die Einfahrt hinunter. Ich sehe etwas auf der Treppe liegen und mache die Augen schmal, um zu erkennen, was es ist. Erneut schüttle ich den Kopf und bücke mich, um den Gegenstand aufzuheben.

»Pfefferspray«, sage ich verblüfft und drehe den schwarzen Zylinder hin und her. Auf der Rückseite klebt ein Preisschild von dem Minimarkt unten an der Straße.

»Wenn du so früh zum Laufen aufbrichst, musst du eins mitnehmen.«

Ich sehe mich zu Thayer um, der direkt hinter mir steht. Für jemanden, der so groß ist und so schwere Stiefel trägt, bewegt er sich sehr leise.

»Na sieh mal einer an. Und wer begeht jetzt Hausfriedensbruch?«

Seine Mundwinkel zucken kaum merklich. »Erwischt.«

»Vielen Dank auch«, sage ich und halte die Spraydose hoch, als wüsste er nicht, wofür ich ihm danke.

»Gern geschehen.«

Wir sehen einander an, Schweigen hängt zwischen uns in der Luft, aber keiner macht den Mund auf, um es zu beenden. Es dauert mindestens eine Minute.

Dann schiebt er die Hände in die Taschen seiner Cargoshorts und späht zu dem Zaun hinüber, der unsere Grundstücke voneinander trennt. »Du brauchst nicht zufällig einen Job oder so? Nicht in Vollzeit … nur zweimal wöchentlich und vielleicht hin und wieder ein paar Stunden am Wochenende.«

Ich zögere, bin aber neugierig. »Was für eine Art von Job? Ich weiß nicht, ob ich für die Landschaftsgärtnerei geschaffen bin. Mein Wissen über Pflanzen ist bestenfalls mittelmäßig.«

Leise lachend schüttelt er den Kopf. »Nein, darum geht es nicht. Ich brauche einen Babysitter, eine Nanny, eine … was auch immer für meinen Sohn. Sobald ich Haus und Garten in Ordnung gebracht habe, wird er manchmal hier bei mir sein.«

»Oh.« Das kam unerwartet. »Sie haben ein Kind?«

Er lacht. »Ja, Forrest. Er ist sechs.«