Basale Stimulation in der Betreuung - Thomas Buchholz - E-Book

Basale Stimulation in der Betreuung E-Book

Thomas Buchholz

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Beschreibung

Wie sind Menschen mit Demenz zu erreichen? Welche Kontaktmöglichkeiten bleiben, wenn die verbale Kommunikation versagt? Wie lässt sich die Lebensqualität und das Wohlbefinden bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz fördern? Mit menschlicher Nähe und Berührung bereichert hier die Basale Stimulation den Alltag von demenziell erkrankten Menschen und Betreuenden. Das Buch zeigt die Chancen, aber auch Grenzen der Basalen Stimulation auf. Es ermöglicht ein tiefes Verständnis für das Konzept und erklärt, wie Betreuungskräfte Körpererfahrungen im Rahmen der Einzelbetreuung anbieten können. Der Autor beschreibt leicht verständlich die Modelle der Basalen Stimulation und die verschiedenen praktischen basal stimulierenden Angebote.

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Seitenzahl: 279

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Thomas Buchholz

Basale Stimulation in der Betreuung

Wegbegleiter für Menschen mit Demenz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2021

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Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Titelfoto: AdobeStock, Robert Kneschke

Druck: Qubusmedia GmbH, Hannover

ISBN 978-3-7486-0346-7

Vorwort

Hinweise zur Nutzung der Buchinhalte

Anmerkungen zum Lesen

I. Kapitel

Aufgaben der Betreuungskräfte nach § 43/ 53c SGB XI

II. Kapitel

Das Konzept Basale Stimulation® nach Andreas Fröhlich

III. Kapitel

Modelle der Basalen Stimulation

Das Modell der Lebensthemen

Das Modell der Lebenskräfte

Das Modell der Sensobiografie

Modell der Orientierungsräume

Das Modell der elementaren Wahrnehmung

Das Hexagon als Modell

Bedeutung der Modelle für die Betreuungskräfte

IV. Kapitel

Entwicklung und Demenz

Ganzheitlichkeit und Demenz

Demenz und beeinträchtigte Sinne

Sich bewegen und Demenz

Kommunizieren und Demenz

Kommunikatives Handeln

Den eigenen Körper erfahren und Demenz

Gefühle und Demenz

Verstehen und Demenz

Menschen erfahren und Demenz

Pflegende erfahren

Zusammenfassung

V. Kapitel

Anforderungen an die beteiligten Personen und die Angebote

Anforderungen an Menschen mit Demenz

Anforderungen an die Betreuungsperson

Anforderungen an basal stimulierende Angebote

VI. Kapitel

Basal stimulierende Angebote

Eigene Bereitschaft zur Kontaktaufnahme

Kontaktaufnahme über die Sinne gestalten

Kontaktaufnahme durch Berühren

Somatische Angebote

Körperteile wahrnehmen

Vibratorische Angebote

Vestibuläre Angebote – Gleichgewichtsempfinden erleben

Gruppenangebote im Sitzen

Umweltsinne, umfassendes Erleben und basale Erfahrungen

Literaturliste

Autor

Vorwort

Dieses Buch ist entstanden nach dem Lockdown durch die Corona Pandemie. Alle waren voller Angst, sich mit dem Virus anzustecken. Das öffentliche Leben ruhte. Die Arbeit in den Bildungseinrichtungen der Pflege war eingestellt. Die Heime für Außenkontakte geschlossen. Der Autor selbst durfte seiner Seminartätigkeit in Heimen nicht mehr nachgehen. Der Verlust von Einkommen hielt vielerorts Einzug. Bei manchen Menschen entstand ein Gefühl von innerer Leere. Lähmung machte sich breit. So muss es sich anfühlen, arbeiten zu wollen, aber arbeitslos zu sein, empfand selbst der Autor. Gefühlt eine sehr lange Zeit passierte nichts. Allmählich, mit den zunehmenden Lockerungen und der Rückkehr in eine andere Normalität, mit Maske und Abstand, wichen die Sorgen. Mancherorts machten sich Sorglosigkeit und Nachlässigkeit breit. Ein erneuter Lockdown folgte. Was alle wissen, wurde allzu deutlich: Menschliches Leben braucht menschliche Begegnungen! Was viele Theorien über das Menschsein behaupten, hat man nun selbst erfahren. Vor allem Mitarbeitende der Alten- und Behindertenhilfe bekamen das zu spüren. Sie fühlten dieses menschliche Bedürfnis am eigenen Leib, in der täglichen Arbeit und bei Begegnungen mit Bewohnern. Bewohnende sehnten sich nach ihren Kindern und Enkelkindern. Begegnungen mit anderen Bewohnern fehlten. Aktivitäten der Betreuungen waren eingestellt. Das Leben fühlte sich schlimmer an, als der 2te Zweite Weltkrieg. So sagte das zumindest der 91-jährige Schwiegervater des Autors. Bei all diesen Irrungen und Wirrungen stellte sich die Frage:

Braucht die Fachöffentlichkeit jetzt überhaupt noch ein weiteres Buch zum Thema Basale Stimulation?

Ist nicht schon alles gesagt und geschrieben?

Ist das Konzept unter den herrschenden Bedingungen überhaupt noch anwendbar?

Helfen die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema in Zeiten von Abstand und Kontaktverboten?

Was brauchen Menschen mit Demenz gerade jetzt, da sie auf Besuche verzichten mussten und zusätzliche Angebote der Betreuung eingestellt wurden?

Dieses Buch richtet sich an Betreuungskräfte. Der Deutsche Bundestag hatte im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungs-Gesetzes, im Jahr 2008 die Einführung zusätzlicher Betreuungskräfte beschlossen. Eine neue Berufsgruppe, mit 160 Stunden Ausbildung, wurde geschaffen. Ein Schritt, der sich aus heutiger Sicht „gelohnt“ hat. Für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, die Pflegenden und für die neue Berufsgruppe der Betreuungskräfte selbst. Eine Studie bestätigt diese Aussage. Der Spitzenverband der Krankenkasse zeigte bereits 2011, dass die Betreuungskräfte darüber hinaus Methoden wie die Zehn-Minuten-Aktivierung, Gedächtnistraining oder Basale Stimulation umsetzen“ (GKV, 2011,67). Geht man der Umsetzung der Basalen Stimulation auf den Grund, findet man in der Praxis wenig davon. Woran liegt das? Die Basale Stimulation richtet sich vor allem an sehr schwer beeinträchtigte Menschen. Diese brauchen Erfahrung mit und für den eigenen Körper. Die Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte, wie der Gesetzgeber sie nennt, kommen für diese Menschen wenig infrage. Menschen mit weit fortgeschrittener Demenz sind nicht in der Lage, zu malen, zu basteln oder Brett- und Kartenspiele zu spielen. Diese Menschen benötigen Einzelbetreuung. Vorlesen und Musikhören kann da passen. Das ist in Ordnung und in gewisser Weise auch Bestandteil der Basalen Stimulation. Aber, was sind die tieferen Absichten von dem Konzept? Das Lernen mit und über den Körper gehört im Wesentlichen dazu! Wie können Betreuungskräfte im Rahmen der Einzelbetreuung Erfahrungen mit dem Körper anbieten? Dieser Frage geht der Autor nach. Das Buch bietet keine Rezepte. Es möchte Möglichkeiten aufzeigen zum Verständnis der Beziehungsgestaltung und zur körpernahen Einzelbetreuung von Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Das geht nicht ohne über sich selbst, das eigene Tun und die eigenen Werte nachzudenken. Meine Überlegungen dazu möchten sie unterstützen, dem beeinträchtigten, einzigartigen Menschen in seiner Besonderheit zu begegnen.

Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, werden letztendlich entscheiden, ob die Fachwelt eine derartige Veröffentlichung zum Konzept der „Basale Stimulation nach Andreas Fröhlich“ überhaupt noch braucht. Ihre Berichte und unterschiedlichen Erfahrungen sind dafür ausschlaggebend. Rückmeldungen der Angehörigen und der Bewohner auf basal stimulierende Angebote der Einzelbetreuung werden das zeigen. Teilen Sie uns das bitte mit.

Hinweise zur Nutzung der Buchinhalte

Dieses Buch ist nach bestem Wissen und Erfahrungen sowie auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse verfasst worden. Das Lesen von einem Buch ersetzt niemals die eigene Erfahrung und das Lernen in der Praxis. Als Betreuungskräfte sind Sie auf fachliche Anweisungen von Pflegefachkräften angewiesen und diesen unterstellt. Bitte erkundigen Sie sich bei Fachpersonen, ob Ihr geplantes Angebot der Einzelbetreuung mit diesem Bewohner/Bewohnerin möglich ist. Alle körpernahen Angebote, die Sie in diesem Buch finden, stimmen Sie bitte zuvor mit einer kompetenten und Verantwortung tragenden Person Ihrer Einrichtung ab. Nicht alles, was Sie hier lesen, ist in der beschriebenen Art und Weise bei jedem Menschen anwendbar. Schädigungen von sich selbst und Bewohnenden, die aus fehlerhaftem Gebrauch oder missverstandener Anwendung entstehen, sind von jeder Haftung ausgeschlossen.

Anmerkungen zum Lesen

Ein Buch zu schreiben ist eine Herausforderung. Wer schreibt, will Leser anregen, Neues zu lernen. Auch Altes neu verpackt zu lesen ist zuweilen unterhaltsam oder vertiefend. Manche Menschen lesen wenig. Auch weil die deutsche Sprache eine schwer zu verstehende Sprache ist, fällt das Lesen schwer. Das Lesen soll jedem Leser, jeder Leserin leichtfallen. Dann macht Lesen vielleicht auch Spaß. Aus diesem Grund versuche ich das, was ich sagen möchte, einfach zu schreiben. Vielleicht fällt es Ihnen dann leichter zu verstehen, was das Konzept möchte. Das ist mein Wunsch!

Der Inhalt dieses Buches beschäftigt sich mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Das ist eine Erkrankung, die meist im Alter auftritt. Die Erkrankung kann alle Menschen treffen, gleich ob sie jung oder alt, körperlich oder geistig behindert sind. Diese Menschen sind vergesslich. Sie sind nicht dumm. Sie spüren sehr schnell, wer es gut mit ihnen meint. Ebenso, ob jemand aufmerksam bei der Sache ist. Damit Sie bei der Sache sind, soll das Lesen leicht sein. Aus diesem Grund erkläre ich die unterschiedlichen Worte, die ich für den Mensch oder diese Menschen wähle. Das Wort Betroffener oder Betroffene beschreibt, dass dieser Mensch an Demenz erkrankt ist. Auch ist die Rede vom „Mensch mit Demenz“ oder Demenzkranken. Mal lesen Sie Bewohner, da ist ein Mann gemeint. Lesen Sie Betroffene, spreche ich von einer Frau oder mehreren Menschen von jedem Geschlecht. Ebenso Betreute oder zu Betreuende finden Sie. Hin und wieder lesen Sie das Wort Person. Jeder Mensch ist zugleich Person. Person zu sein, bedeutet ein einmaliger Mensch zu sein. Ein Mensch mit Eigenarten, gleich ob diese dem Menschen selbst bekannt oder unbekannt sind, unabhängig davon, ob die Person ein Mann oder eine Frau ist. Jeder Mensch, jede Person ist außergewöhnlich – ein Individuum. Damit ist ein unverwechselbarer, einzigartiger Mensch gemeint.

Wenn Sie beeinträchtigter Mensch oder Beeinträchtigte lesen, ist ebenfalls die Gruppe der demenzkranken Menschen angesprochen. Mit diesen Begriffen für Menschen möchte ich niemanden in eine Ecke stellen oder abstempeln. Das sagen Menschen, wenn sie einem anderen Menschen eine Eigenschaft zuweisen, ihn bewerten (z. B. Depp, Assi …). In diesem Buch ist die Rede von Menschen, die genauso liebenswert und berechtigt sind wie wir alle. Daher stellen die unterschiedlichen Bezeichnungen für diese Personengruppe keine Bewertung dar. Kranke oder behinderte Menschen sind genauso wertvolle Menschen wie Sie und ich. Alle Menschen sind gleich wichtig und gleich wertvoll, unabhängig von ihrem körperlichen oder geistigen Zustand, ihrem Geschlecht, ihrer Haut- oder Haarfarbe und so weiter.

I. Kapitel

Aufgaben der Betreuungskräfte nach § 43/ 53c SGB XI

Als Betreuungskräfte arbeiten Sie in stationären oder teilstationären Einrichtungen der Altenpflege. Ihre wesentliche Aufgabe besteht darin, sich um die Lebensqualität alter Menschen zu sorgen. Die Bandbreite der Menschen, denen Sie begegnen, umfasst gesunde alte Menschen, gebrechliche Menschen mit körperlichen, aber auch geistigen Beeinträchtigungen, bis hin zu solchen, die das Wesen verändern. Allen steht die Leistung der Betreuung und Aktivierung gesetzlich zu. Nicht jede Bewohnende nimmt diese Leistung an. Das ist deren persönliches Recht und gegen niemanden gerichtet. Vielleicht begründen frühere Erfahrungen in Gruppen diese Entscheidung. Insgesamt dienen die Aktivitäten der Betreuungskraft dem Wohlbefinden. Die Lebensqualität zu verbessern, ist ein weiteres wichtiges Ziel. Betreuungskräfte sind also aufgerufen, den körperlichen und seelischen Zustand der Bewohnenden positiv zu beeinflussen. Das bedarf einer engen Zusammenarbeit mit den Pflegefachkräften. Diese kennen die seelischen Einschränkungen und körperlichen Gebrechen. Pflegefachkräfte informieren und beraten die Betreuungskräfte in dem, was sie mit den Bewohnenden machen dürfen. Der Gesetzgeber sieht Angebote vor, zu denen Betreuende motivieren und begleiten. Das steht in § 2 (2) der Richtlinie nach § 53 c SGB XI zur Qualifikation und den zusätzlichen Aufgaben von Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte - RL) vom 19. August 2008 in der Fassung vom 23. November 2016. Diese Richtlinie finden Sie im Internet. Darin steht auch geschrieben, was Betreuungskräfte nicht dürfen. Im Wesentlichen sieht die Richtlinie vor,

für Gespräche über Alltägliches und Sorgen zur Verfügung zu stehen,

durch Anwesenheit Ängste zu nehmen sowie

Sicherheit und Orientierung zu geben.

Betreuungs- und Aktivierungsangebote berücksichtigen,

was die Person wünscht,

was sie erwartet,

was sie kann,

wie sie sich fühlt,

ob sie männlichen, weiblichen Geschlechts ist oder sich jenseits eines dieser Geschlechter fühlt,

die jeweilige Situation,

die Lebensgeschichte und

den Lebenshintergrund aus dem Land, aus dem die Person kommt.

Diese Anforderungen sind vielfältig und verlangen von den Betreuenden, sich eingehend mit den Bewohnern zu beschäftigen.

Gestalten von Betreuungsangeboten

Die Zusammensetzung von Gruppen orientiert sich am besten an den Interessen und Fähigkeiten der Bewohnenden. Da gibt es Leute, die gerne Bingo spielen. Andere lieben Kreuzworträtsel oder spielen Gedächtnisspiele wie Stadt, Land, Fluss. Derartige Aktivitäten erfordern mehr an Denkleistung und die Fähigkeit, sich zu erinnern und das mit Worten auszudrücken. Menschen mit Demenz sind da schnell überfordert. Ebenso ist es, wenn sie Aufgaben übernehmen, die auf Leistung und ein erwartetes Ergebnis hin ausgerichtet sind. Auf die Sinne bezogene Gruppenangebote sind durchaus möglich und machen vielen Bewohnern Freude. Wenn die Bewohnenden dabei auch noch körperlich angeregt werden, ist das sinnvoll. Solche Angebote gehören jedoch nicht zur ursprünglichen Absicht der Basalen Stimulation. Im weitesten Sinn kann man diese Gruppenangebote auch als basal stimulierend bezeichnen. Im Mittelpunkt der Basalen Stimulation steht mehr die einzelne Person und ihre Lebenssituation. Basal stimulierende Angebote sind daher in der Einzelbetreuung einsetzbar. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die besondere Situation, wie zum Beispiel viel Zeit im Bett zu verbringen, eine Einzelbetreuung erfordert. Ebenso braucht jemand Einzelbetreuung, der Schwierigkeiten mit seinem Gefühls- und Seelenleben hat. Eine Person, die zum Beispiel immer alleine gelebt hat und mit anderen Menschen nicht umgehen kann, benötigt eher Angebote der Einzelbetreuung als jemand, der viele Menschen um sich herum mag. Er fühlt sich womöglich in der Gruppe wohler. Betreuungskräfte entscheiden in der Regel selbst, welche Form der Betreuung sie anbieten. Findet diese in direktem Austausch und unmittelbar spürbarem Kontakt mit dem Betroffenen statt, kann man das als Angebot im Sinne der Basalen Stimulation bezeichnen. Selbst wenn Sie nur ein Lied singen und die Hand der Bewohnerin an ihren Kehlkopf halten, spüren Sie einander. Anwesenheit und menschliche Nähe werden vermittelt. Selbst wenn Sie irgendeine Schutzkleidung dabei tragen müssen, Sie werden für die Betroffene körperlich spürbar sein. Wie Sie das machen und worauf Sie dabei achten, möchte das Buch Ihnen nahebringen. Sie werden jedoch nicht alles, was mit der Basalen Stimulation gemacht werden kann, erfahren. Der Schwerpunkt ist, dass Sie verstehen, was das Konzept möchte, wie damit gearbeitet wird und was Sie tun können.

II. Kapitel

Das Konzept Basale Stimulation® nach Andreas Fröhlich

Vorüberlegungen zum Konzept

Ursprünglich wollte das Konzept schwer behinderte Kinder fördern. Ein Konzept ist ein Entwurf oder Plan, wie etwas gemacht werden kann. Andreas Fröhlich ist der Begründer der „Basale Stimulation“. Etwa 1974 hat er dieses Konzept auf den Weg gebracht. Die Basale Stimulation veränderte die Lebenswelt für behinderte Kinder nachhaltig. Fröhlich hat dem Leben der behinderten Menschen einen Wert an sich gegeben. Seine Ideen, sein Verständnis von Pädagogik, seine Haltung gegenüber beeinträchtigten Menschen sind immer noch gültig. Trotz Covid-19 und gerade wegen der Corona Krise! Fröhlich zeigte uns, wie Menschen stark beeinträchtigten Menschen ein erfülltes Leben ermöglichen. Ein lebenswertes und abwechslungsreiches Leben, trotz Behinderung. Christel Bienstein, eine Krankenschwester und ebenfalls Pädagogin, hat die Bedeutung der Basalen Stimulation früh erkannt. Sie hat die Ideen von Fröhlich für die Arbeit in der Pflege angepasst. Ihrem Weitblick ist zu verdanken, dass Schlagworte der Pflegeausbildung der 1970er- und 1980er-Jahre mit Inhalt gefüllt wurden. Als Auszubildender der Krankenpflege musste der Autor sich mit Begriffen auseinandersetzen wie ganzheitliche und umfassende Pflege. Wir Auszubildenden sollten immer den Menschen sehen, den wir pflegen. Man ermutigte uns, den Menschen, nicht seine Krankheitszeichen zu pflegen. Wie diese Art zu pflegen genau gehen sollte, sagte uns damals niemand. Hinweise fehlten, was bei einer umfassenden Pflege mit dem Pflegebedürftigen passieren soll. Wie kann man die Einzigartigkeit von pflegebedürftigen Menschen in seinem Tun berücksichtigen? All dieses war Neuland. Heute, mehr als 40 Jahre später, finden Sie die Denk- und Handlungsweisen der Basalen Stimulation in den Lehrplänen der Pflegeausbildung. Dennoch sind die Inhalte dieses Konzepts in der Pflegepraxis nur vereinzelt anzutreffen. Eine Studie der Hochschule Fulda (Dammert, 2016) zeigte dieses. Woran scheitert die Umsetzung? Sachzwänge werden angegeben: „Zu wenig Unterstützung durch die Leitungsebene; schlechte Rahmenbedingungen in der Pflege; fehlende Zeit; zu wenig Personal; zu hohe Belastung und zu viel an Dokumentation.“

Sind das die wahren Gründe?

Die langjährige, internationale Erfahrung des Autors im Bereich der Pflege lässt auch andere Gründe vermuten. Das Konzept wird nur hier und da in den Ausbildungen der Pflege gelehrt. In vielen Heimen oder Krankenhäusern wird das Wissen an drei Fortbildungstagen vermittelt. Danach bleiben die Mitarbeitenden alleine gelassen. Da bleibt einiges auf der Strecke an Wissen und Möglichkeiten, das Konzept anzuwenden. Meist lernen Auszubildende einzelne „Techniken“, also wie man was genau macht. Die Ideen hinter dem Konzept fehlen ganz. Was beeinträchtigte Menschen brauchen, ist sehr unterschiedlich und vielfältig. Das bedeutet, man muss vieles über die Persönlichkeit der Menschen erfahren.

Dazu kommt: Neues einzuführen braucht Mut und den Willen zur Veränderung! Eigenes Denken und Handeln muss infrage gestellt werden. Verhält man sich zugewandt und auf den Bewohner bezogen, wird man bei Kolleginnen vielleicht unbeliebt. Wer aus dem „Stationstrott“ herausfällt, wird zur Gefahr für die anderen. Er behindert die Routineabläufe. Arbeitet jemand gegen den Zeitgeist der Station, wird Druck aufgebaut. „Zeit-Geist“ ist, was alle meinen, was gut ist und wie es sein soll. Erwartet wird, so zu arbeiten wie alle. Man soll im Trott der Abteilung mitmachen. Wer Neues oder anderes ausprobiert, wird nicht ernst genommen. Regeln müssen eingehalten werden! Selbst wenn diese Regeln der Station nirgendwo aufgeschrieben sind. Festgelegte Abläufe einer Station oder gar einer Einrichtung müssen erfüllt werden. Das ist eine stille Übereinkunft. Im Alltag ist es die Hauptsache, die Arbeit zu machen! Arbeit in Pflege und Betreuung bedeutet jedoch immer Umgang mit einzigartigen Menschen. Deren Leben zu pflegen ist die eigentliche Aufgabe. Und das in allen bunten Farben, die das Leben mit sich bringt. Wenn man das Beste will für den Bewohner, sind verschiedene Sichtweisen und Standpunkte nötig. Das löst Diskussionen aus. Diskussionen sind Gespräche mit unterschiedlichen Meinungen. Die kosten Zeit. Da werden unterschiedliche Vorstellungen ausgetauscht und nichts „geschafft“. Die Zeit zum Reden und Zuhören gehört zur guten Pflege, Betreuung und Lebensbegleitung dazu. Viele Krankenhäuser und Heime teilen mit, wie sie Patienten und Bewohner behandeln möchten. Die Heime schreiben das in einem Leitbild auf. Da wird beschrieben, wie man miteinander umgeht. In Leitbildern steht oft zu lesen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. In manchen Einrichtungen ist davon nichts zu merken. Die Stimmung wirkt oft angespannt. Zeit und Mitarbeitende fehlen. Insbesondere in der Pflege wirken die Menschen gehetzt. Sie fühlen sich unter Druck. Wahrnehmen und achten auf sich selbst und den anderen fallen dann schwer. Der alte Mensch mit seinen Bedürfnissen kommt zu kurz. Jemand, der Menschen mit Demenz begleitet und mit ihnen etwas unternimmt, ist nötig. Die Bedürfnisse der Demenzkranken und die Rahmenbedingungen der Pflege sind Gründe genug, dass Sie als Betreuungskraft das Konzept in der Einzelbetreuung einsetzen

Ausgangslage

Begründet hat dieses Konzept „Basale Stimulation“ der Heilpädagoge und heilpädagogische Psychologe Professor Doktor Dr. h.c. Andreas Fröhlich. Ein Konzept ist ein Entwurf. Also ein Versuch der Annäherung an ein Thema und dessen Probleme. Ein Konzept macht Vorschläge. Es ist offen für die betroffenen Menschen, um die es geht. Für Sie als Leser gibt das Konzept Hinweise und Hilfestellungen für ein Leben voller sinnlicher Erfahrungen. Dieses Konzept entstand im Reha Zentrum Westpfalz in Landstuhl. Andreas Fröhlich stellte sich die Frage, wie schwer behinderte Kinder lernen. Es gab keine Schulen für die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder. Deren Behinderung war zu schwer, als dass sie mit anderen Kindern in dieselbe Schule hätten gehen können. Manche dieser Kinder sind blind oder taub geworden, oder taub und blind zur Welt gekommen. Viele konnten sich nicht bewegen. Die Kinder galten als nicht bildungsfähig. Das bedeutet, die Kinder lernen in ihrem Leben weder das Rechnen, Schreiben, Sprechen noch Lesen. Noch können sie andere Sachen lernen, wie ein Handwerk oder einen anderen Beruf. Die Kinder durften deshalb nicht in die Schule, obwohl jeder Mensch ein Recht auf Bildung hat. Das sagt das Grundgesetz von Deutschland. Die Eltern der Kinder erhielten kaum Hilfen. Sie mussten Pflege, Betreuung und Erziehung alleine schaffen. Manche Kinder lebten als Dauerpflegefälle zu Hause oder in Einrichtungen (Kinderkliniken, Heimen). Sie mussten gewaschen, gefüttert und gedreht werden. Andreas Fröhlich hat überlegt, wie man bestmöglich Kinder in ihrer Entwicklung fördert, die schwer- und mehrfach behindert sind. Damals erzog man die Kinder durch Loben oder Bestrafen. Bei diesen Kindern halfen weder Loben und Belohnung noch Bestrafung, wie deren Eltern berichteten. Fröhlich meinte hierzu: „Das Leben an der Grenze, das diese Kinder lebten, das Leben auf der Grenze, die viele Kinder durch ihren Tod überschritten, stellt eine ganz besondere Herausforderung an pädagogisches Denken“ (Fröhlich, 2004, 147). Damals gab es erste neue Erkenntnisse der medizinischen und psychologischen Forschung (Pechstein, Spitz, Piaget – so hießen die Forscher) und der Physiotherapie (Bobath). Die haben gezeigt, dass das Gehirn der Kinder sich besser entwickelt, wenn die Sinne angeregt werden.

Körper und Sinne

Unser ganzer Körper verfügt über viele Sinne. Unsere Sinne nehmen Dinge wahr. Das bedeutet, wir richten unsere Aufmerksamkeit auf das, was im Körper oder außerhalb vom Körper stattfindet. Dinge, welche die Sinne wahrnehmen, sind wie Nahrung für das Gehirn. So lernen wir, behalten oder vergessen Sachen. Das menschliche Gehirn besteht aus unendlich vielen Nervenzellen. Diese Bauteile vom Gehirn sind wie ein Spinnennetz miteinander verbunden. Sie bilden sich ständig um. Kinder und Erwachsene bauen dieses Spinnennetz von Verbindungen im Gehirn jeden Tag neu auf. Das passiert durch das, was wir im Alltag tun. Erfahrungen mit der Außenwelt und dem eigenen Körper tragen dazu bei. Das Gehirn kann sich nämlich lebenslang verändern und immer wieder neue Verbindungen aufbauen.

Abbildung 1: Beziehung zwischen Umweltwelt und Körperwelt

Die Kinder, die damals in Landstuhl lebten, hatten oft vor der Geburt eine Hirnschädigung bekommen. Ihre Sinne funktionierten nicht so, wie sie funktionieren sollten. Manche Kinder mit Behinderung bewegen sich aus eigener Kraft nicht von alleine. Wahrnehmungen wie das Greifen zum Beispiel, den eigenen Fuß in die Hand zu nehmen oder sich umzudrehen, sind unmöglich für solche Kinder. Sie nehmen kaum Kontakt mit der Umwelt auf. Sie sagen nicht, was sie wollen. Solche Kinder haben schlechte Bedingungen, wenn ihr Leben beginnt. Nicht behinderte Säuglinge kommen mit funktionierenden Sinnen auf die Welt. Sie bewegen sich aktiv. Gesunde Kinder erkunden die Umwelt von sich aus. Sie sehen und hören die Welt, die sie umgibt. Sie riechen die Umwelt und machen andere Erfahrungen mit allen ihren Sinnen. Gleichzeitig merken sie, wenn sie sich unwohl fühlen. Das teilen uns Menschen die Sinne mit, die im Inneren vom Körper, den Eingeweiden, Muskeln und Faszien ohne unsere bewusste Aufmerksamkeit funktionieren. Erst wenn da drin irgendetwas nicht stimmt, zum Beispiel das Gefühl von Hunger, Durst, Juckreiz oder Luftnot entsteht, spüren wir ein unklares Gefühl im Bauch, der Haut oder der Brust. Wir lernen mit diesen Signalen vom eigenen Körper umzugehen. Säuglinge sagen noch nicht, was mit ihnen los ist. Sie schreien, ohne zu wissen, warum sie schreien. Demenzkranken im fortgeschrittenen Stadium geht das ebenso. Sie spüren ein inneres Gefühl von Unbehagen. Diese Information vom Körper nehmen sie wahr, sind aber nicht in der Lage, sich mitzuteilen. Sie sagen das auf ihre Weise, indem sie zum Beispiel ständig laufen oder unruhig sind. Durch Erfahrungen mit dem Körper und der Außenwelt entstehen Vorstellungen vom eigenen Körper und persönlichen Eigenschaften eines Menschen.

Menschen machen Erfahrungen mit Dingen, dem eigenen Körper und mit anderen Menschen. Sie nehmen Sachen in die Hand, halten sie fest, sehen anderen Menschen in die Augen, berühren sie und sprechen mit ihnen in verständlicher Art und Weise. Schwer behinderte Kinder erleben das nur sehr eingeschränkt, je nach Ausmaß ihrer Behinderung. Oft gar nicht oder auf eine Weise, die für andere Menschen schwer verständlich ist. Das verbindet beide Gruppen, Säuglinge und demenzkranke Menschen. Daher sind sie auf andere Personen angewiesen, die ihnen helfen Erfahrungen zu machen. Erfahrungen mit dem eigenen Körper und der Umwelt.

Wortbedeutung Basale Stimulation

Andreas Fröhlich hatte die Absicht, den behinderten Kindern Erfahrungen zu ermöglichen. Wenn ein Kind zum Beispiel blind ist, kann es nicht erfahren, was draußen vor dem Fenster zu sehen ist. Als Folge der Behinderung brauchen diese Kinder andere Menschen, um Erfahrungen zu machen. Wer nichts hört, nicht gehen und sprechen kann, kann die Welt kaum entdecken. Es fehlen Eindrücke, die notwendig sind für ein erfülltes Leben und Lernen. Wenn man etwas gelernt hat, was man vorher nicht wusste, konnte oder fühlte und man sich danach anders verhält, nennt man das „Entwicklung“. Fröhlich hat überlegt, wie man Entwicklung fördert. Er ist der Meinung: Der Mensch ist vor allem ein körperliches Wesen. Er hat unterschiedliche Sinne. Als sinnliches Wesen speichert der Mensch Eindrücke in seinem Gehirn und Körper ab. Selbst wenn ein Mensch nichts sieht oder hört, hat er andere Sinne, über welche die Welt ihn erreichen kann. Selbst wenn nicht mehr alle Sinne funktionieren, besteht trotzdem die Möglichkeit, mit dem Körper zu lernen. Dazu muss die Person nichts können oder besonders klug sein. Den eigenen Körper zu spüren hilft sowohl Kindern als auch erwachsenen Menschen, ihr eigenes Leben zu spüren. Entwicklung zu fördern, heißt auch andere Menschen und Gegenstände behutsam kennenzulernen. Die Entwicklung kommt voran, wenn die Person die belebte und unbelebte Welt selbst entdecken kann.

Der Begriff „basal“ bezieht sich also auf den menschlichen Körper mit all seinen Sinnen. Die Sinne nehmen sowohl Informationen aus der Außenwelt als auch Informationen aus dem eigenen Körper auf. So lange der Mensch atmet und sein Herz schlägt, bewegt sich der Körper. Alles was sich bewegt, wird wahrgenommen. Selbst wenn jemand ohne Sehsinn oder Hörsinn geboren wurde, spürt der Mensch den eigenen Körper.

Das Wort „Stimulation“ heißt übersetzt in die deutsche Sprache: reizen, erregen, Nerven anregen. Manche Anwender meinten zum Beispiel, sie zeigen ein schwarz-weißes Schachbrett und damit ist der Mensch im Sehen angeregt. Der Sehsinn wird so gereizt, aber das Gesehene hat keinen Bezug zum Alltag. Das Beispiel zeigt schon, Stimulation meint mehr als nur „reizen“. Die Person will angeregt werden zu Dingen, die für sie selbst von Bedeutung sind. Stimulation in diesem Konzept ist die Suche nach einer Form der Mitteilung, die der andere versteht. Das kann das gesprochene Wort sein, ein bekanntes Musikstück, eine vertraute Stimme. Eine angenehme Berührung spricht die Person ebenso an wie ein vertrauensvolles Wiegen im Arm. In jedem Fall spricht man die Person an. Man versucht sich auszutauschen auf eine Weise, die der andere versteht. Stimulation in diesem Konzept ist stets ein Angebot, das man annehmen oder ablehnen kann. Dazu ein Beispiel aus dem Heimalltag: Immer wieder hört man auf den Abteilungen die Musiksender, die Pflegende bevorzugen. Das Radio wird angestellt und trällert laut vor sich hin. Oft Stundenlang! So ein Vorgehen entspricht dem „Setzen von Reizen“ und ist abzulehnen! Die Musik wird zwar gehört, hat aber nichts mit den Erfahrungen und Hörgewohnheiten der Bewohner zu tun. Wie gefällt diese Musik dem alten Menschen? Entspricht die Musik seinen Hörgewohnheiten? Möchte sie oder er diese Musik überhaupt hören? Will derjenige eher mit Beat aus den 1960er-Jahren abrocken? Will er Mozart oder Bach lauschen? Und wenn ja, wie lange am Tag? Für 10 Minuten? All dieses sollte bei der basalen Stimulation bedacht werden. Ein erkennbarer Zusammenhang für das Empfinden und Erleben der Person gehört zu allen basal stimulierenden Aktivitäten dazu. Auch wäre die Einbindung der Sinneserfahrungen in das normale, alltägliche Leben hilfreich für den Betroffenen. Also jeden Tag Erfahrungen, die für die Person interessant sind. Daher sollten sie wissen, wie wir wahrnehmen und die Sinne arbeiten.

Sinne und Wahrnehmung

Der Körper verfügt über unterschiedliche Bausteine: die Körperzellen. Sie sind so ausgestattet, dass verschiedene Informationen oder Reize aufgenommen werden. Zellen haben dafür besondere Empfänger (Rezeptoren). In den Körperzellen gibt es Empfänger für Druck, Druckwechsel, Dehnung, Spannung, Schwingungen, Wärme, Kälte, Schmerz, Bewegungen, die Stellung vom Körper im Raum und so weiter. Die Nerven leiten dann die Informationen dieser Empfänger an das Gehirn weiter. Dort werden sie verarbeitet und wieder zurück an die Körperzellen gegeben. So lernt der Körper mit diesen Informationen umzugehen. Allgemein wird in der Medizin und Psychologie zwischen zwei Quellen unterschieden, wie der Mensch Informationen aufnimmt. Er nimmt Informationen von der Außenwelt und Informationen aus dem eigenen Körper auf. Das nennt man in der Fachsprache der Medizin Exterozeption und Interozeption. Um Reize als Informationen aufzunehmen, braucht der Mensch Sinneszellen und Sinnesorgane, die intakt sind. Diese sind Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut. Informationen aus der Außenwelt nehmen wir auf, indem wir sehen, hören, riechen, schmecken, spüren, tasten und greifen. Da die Sinnesorgane im Kopf und damit sehr nahe am Gehirn liegen, werden uns deren Informationen schnell bewusst. So machen wir uns ein Bild von der Umgebung. Auf diese Weise wissen wir zum Beispiel, wo wir sind. Wir werden uns der Umwelt bewusst.

Informationen aus dem Inneren vom eigenen Körper (Interozeption) nehmen wir unbewusst wahr. Dazu gehören 3 Dinge: Die Vorgänge in unseren inneren Organen (medizinisch: Viszerozeption), die unbewusste Steuerung der inneren Bewegungen (medizinisch: Propriozeption) und das Spüren von Schmerzen. Diese Wahrnehmungen finden im ganzen Körper statt, der Haut, dem Bindegewebe, den Muskeln und den Eingeweiden, wie Herz, Darm, Lunge, Nieren und so weiter. Diese Organe befinden sich im Körperstamm oder Rumpf. Stimmt irgendetwas in den Abläufen der Eingeweide nicht, kommt uns das ins Bewusstsein, meist in Form von Unwohlsein oder Schmerzen. Aktivitäten der Eingeweide werden zurückgemeldet, wie Herzschlag, Blutgefäße, Luftnot, Darmbewegungen, Hunger und Durst, Juckreiz und Berührungsinformationen. Wenn da irgendetwas nicht stimmt, bekommen wir das irgendwie mit. Ansonsten nehmen wir die Eingeweide nicht wahr. Über den sogenannten 8. Sinn wirkt was man erfährt, auf die ganze Person. Das geschieht auf folgende Weise:

Informationen der Zellen wie Druck, Wärme, Dehnung werden erkannt und umgewandelt

Sie werden weitergeleitet – über die Nerven im Rückenmark an das Gehirn

Es folgt die Verarbeitung der Informationen im Gehirn

Dann erfolgt die Rückmeldung durch (körper-)sprachliche Signale und/oder Bewegungsaktivitäten

Menschen machen Erfahrungen mit dem ganzen Körper und lernen daraus. Signale von außen und innen wirken auf die Stimmung ein, das persönliche Wohlbefinden, das Wach- oder Müde-Sein, Anspannung oder Entspannung und auch auf die Gefühle. Dadurch entwickeln wir eine Vorstellung vom eigenen Körper, das sogenannte Körperschema. Das ist ein zusammenhängendes Bild von unserem Körper. Ein Beispiel: Schläft Ihnen der rechte Arm ein, weil Sie darauf gelegen haben, fühlt sich dieser an, als ob er nicht zum Körper dazugehört. Dieses Gefühl veranlasst einen, sich zu bewegen. Wir stellen wieder ein inneres Gleichgewicht her, ein gesamtes Bild vom Körper. Eine besondere Rolle spielen dabei Wahrnehmen und Bewegen.

Was sind basale Sinne?

Das Spüren der Körperoberfläche, die Körpertiefe und das Empfinden der Körpergrenze bezeichnet Andreas Fröhlich als „somatische“ Wahrnehmung. Diesen Namen hat er so gewählt, weil er den ganzen menschlichen Körper mit seinen Berührungsmeldern meint. Hinzu kommt die Lage vom Körper in Beziehung zum Raum. Fröhlich spricht von „vestibulärer“ Wahrnehmung. Sitzen, Liegen, Stehen, Drehen vom Kopf gehören dazu. Auch Schwingungen spürt der Körper. Das Auftreten beim Gehen erzeugt eine Schwingung. Diese wird vom Fuß aufgenommen und über die Knochen an den ganzen Körper weitergeleitet. Zum Beispiel, wenn Sie am Bahngleis stehen. Fährt der Zug ein, schwingt der ganze Boden. Man spürt das und kann dazu „vibratorische“ Wahrnehmung sagen. Alle drei Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden. Wir nennen sie daher„basale Sinne“. Damit empfinden Menschen ihren Körper. Die Eigenwahrnehmung der Bewegung hat eine besondere Stellung im Wahrnehmungssystem vom Körper. Übersetzt heißt das Wort Propriozeption „sich selbst in Besitz nehmen“. Einerseits ist dieses Sich-in-Besitz-Nehmen Bestandteil der inneren Wahrnehmung. Da finden unbewusste Vorgänge der Kontrolle der Bewegung statt. Andererseits ist diese auch Bestandteil der äußeren Wahrnehmung. Die Rezeptoren zur Eigenwahrnehmung der Bewegung nehmen Informationen von und über die Haut auf. Veränderungen im Bewegungsapparat (Muskeln, Bindegewebe, Stellung der Knochen) werden gespürt, zum Beispiel, wenn ich ein Bein anhebe. Veränderter Zug oder Druck, Spannung, Scherkräfte und Schmerzen werden dabei von besonderen Zellen vom Körper aufgenommen. Diese Strukturen sind ebenso im Bindegewebe vorhanden. Bindegewebe nennt man in der Fachsprache „Faszien“. Sie sind im ganzen Körper zu finden. Sie wiegen um die 20–30 Kilogramm. Man kennt die Faszien vom Steak, das man grillt. Das Fleisch wird von weißen, festen, teils zähen, aber elastischen Fasern durchzogen. Das sind die Faszien. Wie ein Netzwerk umhüllen die Faszien die Muskeln und Organe.

Abbildung 2: Sinne in der Basalen Stimulation

Um die Wahrnehmung vom Körper besser zu unterscheiden, sprechen wir von „basalen Sinnen“. Man nennt sie auch Körpersinne. Sie geben uns Informationen über den eigenen Körper. In der medizinischen Fachsprache entsprechen die basalen Sinne annähernd der Propriozeption. Im Zusammenhang mit dem Konzept benutzt der Autor ebenso das Wort „Propriozeption“. Damit ist dann das Gefühl gemeint, von anderen Personen bewegt zu werden. In dem Konzept werden die Sinne zusätzlich aufgeteilt, in somatische, vibratorische und vestibuläre Wahrnehmung. Damit wird den Anwendern der basalen Stimulation klarer, was sie tun können, um den Betroffenen gezielter anzusprechen. Bestimmte Bedürfnisse werden dadurch leichter erfüllt. Hinzu kommt: Basale Sinne geben uns unmittelbar und direkte Informationen über den gesamten Körper, das eigene Erleben und die eigene Lebendigkeit. Ohne Körpersinne kann der Mensch nicht überleben. Ohne die Umweltsinne schon. Alle inneren Prozesse vom Körper werden mit den Körpersinnen wahrgenommen. Im weiteren Verlauf lernen Sie besondere Angebote für die Körpersinne kennen. Diese nehmen Sie zur Hilfe, wenn Sie Demenzkranke einzeln betreuen.

Was bedeutet das Wort „Stimulation“?