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Ludwig van Beethoven war ein deutscher Komponist und Pianist. Er führte die Wiener Klassik zu ihrer höchsten Entwicklung und bereitete der Musik der Romantik den Weg. Er gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Geschichte. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 167
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Ludwig Nohl
Beethoven
Eine Musikerbiografie
Ludwig Nohl
Beethoven
Eine Musikerbiografie
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-21-3
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Die Jugend und die erste Schaffenszeit.
2. Eroica und Fidelio.
3. Cmollsymphonie, Pastorale und Siebente.
4. Die *Missa solennis* und die Neunte Symphonie.
5. Die letzten Quartette.
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Ihr Jürgen Schulze
Beethoven - Eine Musikerbiografie
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Liszt - Eine Musikerbiografie
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»Unser Zeitalter bedarf kräftiger Geister!«
Die Musik, so sehr sie die populärste aller Künste ist und jede Brust mit wehmutsvoller Freude erfüllt, ja selbst bloße Sinnenwesen zu freudigem Aufzucken durchbebt, ist doch in ihren letzten Erzeugnissen ein seltsam vornehm abgeschlossenes Wesen, und nicht ohne Grund verlangt man Bildung und Vorübung, ja Anlage und Entwicklung für die Aufnahme ihrer Geheimnisse. »Von seinesgleichen will man mit dem Verstande gehört sein, Rührung passt nur für Frauenzimmer, dem Manne muss die Musik Feuer aus dem Geiste schlagen«, so ungefähr sagte Beethoven selbst, und wir wissen, wie langsam des größten Symphonikers Werke sich allgemein Gehör und Anerkennung errungen haben.
Und dennoch, wer kennt heute nicht den Namen Beethoven! – Und wen erfüllt nicht, wenn ihm ein Werk dieses Heroen entgegentritt, auch sogleich die Ahnung einer erhabenen allwaltenden Macht, die aus den tiefsten Quellen alles Lebens stammt! Mit dem Gefühl einer geheimen Verehrung ergreift uns schon der bloße Name, und wir glauben gern, wenn berichtet wird, dass vor der von Gestalt zwar kleinen, aber in ihrer gedrungenen Kraft dennoch imponierenden Erscheinung mit der vorwärts strebenden Haltung und dem aufgerichteten Haupt mit wallendem Haar und fast stechendem Blick selbst der Fremde in einer gewissen Ehrfurchtsscheu zurückwich. Jene beiden Kohlenbrenner aber hielten sogar in einem Hohlweg ihr schwerbeladenes Fuhrwerk an, als ihnen der in der ganzen Umgebung Wiens wohlbekannte »kraupete Musikant« begegnete, der sinnend stand und summend weiterging, wenn er so bienengleich von Sonnenaufgang an in der Natur umherschweifte und das Notirbuch in Händen hielt, von dem er wie Jeanne d’Arc sagte: »Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen!«
Was diese Männer des Volks mit unwillkürlichem Respekt vor der Würde ergriff, die diese ganze Erscheinung umfloss, ergreift uns bei Nennung seines Namens, wie viel mehr beim Anhören seiner Musik! Hier ist, das fühlen wir, der Geist tätig, der alle Welt belebt und erhält und stets neues Leben schafft. Selbst dem Laien hallt aus diesen hohen Schöpfungen die Gewissheit des Waltens des schöpferischen Geistes entgegen und ertönen diese Laute als die Stimmen der tiefsten Menschenbrust, die das allgemeine Weh- und Wonnewesen unseres Geschlechts im Innersten geteilt hat. Es überkommt uns die sichere Überzeugung, dass der hier spricht, uns wirklich etwas zu sagen hat und zwar von unserem eigenen Leben, weil er, was wir alle fühlen und leben, tiefer fühlte und lebte als wir anderen, und alles was wir lieben und leiden, tiefer liebte und litt als sonst die Staubgebornen. Durchaus tritt uns hier ein Mann entgegen, der an Gemüt wie an Geisteskraft wirklich groß war und uns zu einem erhabenen Vorbilde werden konnte, weil er das Leben wie das künstlerische Schaffen ernst nahm und es sich zur Pflicht machte, »für sich nicht, nur für andere Mensch zu sein.« Es ist der hohe Grad selbstverleugnungsvoller Kraft, was aus dieser Künstlererscheinung hervorstrahlt und uns selbst wieder erhebt. Hier wurden, wie nur je bei einem großen Künstler, die Aufgaben des Lebens mit der gleichen Treue erfasst wie die der Kunst. Sein Leben ist völlig auch die Grundlage seines Schaffens: der große Künstler floss aus dem großen Menschen. Wenn irgendwo, so deckt hier die Darstellung des Lebens auch in einer solchen bloß überschauenden Skizze die inneren Quellen des künstlerischen Schaffens selbst auf, und wir werden erkennen, was sich hier darstellt, es ist ein Stück Geschichte des höheren geistigen Lebens unserer Zeit und der Menschheit.
(1770–94)
Ludwig van Beethoven ward am 17. Dezember 1770 in Bonn – getauft. Nur dieses, der Tag der Taufe, ist uns festgestellt, und so hat man den 17. Dezember zugleich als den Geburtstag gelten zu lassen.
Sein Vater Johann van Beethoven war kurfürstlicher Kapellsänger in Bonn. Doch stammte die Familie aus den Niederlanden. Erst der Großvater war (1732) nach Bonn gekommen, nachdem er als Knabe wegen eines Streites eigenwillig das Elternhaus verlassen hatte. Er hatte sich als Basssänger in Kirche und Theater hervorgetan und war so 1763 kurfürstlicher Hofkapellmeister geworden. Auch sonst hatten ihm Fleiß und Ordnung einen wohlbestellten Hausstand und ein persönliches Ansehen begründet. Ein kleiner Weinhandel erlaubte ihm »sich eher zu rühren.« Doch trug eben dieser Nebenbetrieb bei, sein eigenes Glück wie das seines Sohnes zu untergraben. Seine Frau Josepha Poll verfiel dem Laster des Trunkes und musste zuletzt nach Köln in ein Kloster getan werden. Und leider teilte diesen Fehler der einzige überlebende Sohn, – »Johann van Beethoven verstand sich schon früh gut auf die Weinproben«, sagt der Bericht seiner Jugendgespielen, – und bald nahm die üble Schwäche so überhand, dass eine tiefe Störung des Hauswesens eintrat und schließlich gar Amtsentsetzung folgte. Beethovens Jugendfreund Stephan von Breuning sah selbst einmal, wie er den trunkenen Vater auf offener Straße aus den Händen der Polizei befreite.
Hier haben wir nun sogleich den Einblick in eine Jugendzeit, die Beethovens Geistes- und Gemütskraft hart erprobte. Denn nach der angesehenen Stellung des Großvaters und durch seine eigene frühe Anstellung als kurfürstlicher Hoforganist wie die bedeutende Entwicklung seines Talentes genoss Beethoven frühe den Umgang der besseren Gesellschaft und wirkte als Künstler in den Familien des Adels wie bei Hofe. Doch wird berichtet, dass es stets mit der größten Zartheit geschah, wenn sie, er und seine zwei jüngeren Brüder, den Vater ins Haus zurückzubringen suchten, und niemals hören wir ein hartes Wort über den Mann, der seine Jugend zu einer so schweren gemacht, ja ein solches von einem Dritten machte ihn geradezu böse. Allein die Verschlossenheit und eine gewisse Trotzigkeit seines Jugend- und Manneswesens müssen doch auf solche frühen herben Erfahrungen zurückgeführt werden.
Und wer kennt die Verwickelungen, die hier das Unheil überhand nehmen ließen! Denn wenn es gleich heißt: »Johann van Beethoven hatte einen flüchtigen Geist«, so wissen doch auch diese Jugendgespielen von seinem Charakter nichts Schlimmes zu sagen. Nur Jähzorn und Halsstarrigkeit scheinen sein altniederländisches Erbteil gewesen zu sein, und dieses zeigte in reichlichem Maße auch unser Meister. Doch während der Großvater sich zu so guter Stellung aufgeschwungen und stets eine solche Haltung zu bewahren gewusst hatte, dass Beethoven ihn förmlich als ein Vorbild seines Lebens nehmen und als von einem »Ehrenmanne« noch später gern von ihm sprechen konnte, brachte es sein Vater nicht über den geringbesoldeten Kapellsänger. Und nicht einmal diesem Stande entsprach die Wahl seiner Frau.
Magdalena Kewerich aus Ehrenbreitstein, eine »hübsche schlanke Person«, die einige Zeit als Kammerjungfer bei vornehmen Herrschaften gedient hatte und schon mit neunzehn Jahren die Witwe eines kurtrierschen Leibkammerdieners war, wurde 1763 Johann van Beethovens Frau. Da nun diese Heirat nicht nach des Hofkapellmeisters Sinn sein konnte, so zog der Sohn, der bisher mit dem vereinsamten Vater zusammen gewohnt hatte, in ein Nebengebäude des Hauses Nr. 515 der Bonngasse, welches also Beethovens Geburtshaus ward.
Vermögen besaß die junge Frau ebenfalls nicht, und so trat, nachdem ziemlich rasch mehrere Kinder gekommen waren, von denen der 1774 geborene Karl und der 1776 geborene Johann eine Rolle in Beethovens Leben spielen, bald materielle Bedrängnis ein. Anfangs hatte der wohlhabende Großvater nachgeholfen, und seine stattliche Gestalt im roten Rock, mit dem großen Kopf und den »dicken Augen« blieb bei dem Knaben Ludwig, der mit der größten Innigkeit an ihm gehangen, auch tief haften, obwol er erst drei Jahre zählte, als der Großvater starb. Bei zunehmender Bedrängnis machte der Vater einige Gesuche um Aufbesserung. Allein seine nur »ziemliche« Aufführung und seine »abgängige« Stimme ließen sie fehlschlagen. So suchte er sich denn mit Unterrichtgeben weiter zu helfen und wirkte auch im Theater mit, denn er spielte zugleich Violine. Doch bald verschlangen Krankheiten auch die immerhin nicht bedeutende Erbschaft: die Glas- und Porzellanschränke wandelten nebst dem Silberservice und der Leinwand, »die man durch einen Ring hätte ziehen können«, eins nach dem anderen zum Trödler, und die Not selbst konnte wieder den Vater nur mehr seiner Schwäche verfallen lassen.
Doch eines stand von früh an als ein Hoffnungsstern an dem trüben Himmel seiner Existenz: das Talent seines Sohnes Ludwig. Denn dasselbe zeigte sich ebenfalls bereits in erster Kindheit und konnte dem Vater, der selbst immerhin ein »guter Musiker« war, am wenigsten entgehen. Und wenn er auch selbst den vollen Erfolg hier nicht mehr erleben sollte, es war in der Tat dieses Talent, durch welches späterhin einzig die Familie vor dem Untergang gerettet und ihr Name sogar wieder zu hellem Klange erhoben werden sollte. Denn als zumal nach der Geburt jenes jüngsten Bruders und einer kleinen bald verstorbenen Schwester die Verhältnisse sich stets mehr zerrütteten, verfiel der Vater darauf den Sohn gleich dem kleinen Mozart, der kurz zuvor auch in Bonn gewesen war, zu einem Wunderkinde heranzubilden, um dann auf Reisen mit ihm die so sehr bedurften weiteren Existenzmittel zu gewinnen. So ward denn der Knabe mit Ernst angehalten Klavier und bald auch Violine zu spielen, und es muss bei diesen täglichen Übungen härter zugegangen sein, als zu einer regelrechten Ausbildung erforderlich ist. Denn er wurde sogar vom Spielen mit den Kindern weggeholt, und die Jugendfreunde sahen ihn auf einem Bänkchen vor dem Klaviere stehen und weinend seine Aufgaben üben. Auch Strafen fehlten nicht und selbst mahnende Freunde brachten den Vater nicht von solcher unerbittlichen Strenge ab. Doch ward der Zweck erreicht, und die anhaltende und regelmäßige Übung legte den Grund zu einer Fertigkeit, die ihn schon als siebenjährigen Knaben vor die Öffentlichkeit führte. In einer Kölner Zeitung kündete der Vater an, dass am 26. März (Beethovens Todestag!) 1778, »sein Söhnchen von 6 Jahren mit verschiedenen Klavierkonzerten die Ehre haben werde aufzuwarten, wo er allen hohen Herrschaften ein völliges Vergnügen zu leisten sich schmeichele, umso mehr, da er zum größten Vergnügen des ganzen Hofes sich hören zu lassen die Gnade gehabt habe.« Der Knabe ward, damit das Wunder umso größer sei, um ein Jahr jünger gemacht, und dies erzeugte in ihm selbst einen Irrtum über sein Alter, der noch den nahezu Vierzigjährigen täuschte.
Über seine weiteren Jugendlehrer können wir uns kurz fassen. Seine Schule war vorzugsweise die Not des Lebens, die ihn seine Kunst treiben und üben hieß, um sie zu beherrschen und mit ihr in der Welt vorwärts zu kommen. Außer dem Vater unterrichtete den achtjährigen Knaben ein Jahr lang der Sänger Tobias Pfeiffer, der bei Beethovens in Kost und Logis war. Er war ein fertiger Klavierspieler und Beethoven erkannte ihn auch dadurch als einen seiner Hauptlehrer an, dass er ihm noch von Wien aus Unterstützung zukommen ließ. Wie jedoch dieser Unterricht und das Leben im Beethoven’schen Hause beschaffen war, erkennt man aus der Erinnerung der Hausgenossen, dass wenn Pfeiffer oft spät in der Nacht mit dem Vater von dem Wirtshause kam, der kleine Ludwig noch aus dem Bette geholt und bis zum frühen Morgen am Klavier gehalten ward. Dagegen war der Erfolg dieser Unterrichtung bereits ein solcher, dass wenn der Knabe mit seinem Lehrer, der auch Flöte blies, zusammen »variierte«, die Leute draußen stehen blieben und die schöne Musik lobten. Im Jahre 1781 finden wir den zehnjährigen Ludwig denn auch mit seiner Mutter auf einer Reise nach Holland, wo er in großen Häusern spielte und die Leute durch seine Fertigkeit in Erstaunen setzte. Doch muss es mit dem Ertrag der Reise nicht ebenso gut gestanden sein. Denn auf eine Frage antwortete der Knabe: »Die Holländer, das sind Pfennigfuchser, ich werde Holland nimmermehr besuchen.«
Derweilen war es nun auch an das Orgelspiel gegangen, und ein Bruder Willibald im nahen Franziskanerkloster führte ihn darin bald soweit, dass er beim Gottesdienst als Gehilfe gebraucht werden konnte. Seine Hauptlehrer in dieser Kunst waren aber zunächst der alte kurfürstliche Hoforganist van den Eeden und dann dessen Nachfolger Christian Gottlob Neefe. Der letztere hat auch in der Komposition den ersten entscheidenden Einfluss auf Beethoven geübt, und er selbst dankte ihm später »für den guten Rat bei dem Weiterkommen in seiner göttlichen Kunst«. »Werde ich einst ein großer Mann, so haben auch Sie Teil daran«, schließt der Brief. Er stammte aus Sachsen und stand so einerseits auf der Grundlage der norddeutschen Organistenkunst, hatte aber andrerseits in der Komposition die Richtung der neuen Ph. E. Bach’schen Sonate genommen und war außerdem durch allgemeine geistige Bildung und gefälligere künstlerische Form ausgezeichnet. Schon im Jahre 1782 konnte er den elfjährigen Knaben als seinen »Vicar« annehmen und ihm so die Anwartschaft auf die Hoforganistenstelle selbst verschaffen. Von ihm stammt denn auch der erste öffentliche Bericht über Beethoven, und hier erfahren wir, dass die Hauptgrundlage dieses Unterrichtes Bachs Wohltemperiertes Klavier, jenes »Non plus ultra« der Kontrapunktik wie der Technik war. Die Bach’schen Fugen waren es daher auch, durch deren ausgezeichneten Vortrag er sich später in Wien zuerst seinen Ruf verschaffte. Aber auch der Kompositionsunterricht trug seine Früchte und ein Heft Variationen über einen Marsch wie drei Sonaten erschienen schon damals im Druck.
»Dieses junge Genie verdiente Unterstützung, dass er reisen könnte, er würde gewiss ein zweiter Mozart werden«, hatte Neefe schon in jenem Bericht von 1783 geschrieben. Bald nachher war dann die Ausbildung des »Genies« auch auf anderen Gebieten vorgegangen: der 12jährige Organistenvicar hatte gar, wenn Neefe verhindert war, die Proben im Theater zu leiten, und dieses brachte damals, wie wir noch sehen werden, auch in Bonn die besten Stücke der Zeit. So gewannen die künstlerische Anschauung und die technische Fertigkeit einen stets weiteren Umkreis, und es existiert schon aus diesen frühen Jahren eine Anekdote, wonach er als Hoforganist, – denn dies war er schon 1784, mit dreizehn Jahren! – einmal beim Gottesdienste den sehr tonfesten kurfürstlichen Sänger Heller durch seine kühnen Ausweichungen ganz aus dem Tone geworfen. Der Kurfürst untersagte wol für die Zukunft »derlei Geniestreiche«, war aber wie sein Kapellmeister Luchesi von der außerordentlichen Befähigung des jungen Mannes ganz überrascht.
Solche Erfahrungen mochten denn Anlass sein, dass man an den Unterricht eines wirklichen Großmeisters für ihn dachte, und in der Tat finden wir im Frühjahr 1787 den Bonner Hoforganisten bei Mozart in Wien.
Die kleine Gestalt, zwar kräftig, aber »fast plump organisiert von Körper« und mit einer stumpfen runden Nase, konnte beim ersten Anblick wenig Eindruck machen. Mozart belobte das Vorgetragene, das er für ein eingelerntes Paradestück hielt, etwas kühl, worauf ihn aber Beethoven um ein Thema zum Fantasieren bat und dann so spielte, dass Mozart lebhaft ausrief: »Auf den gebt Acht, der wird einmal in der Welt von sich reden machen.« Gleichwol war von Unterrichtung nicht viel die Rede. Mozart stack zu tief in der Komposition des Don Juan und mancherlei herben Erlebnissen, sodass er ihm nur wenig vorgespielt und nur einige Stunden gegeben hat. Zudem rief den jungen Mann die heftige Erkrankung der Mutter schon nach wenig Wochen in die Heimat zurück, und hier harrten seiner weitere Schicksalsschläge: die gute Mutter starb und des Vaters Schwäche nahm eben dann so überhand, dass er bald nachher seines Amtes entsetzt werden musste. Dadurch ward dem ältesten Sohne die Pflicht auferlegt, seine beiden jüngern Brüder zu erhalten und zu erziehen.
War nun dies in der Tat eine harte Schule des Lebens, die aber andrerseits dazu diente, seinem Charakter jenen ehernen Halt zu geben, der ihn auch in den schwersten Prüfungen nicht untergehen ließ, so gewann der Aufenthalt in Bonn fortan für ihn fast die gleichen Vorteile, die er in der musikalischen Großstadt Wien gesucht hatte. Denn Maximilian Franz, aus der »Biografie Mozarts« (Nr. 1121) als dessen Freund und Beschützer bekannt und seit dem Jahre 1784 Kurfürst von Köln, gehörte zu jenen edlen Fürsten des vorigen Jahrhunderts, die ihre Residenz zu einer Stätte jeder schönen Bildung und namentlich der ernsteren Kunstpflege machten.
Als jüngster Sohn Maria Theresias hatte er die sorgfältige Erziehung dieses Kaiserhauses gewonnen und besaß an Joseph II. das beste Vorbild. Seinen geistlichen Beruf erfasste er mit Ernst, ebenso seine Regentenpflicht. Dem Wesen und Treiben der »großen Pfaffengasse am Rhein« war er ebenso abhold wie dem verrotteten Zustande, in dem seine verschwenderischen Vorgänger das Land hinterlassen hatten. Überallhin strebte er Ordnung und neues Gedeihen zu bringen. Es wehte ein frischer Wind durch das ganze Leben der kleinen Residenz, solange er dort war. Er war selbst noch jung, ein Dreißiger, und hatte feine Sitten. »Man war vielleicht bisher gewohnt unter Köln sich ein Land der Finsternis zu denken, man wird aber ganz anderer Meinung, wenn man an den Hof des Kurfürsten kommt«, sagt ein gleichzeitiger Bericht von »diesem menschlichsten und besten Fürsten«. Besonders die Kapellisten, unter welche wir uns also auch diesen jungen Hoforganisten begriffen denken müssen, seien ganz aufgeklärte, gesund denkende Männer von einem sehr eleganten Ton und Benehmen.
Der Kurfürst hatte 1786 die Universität eröffnet und begründete ein öffentliches Lesezimmer, das er auch selbst ungeniert besuchte. »Alle diese Anstalten huldigten in meinem Auge einem unbekannten Genius der Menschheit und mein Gemüt ahnte zum ersten Male die Hoheit der Wissenschaft«, sagt der Maler Gerhard Kügelgen, ein Landsmann Beethovens von damals, und sollte dieser selbst anders empfunden haben? Die ausschließliche Hinleitung auf den musikalischen Unterricht freilich hatte seine Schulbildung wenig vorschreiten lassen: schon das Rechnen ward ihm durchs ganze Leben schwer, und ebenso lag er mit der Orthografie stets mehr im Streit, als selbst jene Zeit vertrug. Etwas Latein und Französisch hatte er gelernt. Allein jener Hauch einer edleren Geistesbildung, der damals Bonn durchzog und durch den nahen Verkehr mit den gebildetsten Männern der Stadt auch ihn lebendig berührte, führte ihn schon früh auch in dieser Hinsicht auf Höhen, die andere Künstler und gar Musiker jener Zeit gar nicht kannten, die aber ihm stets mehr ein neues Schaffensgebiet für seine Kunst eröffneten. Denn so sehr auch solche ernste und vielseitige geistige Beschäftigung ihm seitdem stets ein unentbehrliches Bedürfen war und er, wie er später selbst sagt, »ohne auch im mindesten Anspruch auf eigentliche Gelehrsamkeit zu machen, sich von Kindheit an bestrebte, den Sinn der Bessern und Weisen jedes Zeitalters zu fassen«, so blieb, wie ebenfalls Kügelgen von sich sagt, »doch sein Herz liebevoll der Kunst zugewandt«. Und gerade seine Kunst ward damals in Bonn in der Tat mit Ernst und Hingebung gepflegt.
»Der Kurfürst ist nicht nur selbst Spieler, sondern auch enthusiastischer Liebhaber der Tonkunst. Es scheint, als könne er sich nicht satt hören. Im Konzert war er – Er nur der aufmerksamste Zuhörer«, sagt der Zeitbericht oben. Die musikalische Bildung der Kinder Maria Theresias war gleichfalls tüchtig und in Wien stand ja eben damals diese Kunst in höchster Blüte: Gluck, Haydn, Mozart wirkten dort miteinander. So ward im Kabinet zu Bonn nur gute Musik gemacht, und dass dabei der ausgezeichnete Klavierspieler Ludwig van Beethoven mit tätig war, versteht sich bei einem Fürsten, der Mozart kannte und liebte, von selbst.
Aber auch die Kapelle und das Theater wurden mit wahrhaft künstlerischer Achtung bedacht, sobald nur die Wiederherstellung der verkommenen Regierungszustände dazu Muße und Mittel ließen. Bereits 1784 hatte Max Franz die Kapelle constituiert, in der der junge Hoforganist bald ebenfalls als Bratschist mitwirkte und die den Geiger Ries und den Hornist Simrock enthielt, welche in Beethovens Leben ihre Stelle einnehmen. Ein Jahr darauf ist eine Truppe in Bonn, die neben italienischen Opern und französischen Singspielen Glucks Alceste und Orpheus gibt. Dann kam auch jener geistvolle Großmann