Spohr - Ludwig Nohl - E-Book

Spohr E-Book

Ludwig Nohl

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Beschreibung

Louis Spohr, auch Ludwig Spohr, war ein deutscher Komponist, Dirigent, Gesangspädagoge, Organisator von Musikfesten und ein Geiger von internationalem Ruf; neben dem Italiener Niccolò Paganini zählt er zu den größten Geigern seiner Zeit. Null Papier Verlag

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Ludwig Nohl

Spohr

Eine Musikerbiografie

Ludwig Nohl

Spohr

Eine Musikerbiografie

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-36-7

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Vor­wort

1. Die Lehr­zeit

2. Ers­te Er­fol­ge

3. Al­ler­lei Er­le­bun­gen

4. In Wien

5. In Ita­li­en

6. In Lon­don

7. In Pa­ris

8. Jes­son­da

9. Wach­sen­de Er­fol­ge

10. Der flie­gen­de Hol­län­der

11. Das Ende des Ge­rech­ten

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Und wenn sie die Hän­de sich rei­chen Zum Freund­schafts­bund, dann wei­nen sie, Sind sen­ti­men­ta­le Ei­chen.

Hei­ne (Win­ter­mär­chen).

Vorwort

Am 8. No­vem­ber 1859 schrieb von Pa­ris aus Richard Wa­gner an die Kon­sti­tu­tio­nel­le Zei­tung in Dres­den Fol­gen­des:

»Fast gleich­zei­tig star­ben mir zwei wür­di­ge hoch­ver­ehr­te Grei­se. Der Ver­lust des einen traf die gan­ze mu­si­ka­li­sche Welt, die den Tod Lud­wig Spohr­s be­trau­ert: ihr über­las­se ich’s zu er­mes­sen, welch’ rei­che Kraft, welch’ edle Pro­duk­ti­vi­tät mit des Meis­ters Hin­gan­ge aus dem Le­ben schied. Mich ge­mahnt es kum­mer­voll, wie nun der letz­te aus der Rei­he je­ner ech­ten, erns­ten Mu­si­ker von uns ging, de­ren Ju­gend noch von der strah­len­den Son­ne Mo­zarts un­mit­tel­bar be­leuch­tet ward und die mit rüh­ren­der Treue das emp­fan­ge­ne Licht, wie Ve­sta­lin­nen die ih­nen an­ver­trau­te Flam­me, pfleg­ten und ge­gen alle Stür­me und Win­de des Le­bens auf keu­schem Her­de be­wahr­ten. Die­ses schö­ne Amt er­hielt den Men­schen in Spohr rein und edel, und wenn es gilt, mit ei­nem Zuge das zu be­zeich­nen, was aus Spohr so un­aus­lösch­lich ein­drucks­voll zu mir sprach, so nen­ne ich es, wenn ich sage: er war ein erns­ter, red­li­cher Meis­ter sei­ner Kunst und sei­ne schöns­te Er­qui­ckung quoll aus der Kraft sei­nes Glau­bens. Und die­ser erns­te Glau­be mach­te ihn frei von je­der per­sön­li­chen Klein­heit; was ihm durch­aus un­ver­ständ­lich blieb, ließ er als ihm fremd ab­seits lie­gen, ohne es an­zufein­den und zu ver­fol­gen: dies war sei­ne ihm oft nach­ge­sag­te Käl­te und Schroff­heit! Was ihm da­ge­gen ver­ständ­lich wur­de, – und ein tie­fes fei­nes Ge­fühl war dem Schöp­fer der Jes­son­da wohl zu­zu­trau­en, – das lieb­te und schütz­te er un­um­wun­den und eif­rig, so­bald er Ei­nes in ihm er­kann­te: Ernst, Ernst mit der Kunst! Und hier­in lag das Band, das ihn noch im ho­hen Al­ter an das neue Kunst­stre­ben knüpf­te: er konn­te ihm end­lich fremd wer­den, nie aber feind. – Ehre un­serm Spohr! Ver­eh­rung sei­nem An­den­ken! Treue Pfle­ge sei­nem ed­len Bei­spie­le!«

So ha­ben wir es dies­mal nicht mit ei­nem je­ner Hero­en der Kunst zu tun, die de­ren Ent­wick­lung mit ei­nem mäch­ti­gen Ruck in we­sent­li­cher­wei­se er­wei­ter­ten. Son­dern in be­hag­li­cher und fast idyl­li­scher Ruhe brei­tet sich in die­sem lan­gen Künst­ler­le­ben der bis da­hin ge­won­ne­ne Be­stand der Mu­sik als ein won­nig be­glücken­der Be­sitz freund­lich zum Mit­ge­nus­se ein­la­dend aus. Da­rum sind es nicht ei­gent­lich ent­schei­dend große Kunst­ta­ten, was uns dies­mal be­geg­nen wird, wohl aber ein durch das Idea­le der Kunst schön ver­klär­tes mensch­li­ches Da­sein, so­dass wir hier mehr ein In­ter­mez­zo zwi­schen den vor­wärts drin­gen­den Ak­ten ei­ner großen Hand­lung als selbst ein Dra­ma vor uns se­hen. »Spohr zeigt sich über­all mut­voll, ent­schlos­sen, tap­fer, mit ei­nem Wort echt männ­lich«, heißt es in dem Vor­wor­te zu sei­ner Selbst­bio­gra­fie von dem fast sie­ben Fuß ho­hen kräf­ti­gen Man­ne; »Spohr war wie alle ed­len Na­tu­ren streng sitt­lich und von ei­ner fast mäd­chen­haf­ten Züch­tig­keit; er kann­te kei­nen Neid, son­dern nur die auf­rich­tigs­te Freu­de über die Er­fol­ge und Leis­tun­gen an­de­rer, er hat­te da­her ei­gent­lich k­ei­nen Feind; wir wa­ren oft Zeu­ge, dass star­ke Aus­drücke des Bei­falls über sei­ne Leis­tun­gen ihn eher drück­ten und be­läs­tig­ten als er­freu­ten.« Als er bei sei­nem Ju­bi­lä­um stür­misch her­vor­ge­ru­fen wur­de, äu­ßer­te er, es sei ihm als ob er auf das Schaf­fot ge­führt wer­de, und als er einst zum Ge­burts­ta­ge sei­nes Kur­fürs­ten in Gala zu er­schei­nen hat­te, hüll­te er sich bei zwan­zig Grad Wär­me in einen großen Win­ter­man­tel und ant­wor­te­te ei­nem teil­neh­mend nach sei­ner Ge­sund­heit fra­gen­den Freun­de, den Man­tel zu­rück­schla­gend und die mit Or­den be­deck­te Brust zei­gend: »Ich schä­me mich nur, so über die Stra­ße zu ge­hen.« Nie­mals auch wid­me­te er ohne un­ab­weis­ba­re Auf­for­de­rung ei­nem Fürs­ten oder Gro­ßen ei­nes sei­ner Wer­ke.

Es er­klin­gen also hier so recht alle jene Sai­ten, die ganz ei­gens das Ge­müt und den Cha­rak­ter des deut­schen, zu­mal des nord­deut­schen Künst­lers aus­ma­chen, und wir ha­ben die­sel­ben eben nur als sol­che er­klin­gen zu las­sen, um fühl­barst in der Nähe und so­gar in dem ei­gens­ten Atems­krei­se die­ses Alt­meis­ters der aus­ge­hen­den klas­si­schen Mu­sik­pe­ri­ode zu wei­len. Wozu uns denn zum Glück dies­mal oben­drein sei­ne ei­ge­nen Le­bensauf­zeich­nun­gen die leich­tes­te Brücke schla­gen, die zu­gleich gar man­ches an­zie­hen­de Gen­re- und Sit­ten­bild brin­gen und da­her auch all­ge­mei­ne­ren An­teil er­we­cken!

1. Die Lehrzeit

(1784-1803.)

»Da ging mir die Herr­lich­keit der Mo­zart­schen Mu­sik auf.«

Spohr ward am 5. April 1784 zu Braun­schweig als Sohn ei­nes Arz­tes ge­bo­ren; doch war vä­ter­li­cher- wie müt­ter­li­cher­seits die Fa­mi­lie dem Pre­di­ger­stan­de zu­ge­hö­rig ge­we­sen und schon früh wur­de der Va­ter nach See­sen ver­setzt, das am Fuße des ge­spens­ti­gen Bro­cken liegt. Die El­tern wa­ren mu­si­ka­lisch, der Va­ter blies nach da­ma­li­ger Nei­gung Flö­te, wel­che Nei­gung manch­mal so groß war, dass das In­stru­ment im Spa­zier­sto­cke ver­bor­gen war, da­mit an land­schaft­lich schö­nen Stel­len auch die sen­ti­men­ta­len Emp­fin­dun­gen sich nicht ge­hemmt fan­den. Die Mut­ter war Schü­le­rin des­sel­ben Ka­pell­meis­ters Schwa­ne­ber­ger, der als Schü­ler Sa­lie­ris bei der Nach­richt, dass Mo­zart ein Op­fer des Nei­des der Ita­lie­ner ge­wor­den sei, den son­der­ba­ren Aus­ruf tat: »Narr­heit! Er hat nichts ge­tan, um die­se Ehre zu ver­die­nen!« Sie sang dem­ge­mäß die ita­lie­ni­schen Bra­vour­ari­en je­ner Tage, die sie sich zum Kla­vie­re sehr fer­tig be­glei­te­te. So war Mu­sik ein Le­bens­ele­ment des Hau­ses und der Kna­be durf­te schon im fünf­ten Jah­re in Duet­ten mit der Mut­ter an den Abend­mu­si­ken teil­neh­men. Zu­gleich kauf­te ihm der Va­ter nach sei­nem Wunsch auf dem Jahr­mark­te eine Gei­ge, auf der er nun die Me­lo­di­en wie­der­such­te, wäh­rend die Mut­ter ihm be­glei­te­te.

Etwa um 1791 kam nach See­sen ein Emi­grant Du­four, der ein fer­ti­ger Di­let­tant war. Der Kna­be war bis zu Trä­nen ge­rührt, als er den frem­den Mann so schön spie­len hör­te, und ließ den El­tern kei­ne Ruhe, als bis er Un­ter­richt bei ihm er­hielt. Die­ser ent­deck­te trotz sei­nes blo­ßen Di­let­tan­tis­mus so si­cher des Schü­lers Be­ga­bung, dass er dar­auf drang, den­sel­ben Mu­si­ker wer­den zu las­sen. Bald wur­den auch be­reits Kom­po­si­ti­ons­ver­su­che ge­macht, Duet­ten für zwei Gei­gen, und ein schmu­cker neu­er An­zug war der Lohn. Ja so­gar an ein Sing­spiel wag­te er sich, na­tür­lich von Wei­ße, dem Be­grün­der der Gat­tung in Deutsch­land, und in der Mu­sik wa­ren Hil­lers »Jagd« und »Lott­chen am Hofe« Vor­bild, je­doch nur nach dem oft durch­ge­sun­ge­nen Kla­vier­aus­zu­ge, denn das klei­ne See­sen hat­te kein Thea­ter. Die For­men und der Ton die­ser deut­schen Wer­ke sind denn auch zeit­le­bens für Spohr maß­ge­bend und ban­nend zu­gleich ge­blie­ben.

Bald kam der Kna­be, der nun wirk­lich Mu­si­ker wer­den soll­te, zur Con­fir­ma­ti­on zu sei­nem Groß­va­ter in das Hil­des­hei­mi­sche und er­hielt dort gu­ten Un­ter­richt. Doch die Mu­sik muss­te in dem na­hen Städt­chen wei­ter be­trie­ben wer­den. Auf dem be­schwer­li­chen Wege dort­hin war er ein­mal bei Re­gen­guss in ei­ner ein­sa­men Müh­le un­ter­ge­stan­den und hat­te da­bei die Gunst der Mül­le­rin so sehr ge­won­nen, dass er von da an stets vor­spre­chen muss­te und mit gu­ten Sa­chen ge­labt ward. Zum Dank fan­ta­sier­te er ihr dann je­des Mal et­was vor und setz­te sie einst durch Va­ri­ie­rung des Lie­des »Du bist lie­der­lich« von Wra­nitz­ky, in der all die Kunst­stück­chen vor­ka­men, durch die spä­ter Pa­ga­ni­ni die Welt ent­zück­te, so au­ßer sich, dass sie ihn an dem Tage gar nicht wie­der von sich ließ. So ward die Spra­che der Mu­sik zu­mal auf sei­ner Gei­ge schon früh sei­ne Mut­ter­spra­che und die Welt weiß, wie vie­le der edels­ten Schü­ler er in dem lan­gen Lau­fe sei­nes Le­bens ge­ra­de auf die­sem In­stru­men­te zu der­sel­ben her­an­ge­bil­det hat.

Jetzt kam er nach Braun­schweig, wo der Erb­prinz Karl Fer­di­nand ein be­schei­de­nes fran­zö­si­sches Thea­ter nebst Ka­pel­le hielt. Sein Leh­rer ward ein Mit­glied der­sel­ben, der Kam­mer­mu­si­kus Ku­nisch, dem er viel ver­dank­te, weil der­sel­be sehr gründ­lich war. Eben­so war es mit dem Har­mo­nie­un­ter­rich­te bei dem Or­ga­nis­ten Har­tung, der zwar we­nig freund­lich war, aber doch die bes­te Grund­la­ge leg­te: denn er blieb der ein­zi­ge Leh­rer, den Spohr je in der Theo­rie sei­ner Kunst ge­habt hat. Er half sich in der Fol­ge mit ge­druck­ten Wer­ken und gu­ten Par­ti­tu­ren, die ihm Ku­nisch aus der Thea­ter­bi­blio­thek ver­schaff­te. Bald be­rei­te­ten ihm sei­ne klei­nen Kom­po­si­tio­nen denn auch Ein­tritt in die Kon­zer­te der Stadt und er konn­te sei­nen El­tern mit Stolz von ei­ge­nen Ein­nah­men mel­den. Da­durch kam er denn auch in das Thea­ter­or­che­s­ter und hör­te viel gute Mu­sik. Sein Leh­rer ward dann der ers­te Gei­ger des­sel­ben, Kon­zert­meis­ter Mau­court, und die­ser bil­de­te ihn bald zu ei­nem so tüch­ti­gen So­lo­spie­ler her­an, dass er ihm vor­schlug, sein Glück als rei­sen­der Künst­ler zu su­chen. Er schick­te ihn nach Ham­burg, den Vier­zehn­jäh­ri­gen! Dass der Kna­be dar­auf ein­ging, be­ruh­te auf den Über­lie­fe­run­gen des Va­ters, der nach nord­deut­scher Wi­kin­ger­art im höchs­ten Gra­de kühn und un­ter­neh­mend ge­we­sen war. Um ei­ner Stra­fe zu ent­ge­hen, war der­sel­be von der Schu­le ent­flo­hen und hat­te sich dann auf küm­mer­li­che aber im­mer höchst selbst­stän­di­ge Wei­se zu sei­ner jet­zi­gen ärzt­li­chen Stel­lung em­por­ge­ar­bei­tet. Die­ser fand also in dem Un­ter­neh­men des Soh­nes trotz der Mut­ter Kopf­schüt­teln nichts Be­son­de­res. Er emp­fahl ihn an einen al­ten Freund in Ham­burg, al­lein der­sel­be emp­fing ihn mit den Wor­ten: »Ihr Va­ter ist doch im­mer noch der Alte! Wel­che Toll­heit, einen Kna­ben so auf gut Glück in die Welt zu sen­den!« Dann setz­te er ihm die Schwie­rig­keit ei­nes Kon­zer­tes in der großen von Künst­lern über­lau­fe­nen Han­dels­stadt aus­ein­an­der. Spohr wuss­te kaum die Trä­nen zu­rück­zu­hal­ten und rann­te ohne nur die üb­ri­gen Emp­feh­lungs­brie­fe ab­zu­ge­ben, vol­ler Verzweif­lung nach Hau­se. Ja bei sei­ner ge­rin­gen Baar­schaft sich, den großen schlan­ken Jun­gen, schon in den Hän­den je­ner See­len­ver­käu­fer se­hend, von de­nen ihm der Va­ter ein war­nen­des Bild ent­wor­fen hat­te, wan­der­te er sporn­streichs zu Fuße nach Braun­schweig zu­rück.

In sei­ner Be­schä­mung, na­ment­lich dem ener­gisch küh­nen Va­ter ge­gen­über, sann und sann er auf Mit­tel, auf an­de­rem Wege zu sei­nem Zie­le der ent­spre­chen­den Aus­bil­dung zu ge­lan­gen, und ver­fiel end­lich zu sei­nem Glücke auf den Her­zog Fer­di­nand, der selbst einst Vio­li­ne ge­spielt hat­te. »Er ist ein sehr an­ge­neh­mer schö­ner freund­li­cher Herr«, schreibt Mo­zarts Va­ter nach ei­ner Be­geg­nung in Pa­ris im Jah­re 1766 über den da­ma­li­gen Erb­prin­zen. Und der En­cy­klo­pä­dist Grimm sagt in ei­ner Kor­re­spon­denz von dort über den zehn­jäh­ri­gen Kna­ben: »Das Un­be­greif­lichs­te ist jene tie­fe Kennt­nis der Har­mo­nie und ih­rer ge­heims­ten Wege, die er im höchs­ten Gra­de be­sitzt und wo­von der Erb­prinz von Braun­schweig, der gül­tigs­te Rich­ter in die­ser Sa­che so­wie in vie­len an­de­ren, ge­sagt hat, dass vie­le in ih­rer Kunst vollen­de­te Ka­pell­meis­ter stür­ben, ohne das ge­lernt zu ha­ben, was die­ser Kna­be in ei­nem Al­ter von neun Jah­ren leis­te.« (Mo­zart. Nach den Schil­de­run­gen der Zeit­ge­nos­sen. Leip­zig, 1880). Zu den »an­de­ren Sa­chen« ge­hör­ten des Prin­zen glück­li­che Un­ter­neh­mun­gen des Jah­res 1760 ge­gen die­sel­ben Fran­zo­sen, de­ren Ver­eh­rer und Nach­ah­mer er sonst in fast al­len Din­gen war und de­ren Nei­gung zur Be­schüt­zung der Kunst er denn auch teil­te. »Hat er dich nur erst ei­nes dei­ner Kon­zer­te spie­len ge­hört, so ist dein Glück ge­macht!« dach­te sich also auch un­ser jun­ger Künst­ler und be­en­de­te in hei­ters­ter Stim­mung den öden Marsch durch die Lü­ne­bur­ger Hai­de.

Eine Bitt­schrift war bald ent­wor­fen. Der Her­zog nahm sie auf sei­nem Spa­zier­gan­ge denn auch von dem treu­her­zi­gen schlan­ken jun­gen Men­schen nach sei­ner ge­wohn­ten Leut­se­lig­keit ent­ge­gen. Nach ei­ni­gen furcht­los be­ant­wor­te­ten Fra­gen über El­tern und Leh­rer er­kun­dig­te sich der Fürst nach dem Ver­fas­ser der Bitt­schrift. »Nun wer an­ders als ich? Dazu brau­che ich kei­nen an­de­ren!« – »Nun, komm mor­gen aufs Schloss, dann wol­len wir über dein Ge­such re­den!« schloss mit Lä­cheln und Freu­de die Un­ter­re­dung ab. Prä­cis elf Uhr stand er vor dem Kam­mer­die­ner. »Wer ist Er?« fuhr die­ser ihn ziem­lich un­freund­lich an. »Ich bin kein Er. Der Her­zog hat mich hier­her be­stellt und Er hat mich an­zu­mel­den!« lau­te­te die Ant­wort der Ent­rüs­tung. Der Kam­mer­die­ner ging und ehe die Auf­re­gung sich ge­legt hat­te, stand der jun­ge deut­sche freie Mann vor sei­nem Fürs­ten. »Durch­laucht, Ihr Kam­mer­die­ner nennt mich Er, das muss ich mir ernst­lich ver­bit­ten!« platz­te er her­aus. Der Her­zog lach­te laut und sag­te: »Nun, be­ru­hi­ge dich nur, er wirds nicht wie­der tun.« Nach ei­ni­gen un­be­fan­ge­nen Ant­wor­ten Spohrs er­teil­te er dann den Be­scheid, er habe sich bei Mau­court nach ihm er­kun­digt und sei be­gie­rig ihn zu hö­ren, es kön­ne im nächs­ten Kon­zer­te bei der Her­zo­gin ge­sche­hen. Über­glück­lich eil­te der jun­ge Künst­ler nach Haus, um sich aufs em­sigs­te vor­zu­be­rei­ten.

Die nächs­te Sze­ne führt uns nun so recht in das an­ci­en ré­gi­me,1 wo auch die Kunst, vor al­lem die Mu­sik noch die ge­fäl­li­ge Magd des Ver­gnü­gens war, aus der erst männ­lich große Er­schei­nun­gen wie Beetho­ven, Liszt und Wa­gner die Muse, die Prin­zes­sin, die Kö­ni­gin ge­macht ha­ben. Doch er­ken­nen wir, dass auch un­se­rem jun­gen Künst­ler das Ge­fühl die­ser Wür­de nicht fehl­te, die das In­ne­re des Men­schen selbst zu er­he­ben, zu adeln ge­schaf­fen und ge­eig­net ist.

In den Kon­zer­ten der Her­zo­gin wur­de näm­lich Kar­ten ge­spielt und um dies nicht zu stö­ren, muss­te das Or­che­s­ter ohne Pau­ken und Trom­pe­ten und im­mer pia­no blei­ben, ja es war dem­sel­ben noch ein di­cker Tep­pich un­ter­ge­brei­tet, so­dass das »ich spie­le, ich pas­se« lau­ter war als die Mu­sik. Dies­mal wa­ren al­ler­dings Spiel­ti­sche und Tep­pich ver­schwun­den und dem Her­zog ge­fiel des jun­gen Künst­lers Ta­lent so sehr, dass er ihn zum Kam­mer­mu­si­kus er­nann­te. Al­lein in der Fol­ge trat auch die alte Pein wie­der her­vor. Je­doch ein­mal, als Spohr dort ein neu­es Kon­zert pro­bier­te, ver­gaß er, ganz er­füllt von sei­nem Wer­ke, das er zum ers­ten Mal mit Or­che­s­ter hör­te, völ­lig des stren­gen Ver­bo­tes und spiel­te mit al­ler Kraft und al­lem Feu­er, so­dass er selbst das Or­che­s­ter mit fort­riss. Plötz­lich wur­de er mit­ten im Solo von ei­nem La­kai am Arme ge­fasst, der ihm zu­flüs­ter­te: »Die Frau Her­zo­gin lässt Ih­nen sa­gen, sie sol­len nicht so mör­de­risch dar­auf loss­trei­chen.« Wü­tend über die­se Stö­rung spiel­te er wo­mög­lich nur noch stär­ker, muss­te sich aber da­für einen Ver­weis vom Hof­mar­schall ge­fal­len las­sen.

Der Her­zog lach­te über den Vor­fall, er­in­ner­te sich da­bei aber sei­nes Ver­spre­chens, ihn mit der Zeit zu ei­nem großen Meis­ter zu sen­den. Dies ward na­tür­lich je­mehr Spohrs Wunsch, je tiefer er in den Geist sei­ner Kunst ein­drang. Zu­erst lern­te er nun jene leich­ten fran­zö­si­schen Ope­ret­ten ken­nen, spä­ter aber auch Che­ru­bi­nis »Was­ser­trä­ger«. »Ich er­in­ne­re mich leb­haft der Aben­de, als die deux journées