Haydn - Ludwig Nohl - E-Book

Haydn E-Book

Ludwig Nohl

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Beschreibung

Franz Joseph Haydn war ein österreichischer Komponist der Wiener Klassik. Haydns 1797 uraufgeführte Vertonung eines Gedichtes an den österreichischen Kaiser wurde (mit anderem Text) später die deutsche Nationalhymne. Null Papier Verlag

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Ludwig Nohl

Haydn

Eine Musikerbiografie

Ludwig Nohl

Haydn

Eine Musikerbiografie

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-27-5

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

1. Die Ju­gend und ers­te Bil­dung.

2. Beim Fürs­ten Es­ter­ha­zy.

3. Die ers­te Lon­do­ner Rei­se.

4. Kai­ser­lied, Schöp­fung und Jah­res­zei­ten.

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»Frei muss das Ge­müt und die See­le sein!«

1. Die Jugend und erste Bildung.

(1732–53)

»Sieh, mein lie­ber Hum­mel, das Haus, wo der Haydn ge­bo­ren wur­de, eine schlech­te Bau­ern­hüt­te, wo ein so großer Mann ge­bo­ren wur­de!« die­ses Wort sprach 1827 auf sei­nem To­des­bet­te über den Schöp­fer der Sym­pho­nie und des Quar­tetts der­je­ni­ge, der bei­den die schöns­te Kro­ne auf­set­zen soll­te, Beetho­ven.

Es war in dem Markt­fle­cken Rohrau bei Bruck an der Lei­t­ha in Nie­der­ös­ter­reich, also hart an der un­ga­ri­schen Gren­ze, wo am 31. März 1732 Jo­seph Haydn das Licht der Welt er­blick­te. Der klei­ne Ort ge­hör­te den Gra­fen Har­rach, die denn auch in den 1790er Jah­ren dem von sei­nen Lon­do­ner Tri­um­phen heim­keh­ren­den Meis­ter in ih­rem Park ein Denk­mal er­rich­tet ha­ben.

Haydns Va­ter war Wa­gner. Das Ge­schäft be­stand seit lan­gem in der Fa­mi­lie. Er selbst war nach Hand­werks­brauch ge­wan­dert und soll da­bei bis Frank­furt am Main ge­kom­men sein. Sei­ne Ehe war mit zwölf Kin­dern ge­seg­net, von de­nen je­doch nur die Hälf­te am Le­ben blieb. Die­se wur­den in ih­rer ka­tho­li­schen Con­fes­si­on zur Got­tes­furcht er­zo­gen und weil sie arm wa­ren, auch zu Spa­ren und Fleiß an­ge­hal­ten. »Mei­ne El­tern ha­ben mich schon in der zar­tes­ten Ju­gend mit Stren­ge an Rein­lich­keit und Ord­nung ge­wöhnt, die­se bei­den Din­ge sind mir zur zwei­ten Na­tur ge­wor­den«, sag­te Haydn im Al­ter selbst. Die Mut­ter war aufs zärt­lichs­te für sein Wohl be­sorgt, und we­nigs­tens der Va­ter er­leb­te auch noch den Lohn sol­cher bra­ven Er­zie­hung, Haydns An­stel­lung als Ka­pell­meis­ter. Die Art, wie die­ser vie­le Jah­re spä­ter in sei­nem Te­sta­men­te auch des Gra­bes der Mut­ter ge­denkt, be­zeugt, dass sie ihm der­einst viel ge­we­sen war.

Der Va­ter war ein »von Na­tur aus großer Lieb­ha­ber der Mu­sik« mit ei­nem leid­li­chen Te­nor und hat­te »ohne eine Note zu ken­nen« auf der Wan­der­schaft die Har­fe klim­pern ge­lernt. Abends nach der Ar­beit san­gen sie mit­ein­an­der, und voll Rüh­rung ge­dach­te noch der Greis die­ser mu­si­ka­li­schen Ju­gen­d­er­göt­zung. Er selbst, der klei­ne »Sep­perl«, hat­te da­bei durch fei­nes Ge­hör und eine gute Stim­me über­rascht, ja er sang dem Va­ter schon bald »alle sei­ne sim­peln kur­z­en Stücke or­dent­lich nach.« Eben­so ahm­te er mit ei­nem klei­nen Ste­cken das Gei­gen­spiel nach, und ein Ver­wand­ter aus der Nähe be­ob­ach­te­te bei sol­cher Ge­le­gen­heit das si­che­re Ton- und Takt­ge­fühl des fünf­jäh­ri­gen Kna­ben. Die­ser Ver­wand­te, wel­cher Schul­meis­ter und Chor­re­gent in dem na­hen Städt­chen Hain­burg war, nahm ihn, der ei­gent­lich dem geist­li­chen Stan­de be­stimmt war, dann auch ei­nes Ta­ges mit sich dort­hin, um ihn eine Kunst er­ler­nen zu las­sen, die ihm die Er­rei­chung je­nes Zie­les un­fehl­bar er­öff­nen wer­de. Haydn kam seit­dem nicht an­ders als zum Be­su­che in die Hei­mat zu­rück. Aber dass er ih­rer und sei­ner meist un­be­mit­tel­ten Ver­wand­ten zeit­le­bens in Lie­be und Ach­tung ge­dach­te, sagt sein Wort aus al­ten Ta­gen: »Ich lebe we­ni­ger für mich, als für mei­ne ar­men Ver­wand­ten, de­nen ich nach mei­nem Tode et­was zu hin­ter­las­sen wün­sche.« Er schäm­te sich sei­ner nied­ri­gen Her­kunft so we­nig, dass er viel­mehr selbst oft da­von sprach, sa­gen die Bio­gra­fi­schen No­ti­zen über ihn. Eben­so ge­dach­te er aber im Te­sta­men­te des Pfar­rers und Schul­leh­rers wie der ar­men Kin­der sei­nes be­schei­de­nen Ge­burts­or­tes. Und 1795, als er selbst bei der Ein­wei­hung je­nes Har­rach­schen Denk­mals dort wie­der an­we­send war, war er in der vä­ter­li­chen Wohn­stu­be nie­der­ge­kniet, hat­te die Schwel­le ge­küsst und zu­gleich selbst auf die Ofen­bank hin­ge­wie­sen, wo er einst die klei­nen Spiel­küns­te ge­übt hat­te, die der An­lass sei­ner großen Künst­ler­lauf­bahn wur­den. »Jun­ge Leu­te wer­den an mei­nem Bei­spie­le se­hen kön­nen, dass aus dem Nichts doch Et­was wer­den kann: was ich bin, ist al­les ein Werk der drin­gends­ten Not«, sag­te er bei Erin­ne­rung die­ser al­ler­dings sehr ge­rin­gen An­fän­ge.

Die »mu­si­ka­li­schen An­fangs­grün­de samt an­de­ren ju­gend­li­chen Not­wen­dig­kei­ten« er­lern­te nun in der al­ten Heu­nen­burg Haydn bei je­nem »Herrn Vet­ter« Matt­hi­as Frankh. »Gott der All­mäch­ti­ge, wel­chem ich al­lein so un­er­mes­se­ne Gna­de zu dan­ken habe, gab mir be­son­ders in der Mu­sik so viel Leich­tig­keit, in­dem ich schon in mei­nem 6. Jah­re ganz dreist ei­ni­ge Mes­sen auf dem Chor her­absang und auch et­was auf dem Kla­vier und Vio­lin spiel­te«, sagt er selbst um 1776 in ei­ner au­to­bio­gra­fi­schen Skiz­ze, die sich in den »Mu­si­ker­brie­fen« (2. Aufl. Leip­zig 1873) be­fin­det. Aber er lern­te zu­gleich dort sämt­li­che üb­li­chen In­stru­men­te ken­nen und die meis­ten selbst spie­len. »Ich dan­ke es die­sem Man­ne noch im Gra­be, dass er mich zu so vie­ler­lei an­ge­hal­ten hat, wenn ich gleich da­bei mehr Prü­gel als zu es­sen be­kam«, lau­tet hier­über sein spä­te­res hu­mo­ris­ti­sches Be­kennt­nis. Lei­der ent­sprach die­ser letz­te­ren An­kla­ge auch die üb­ri­ge Be­hand­lung im Hau­se sei­nes Herrn Vet­ters. »Ich muss­te mit Schmer­zen wahr­neh­men, dass die Un­rein­lich­keit den Meis­ter spiel­te, und ob ich mir gleich auf mei­ne klei­ne Per­son viel ein­bil­de­te, so konn­te ich doch nicht ver­hin­dern, dass nicht dann und wann die Spu­ren der Unsau­ber­keit sicht­bar wur­den, die mich auf das emp­find­lichs­te be­schäm­ten, ich war ein klei­ner Igel«, sagt er wie­der selbst. Er trug schon da­mals »der Rein­lich­keit we­gen« eine Per­rücke, ohne wel­che man al­ler­dings den »Papa Haydn« sich nicht wohl zu den­ken ver­mag.

Von der Art der mu­si­ka­li­schen Un­ter­rich­tung in Hain­burg hö­ren wir auch we­nigs­tens einen Zug. Es war eben in der Char­wo­che, in wel­cher vie­le Pro­ces­sio­nen ab­ge­hal­ten wer­den. Frankh war durch den Tod sei­nes Pau­ken­schlä­gers in große Ver­le­gen­heit ge­setzt. Er warf also sein Auge auf den klei­nen Sep­perl, die­ser soll­te in der Eile Pau­ken schla­gen ler­nen. Er zeig­te ihm die Hand­grif­fe und ließ ihn dann al­lein. Der Kna­be nahm einen Korb, wie ihn die Bau­ern zum Mehl beim Brod­ba­cken ge­brau­chen, über­spann­te den­sel­ben mit ei­nem Tu­che, stell­te ihn auf einen mit Zeug über­zo­ge­nen Stuhl und pauk­te nun mit so viel Be­geis­te­rung dar­auf los, dass er gar nicht merk­te, wie das Mehl aus dem Körb­chen staub­te und den Stuhl verd­arb. Er be­kam wol einen Ver­weis, al­lein sein Leh­rer war rasch be­sänf­tigt, als er mit Stau­nen be­merk­te, dass Jo­seph so ge­schwind ein fer­ti­ger Pau­ken­schlä­ger ge­wor­den war. Da nun aber Sep­perl noch sehr klein von Ge­stalt war, konn­te er den bis­he­ri­gen Pau­ken­trä­ger nicht er­rei­chen und man muss­te ihm einen klei­ne­ren Men­schen ge­ben, der je­doch zum Un­glück buck­lig war, wo­durch selbst in der Pro­ces­si­on La­chen er­regt ward. Al­lein Haydn ge­wann so auch von die­sem In­stru­men­te ge­naue prak­ti­sche Kennt­nis, und be­kannt­lich spielt der Pau­ken­schlag in sei­nen Sym­pho­ni­en sei­ne be­son­de­re Rol­le: Haydn ist der ers­te, der das In­stru­ment nach sei­ner vol­len In­di­vi­dua­li­tät und zu frei­en künst­le­ri­schen Zwe­cken in der In­stru­men­tal­mu­sik ver­wen­det. Er ließ sich denn auch gern in die­ser Kunst lo­ben und gab, wie wir se­hen wer­den, spä­ter noch in Lon­don dem Pau­ken­schlä­ger Nach­hil­fe in ih­rer Ver­wen­dung.

Die­ser ers­te prak­ti­sche Er­folg aber be­stärk­te den Schul­meis­ter selbst dar­in, dass im Grun­de Mu­sik Haydns zu­künf­ti­ge Be­rufs­be­schäf­ti­gung sei. Sein »ge­leh­ri­ger Fleiß« wur­de denn auch bald all­ge­mein be­lobt und sei­ne an­ge­neh­me Stim­me blieb zu­dem die bes­te per­sön­li­che Emp­feh­lung. So kam es, dass er be­reits nach zwei Jah­ren in große und man darf sa­gen, größ­te mu­si­ka­li­sche Ver­hält­nis­se kam, nach Wien.

Der Stadt­pfar­rer stand mit dem k. k. Hof­ka­pell­meis­ter Reut­ter in en­ger Freund­schaft, sie wa­ren Ge­vat­tern. Es muss­te sich fü­gen, dass Reut­ter in Ge­schäf­ten von Wien durch Hain­burg reis­te und bei dem Stadt­pfar­rer auf kur­ze Zeit ab­ge­stie­gen war, bei wel­cher Ge­le­gen­heit er auch von dem Zweck sei­ner Rei­se sprach, dass er näm­lich Kna­ben su­che, wel­che schö­ne Stim­me und Fä­hig­keit ge­nug be­sä­ßen, um Chor­diens­te tun zu kön­nen. Der Pfar­rer er­in­ner­te sich so­gleich un­se­res Jo­se­phs. Reut­ter woll­te den ge­schick­ten Kna­ben se­hen. Er er­schi­en. Reut­ter frag­te ihn: ›B­überl, kannst du einen Tril­ler schla­gen?‹ Jo­seph moch­te der Mei­nung sein, es sei nicht er­laubt mehr zu kön­nen als an­de­re ehr­li­che Leu­te, und be­ant­wor­te­te da­her die Fra­ge mit den Wor­ten: ›Das kann ja der Schul­meis­ter auch nicht.‹ ›Schau‹, er­wi­der­te Reut­ter, ›ich will dir einen Tril­ler vor­ma­chen, gib recht acht, wie ich ihn ma­che.‹ Kaum hat­te er den­sel­ben ge­en­digt, so stell­te sich Jo­seph mit der größ­ten Frei­mü­tig­keit vor ihn hin und schlug nach höchs­tens zwei Ver­su­chen einen so voll­kom­me­nen Tril­ler, dass Reut­ter vor Ver­wun­de­rung bra­vo rief, in die Ta­sche griff und dem klei­nen Vir­tuo­sen einen Sieb­zeh­ner (50 Pf.) schenk­te. So er­zählt der Ma­ler Dies, der Haydns Um­gang von 1805 bis zu des­sen Tode ge­noss und da­nach 1810 die so wert­vol­len »Bio­gra­fi­schen Nach­rich­ten« über ihn her­aus­gab.

Der Klei­ne be­nutz­te nun die Zwi­schen­zeit bis zum 8. Le­bens­jah­re, wo er erst ins Ka­pell­haus ein­tre­ten konn­te, zu Ge­sang­übun­gen, – denn dies hat­te der Herr Hof­ka­pell­meis­ter, als er dem Va­ter die Zu­sa­ge ge­ge­ben hat­te, für des Kna­ben Fort­kom­men zu sor­gen, zur Be­din­gung ge­macht, – er be­dien­te sich dazu, da er kei­nen re­gel­rech­ten Leh­rer fand, aus ei­ge­ner Er­fin­dung der na­tür­lichs­ten Metho­de, schlecht­weg die Töne der Ton­lei­ter zu sin­gen, und mach­te da­durch so ra­sche Fort­schrit­te, dass Reut­ter, als der Kna­be in Wien an­kam, über sei­ne Fer­tig­keit in Stau­nen ge­riet.

Das Ka­pell­haus war das der Ste­phans­kir­che. Al­lein die Ka­pell­kna­ben hat­ten auch au­ßer bei den oh­ne­hin sehr häu­fi­gen Got­tes­diens­ten noch in aus­wär­ti­gen Auf­füh­run­gen man­nich­fa­cher Art mit­zu­wir­ken und wa­ren da­durch in ih­rer ei­ge­nen Aus­bil­dung be­deu­tend ge­hemmt. Haydn sagt zwar selbst, dass er hier »nebst dem Stu­die­ren die Sing­kunst, das Kla­vier und die Vio­li­ne von sehr gu­ten Meis­tern er­lernt« und so­wol in der Kir­che wie bei Hofe mit großem Bei­fall ge­sun­gen habe. Al­lein wenn schon das »Stu­die­ren« nur der not­dürf­ti­ge Un­ter­richt in Re­li­gi­on, Schrei­ben, Rech­nen und La­tein war und dar­in zu­letzt doch wie­der er selbst sein ei­gent­li­cher Leh­rer zu sein hat­te, so stand es mit der Kunst in der Haupt­sa­che noch schlech­ter. Denn der Herr Hof­ka­pell­meis­ter be­küm­mer­te sich nicht viel um sei­ne Ka­pell­schü­ler und er­scheint oben­drein als ein et­was hoch­fah­ren­der Herr. »Ich war auf kei­nem In­stru­men­te ein He­xen­meis­ter, aber ich kann­te die Kraft und Wir­kung al­ler, ich war kein schlech­ter Kla­vier­spie­ler und Sän­ger und konn­te auch ein Kon­zert auf der Vio­li­ne vor­tra­gen«, durf­te trotz­dem Haydn spä­ter sa­gen. Das Sin­gen aber war schon rein prak­tisch ge­nom­men sei­ne Haupt­übung und dem­ge­mäß auch sei­ne Stär­ke, wes­halb er denn auch als deut­scher In­stru­men­tal­kom­po­nist zu­erst ge­sang­mä­ßig, das heißt me­lo­di­ös schrieb. Da­rum leg­te er aber auch dar­auf zeit­le­bens großen Wert und ta­del­te es oft, dass so vie­le Kom­po­nis­ten nichts da­von ver­stän­den. In die­sen bei­den Din­gen be­stand also, ab­ge­se­hen von dem prak­ti­schen Mu­sik­un­ter­richt, der Haupt­sa­che nach das­je­ni­ge, was er in die­ser sei­ner zehn­jäh­ri­gen Ka­pell­h­aus­zeit in Wien als künst­le­ri­sche Ju­gend­schu­lung ge­noss: er hör­te stets viel a ka­pel­la, d. h. rei­ne Chor-Mu­sik mit ih­rem kon­tra­punk­ti­schen Ge­we­be und lern­te eben­so jede Art von So­lo­ge­sang und In­stru­men­tal­mu­sik ken­nen, und bei­des umso ein­dring­li­cher, als er selbst bei al­lem mit­wirk­te. Doch sind ihm auch gan­ze zwei Stun­den in der mu­si­ka­li­schen Theo­rie von dem »bra­ven Reut­ter« ge­ge­ben wor­den.

Ein­zeln­hei­ten über die­se Ju­gend­zeit er­zählt noch Dies. Jo­seph sei trotz al­ler Ver­nach­läs­si­gung sei­ner Aus­bil­dung mit sei­nem da­ma­li­gen Stan­de zu­frie­den ge­we­sen, und zwar, weil Reut­ter von sei­nem Ta­len­te so ein­ge­nom­men war, dass er dem Va­ter er­klär­te, »und wenn er zwölf Söh­ne hät­te, so wür­de er für alle sor­gen.« So ka­men noch zwei Brü­der, dar­un­ter der spä­te­re Salz­bur­ger Ka­pell­meis­ter Mi­cha­el Hayd­n, der aus der Bio­gra­fie Mo­zarts be­kannt ist, ins Ka­pell­haus nach Wien, und Jo­seph hat­te die »un­end­li­che Freu­de« sie un­ter­rich­ten zu müs­sen. Schon da­mals be­schäf­tig­te er sich üb­ri­gens eif­rig mit Kom­po­nie­ren. Auf je­des Blätt­chen Pa­pier, das er fand, zog er mü­he­voll Li­ni­en und steck­te sie voll No­ten­köp­fe, denn er mein­te, es sei schon recht, wenn nur das Pa­pier recht voll sei. Reut­ter über­rasch­te ihn ein­mal in ei­nem Au­gen­blick, wo er ein sol­ches zwölf­stim­mi­ges Sal­ve re­gi­na d. i. der eng­li­sche Gruß auf ei­nem mehr als el­len­lan­gen Pa­pie­re vor sich aus­ge­brei­tet lie­gen hat­te. »He, was machst du da, Büberl?« sag­te er, sah aber dann das lan­ge Blatt doch durch, lach­te herz­lich über die rei­che Aus­saat des Wor­tes sal­ve (Ge­grü­ßet seist du), noch mehr über den rie­sen­mä­ßi­gen Ein­fall, als Kna­be sich an zwölf Stim­men zu wa­gen und füg­te hin­zu: »O du dum­mes Büberl, sind dir denn zwei Stim­men nicht ge­nug?« »Aus sol­chen hin­ge­wor­fe­nen kur­z­en An­mer­kun­gen wuss­te Jo­seph Nut­zen zu zie­hen«, heißt es da­bei. Wei­ter riet ihm aber Reut­ter, die in der Kir­che auf­ge­führ­ten Stücke auf be­lie­bi­ge Art zu va­ri­ie­ren, und die­se Übung brach­te ihn früh auf ei­ge­ne Ide­en, wel­che dann Reut­ter cor­ri­gier­te. »Das Ta­lent lag frei­lich in mir, da­durch und durch vie­len Fleiß schritt ich vor­wärts. Wenn mei­ne Ka­me­ra­den spiel­ten, nahm ich mein Kla­vierl un­tern Arm und ging da­mit auf den Bo­den, um un­ge­stör­ter mich auf sel­bem üben zu kön­nen«, sagt Haydn selbst.

Wenn also Dies wei­ter von die­ser Ju­gend­zeit be­rich­tet: »Ich muss­te je­doch die Um­stän­de er­ra­ten, denn Haydn er­zähl­te mit ei­ner Be­hut­sam­keit und Ach­tung ge­gen sei­nen Leh­rer, die sei­nem Her­zen zur Ehre ge­reicht«, so ha­ben wir dies umso hö­her zu stel­len, als wir da­bei das Fol­gen­de hö­ren. »Was aber für ihn sehr emp­find­lich war und in sei­nem Al­ter schmerz­haft sein muss­te, war der Um­stand, dass es schi­en, als lie­ße man ab­sicht­lich mit dem Geis­te zu­gleich den Kör­per ver­hun­gern. Jo­se­phs Ma­gen muss­te sich an im­mer­wäh­ren­des Fas­ten ge­wöh­nen. Doch such­te er sich bei vor­fal­len­den mu­si­ka­li­schen Aka­de­mi­en, wo den Chor­kna­ben et­was zur Stär­kung ge­reicht wur­de, für eine Wei­le zu ent­schä­di­gen. So­bald Jo­seph die­se für sei­nen Ma­gen wich­ti­ge Ent­de­ckung ge­macht hat­te, be­kam er eine un­glaub­li­che Zu­nei­gung zu den mu­si­ka­li­schen Aka­de­mi­en. Er be­fliß sich so schön wie mög­lich zu sin­gen, um als ein ge­schick­ter Sän­ger be­kannt und über­all hin­ge­ru­fen zu wer­den, da­mit er Ge­le­gen­heit fin­de, sei­nen na­gen­den Hun­ger zu stil­len.« Da­bei steck­te er sich denn auch ge­le­gent­lich die Ta­schen voll Nu­deln oder sonst et­was Gu­tem. Reut­ter hat­te eben selbst kei­ne große Ein­nah­me für sei­ne Chor­kna­ben. So muss­ten sie dar­ben.

Gleich­wohl fehl­te auch die­sem so emp­find­lich ein­ge­eng­ten Da­sein der ju­gend­lich hei­te­re Über­mut nicht. Un­ser Dies er­zählt: »Zur­zeit, als der Hof das Lust­schloss zu Schön­brunn er­bau­en ließ, muss­te Haydn die Pfingst­fei­er hin­durch dort in den Kir­chen­mu­si­ken sin­gen. Au­ßer der Zeit, die er in der Kir­che zu­brin­gen muss­te, ge­sell­te er sich zu an­de­ren Kna­ben, be­stieg die Bau­ge­rüs­te und lärm­te auf den Bre­tern um­her. Was ge­sch­ah? Die Kna­ben er­bli­cken plötz­lich eine Dame. Es war Ma­ria The­re­sia selbst, die so­gleich je­man­den be­or­der­te, die lär­men­den Kna­ben von dem Gerüst zu ent­fer­nen und mit Schil­lings­stra­fe (Prü­gel) zu be­dro­hen, wenn sie sich wie­der auf dem­sel­ben se­hen las­sen wür­den. Haydn war am fol­gen­den Tage vom Vor­witz ge­trie­ben, be­stieg al­lein das Gerüst, wur­de er­hascht und er­hielt rich­tig den ver­spro­che­nen Schil­ling. Vie­le Jah­re nach­her, als Haydn schon im Diens­te des Fürs­ten Es­ter­ha­zy stand, war die Kai­se­rin einst in Es­ter­haz (in Un­garn). Haydn stell­te sich vor die­sel­be hin und mach­te sei­ne un­ter­tä­nigs­te Dank­sa­gung für den er­hal­te­nen Schil­ling. Er muss­te den gan­zen Vor­fall er­zäh­len, wor­über viel ge­lacht wur­de.«

Hier se­hen wir denn zu­gleich un­se­ren Hel­den schon als Meis­ter in Amt und Wür­den. Wie dor­nen­voll war die Bahn dort­hin!

»Sei­ne schö­ne Stim­me, mit wel­cher er sich bis­her so man­chen ge­sät­tig­ten Ma­gen er­sun­gen hat­te, ward ihm plötz­lich un­treu, sie brach sich und wank­te zwi­schen Dop­pel­tö­nen«, er­zählt Dies. Bei den Fei­er­lich­kei­ten des Leo­polds­ta­ges in dem na­hen Stif­te Klos­ter­neu­burg er­schi­en ge­wöhn­lich auch die Kai­se­rin. Sie hat­te schon Reut­ter im Scherz be­deu­tet, Haydn sin­ge nicht mehr, er krä­he! So hat­te der­sel­be zum Sin­gen bei die­sem Fes­te schon den jün­ge­ren Bru­der Mi­cha­el ge­wählt, der dann der Kai­se­rin so sehr ge­fiel, dass sie ihm 24 Du­ka­ten schenk­te. Reut­ter aber war jetzt, wo Haydn ihm »kei­nen Geld­nut­zen mehr brin­gen konn­te« und er über­haupt Er­satz für den­sel­ben hat­te, kurz ent­schlos­sen den un­nüt­zen Kost­gän­ger zu ver­ab­schie­den. Eine ju­gend­li­che Un­ge­zo­gen­heit be­schleu­nig­te die Ent­las­sung Haydns: er hat­te ei­nem an­de­ren Chor­kna­ben, der ge­gen de­ren Sit­te sein Haar im Zop­fe trug, den­sel­ben ab­ge­schnit­ten. Reut­ter ver­ur­teil­te ihn hart ge­nug zu Stock­schlä­gen auf die fla­che Hand. Der Au­gen­blick der Stra­fe er­schi­en. Haydn, jetzt im 18. Le­bens­jah­re ste­hend, such­te alle Mit­tel der Be­frei­ung von der­sel­ben und er­klär­te end­lich, er wol­le nicht mehr Chor­kna­be sein, wenn er nicht ge­straft wer­de. »Da hilft nichts«, er­wi­der­te Reut­ter, »du wirst erst ge­prü­gelt und dann marsch!«

Reut­ter hielt sein Wort. Er riet aber dem jetzt ab­ge­dank­ten Chor­sän­ger sich zum So­pra­nis­ten, wie sie da­mals so viel gal­ten, her­rich­ten zu las­sen. Je­doch Haydn, voll rich­ti­gen Man­nes­ge­fühls, ging nicht auf den so ver­füh­re­ri­schen Vor­schlag ein, und so trat er denn jetzt im Spät­herbst 1749 »hilf­los, ohne Geld, mit drei schlech­ten Hem­den und ei­nem ab­ge­nütz­ten Rock aus­staf­fiert in die große Welt, die er nicht kann­te«. So­gleich die ers­te Nacht muss­te er, nach­dem er von Hun­ger ge­quält die Stra­ßen durch­irrt und sich end­lich er­schöpft auf die nächs­te Bank nie­der­ge­las­sen hat­te, bis zum grau­en­den Mor­gen in der feuch­ten No­vem­ber­luft im Frei­en zu­brin­gen. Da führ­te ihm das gute Glück einen Be­kann­ten zu, der eben­falls Chor­sän­ger und zu­gleich Haus­leh­rer war, und ob­gleich die­ser selbst mit sei­ner Frau und ei­nem klei­nen Kin­de nur ein ein­zi­ges Dach­zim­mer­chen hat­te, nahm er den hilf­los Ent­las­se­nen den­noch bei sich auf, – ein Zug je­ner ös­ter­rei­chi­schen Ge­müts­fül­le, von der ge­ra­de Haydns Kunst spä­ter auch in Tö­nen den schöns­ten Wi­der­hall ge­ben soll­te!

»Sei­ne El­tern wa­ren sehr be­küm­mert«, er­zählt wei­ter Dies. »Vor­züg­lich das wei­che Mut­ter­herz äu­ßer­te ban­ge Be­sorg­nis mit Trä­nen im Auge. Sie bat den Sohn, er möge doch den Wün­schen und Bit­ten der El­tern nach­ge­ben und sich jetzt dem geist­li­chen Stan­de wid­men. Sie lie­ßen ih­rem Soh­ne kei­ne Ruhe. Aber Haydn blieb un­er­schüt­ter­lich. Er wuss­te zwar kei­ne Grün­de an­zu­ge­ben, er mein­te sich aber deut­lich ge­nug zu er­klä­ren, wenn er den ihm un­er­klär­ba­ren in­ne­ren Drang in die we­ni­gen Wor­te zu­sam­men­press­te: Ich mag kein Geist­li­cher wer­den.« – »Seid nur recht brav und flei­ßig und ver­ge­sst nie auf Gott«, hat der 76­jäh­ri­ge Greis noch zu Sän­ger­kna­ben ge­sagt, die ihm vor­ge­stellt wur­den. Man­gel an auf­rich­ti­ger Fröm­mig­keit war es denn auch nicht, was ihn da­mals von dem geist­li­chen Stan­de fern hielt. Er fühl­te eben sei­nen Be­ruf auf an­de­rem und ei­gens­tem Ge­bie­te, und wir wis­sen heu­te, dass sein Ge­fühl und Wün­schen ihn nicht ge­täuscht hat.

Al­lein bei­na­he hät­te die Not selbst ihn den­noch zu je­nem so be­stimmt ab­ge­wie­se­nen Schrit­te ge­trie­ben, denn das Mit­wir­ken bei den Se­re­na­den und Ka­pel­len brach­te nicht viel Geld ein und ließ ihm doch an­de­rer­seits er­wünsch­te Zeit zum Stu­die­ren und Kom­po­nie­ren. Die stil­le Ein­sam­keit in je­nem klei­nen fins­tern, un­ter den Dach­zie­geln ge­le­ge­nen Bo­den­käm­mer­chen, der gänz­li­che Man­gel an Din­gen, die ei­nem mü­ßi­gen Geis­te Un­ter­hal­tung ge­wäh­ren und sei­ne gan­ze küm­mer­li­che Lage führ­ten ihn da­her zu­wei­len zu Be­trach­tun­gen, die oft so ernst­haft wa­ren, dass er sich ge­nö­tigt sah zu sei­ner Mu­sik Zuf­lucht zu neh­men, nur um die Gril­len zu ver­ja­gen. »Einst wa­ren die­se Be­trach­tun­gen ernst­haft ge­nug«, fährt un­ser Ge­währs­mann Dies fort, »oder viel­mehr pei­nig­te ihn der Hun­ger so hef­tig, dass er sich wi­der alle Nei­gung ent­schloss in den Or­den der Ser­vi­ten tre­ten zu wol­len, bloß um sich satt es­sen zu kön­nen. Dies war je­doch nur sein ers­ter Ein­fall, der bei sei­ner Ge­müts­art nie zur Wirk­lich­keit kom­men konn­te. Haydns glück­li­ches zum Froh­sinn ge­neig­tes Tem­pe­ra­ment be­wahr­te ihn vor hef­ti­gen Aus­brü­chen der Schwer­mut. Wenn im Som­mer Re­gen, im Win­ter Schnee durch die Fu­gen des Da­ches drang und er durch­nässt oder be­schneit er­wach­te, so fand er sol­che Vor­fäl­le sehr na­tür­lich und sie dienten ihm als Stoff zu Scher­zen.«

Er wuss­te nun ei­ni­ge Zeit hin­durch frei­lich nicht recht, wozu sich ent­schlie­ßen, und pro­jek­tier­te tau­send Din­ge, die aber im Ent­ste­hen wie­der ver­wor­fen wur­den. Meist war der Hun­ger die Trieb­fe­der zu ir­gend ei­nem ra­schen Ent­schluss. So zu ei­ner Wall­fahrt nach Ma­ria­zell in Stei­er­mark. Er ging dort so­gleich zum Chor­meis­ter, mel­de­te sich als Ka­pell­schü­ler, zeig­te ei­ni­ge sei­ner Mu­si­ka­li­en vor und trug sei­ne Diens­te an. Der Chor­meis­ter trau­te ihm aber nicht und fer­tig­te ihn, als er im­mer zu­dring­li­cher wur­de, mit den Wor­ten ab: »Es kommt des Lum­pen­ge­sin­dels so viel von Wien hier an, das sich für Ka­pell­kna­ben aus­gibt und wenn es dar­auf an­kommt, kei­ne Note tref­fen kann.« Haydn ging also am an­de­ren Tage auf den Chor, mach­te Be­kannt­schaft mit ei­nem der Sän­ger und bat ihn um sein No­ten­blatt. Der jun­ge Mann ent­schul­dig­te sich je­doch, dass er nicht dür­fe. Nun drück­te ihm Haydn ein Geld­stück in die Hand und blieb ne­ben ihm, bis die Mu­sik an­fing. Plötz­lich riss er ihm das Blatt aus den Hän­den und sang dann so schön, dass der Chor­meis­ter in Ver­wun­de­rung ge­riet und sich nach­her bei ihm ent­schul­dig­te. Die geist­li­chen Her­ren er­kun­dig­ten sich dann eben­falls und lu­den ihn zur Ta­fel. Haydn blieb acht Tage und füll­te, wie er sag­te, für eine Zeit lang sei­nen Ma­gen, ward auch hin­ter­her mit ei­ner klei­nen Sum­me ge­sam­mel­ten Gel­des be­schenkt.

In Haydns Te­sta­ment von 1802 steht un­ter den Le­ga­ten: »Der Jung­frau Anna Buch­holz 100 Fl., weil mir ihr Groß­va­ter in mei­ner Ju­gend und äu­ßers­ten Not 150 Fl. ohne In­ter­es­sen ge­lie­hen, wel­che ich aber schon vor 50 Jah­ren be­zahlt habe.« Die­ses für ihn da­mals an­sehn­li­che Dar­le­hen brach­te ihn nun zu­nächst (1750) zu ei­ner ei­ge­nen Woh­nung, wo er auch ru­hi­ger zu ar­bei­ten ver­moch­te. Dies er­zählt vom Jah­re 1805: »Der Zu­fall führ­te Haydn vor kur­z­er Zeit eine sei­ner ju­gend­li­chen Kom­po­si­tio­nen, de­ren er sich gar nicht mehr er­in­ner­te, in die Hän­de, eine vier­stim­mi­ge kur­ze Mes­se