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Franz Joseph Haydn war ein österreichischer Komponist der Wiener Klassik. Haydns 1797 uraufgeführte Vertonung eines Gedichtes an den österreichischen Kaiser wurde (mit anderem Text) später die deutsche Nationalhymne. Null Papier Verlag
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Ludwig Nohl
Haydn
Eine Musikerbiografie
Ludwig Nohl
Haydn
Eine Musikerbiografie
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-27-5
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Inhaltsverzeichnis
1. Die Jugend und erste Bildung.
2. Beim Fürsten Esterhazy.
3. Die erste Londoner Reise.
4. Kaiserlied, Schöpfung und Jahreszeiten.
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Ihr Jürgen Schulze
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Weber - Eine Musikerbiografie
Haydn - Eine Musikerbiografie
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»Frei muss das Gemüt und die Seele sein!«
(1732–53)
»Sieh, mein lieber Hummel, das Haus, wo der Haydn geboren wurde, eine schlechte Bauernhütte, wo ein so großer Mann geboren wurde!« dieses Wort sprach 1827 auf seinem Todesbette über den Schöpfer der Symphonie und des Quartetts derjenige, der beiden die schönste Krone aufsetzen sollte, Beethoven.
Es war in dem Marktflecken Rohrau bei Bruck an der Leitha in Niederösterreich, also hart an der ungarischen Grenze, wo am 31. März 1732 Joseph Haydn das Licht der Welt erblickte. Der kleine Ort gehörte den Grafen Harrach, die denn auch in den 1790er Jahren dem von seinen Londoner Triumphen heimkehrenden Meister in ihrem Park ein Denkmal errichtet haben.
Haydns Vater war Wagner. Das Geschäft bestand seit langem in der Familie. Er selbst war nach Handwerksbrauch gewandert und soll dabei bis Frankfurt am Main gekommen sein. Seine Ehe war mit zwölf Kindern gesegnet, von denen jedoch nur die Hälfte am Leben blieb. Diese wurden in ihrer katholischen Confession zur Gottesfurcht erzogen und weil sie arm waren, auch zu Sparen und Fleiß angehalten. »Meine Eltern haben mich schon in der zartesten Jugend mit Strenge an Reinlichkeit und Ordnung gewöhnt, diese beiden Dinge sind mir zur zweiten Natur geworden«, sagte Haydn im Alter selbst. Die Mutter war aufs zärtlichste für sein Wohl besorgt, und wenigstens der Vater erlebte auch noch den Lohn solcher braven Erziehung, Haydns Anstellung als Kapellmeister. Die Art, wie dieser viele Jahre später in seinem Testamente auch des Grabes der Mutter gedenkt, bezeugt, dass sie ihm dereinst viel gewesen war.
Der Vater war ein »von Natur aus großer Liebhaber der Musik« mit einem leidlichen Tenor und hatte »ohne eine Note zu kennen« auf der Wanderschaft die Harfe klimpern gelernt. Abends nach der Arbeit sangen sie miteinander, und voll Rührung gedachte noch der Greis dieser musikalischen Jugendergötzung. Er selbst, der kleine »Sepperl«, hatte dabei durch feines Gehör und eine gute Stimme überrascht, ja er sang dem Vater schon bald »alle seine simpeln kurzen Stücke ordentlich nach.« Ebenso ahmte er mit einem kleinen Stecken das Geigenspiel nach, und ein Verwandter aus der Nähe beobachtete bei solcher Gelegenheit das sichere Ton- und Taktgefühl des fünfjährigen Knaben. Dieser Verwandte, welcher Schulmeister und Chorregent in dem nahen Städtchen Hainburg war, nahm ihn, der eigentlich dem geistlichen Stande bestimmt war, dann auch eines Tages mit sich dorthin, um ihn eine Kunst erlernen zu lassen, die ihm die Erreichung jenes Zieles unfehlbar eröffnen werde. Haydn kam seitdem nicht anders als zum Besuche in die Heimat zurück. Aber dass er ihrer und seiner meist unbemittelten Verwandten zeitlebens in Liebe und Achtung gedachte, sagt sein Wort aus alten Tagen: »Ich lebe weniger für mich, als für meine armen Verwandten, denen ich nach meinem Tode etwas zu hinterlassen wünsche.« Er schämte sich seiner niedrigen Herkunft so wenig, dass er vielmehr selbst oft davon sprach, sagen die Biografischen Notizen über ihn. Ebenso gedachte er aber im Testamente des Pfarrers und Schullehrers wie der armen Kinder seines bescheidenen Geburtsortes. Und 1795, als er selbst bei der Einweihung jenes Harrachschen Denkmals dort wieder anwesend war, war er in der väterlichen Wohnstube niedergekniet, hatte die Schwelle geküsst und zugleich selbst auf die Ofenbank hingewiesen, wo er einst die kleinen Spielkünste geübt hatte, die der Anlass seiner großen Künstlerlaufbahn wurden. »Junge Leute werden an meinem Beispiele sehen können, dass aus dem Nichts doch Etwas werden kann: was ich bin, ist alles ein Werk der dringendsten Not«, sagte er bei Erinnerung dieser allerdings sehr geringen Anfänge.
Die »musikalischen Anfangsgründe samt anderen jugendlichen Notwendigkeiten« erlernte nun in der alten Heunenburg Haydn bei jenem »Herrn Vetter« Matthias Frankh. »Gott der Allmächtige, welchem ich allein so unermessene Gnade zu danken habe, gab mir besonders in der Musik so viel Leichtigkeit, indem ich schon in meinem 6. Jahre ganz dreist einige Messen auf dem Chor herabsang und auch etwas auf dem Klavier und Violin spielte«, sagt er selbst um 1776 in einer autobiografischen Skizze, die sich in den »Musikerbriefen« (2. Aufl. Leipzig 1873) befindet. Aber er lernte zugleich dort sämtliche üblichen Instrumente kennen und die meisten selbst spielen. »Ich danke es diesem Manne noch im Grabe, dass er mich zu so vielerlei angehalten hat, wenn ich gleich dabei mehr Prügel als zu essen bekam«, lautet hierüber sein späteres humoristisches Bekenntnis. Leider entsprach dieser letzteren Anklage auch die übrige Behandlung im Hause seines Herrn Vetters. »Ich musste mit Schmerzen wahrnehmen, dass die Unreinlichkeit den Meister spielte, und ob ich mir gleich auf meine kleine Person viel einbildete, so konnte ich doch nicht verhindern, dass nicht dann und wann die Spuren der Unsauberkeit sichtbar wurden, die mich auf das empfindlichste beschämten, ich war ein kleiner Igel«, sagt er wieder selbst. Er trug schon damals »der Reinlichkeit wegen« eine Perrücke, ohne welche man allerdings den »Papa Haydn« sich nicht wohl zu denken vermag.
Von der Art der musikalischen Unterrichtung in Hainburg hören wir auch wenigstens einen Zug. Es war eben in der Charwoche, in welcher viele Processionen abgehalten werden. Frankh war durch den Tod seines Paukenschlägers in große Verlegenheit gesetzt. Er warf also sein Auge auf den kleinen Sepperl, dieser sollte in der Eile Pauken schlagen lernen. Er zeigte ihm die Handgriffe und ließ ihn dann allein. Der Knabe nahm einen Korb, wie ihn die Bauern zum Mehl beim Brodbacken gebrauchen, überspannte denselben mit einem Tuche, stellte ihn auf einen mit Zeug überzogenen Stuhl und paukte nun mit so viel Begeisterung darauf los, dass er gar nicht merkte, wie das Mehl aus dem Körbchen staubte und den Stuhl verdarb. Er bekam wol einen Verweis, allein sein Lehrer war rasch besänftigt, als er mit Staunen bemerkte, dass Joseph so geschwind ein fertiger Paukenschläger geworden war. Da nun aber Sepperl noch sehr klein von Gestalt war, konnte er den bisherigen Paukenträger nicht erreichen und man musste ihm einen kleineren Menschen geben, der jedoch zum Unglück bucklig war, wodurch selbst in der Procession Lachen erregt ward. Allein Haydn gewann so auch von diesem Instrumente genaue praktische Kenntnis, und bekanntlich spielt der Paukenschlag in seinen Symphonien seine besondere Rolle: Haydn ist der erste, der das Instrument nach seiner vollen Individualität und zu freien künstlerischen Zwecken in der Instrumentalmusik verwendet. Er ließ sich denn auch gern in dieser Kunst loben und gab, wie wir sehen werden, später noch in London dem Paukenschläger Nachhilfe in ihrer Verwendung.
Dieser erste praktische Erfolg aber bestärkte den Schulmeister selbst darin, dass im Grunde Musik Haydns zukünftige Berufsbeschäftigung sei. Sein »gelehriger Fleiß« wurde denn auch bald allgemein belobt und seine angenehme Stimme blieb zudem die beste persönliche Empfehlung. So kam es, dass er bereits nach zwei Jahren in große und man darf sagen, größte musikalische Verhältnisse kam, nach Wien.
Der Stadtpfarrer stand mit dem k. k. Hofkapellmeister Reutter in enger Freundschaft, sie waren Gevattern. Es musste sich fügen, dass Reutter in Geschäften von Wien durch Hainburg reiste und bei dem Stadtpfarrer auf kurze Zeit abgestiegen war, bei welcher Gelegenheit er auch von dem Zweck seiner Reise sprach, dass er nämlich Knaben suche, welche schöne Stimme und Fähigkeit genug besäßen, um Chordienste tun zu können. Der Pfarrer erinnerte sich sogleich unseres Josephs. Reutter wollte den geschickten Knaben sehen. Er erschien. Reutter fragte ihn: ›Büberl, kannst du einen Triller schlagen?‹ Joseph mochte der Meinung sein, es sei nicht erlaubt mehr zu können als andere ehrliche Leute, und beantwortete daher die Frage mit den Worten: ›Das kann ja der Schulmeister auch nicht.‹ ›Schau‹, erwiderte Reutter, ›ich will dir einen Triller vormachen, gib recht acht, wie ich ihn mache.‹ Kaum hatte er denselben geendigt, so stellte sich Joseph mit der größten Freimütigkeit vor ihn hin und schlug nach höchstens zwei Versuchen einen so vollkommenen Triller, dass Reutter vor Verwunderung bravo rief, in die Tasche griff und dem kleinen Virtuosen einen Siebzehner (50 Pf.) schenkte. So erzählt der Maler Dies, der Haydns Umgang von 1805 bis zu dessen Tode genoss und danach 1810 die so wertvollen »Biografischen Nachrichten« über ihn herausgab.
Der Kleine benutzte nun die Zwischenzeit bis zum 8. Lebensjahre, wo er erst ins Kapellhaus eintreten konnte, zu Gesangübungen, – denn dies hatte der Herr Hofkapellmeister, als er dem Vater die Zusage gegeben hatte, für des Knaben Fortkommen zu sorgen, zur Bedingung gemacht, – er bediente sich dazu, da er keinen regelrechten Lehrer fand, aus eigener Erfindung der natürlichsten Methode, schlechtweg die Töne der Tonleiter zu singen, und machte dadurch so rasche Fortschritte, dass Reutter, als der Knabe in Wien ankam, über seine Fertigkeit in Staunen geriet.
Das Kapellhaus war das der Stephanskirche. Allein die Kapellknaben hatten auch außer bei den ohnehin sehr häufigen Gottesdiensten noch in auswärtigen Aufführungen mannichfacher Art mitzuwirken und waren dadurch in ihrer eigenen Ausbildung bedeutend gehemmt. Haydn sagt zwar selbst, dass er hier »nebst dem Studieren die Singkunst, das Klavier und die Violine von sehr guten Meistern erlernt« und sowol in der Kirche wie bei Hofe mit großem Beifall gesungen habe. Allein wenn schon das »Studieren« nur der notdürftige Unterricht in Religion, Schreiben, Rechnen und Latein war und darin zuletzt doch wieder er selbst sein eigentlicher Lehrer zu sein hatte, so stand es mit der Kunst in der Hauptsache noch schlechter. Denn der Herr Hofkapellmeister bekümmerte sich nicht viel um seine Kapellschüler und erscheint obendrein als ein etwas hochfahrender Herr. »Ich war auf keinem Instrumente ein Hexenmeister, aber ich kannte die Kraft und Wirkung aller, ich war kein schlechter Klavierspieler und Sänger und konnte auch ein Konzert auf der Violine vortragen«, durfte trotzdem Haydn später sagen. Das Singen aber war schon rein praktisch genommen seine Hauptübung und demgemäß auch seine Stärke, weshalb er denn auch als deutscher Instrumentalkomponist zuerst gesangmäßig, das heißt melodiös schrieb. Darum legte er aber auch darauf zeitlebens großen Wert und tadelte es oft, dass so viele Komponisten nichts davon verständen. In diesen beiden Dingen bestand also, abgesehen von dem praktischen Musikunterricht, der Hauptsache nach dasjenige, was er in dieser seiner zehnjährigen Kapellhauszeit in Wien als künstlerische Jugendschulung genoss: er hörte stets viel a kapella, d. h. reine Chor-Musik mit ihrem kontrapunktischen Gewebe und lernte ebenso jede Art von Sologesang und Instrumentalmusik kennen, und beides umso eindringlicher, als er selbst bei allem mitwirkte. Doch sind ihm auch ganze zwei Stunden in der musikalischen Theorie von dem »braven Reutter« gegeben worden.
Einzelnheiten über diese Jugendzeit erzählt noch Dies. Joseph sei trotz aller Vernachlässigung seiner Ausbildung mit seinem damaligen Stande zufrieden gewesen, und zwar, weil Reutter von seinem Talente so eingenommen war, dass er dem Vater erklärte, »und wenn er zwölf Söhne hätte, so würde er für alle sorgen.« So kamen noch zwei Brüder, darunter der spätere Salzburger Kapellmeister Michael Haydn, der aus der Biografie Mozarts bekannt ist, ins Kapellhaus nach Wien, und Joseph hatte die »unendliche Freude« sie unterrichten zu müssen. Schon damals beschäftigte er sich übrigens eifrig mit Komponieren. Auf jedes Blättchen Papier, das er fand, zog er mühevoll Linien und steckte sie voll Notenköpfe, denn er meinte, es sei schon recht, wenn nur das Papier recht voll sei. Reutter überraschte ihn einmal in einem Augenblick, wo er ein solches zwölfstimmiges Salve regina d. i. der englische Gruß auf einem mehr als ellenlangen Papiere vor sich ausgebreitet liegen hatte. »He, was machst du da, Büberl?« sagte er, sah aber dann das lange Blatt doch durch, lachte herzlich über die reiche Aussaat des Wortes salve (Gegrüßet seist du), noch mehr über den riesenmäßigen Einfall, als Knabe sich an zwölf Stimmen zu wagen und fügte hinzu: »O du dummes Büberl, sind dir denn zwei Stimmen nicht genug?« »Aus solchen hingeworfenen kurzen Anmerkungen wusste Joseph Nutzen zu ziehen«, heißt es dabei. Weiter riet ihm aber Reutter, die in der Kirche aufgeführten Stücke auf beliebige Art zu variieren, und diese Übung brachte ihn früh auf eigene Ideen, welche dann Reutter corrigierte. »Das Talent lag freilich in mir, dadurch und durch vielen Fleiß schritt ich vorwärts. Wenn meine Kameraden spielten, nahm ich mein Klavierl untern Arm und ging damit auf den Boden, um ungestörter mich auf selbem üben zu können«, sagt Haydn selbst.
Wenn also Dies weiter von dieser Jugendzeit berichtet: »Ich musste jedoch die Umstände erraten, denn Haydn erzählte mit einer Behutsamkeit und Achtung gegen seinen Lehrer, die seinem Herzen zur Ehre gereicht«, so haben wir dies umso höher zu stellen, als wir dabei das Folgende hören. »Was aber für ihn sehr empfindlich war und in seinem Alter schmerzhaft sein musste, war der Umstand, dass es schien, als ließe man absichtlich mit dem Geiste zugleich den Körper verhungern. Josephs Magen musste sich an immerwährendes Fasten gewöhnen. Doch suchte er sich bei vorfallenden musikalischen Akademien, wo den Chorknaben etwas zur Stärkung gereicht wurde, für eine Weile zu entschädigen. Sobald Joseph diese für seinen Magen wichtige Entdeckung gemacht hatte, bekam er eine unglaubliche Zuneigung zu den musikalischen Akademien. Er befliß sich so schön wie möglich zu singen, um als ein geschickter Sänger bekannt und überall hingerufen zu werden, damit er Gelegenheit finde, seinen nagenden Hunger zu stillen.« Dabei steckte er sich denn auch gelegentlich die Taschen voll Nudeln oder sonst etwas Gutem. Reutter hatte eben selbst keine große Einnahme für seine Chorknaben. So mussten sie darben.
Gleichwohl fehlte auch diesem so empfindlich eingeengten Dasein der jugendlich heitere Übermut nicht. Unser Dies erzählt: »Zurzeit, als der Hof das Lustschloss zu Schönbrunn erbauen ließ, musste Haydn die Pfingstfeier hindurch dort in den Kirchenmusiken singen. Außer der Zeit, die er in der Kirche zubringen musste, gesellte er sich zu anderen Knaben, bestieg die Baugerüste und lärmte auf den Bretern umher. Was geschah? Die Knaben erblicken plötzlich eine Dame. Es war Maria Theresia selbst, die sogleich jemanden beorderte, die lärmenden Knaben von dem Gerüst zu entfernen und mit Schillingsstrafe (Prügel) zu bedrohen, wenn sie sich wieder auf demselben sehen lassen würden. Haydn war am folgenden Tage vom Vorwitz getrieben, bestieg allein das Gerüst, wurde erhascht und erhielt richtig den versprochenen Schilling. Viele Jahre nachher, als Haydn schon im Dienste des Fürsten Esterhazy stand, war die Kaiserin einst in Esterhaz (in Ungarn). Haydn stellte sich vor dieselbe hin und machte seine untertänigste Danksagung für den erhaltenen Schilling. Er musste den ganzen Vorfall erzählen, worüber viel gelacht wurde.«
Hier sehen wir denn zugleich unseren Helden schon als Meister in Amt und Würden. Wie dornenvoll war die Bahn dorthin!
»Seine schöne Stimme, mit welcher er sich bisher so manchen gesättigten Magen ersungen hatte, ward ihm plötzlich untreu, sie brach sich und wankte zwischen Doppeltönen«, erzählt Dies. Bei den Feierlichkeiten des Leopoldstages in dem nahen Stifte Klosterneuburg erschien gewöhnlich auch die Kaiserin. Sie hatte schon Reutter im Scherz bedeutet, Haydn singe nicht mehr, er krähe! So hatte derselbe zum Singen bei diesem Feste schon den jüngeren Bruder Michael gewählt, der dann der Kaiserin so sehr gefiel, dass sie ihm 24 Dukaten schenkte. Reutter aber war jetzt, wo Haydn ihm »keinen Geldnutzen mehr bringen konnte« und er überhaupt Ersatz für denselben hatte, kurz entschlossen den unnützen Kostgänger zu verabschieden. Eine jugendliche Ungezogenheit beschleunigte die Entlassung Haydns: er hatte einem anderen Chorknaben, der gegen deren Sitte sein Haar im Zopfe trug, denselben abgeschnitten. Reutter verurteilte ihn hart genug zu Stockschlägen auf die flache Hand. Der Augenblick der Strafe erschien. Haydn, jetzt im 18. Lebensjahre stehend, suchte alle Mittel der Befreiung von derselben und erklärte endlich, er wolle nicht mehr Chorknabe sein, wenn er nicht gestraft werde. »Da hilft nichts«, erwiderte Reutter, »du wirst erst geprügelt und dann marsch!«
Reutter hielt sein Wort. Er riet aber dem jetzt abgedankten Chorsänger sich zum Sopranisten, wie sie damals so viel galten, herrichten zu lassen. Jedoch Haydn, voll richtigen Mannesgefühls, ging nicht auf den so verführerischen Vorschlag ein, und so trat er denn jetzt im Spätherbst 1749 »hilflos, ohne Geld, mit drei schlechten Hemden und einem abgenützten Rock ausstaffiert in die große Welt, die er nicht kannte«. Sogleich die erste Nacht musste er, nachdem er von Hunger gequält die Straßen durchirrt und sich endlich erschöpft auf die nächste Bank niedergelassen hatte, bis zum grauenden Morgen in der feuchten Novemberluft im Freien zubringen. Da führte ihm das gute Glück einen Bekannten zu, der ebenfalls Chorsänger und zugleich Hauslehrer war, und obgleich dieser selbst mit seiner Frau und einem kleinen Kinde nur ein einziges Dachzimmerchen hatte, nahm er den hilflos Entlassenen dennoch bei sich auf, – ein Zug jener österreichischen Gemütsfülle, von der gerade Haydns Kunst später auch in Tönen den schönsten Widerhall geben sollte!
»Seine Eltern waren sehr bekümmert«, erzählt weiter Dies. »Vorzüglich das weiche Mutterherz äußerte bange Besorgnis mit Tränen im Auge. Sie bat den Sohn, er möge doch den Wünschen und Bitten der Eltern nachgeben und sich jetzt dem geistlichen Stande widmen. Sie ließen ihrem Sohne keine Ruhe. Aber Haydn blieb unerschütterlich. Er wusste zwar keine Gründe anzugeben, er meinte sich aber deutlich genug zu erklären, wenn er den ihm unerklärbaren inneren Drang in die wenigen Worte zusammenpresste: Ich mag kein Geistlicher werden.« – »Seid nur recht brav und fleißig und vergesst nie auf Gott«, hat der 76jährige Greis noch zu Sängerknaben gesagt, die ihm vorgestellt wurden. Mangel an aufrichtiger Frömmigkeit war es denn auch nicht, was ihn damals von dem geistlichen Stande fern hielt. Er fühlte eben seinen Beruf auf anderem und eigenstem Gebiete, und wir wissen heute, dass sein Gefühl und Wünschen ihn nicht getäuscht hat.
Allein beinahe hätte die Not selbst ihn dennoch zu jenem so bestimmt abgewiesenen Schritte getrieben, denn das Mitwirken bei den Serenaden und Kapellen brachte nicht viel Geld ein und ließ ihm doch andererseits erwünschte Zeit zum Studieren und Komponieren. Die stille Einsamkeit in jenem kleinen finstern, unter den Dachziegeln gelegenen Bodenkämmerchen, der gänzliche Mangel an Dingen, die einem müßigen Geiste Unterhaltung gewähren und seine ganze kümmerliche Lage führten ihn daher zuweilen zu Betrachtungen, die oft so ernsthaft waren, dass er sich genötigt sah zu seiner Musik Zuflucht zu nehmen, nur um die Grillen zu verjagen. »Einst waren diese Betrachtungen ernsthaft genug«, fährt unser Gewährsmann Dies fort, »oder vielmehr peinigte ihn der Hunger so heftig, dass er sich wider alle Neigung entschloss in den Orden der Serviten treten zu wollen, bloß um sich satt essen zu können. Dies war jedoch nur sein erster Einfall, der bei seiner Gemütsart nie zur Wirklichkeit kommen konnte. Haydns glückliches zum Frohsinn geneigtes Temperament bewahrte ihn vor heftigen Ausbrüchen der Schwermut. Wenn im Sommer Regen, im Winter Schnee durch die Fugen des Daches drang und er durchnässt oder beschneit erwachte, so fand er solche Vorfälle sehr natürlich und sie dienten ihm als Stoff zu Scherzen.«
Er wusste nun einige Zeit hindurch freilich nicht recht, wozu sich entschließen, und projektierte tausend Dinge, die aber im Entstehen wieder verworfen wurden. Meist war der Hunger die Triebfeder zu irgend einem raschen Entschluss. So zu einer Wallfahrt nach Mariazell in Steiermark. Er ging dort sogleich zum Chormeister, meldete sich als Kapellschüler, zeigte einige seiner Musikalien vor und trug seine Dienste an. Der Chormeister traute ihm aber nicht und fertigte ihn, als er immer zudringlicher wurde, mit den Worten ab: »Es kommt des Lumpengesindels so viel von Wien hier an, das sich für Kapellknaben ausgibt und wenn es darauf ankommt, keine Note treffen kann.« Haydn ging also am anderen Tage auf den Chor, machte Bekanntschaft mit einem der Sänger und bat ihn um sein Notenblatt. Der junge Mann entschuldigte sich jedoch, dass er nicht dürfe. Nun drückte ihm Haydn ein Geldstück in die Hand und blieb neben ihm, bis die Musik anfing. Plötzlich riss er ihm das Blatt aus den Händen und sang dann so schön, dass der Chormeister in Verwunderung geriet und sich nachher bei ihm entschuldigte. Die geistlichen Herren erkundigten sich dann ebenfalls und luden ihn zur Tafel. Haydn blieb acht Tage und füllte, wie er sagte, für eine Zeit lang seinen Magen, ward auch hinterher mit einer kleinen Summe gesammelten Geldes beschenkt.
In Haydns Testament von 1802 steht unter den Legaten: »Der Jungfrau Anna Buchholz 100 Fl., weil mir ihr Großvater in meiner Jugend und äußersten Not 150 Fl. ohne Interessen geliehen, welche ich aber schon vor 50 Jahren bezahlt habe.« Dieses für ihn damals ansehnliche Darlehen brachte ihn nun zunächst (1750) zu einer eigenen Wohnung, wo er auch ruhiger zu arbeiten vermochte. Dies erzählt vom Jahre 1805: »Der Zufall führte Haydn vor kurzer Zeit eine seiner jugendlichen Kompositionen, deren er sich gar nicht mehr erinnerte, in die Hände, eine vierstimmige kurze Messe