Behörde. Wissensspeicher. Serviceeinrichtung - Maria Wirth - E-Book

Behörde. Wissensspeicher. Serviceeinrichtung E-Book

Maria Wirth

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Beschreibung

Das Österreichische Patentamt ist die wichtigste österreichische Einrichtung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und erfüllt zahlreiche Aufgaben. Diese reichen von den behördlichen Tätigkeiten im Patent-, Marken- und Design- bzw. Musterschutz bis zur Mitwirkung an der nationalen Gesetzgebung und der Arbeit in europäischen bzw. internationalen Organisationen. Sie umfassen aber auch Beratung und Service sowie die Förderung des Innovationsgeistes. Zudem stellt das Amt seit jeher einen bedeutenden Wissensspeicher und eine zentrale Infrastruktur für die Forschung, Wirtschaft und Industrie dar. Mit seiner Eröffnung im Jahr 1899 blickt das Österreichische Patentamt 2024 auf eine 125-jährige Entwicklung zurück, die die vorliegende Studie erstmals auf einer breiten empirischen Basis nachzeichnet. Dieses Buch geht der Geschichte des Amtes von den ersten Diskussionen zur Etablierung eines gewerblichen Erfinderschutzes bis in die Gegenwart nach und spannt somit einen Bogen von der Monarchie bis ins 21. Jahrhundert. Besonders ausführlich wird dabei die Zeit des Nationalsozialismus beleuchtet. Eine große Beachtung finden – neben einer Darstellung der Tätigkeiten im zeitlichen Verlauf, der räumlichen Situierung u.v.m. – aber auch der Beitrag von Frauen im gewerblichen Rechtsschutz sowie die vielfältigen internationalen Bezüge.

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Maria WirthAlexander Pinwinkler

Behörde. Wissensspeicher. Serviceeinrichtung.Das Österreichische Patentamt 1899–2024

Innovationsmusterin der österreichischen Wirtschaftsgeschichte Band 11

Herausgegeben vonRupert Pichler, Michael Stampfer und Wolfgang Polt

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1. Von den Privilegiengesetzen zum Patentgesetz 1897

Maria Wirth

1.1. Begrifflichkeiten und Systeme im Erfindungsschutz

1.2. Von den ersten Erfinderprivilegien zum Privilegiengesetz 1810

1.3. Das Privilegiengesetz 1820 und das Polytechnische Institut als „erstes Patentamt“

1.4. Die Privilegiengesetze von 1832 und 1852: Das Privilegiendepartement im Handelsministerium

1.5. Vom Privilegiengesetz 1852 zum Patentgesetz 1897: Die Gründung des k. k. Patentamtes

2. Gründerjahre – Das k. k. Patentamt 1899–1918

Maria Wirth

2.1. Verflechtungen mit dem Handelsministerium und neue Kompetenzen im Bereich Marken und Muster

2.2. Aufbau und Eröffnung am Spittelberg 1899

2.3. Schwierige Anfangsjahre: Zu wenig Personal, Konflikte zwischen Technikern und Juristen sowie unzureichende Räumlichkeiten

2.4. Beitritt zur Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums und zum Madrider Markenabkommen

2.5. Das k. k. Patentamt im Ersten Weltkrieg

3. Krise und Konsolidierung – Das Österreichische Patentamt in der Zwischenkriegszeit

Maria Wirth

3.1. Personalabbau und Kampf um die Existenz am Beginn der Republik 70

3.2. Ein neuer Aufschwung, die erste Akademikerin und ein neuer Amtssitz am Stubenring

3.3. Sicher durch die Wirtschaftskrise und neue Aufgabenbereiche im Bereich der Markenverwaltung

4. Die Zeit der NS-Herrschaft – Auflösung des Österreichischen Patentamtes und Eingliederung ins deutsche Patentrecht

Alexander Pinwinkler

4.1. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im März/April 1938

4.2. Ein Rückblick – Von der Unterwanderung zur Übernahme

4.2.1. Nationalsozialisten im Patentamt vor 1938

4.2.2. Nationalsozialisten gegen „Vaterländische“ vor 1938

4.3. Beamtenkarrieren im Licht der Politik: Aufsteiger, Entlassene und Verfolgte im Patentamt

4.4. Schrittweise Eingliederung ins deutsche Reichspatentamt

4.4.1. Die Ausdehnung des deutschen Patent- und Warenzeichenrechts auf Österreich

4.4.2. Personelle Entwicklung und Geschäftstätigkeit der Zweigstelle Österreich des Reichspatentamtes

4.4.3. Räumliche Verlagerungen und das Tauziehen um die Bibliothek

4.4.4. Die Dienststelle für Patentwesen am Oberlandesgericht Wien

5. Wiederaufbau und erste Nachkriegsjahrzehnte – Das Österreichische Patentamt 1945-1970

Alexander Pinwinkler

5.1. Wiedererrichtung 1945–1947

5.2. Rechtliche Rahmenbedingungen und Wiedereinbindung in den internationalen gewerblichen Rechtsschutz

5.3. Zwischen Entnazifizierung und neuerlicher Expansion: Entwicklung des Personalstands und der Geschäftstätigkeit

5.4. Neuer Amtssitz am Kohlmarkt und im „Kaiserhaus“

6. Aufbruchsjahre – Das Österreichische Patentamt in den 1970er- und 1980er-Jahren

Maria Wirth

6.1. Beitritt zum Patent Cooperation Treaty und zum Europäischen Patentübereinkommen

6.2. Unterstützung für die Entwicklungsländer und Kontakte hinter den Eisernen Vorhang

6.3. Neue Geschäftsfelder: Entwicklung zur Servicestelle und neue Kompetenzen im Halbleiterschutz und Musterwesen

6.4. Veränderungen im Amt: Mehr Frauen, der Kohlmarkt als Baustelle und der Einstieg ins EDV-Zeitalter

7. Neue Strukturen – Das Österreichische Patentamt von den 1990er-Jahren bis 2015

Alexander Pinwinkler

7.1 Änderungen in der Geschäftstätigkeit: Teilrechtsfähigkeit und Gebrauchsmuster

7.2. Kritik an der Teilrechtsfähigkeit

7.3. Weiterer Einsatz der EDV, Serviceleistungen und eine verstärkte Kommunikation nach außen

7.4. Internationale Zusammenarbeit und Mitgliedschaft in der EU

7.5. Personelle Entwicklung und der Umzug vom Kohlmarkt in die Dresdner Straße

8. Neuausrichtung und aktuelle Herausforderungen – Das Österreichische Patentamt seit 2015

Maria Wirth

8.1. Das Ende der Teilrechtsfähigkeit, neue Dienstleistungen und Kooperationen sowie eine verstärkte Öffnung nach außen

8.2. Aktuelle Herausforderungen und ein Blick in die Zukunft: Das europäische Patent einheitlicher Wirkung ist da

Dank

Literatur

Periodika

Archive / Bestände / Schnittsammlungen

Interviews

Bildnachweis

Personenregister

Vorwort

Das 125. Jubiläum des Österreichischen Patentamtes geht Hand in Hand mit einem Debüt: Zum ersten Mal wurde die gesamte Geschichte des Hauses – lückenlos und nach wissenschaftlichen Kriterien – aufgearbeitet. Wir haben uns bewusst für einen professionellen Blick von außen durch ein Team von Historiker:innen entschieden, um die letzten 125 Jahre unvoreingenommen und objektiv zu analysieren.

Besonderes Augenmerk wurde dabei auf zwei Aspekte gelegt: Einerseits sollte die dunkelste Zeit der Geschichte des Patentamtes während des Nationalsozialismus genau beleuchtet werden. Und andererseits wollten wir untersuchen, wann und unter welchen Umständen sich Frauen beruflich im Patentamt und im Bereich des geistigen Eigentums etablieren konnten. Es wurden aber auch die vielfachen internationalen und europäischen Bezüge des Patentamtes im Laufe der Zeit analysiert. Herzlichen Dank an Maria Wirth und Alexander Pinwinkler für ihre ausgezeichnete Forschungsarbeit, die viele bisher weitgehend unbekannte Geschehnisse und Geschichten sichtbar gemacht haben. Das beeindruckende Ergebnis liegt jetzt zum Nachlesen vor. Die Projektfinanzierung erfolgte aus Mitteln des Klimaschutzministeriums, des Österreichischen Patentamtes sowie des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds.

Zwischen dem Gründungsjahr 1899 und dem Jubiläumsjahr 2024 liegen Millionen Erfindungen, Marken und Designs, die unsere Welt zu einem anderen Ort gemacht haben – zumeist zu einem besseren. Der österreichische Erfindungsreichtum in Technologien, die für unser aller Zukunft entscheidend sind, wie zum Beispiel im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, beweist das eindrücklich. Bei Green Technologies punktet Österreich besonders mit seinen Erfindungen – auch im internationalen Vergleich.

Leider waren die vergangenen 125 Jahre aber auch eine Zeit der Kriege, Katastrophen sowie der Wirtschafts- und Gesundheitskrisen, die auch an den Erfinder:innen nicht spurlos vorübergegangen ist. Zuletzt hat die Covid-Krise jedoch erstaunliche Erfindungen im Bereich Medizin hervorgebracht und gezeigt, dass viele Probleme gemeinsam besser gelöst werden können. Aber Not macht nicht nur erfinderisch, sondern sie ist auch ein Beschleuniger. Die Digitalisierung des Patentamtes wurde durch die Lockdowns rasant vorangetrieben, sodass wir heute sagen können: Das Amt ist zu 100 Prozent digital.

Jetzt stehen wir wieder an der Schwelle zu einer neuen Epoche, die mit Innovationen im Bereich Künstlicher Intelligenz sowie mit neuen Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise spannende Herausforderungen und Chancen mit sich bringt. Das Patentamt bleibt jedenfalls, wie seit 125 Jahren, offen für Neues!

Leonore Gewessler,Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

Stefan Harasek, Präsident Österreichisches Patentamt

Michael Stampfer, Geschäftsführer Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds

© Cajetan Perwein

© Österreichisches Patentamt

© Lukas Beck

Einleitung

Das Österreichische Patentamt ist die wichtigste österreichische Einrichtung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Zu seinen Aufgaben zählen eine Fülle von Agenden. Diese reichen von den behördlichen Tätigkeiten im Bereich des Patent-, Marken- und Designbzw. Musterschutzes bis zur Mitwirkung an der nationalen Gesetzgebung und der Arbeit in europäischen bzw. internationalen Organisationen. Sie umfassen aber auch Beratung und Service sowie die Weckung des Innovationsgeistes. Zudem stellt das Amt seit jeher einen wichtigen Wissensspeicher und eine zentrale Infrastruktur für die Forschung und Wirtschaft bzw. Industrie dar.

Mit seiner Eröffnung im Jahr 1899 blickt das Österreichische Patentamt 2024 auf eine 125-jährige Entwicklung zurück. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seiner Geschichte hat trotz seiner Bedeutung und Tradition hingegen noch nicht stattgefunden. Die bis jetzt vorliegenden Publikationen beschränken sich im Wesentlichen auf Berichte und klassische Festschriften, die anlässlich von Jubiläen erschienen sind.1 Die vorliegende Studie versucht, diese Lücke zu schließen und behandelt erstmals auf empirisch breiter Basis die Geschichte des Österreichischen Patentamtes von den ersten Diskussionen zur Etablierung eines gewerblichen Erfinderschutzes bis in die Gegenwart.

Die Arbeit verfolgt primär einen institutionengeschichtlichen Zugang, womit das Patentamt selbst im Fokus steht. Bereiche, die beleuchtet werden, sind die Organisation, das Personal, wichtige Persönlichkeiten und die räumliche Situierung ebenso wie die Tätigkeiten des Amtes, die Rechtsentwicklung und die Einbindung in europäische und internationale Vereinigungen. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf den Erfindungsschutz gelegt, da das Patentwesen sowohl für die Entstehung des Österreichischen Patentamtes als auch für die folgenden Entwicklungen von zentraler Bedeutung war. Die Studie umfasst aber auch wirtschafts- und wissenschaftsgeschichtliche Perspektiven, da sich in der Geschichte des Amtes auch die industrielle Entwicklung und enorme Wissenszunahme im 19. und 20. Jahrhundert spiegelt. Gleichfalls nimmt sie eine breite historische Kontextualisierung vor, die sich von der Habsburgermonarchie über die Erste Republik, den Austrofaschismus und Nationalsozialismus bis in die Zweite Republik erstreckt.

Der Aufbau der Arbeit ist in erster Linie chronologisch gestaltet und richtet sich nach wichtigen Zäsuren in der Geschichte des Amtes. Es finden sich aber mehrfach thematische Rückblicke – etwa, wenn es um die Beschäftigung von Frauen, Nationalsozialisten im Österreichischen Patentamt vor 1938 oder die Entstehung eines europäischen Patentschutzes geht. Die einzelnen Kapitel umfassen folgende Inhalte:

Kapitel 1 zeichnet die Entwicklung bis zur Verabschiedung des Patentgesetzes von 1897 nach, das die gesetzliche Grundlage für die Errichtung und Eröffnung des k. k. Patentamtes im Jahr 1899 darstellte. Beleuchtet werden darin insbesondere die dem Patentgesetz vorausgehenden Privilegiengesetze und jene Einrichtungen, die vor 1899 mit Fragen des Erfindungsschutzes beschäftigt waren.

Kapitel 2 behandelt die Geschichte des k. k. Patentamtes von 1899 bis 1918, wobei der Aufbau des Amtes und die Aufnahme der Tätigkeit unter schwierigen Bedingungen, aber auch erste wichtige Erfolge wie der Beitritt zur Internationalen Union zum Schutze des gewerblichen Eigentums betrachtet werden. Ferner wird hier auch ein Überblick über die Entwicklung des Amtes während des Ersten Weltkrieges gegeben.

Kapitel 3 setzt sich mit der Geschichte des Österreichischen Patentamtes in der Zwischenkriegszeit auseinander und beleuchtet damit die Transformation vom k. k. Patentamt zum Österreichischen Patentamt sowie die Krisenjahre zwischen zwei Weltkriegen, in denen das Amt um seine Existenz bangen musste, sich aber bald wieder erholen konnte.

Kapitel 4 untersucht die Zeit des „Dritten Reiches“. Hierbei wird einerseits gezeigt, dass ideologische Auseinandersetzungen zwischen „Vaterländischen“ und Nationalsozialisten bereits vor dem 1938 vollzogenen „Anschluss“ Österreichs an Deutschland das Patentamt erfasst hatten. Andererseits werden die personellen Veränderungen nach dem März 1938 beleuchtet und Lebensgeschichten bzw. Schicksale von Mitarbeiter:innen des Amtes sichtbar gemacht, die im Nationalsozialismus aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden. Schließlich findet auch die schrittweise Auflösung des Österreichischen Patentamtes, das mit 1. Juli 1938 zunächst zur Zweigstelle Österreich des Reichspatentamtes in Berlin herabgestuft und 1942 endgültig aufgelöst wurde, in der Darstellung einen Raum. Die Jahre der NS-Herrschaft werden in der Arbeit somit umfangreich bearbeitet, was auf der besonderen Verantwortung für diese Periode beruht, die in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass viele Institutionen ihre NS-Vergangenheit aufarbeiten ließen.

Kapitel 5 beschreibt – inklusive der Entnazifizierung nach 1945 – den Wiederaufbau des Österreichischen Patentamtes in den ersten Nachkriegsjahrzehnten und verfolgt dessen erneute Einbindung in die internationalen Verträge und Strukturen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes bis in die 1960er-Jahre.

Der Aufbruchszeit der 1970er- und 1980er-Jahre ist Kapitel 6 gewidmet. Diese Periode war durch eine beschleunigte Internationalisierung und Europäisierung geprägt, die sich insbesondere im Abschluss des Patent Cooperartion Treatys und des Europäischen Patentübereinkommens niederschlug, das zur Gründung des Europäischen Patentamtes in München und zur Erteilung erster europäischer Patente führte. Im Kapitel werden sowohl die Rezeption dieser Entwicklungen in Österreich als auch der 1979 erfolgte Beitritt zu beiden Übereinkommen dargestellt. Gleichfalls waren diese Jahre auch erstmals durch eine stärkere Entwicklung hin zu einer Serviceeinrichtung geprägt.

Kapitel 7 untersucht die Auswirkungen der zunehmenden Europäisierung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auf die Arbeit des Österreichischen Patentamtes und erörtert zudem die Frage, welche Bedeutung die 1992 erfolgte Einführung der Teilrechtsfähigkeit auf die weitere Entwicklung des Amtes hatte.

Das letzte Kapitel spannt schließlich den Bogen vom Jahr 2015 bis in die Gegenwart. Es bearbeitet damit die jüngste Phase in der Geschichte des Österreichischen Patentamtes, die durch eine Abwicklung der Teilrechtsfähigkeit und eine sich weiter verstärkende Orientierung an Service und Dienstleistung geprägt war. Es endet mit den jüngsten Entwicklungen bzw. der Einführung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung, das ab 1. Juni 2023 in aktuell 17 EU-Staaten, darunter auch Österreich, beantragt werden kann (Stand: Ende März 2024). Es gibt aber auch einen Einblick in aktuelle Projekte und neue Beratungs-, Schulungs- und Dienstleistungsangebote des Österreichischen Patentamtes sowie Pläne und Ideen für die nähere Zukunft.

Der vorliegenden Arbeit liegt ein intensives Literatur- und Quellenstudium zugrunde. Zugleich wurde eine Reihe von Interviews geführt. Eine detaillierte Auskunft über die geführten Gespräche und die verwendeten Materialien bzw. jene Archive, in denen die Geschichte des Österreichischen Patenamtes recherchiert wurde, findet sich im letzten Teil der Studie. Besonders wichtig waren die im Österreichischen Staatsarchiv, im Bundesarchiv Berlin und im Archiv des Österreichischen Patentamtes recherchierten Unterlagen sowie das seit 1899 (mit einer Unterbrechung in der NS-Zeit) vom Patentamt herausgegebene „Österreichische Patentblatt“, das Auskunft über wichtige Veränderungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, Veränderungen im Amt und dessen Tätigkeit einschließlich regelmäßig erscheinender Statistiken gibt.

In der Studie wurde – wann immer es sachlich gerechtfertigt war – eine gendergerechte Schreibweise verfolgt. Wenn die handelnden Personen ausschließlich Männer waren oder eine beschriebene Personengruppe eindeutig männlich dominiert war, wurde jedoch darauf verzichtet. Dies gilt insbesondere für die ersten Kapitel dieser Arbeit, in denen vorwiegend Männer als Akteure auftreten. Im Verlauf der Studie ändert sich dies jedoch: Mit der zunehmenden gesellschaftlichen Gleichberechtigung der Frau und der damit verbundenen stärkeren Präsenz von Frauen im Österreichischen Patentamt ändert sich auch die Sprache. Im Text wird sowohl auf das Vorhandensein als auch auf das Fehlen von Frauen aufmerksam gemacht.

Maria WirthAlexander Pinwinkler

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1 K. k. Patentamt, Bericht des Präsidenten über die Tätigkeit dieses Amtes in dem ersten Jahrzehnt seines Bestandes über die Tätigkeit 1899 bis 1908 und über die Verwaltung der anderen Zweige des gewerblichen Rechtsschutzes während dieses Zeitraumes, o. O. o. J. [Wien 1908]; Österreichisches Patentamt, 25 Jahre Patentamt. Ein Rückblick, Wien 1924; Österreichisches Patentamt (Hg.), Festschrift zum 50jährigen Bestand des Österreichischen Patentamtes 1899–1949, Wien 1949; Österreichisches Patentamt (Hg.), 60 Jahre Österreichisches Patentamt, Wien 1959; Österreichisches Patentamt (Hg.), 75 Jahre Österreichisches Patentamt 1899–1974, Wien 1974; Österreichisches Patentamt (Hg.), 100 Jahre Österreichisches Patentamt 1899–1999. Festschrift, Wien 1999. Vgl. zudem: Ingrid Weidinger, Der gewerbliche Rechtsschutz in Österreich – eine historische Betrachtung, in: Otmar Rafeiner (Hg.), Patente, Marken, Muster, Märkte. Der gewerbliche Rechtsschutz international, Wien 1993, 115–122; Ingrid Weidinger, Geschichte des österreichischen Patentrechts, in: Technisches Museum Wien (Hg.), Erfinder, Patente, Österreich, Wien 2001, 6–10; Nicolas Robisch, Geschichte des Patentwesens in Österreich, Wien 2019 ff. (publiziert auf der WIKI-Plattform des Österreichischen Patentamtes).

1. Von den Privilegiengesetzen zum Patentgesetz 1897

Maria Wirth

Chronologie:

19.03.1474: In Venedig wird das erste bekannte Patentgesetz erlassen.

25.05.1624: In England wird das Statute of Monopolies verabschiedet.

10.04.1790: In den USA wird das erste bundesweite Patentgesetz erlassen. Ein erstes Patentamt folgt 1802.

07.01.1791: In Frankreich wird ein Patentgesetz erlassen.

22.01.1810: Hofkammer-Dekret über die Ertheilung ausschließlicher Privilegien.

06.11.1815: Eröffnung des k. k. Polytechnischen Instituts in Wien. Es fungiert als Vorläufer des k. k. Patentamtes.

08.12.1820: Kaiserliches Patent über die Verleihung ausschließlicher Privilegien auf Entdeckungen, Erfindungen und Verbesserungen im Gebiethe der Industrie.

31.03.1832: Kaiserliches Patent über die Verleihung ausschließender Privilegien.

08.05.1848: Gründung des Handelsministeriums als Ministerium für Ackerbau, Handel und Gewerbe.

15.08.1852: Patent, mit dem ein neues Privilegiengesetz erlassen wird.

01.10.1852: In England tritt ein neues Patentgesetz in Kraft. Gleichzeitig wird ein Patentamt eröffnet.

04.-09.08.1873: Erster Weltpatentschutzkongress im Rahmen der Wiener Weltausstellung.

25.03.1877: In Deutschland wird das erste einheitliche Patentgesetz beschlossen, das in der Fassung vom 7.4.1891 eine Vorbildfunktion für Österreich hat. Dem Gesetz folgt noch im selben Jahr die Gründung des Kaiserlichen Reichspatentamtes in Berlin.

05.-17.09.1878: Zweiter Weltpatentschutzkongress in Paris.

05.12.1882: Wilhelm Exner bringt seinen ersten Antrag zu einer Reform des Privilegienwesens im Abgeordnetenhaus des Reichsrates ein. Weitere Anträge folgen 1886 und 1891.

20.03.1883: Pariser Konvention zum Schutz des gewerblichen Eigentums.

1893: Das Bureaux Internationaux Réunis pour la Protection de la Propriété Intellectuelle (BIRPI, Vorläufer der WIPO) nimmt seine Arbeit auf.

27.12.1893: Eine Änderung des Zoll- und Handelsbündnisses mit Ungarn macht den Weg frei zur Änderung des Privilegienrechts in der österreichischen Reichshälfte der k. u. k. Monarchie.

11.01.1897: Das österreichische Patentgesetz wird erlassen.

Das Österreichische Patentamt wurde auf Basis des Patentgesetzes 1897 errichtet. Es wurde am Ende eines Jahrhunderts ins Leben gerufen, in dem die Frage des Erfindungsschutzes – wie in vielen anderen Staaten – auch im Habsburgerreich ständig an Bedeutung zugenommen hatte. Der Hintergrund hierfür war die auf technischen Innovationen basierende Industrialisierung, die an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auch die Habsburgermonarchie erreicht hatte und die die Patentfrage international betrachtet zu einem der wichtigsten wirtschaftspolitischen Themen des 19. Jahrhunderts machte.

1.1. Begrifflichkeiten und Systeme im Erfindungsschutz

Der moderne Erfindungsschutz ist aus dem Privilegienwesen früherer Jahrhunderte hervorgegangen. Zudem ist er eng mit der Ausbildung von Systemen verbunden, die sich mit der Frage der Neuheit beschäftigen, da einer der wichtigsten Grundsätze im Erfindungsschutz ist, dass Patente nur für neue Erfindungen erteilt werden. Bevor im Folgenden auf die historische Entwicklung bis zum Beschluss des Patentgesetzes 1897 eingegangen wird, soll daher eine kurze Einführung in die verwendeten Termini und maßgebenden Systeme im Erfindungsschutz erfolgen.

Die ersten rechtlichen Regelungen, die ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im Habsburgerreich entstanden und dem Patentgesetz 1897 vorausgingen, betrafen sogenannte „Privilegien“ bzw. „ausschließliche Privilegien“. Wichtig ist dabei, dass der Begriff „Privileg“, der aus dem Mittelhochdeutschen stammt und so viel wie „Vorrecht“ bedeutet, bis ins 19. Jahrhundert hinein für Erfinderrechte verwendet wurde, aber nicht ausschließlich für diese stand. Vielmehr bezeichnete ein Privileg ganz allgemein ein vom Herrscher verliehenes Ausschließlichkeitsrecht bzw. Monopol, wie etwa ein Alleinverkaufsrecht, die exklusive Befugnis zum Betrieb einer Fabrik (Fabriksprivileg) oder die Konzession zum Betrieb einer Eisenbahn.2 Im folgenden Kapitel sind – wenn nicht anders benannt – jedoch Erfindungsprivilegien gemeint, wenn von Privilegien die Rede ist.

Der Begriff Patent, der auf das Lateinische „patere“ zurückführbar ist und so viel wie „sich erstrecken“, „sich ausdehnen“ oder „offen liegen“ bedeutet, etablierte sich in der k. u. k. Monarchie hingegen erst im 19. Jahrhundert für den Erfindungsschutz. In der Rechtssprache setzte er sich erst endgültig mit dem Patentgesetz 1897 durch, auch wenn der Begriff „Privileg“ für den Erfindungsschutz schon längst nicht mehr als zeitgemäß empfunden wurde. Zunächst benannte das Wort „Patent“ schlicht eine obrigkeitliche Bekanntmachung mit Publizitätscharakter bzw. einen „offenen Brief“, der allgemeingültige Anweisungen enthielt. Er war somit eine Mitteilung des Herrschers an seine Untertan:innen und wurde in früheren Zeiten – auch im Privilegienwesen – im Zusammenhang mit obrigkeitlichen Verordnungen, Gesetzen oder Urkunden verwendet.3

Die sich im historischen Verlauf entwickelnden Systeme in Hinblick auf eine Neuheitsprüfung unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, ob die Neuheit der Erfindung vor der Erteilung des Patentes geprüft wird oder erst dann, wenn diese von Dritten infrage gestellt wird. Zu ihnen gehören das Anmelde-, Vorprüfungs- und Aufgebotssystem, die sich wie folgt charakterisieren lassen: Das Anmeldesystem (mit oder ohne Prüfung der formellen Voraussetzungen) beruht auf dem Grundsatz, dass Patente ohne vorherige Untersuchung der Neuheit einer Erfindung erteilt werden, wenn die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden, und dass die Neuheitsprüfung erst im Streitfall nach der Patenterteilung erfolgt. Beim Vorprüfungssystem wird hingegen kein Patent erteilt, wenn nicht vorher von Amts wegen festgestellt wurde, dass die angemeldete Erfindung neu und patentfähig ist. Das Aufgebotssystem, das ebenfalls zu den prüfenden Systemen gezählt werden kann, sieht schließlich vor, dass die angemeldete Erfindung vor der Patenterteilung veröffentlicht wird. Damit wird den Mitbewerber:innen die Gelegenheit gegeben, Einsprüche zu erheben, wenn es der Erfindung ihrem Kenntnisstand nach an der Patentierfähigkeit mangelt bzw. die Erfindung bereits ausgeübt wird.4

In der Reformdebatte des 19. Jahrhunderts spielten die skizzierten Systeme eine große Rolle, weshalb sie im Laufe des folgenden Kapitels eine immer stärkere Aufmerksamkeit finden werden.

1.2. Von den ersten Erfinderprivilegien zum Privilegiengesetz 1810

Die Vergabe von Erfindungsschutzrechten reicht weit in die Geschichte zurück. Zwar sind aus der Antike so gut wie keine Beispiele für den Schutz des geistigen Eigentums überliefert. Aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit sind aber im deutschen Sprachraum bereits erste Privilegien, Schutzbriefe oder „Erfinderfreiheiten“ auf lokaler und Reichsebene bekannt, die (primär im Bereich der „Wasserkünste“ zur Entwässerung von Bergwerken) auf technischen Innovationen aufbauen konnten. Gleiches gilt für die kulturell und wirtschaftlich hoch entwickelten italienischen Stadtstaaten der Renaissance, die mit dem Venezianischen Patentgesetz von 1474 auch das erste bisher bekannte „Patentgesetz“ hervorbrachten bzw. erstmals ein Regelwerk für die Vergabe von Schutzrechten auf Erfindungen inklusive der nötigen Voraussetzungen und Wirkungen festschrieben.5

Im vorindustriellen, wirtschaftlich gegenüber dem Kontinent noch rückständigen England wurden Privilegien oder Monopole sowohl als Schutzversprechen für Handwerker vom Kontinent als auch für Erfindungen im eigenen Land vergeben. Unter Elisabeth I. und ihrem Nachfolger Jakob I. nahm ihre Vergabe – fernab von Wirtschaftsförderung und Erfindungsschutz – aber in einem Umfang zu, der zu einem umfassenden „Günstlingssystem“ führte, gegen das sich das Statute of Monopolies 1624 wendete. Dieses oftmals als zweites „Patentgesetz“ bezeichnete Regelwerk zielte somit primär darauf ab, alle bestehenden exklusiven Kaufs-, Verkaufs-, Herstellungs-, Ausübungs- und Verwendungsrechte aufzuheben und für die Zukunft zu verbieten. Es enthielt aber auch einen Passus, der alle zukünftigen Erfindungen von der Anwendbarkeit der Monopolakte ausnahm und legte mit der Praxis, die ihm folgte, den Grundstein für die Entwicklung des englischen Patentrechtssystems. Ab 1750 machten der Wechsel von Holz- zu Steinkohle sowie eine Reihe großer Erfindungen, die den Betrieb von Dampf-, Werkzeug-, Spinn- und Webmaschinen ermöglichten und Fortschritte in den Verarbeitungsprozessen der Eisen- und Stahlindustrie brachten, England zum Mutterland der Industrialisierung.6

Die amerikanischen Kolonien, die ebenfalls zu den früh industrialisierten Territorien zählen, praktizierten die Idee des Erfindungsschutzes zunächst nach englischem Vorbild, wobei die Ausgestaltung stark von den lokalen Gegebenheiten und den geschützten Gegenständen abhängen konnte. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1774 setzten die nun unabhängigen Staaten zunächst die Erteilung von Schutzrechten in der geübten Praxis fort. Die territoriale Beschränkung und eine Auseinandersetzung über die Erfindung des Dampfschiffes, die für den Binnenverkehr in den USA zentral war und sich über viele Staaten zog, machten jedoch eine bundesweite Regelung erforderlich. Hinzu kam, dass es eine Erfinderklausel in die Verfassung geschafft hatte, wonach der Kongress das Recht haben sollte, Erfinder:innen für beschränkte Zeit das ausschließliche Recht an ihren Entdeckungen zu sichern. Dies führte 1790 zu einem ersten amerikanischen Patentgesetz, dem 1802 die Einrichtung eines ersten Patentamtes folgte. Damit besaßen die USA, in der gleich drei führende Politiker, der „Gründungsvater“ Benjamin Franklin sowie die Präsidenten Thomas Jefferson und James Madison,7 mit dem Erfinderwesen zu tun hatten, eine der modernsten Regelungen der Zeit.8

In Frankreich wurde fast zeitgleich, d. h. 1791, ebenfalls ein Patentgesetz beschlossen. Auch hier lässt sich die Vergabe von Privilegien, darunter auch solche für Erfindungen, aber bereits in frühere Jahrzehnte verfolgen. Als die Französische Revolution mit dem Ancien Régime Schluss machte, umfasste dies nicht nur, dass alle bisher vergebenen Privilegien und Monopole aufgehoben wurden. Es wurde auch ein neues Gesetz für den Erfindungsschutz beschlossen, das frei von jeder Willkür sein sollte und – wie zu zeigen sein wird – zumindest zeitweise auch die Rechtsentwicklung hierzulande beeinflusste.9

Im Habsburgerreich waren Privilegienverleihungen zunächst selten. Im 18. Jahrhundert begann sich jedoch eine Zunahme abzuzeichnen, wobei die einzelnen Regent:innen eine recht unterschiedliche Praxis zeigten und das Privilegienwesen stark prägten, da Privilegien als persönliche Gnadenakte vergeben wurden und als Ausfluss des Hoheitsrechts des Souveräns galten.10 Während Kaiser Karl VI. durchaus Privilegien verlieh, um den Handel und die Wirtschaft anzukurbeln, zeigte Maria Theresia ein großes Misstrauen gegenüber Privilegien – gleich, ob dies Fabriks- oder Erfinderprivilegien betraf. Maßgeblich war dafür, dass ein wesentlicher Grundzug ihrer Wirtschaftspolitik die Stärkung der heimischen Wirtschaft durch die Beseitigung aller sie hemmenden und einschränkenden Einrichtungen war. Dazu gehörte nicht nur, dass sie den Einfluss der Zünfte zurückdrängen wollte, sondern dass sie auch der Vergabe von Alleinrechten skeptisch gegenüberstand. Aus diesem Misstrauen heraus und dem Umstand, dass sie nicht völlig auf die Vergabe von Privilegien auf Erfindungen verzichten wollte, entwickelte sich während ihrer Regentschaft, die generell von einem institutionellen „Catching up“ und einer Stärkung staatlicher Strukturen geprägt war, aber auch ein erstes System einer Vorprüfung. Dieses sah vor, dass Privilegiengesuche auf Neuheit, Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit geprüft wurden und Fabrikinspektoren zum Einsatz kamen. Ihr Nachfolger Joseph II. verlieh noch weniger Privilegien und bestimmte, dass Ausschließlichkeitsrechte nur in seltenen Fällen und vornehmlich auf sogenannte Kunst-, Putz- und Prachtwaren für eine kurze Dauer verliehen werden sollten, wenn derartige Waren nicht in bloß vorübergehenden Moden bestünden. „Auf Spinn- und andere Maschinen, ohne deren Existenz sich Tausende der Untertanen ihren Unterhalt verschaffen können,“ sollten hingegen keine Privilegien erteilt werden.11

Dies änderte sich erst unter seinen Nachfolgern an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als mit dem vermehrten Einsatz von Dampfkraft und Maschinen im Habsburgerreich eine neue Ära der industriellen Produktion anbrach und immer mehr findige Köpfe bestrebt waren, die großen Fortschritte der Technik aus England in Österreich einzuführen. Das bedeutete, dass unter Leopold II. die strengen Grundsätze seines Vorgängers gelockert wurden, der Schutz neuer Maschinen zur Regel wurde und dass selbst die unter Joseph II. verpönten Spinnmaschinen wieder zum Einsatz kamen. Während der Regentschaft von Franz II./I., der zuweilen als einer der ersten „Väter“ des Erfindungsschutzes in Österreich bezeichnet wird,12 wurde in Folge vermehrter Privilegiengesuche in einem Hofdekret vom 24. Dezember 1794 dann auch erstmals zum Ausdruck gebracht, wofür Privilegien vergeben werden sollten. Dabei wurde die Neuheitsprüfung weiterhin – wie schon zu Maria Theresias Zeiten – Fabrikinspektoren in den einzelnen Provinzen überlassen, erstmals eine genaue Beschreibung und Zeichnung der Erfindung verlangt und eine Klausel in die Privilegienurkunde aufgenommen, wonach das Privileg als nicht erteilt zu betrachten sei, wenn sich nachträglich herausstellte, dass das Verfahren bereits früher im Inland ausgeübt worden war. Vergeben wurden Privilegien – wie in anderen Ländern auch – als Mittel der Wirtschaftsförderung bzw. zur Produktion und Verbreitung neuer Produkte.13

Ein erstes „Privilegiengesetz“, das die Verleihung von Privilegien weiterhin als Majestätsrecht erklärte und sie auf „außerordentliche, besondere Rücksicht verdienende Fälle“ beschränkte, folgte jedoch erst 1810. Maßgeblich war hierfür ein Streit zwischen dem Freiherrn von Kolbielski und der Wiener Firma Geymüller, Ochs u. Hebenstreit über die Erzeugung und Verwendung von Woll- und Baumwollspinnmaschinen englischer Konstruktion, der auf die praktizierte Privilegienvergabe kein gutes Licht warf – zumal sich im Laufe der Auseinandersetzung zeigte, dass die umkämpften Maschinen in Böhmen längst im Einsatz waren. Von seiner Form her hatte das in zehn Absätze gegliederte Hofkammer-Dekret vom 22. Januar 1810 jedoch auch für damalige Verhältnisse noch weniger den Charakter eines Gesetzes als vielmehr den einer Instruktion für die Behörden, wie sich diese in Zukunft bei Privilegiengesuchen verhalten sollten.14 Dennoch hielt es wesentliche Grundzüge fest, die auch in die folgenden Regelungen einflossen. Dazu gehörten einerseits eine exakte „Individualisierung“ der Erfindung und die Hinterlegung einer genauen Beschreibung, die jedoch nur bei Streitigkeiten und nach der Beendigung des Privilegs zu öffnen war, womit das bisher praktizierte Vorprüfungssystem mit kleinen Ausnahmen15 verlassen wurde. Andererseits zählten hierzu aber auch die Veröffentlichung nach dem Ablauf der Privilegiendauer und der Zwang zur Ausübung der privilegierten Erfindung,16 wobei die ab nun verlangte Verbalisierung technischer Vorgänge und gegebenenfalls auch deren Darstellung in Form von Zeichnungen wesentlich dazu beitrugen, eine moderne Wissenschaftssprache zu entwickeln. Für eine Gesellschaft, in der technisches Wissen in der Regel noch überwiegend personengebunden vorhanden war und durch konkrete Anschauung und Praxis weitergegeben wurde, stellte dies – wie auch an den Privilegiengesuchen ersichtlich ist – für viele einen Kulturbruch dar.17

1.3. Das Privilegiengesetz 1820 und das Polytechnische Institut als „erstes Patentamt“

Lange in Geltung blieb das „Privilegiengesetz“ von 1810 jedoch nicht, da Österreich nach dem Wiener Kongress wieder in den Besitz von Mailand und Venetien kam. Dort hatte während der napoleonischen Herrschaft der frühere Vizekönig von Italien Eugène de Beauharnais 1806 ein Rechtssystem für Erfindungen eingeführt, das den Prinzipien des französischen Patentrechts folgte, während in den übrigen Teilen der Habsburgermonarchie das Privilegiengesetz von 1810 gültig war, weshalb nun eine einheitliche Rechtsgestaltung notwendig war.18

Das französische Patentgesetz von 1791 war – wie bereits genannt – ein Kind der Französischen Revolution, das dem Privilegiensystem des Ancien Régime ein völlig neues Modell entgegensetzen wollte. Dies umfasste insbesondere, dass Frankreich, das im Vergleich zu anderen Staaten schon früh begonnen hatte, ein Vorprüfungssystem zu entwickeln, bei dem neben der Ausführbarkeit und Nützlichkeit auch auf die Neuheit einer Erfindung geachtet wurde, das Anmeldesystem im Erfindungsschutz einführte. Damit sollte die Neuheit einer Erfindung nicht mehr vor der Erteilung eines Erfindungsschutzbriefes geprüft werden, sondern erst dann, wenn die Neuheit von Dritten infrage gestellt wurde. Maßgeblich war hierfür einerseits die bisher geübte Privilegienvergabe: Auch wenn der König bereits früh wissenschaftliche Berater und ab 1700 auch die Académie royale des sciences in die Vorprüfung eingeschaltet hatte, war die Privilegienverteilung doch stets als willkürlicher Akt empfunden worden, da es dem König freigestanden war, die Akademie zu konsultieren und ihren Empfehlungen zu folgen. Andererseits brachte die Französische Revolution den Gedanken des geistigen Eigentums in den Erfindungsschutz ein, womit die Erfindung nun als Ausdruck des schöpferischen Individuums begriffen wurde und unlösbar mit dem Schöpfer verbunden war. Ein Privileg auf eine Erfindung zu erhalten, wurde nun als politisches Recht betrachtet.19

Das Kaisertum Österreich hatte zwar mit dem Privilegiengesetz von 1810 sein vorher praktiziertes Vorprüfungssystem bereits weitgehend verlassen. Trotzdem bestand in den rechtlichen Grundlagen und der Verwaltung von Privilegien eine Reihe von Unterschieden,20 die 1816 dazu führten, die Arbeiten für eine Neuregelung zu starten. Das führte zur Erlassung des Patents vom 8. Dezember 1820, das neue Bestimmungen zur „Verleihung ausschließlicher Privilegien auf Entdeckungen, Erfindungen und Verbesserungen im Gebiethe der Industrie“ einführte und die Privilegienvergabe explizit als Mittel zur „Aufmunterung des Erfindungsgeistes“ und zur „Hebung der National-Industrie“ sah.21

Das Gesetz betrachtete die Vergabe von Privilegien zwar weiterhin als einen aus politischen Erwägungen gewährten Gnadenakt des Herrschers. Trotzdem stellte es in der Rechtsentwicklung einen wichtigen Schritt dar, da fortan beim Vorliegen aller im Gesetz statuierten Bedingungen regelmäßig die Erteilung des Schutzrechtes erfolgte und keine Ablehnung von Privilegiengesuchen aus sachfremden Gründen mehr erfolgte. Zudem war das Privilegiengesetz 1820 bereits deutlich umfangreicher als die Allerhöchste Entschließung aus dem Jahr 1810, da es aus einer Präambel, 6 Abschnitten, 31 Paragraphen sowie einem Anhang mit Formularen für die Privilegienwerber:innen und die beteiligten Behörden bestand. In weiten Teilen floss es auch in die ihm folgenden Regelungen von 1832 und 1852 ein.22

Zu seinen wichtigsten Inhalten zählte, dass es genauer definierte, wofür um ein Privileg angesucht werden konnte und dass es das Anmeldesystem für viele Jahre etablierte. Maßgeblich war dafür die Ansicht, dass eine Vorprüfung den Erfindergeist unterdrücken sowie das Geheimnis einer Erfindung gefährden könne und dass die Staatsgewalt ihre Pflicht voll erfüllen würde, wenn sie bei „solchen Erfindungen, welche aus Sanitäts-, Polizei-, Finanzoder anderen Staatsrücksichten schädlich oder den Landesgrenzen zuwider sind“, die Privilegienausfertigung verweigern würde. Alles Übrige sollte – wie in einem Vortrag an den Kaiser vom 26. Oktober 1819 ausgeführt wurde – den „Privatinteressen“ überlassen werden, da „eigenes Interesse und Erfahrung die zwei trefflichsten Richter zur Prüfung der Neuheit“ wären.23

Die nötigen Schritte, um ein Privileg zu erhalten, wurden im Gesetz wie folgt beschrieben: Wer ein Privileg erwerben wollte, musste sein Gesuch beim Kreisamt, in dessen Bezirk er sich aufhielt, einreichen. Dieses musste eine Bezeichnung und eine genaue versiegelte Beschreibung der Entdeckung, Erfindung oder Verbesserung (und wenn nötig ein Modell) umfassen, die so abgefasst war, dass jeder Sachverständige den Gegenstand nach dieser Beschreibung verfertigen konnte. Das Kreisamt hatte das Gesuch an die Landesstelle zu übersenden, die das Gesuch weiter an die für die Leitung der Commerz-Angelegenheiten bestimmte Hofbehörde zu leiten hatte. Diese hatte dem Kaiser Vorträge über die Privilegiengesuche zu erstatten, die Ausfertigung der Urkunden zu erwirken und die Aushändigung derselben an die Privilegierten sowie die Kundmachung zu veranlassen. Die Privilegien wurden somit weiterhin über Vortrag der Commerz-Hof-Commission vom Regenten vergeben, in der Folge aber auch von der Allgemeinen Hofkammer, die 1829 die Ermächtigung erhielt, die Verleihung von Privilegien und deren Verlängerung in Zukunft selbst vorzunehmen.24 Die Länderstellen hatten die erteilten Privilegien in ein Register einzutragen, zudem wurde bei der zur Leitung der Commerz-Angelegenheiten bestimmten Hofbehörde ein Hauptregister über die verliehenen Privilegien geführt. Über die Frage, ob ein Privileg wegen einer Nichterfüllung der erforderlichen Voraussetzung zu entziehen war, hatte die politische Behörde zu erkennen, gegen deren Entscheidungen an die Commerz-Hof-Commission der Recurs ergriffen werden konnte. Über die aus einem Privileg allenfalls entstehenden Rechtsstreitigkeiten hatten die Gerichte zu entscheiden.25

Abb. 1: Polytechnisches Institut (Darstellung aus dem Jahr 1823)

Eine wichtige Rolle spielte – neben den genannten Behörden und der Medizinischen Fakultät, in jenen Fällen, die das Sanitätsfach betrafen – zudem das 1815 eröffnete k. k. Polytechnische Institut in Wien als Vorläufer der heutigen Technischen Universität Wien, dessen erster Direktor Johann Josef Prechtl auch bereits in die Ausarbeitung des Privilegiengesetzes von 1820 eingebunden gewesen war.26 Das Polytechnische Institut, das 1872 zur Hochschule wurde, die 1901 das Promotionsrecht erhielt, wurde daher auch als einer der „Vorgänger“ des 1897 gesetzlich errichteten Patentamtes bezeichnet.27

Der Hintergrund der Institutsgründung war ein wachsender Bedarf der staatlichen Verwaltung, des Militärs und der Wirtschaft an Fachkräften mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung sowie das Bestreben, den industriellen Vorsprung Englands so rasch wie möglich aufzuholen. Unmittelbares Vorbild des k. k. Polytechnischen Instituts in Wien war die 1795 in Paris errichtete École polytechnique, deren Schaffung im Habsburgerreich bereits 1806 ein k. k. böhmisches ständisches polytechnisches Institut gefolgt war. Um technisches Wissen in der Bevölkerung breit zu streuen, nahm das Institut, dem eine Realschule zur Vorbereitung auf den Lehrbetrieb angeschlossen war, nicht nur die Funktion einer technischen Lehranstalt mit wissenschaftlichem Anspruch wahr. Es fungierte auch als technologische Schausammlung und bot sogenannte „populäre Vorlesungen“ für Handwerker und Gewerbetreibende an. Wie in der Errichtung der Kommerzhofkommission 1816 und der Schaffung der ersten Privilegiengesetze muss daher auch in der Gründung des k. k. Polytechnischen Instituts ein wichtiger Baustein der Gewerbe- und Industrieförderung zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesehen werden.28 Weitere Schritte, um in der Habsburgermonarchie das Forschungs- und Bildungsniveau im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich zu stärken, folgten in den kommenden Jahrzehnten. Dazu zählen einerseits die Errichtung weiterer höherer technischer Lehranstalten und die Gründung der heutigen Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1847, die mit ihrer philosophisch-historischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse die österreichische Forschung in allen damals bekannten Wissenschaftsbereichen auf die Höhe der Zeit bringen sollte. Andererseits sind aber auch die Universitätsreform 1848/1849, die die bisherigen „hohen Schulen“ zu wissenschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalten transformierte, ein kontinuierlicher Ausbau der Realschulen und 1908 schließlich die Einrichtung des Realgymnasiums als neuem Gymnasialtyp mit einem verstärkten Unterricht in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zu erwähnen.29

Für die Einbindung des Polytechnischen Instituts in die Privilegienerteilung waren die im Organisationsstatut 1816 festgelegten Funktionen maßgeblich: Zum einen besaß das Institut neben seiner Aufgabe als höhere technische Lehranstalt den „Charakter einer technischen Kunstbehörde“, womit die Mitglieder des Lehrkörpers verpflichtet waren, den übergeordneten Behörden jederzeit auf Verlangen Gutachten in technischen Angelegenheiten aller Art zu erstatten. Zum anderen sollte es in seiner Eigenschaft als „technisches Museum“ auch die interessierte Öffentlichkeit über die neuesten Entwicklungen im Bereich von Industrie und Gewerbe informieren. Zu den Arbeiten, die das Polytechnische Institut im Privilegienwesen übernahm, zählte einerseits, dass es für die politische Behörde Gutachten in Streitfällen anzufertigen hatte und dass es die Privilegiengesuche auf formelle Vollständigkeit, Gesetzeskonformität und die geforderte Unbedenklichkeit hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit zu prüfen hatte. Andererseits erfolgte die Veröffentlichung der erloschenen Privilegien nach einer redaktionellen Bearbeitung durch ein Professorenkollegium in Form einer knappen Anzeige in den „öffentlichen Blättern“ und vollinhaltlich bis 1847 in den Jahrbüchern des k. k. Polytechnischen Instituts bzw. eigenen Sammelpublikationen. Maßgeblich war dafür, dass sich der 1810 eingeschlagene Weg, die Privilegeninhaber:innen selbst mit der Veröffentlichung ihrer erloschenen Privilegien zu betrauen, als nicht effektiv erwiesen hatte. 1821 wurde dem k. k. Polytechnischen Institut in Wien auch die Sammlung der erloschenen Privilegien samt etwa zugehörigen Modellen mit dem Auftrag übergeben, ein entsprechendes Register zu führen.30

1.4. Die Privilegiengesetze von 1832 und 1852: Das Privilegiendepartement im Handelsministerium

Dem „Privilegiengesetz“ von 1820 folgten die „Privilegiengesetze“ von 1832 und 1852. Diese brachten jedoch nur in Teilbereichen Änderungen.

Zu den wichtigsten Neuerungen des Privilegien-Patents vom 31. März 1832 über die Verleihung ausschließlicher Privilegien zählte, dass die Erteilung von Privilegien (mit einem Rekursrecht bei Verweigerung an die Hofkammer) den Landesstellen übertragen wurde und dass sämtliche Beschreibungen nunmehr schon nach der Erteilung zu jedermanns Einsicht offenstehen sollten, sofern nicht deren Geheimhaltung ausdrücklich begehrt wurde. Hinzu kam, dass Privilegien für die Einführung schon im Ausland patentierter Erfindungen nur mehr an die Patentinhaber:innen im Ausland oder die Rechtsnachfolger:innen (und nur bis zur Dauer des ausländischen Patents) vergeben wurden.31 Zuvor waren sogenannte „Einführungsprivilegien“ ohne Rücksicht auf die Erfinder:innen im Ausland und einen dort bestehenden Rechtsschutz erteilt worden und hatten im Technologie- und Wissenstransfer des 18. und frühen 19. Jahrhunderts ebenso wie „technologische Reisen“ von Unternehmern und Beamten sowie die Abwerbung fremder Spezialisten als „staatlich geförderte Industriespionage“ eine wichtige Rolle gespielt.32

Die Regelung vom 15. August 1852 spiegelte hingegen das Ziel des neoabsolutistischen Staates wider, nach der niedergeschlagenen Revolution von 1848 ein neues bürokratischzentralistisches System zu etablieren, und verfolgte zwei Motivationen: jene, ein einheitliches Rechtssystem für die gesamte Monarchie zu schaffen, nachdem das Privilegiengesetz von 1832 nicht in allen Teilen des Kaisertums – darunter Ungarn – in Kraft getreten war, und jene, das Privilegienrecht mit den neuen Institutionen des Kaiserreiches in Einklang zu bringen. Das bedeutete insbesondere, das 1848 errichtete Handelsministerium, das ein eigenes Privilegiendepartement erhielt, im Gesetz zu etablieren, da es wichtige Funktionen im Erfindungsschutz übernahm.33

Die Errichtung des Handelsministeriums war – wie die Installierung anderer Ministerien – ein wichtiger Teil in der Modernisierung der Bürokratie nach der Revolution von 1848. Weitere Modernisierungsschritte im Wirtschaftsbereich folgten ab 1850. Dazu zählt die Errichtung von rund 60 Handels- und Gewerbekammern innerhalb der gesamten Monarchie, nachdem sich 1833 bereits der Böhmische, 1837 der Innerösterreichische und 1839 der Niederösterreichische Gewerbeverein konstituiert hatten. Hierzu gehören aber auch die Aufhebung der Zolllinie zwischen Österreich und Ungarn, womit sich das Habsburgerreich endlich als einheitlicher Wirtschaftsraum darstellte, eine Liberalisierung des Außenhandels und die neue Gewerbeordnung von 1859, mit der die Gewerbefreiheit etabliert und die letzten Zunftbeschränkungen abgeschafft wurden. Zuvor hatte bereits Maria Theresia mit der Vergabe von Monopolen und Privilegien versucht, die starke (kontrollierende) Stellung der Zünfte im Gewerbewesen zu durchbrechen, da sich diese als motivationshemmend für die Entwicklung neuer Herstellungsverfahren herausgestellt hatte. Die neue Gewerbeordnung stellte daher einen wichtigen Schritt dar, um innovativen Wirtschaftszweigen und unternehmerischen Initiativen neue Möglichkeiten zu eröffnen.34

Im Konkreten umfasste das Gesetz, das fast ein halbes Jahrhundert gültig war und erst durch das Patentgesetz 1897 geändert wurde, folgenden Inhalt: Ausschließliche Privilegien konnten auf Entdeckungen, Erfindungen oder Verbesserungen erteilt werden, wenn diese ein neues Erzeugnis der Industrie, ein neues Erzeugungsmittel oder eine neue Erzeugungsmethode zum Gegenstand hatten. Ansuchen für die Verleihung eines Privilegs mussten bei den Statthaltereien oder, wo politische Kreisbehörden bestanden, bei diesen eingebracht werden. Die Statthaltereien hatten die formalen Voraussetzungen der Gesuche zu prüfen und sie an das Ministerium weiterzuleiten, das zur Überprüfung aller für ein Privileg vorgeschriebenen Erfordernisse berufen war. Die Neuheit und Nützlichkeit des Privilegiengegenstandes wurde vor der Erteilung des Privilegs aber weiter nicht geprüft. Die Erteilung der Privilegien erfolgte durch den Minister, wurde jedoch eine mehr als fünfzehnjährige Dauer beantragt, blieb sie dem Kaiser vorbehalten. Gleichfalls erfolgte nun auch die Registrierung der erteilten Privilegien und die Führung des Privilegienarchivs im Handelsministerium,35 womit auch verbunden war, diese für alle Interessierten zugänglich zu machen. Hinzu kam, dass das Ministerium jährlich Übersichten über die neu erteilten, veräußerten und erloschenen Privilegien sowie die Beschreibungen der erloschenen Privilegien zu publizieren hatte. Die Eingriffe in Privilegien wurden von den politischen Bezirksbehörden verfolgt, gegen deren Entscheidung ein Rekurs an die politische Landesstelle und bei Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ein weiterer Rechtszug an das Handelsministerium möglich war. Über zivilrechtliche Ansprüche, die von der Strafbehörde auf den Zivilweg verwiesen worden waren, hatte der Zivilrichter zu entscheiden.36

Abb. 2: Zeichnung aus dem im Jahr 1886 an Justin Walzer erteilten Privileg hinsichtlich einer Taschenuhr mit Roulettespielvorrichtung

Das k. k. Polytechnische Institut blieb weiterhin – wenn in den oben genannten Bereichen auch das Handelsministerium frühere Aufgaben von ihm übernahm – das wichtigste kunst- und sachverständige Beratungsorgan des Handelsministeriums in strittigen und nicht strittigen Erfindungsschutzangelegenheiten. Auch wenn es mit dem Organisationsstatut 1865 seine Eigenschaft als technische Kunstbehörde einbüßte, hatte es auf Ersuchen des Handelsministeriums weiterhin Gutachten zu verfassen, die aufgrund der ständig ansteigenden Arbeitsbelastung vermehrt zu Klagen seitens der Professoren führten. Erst ab 1893 erfolgte aber – und das bereits in Hinblick auf das in Vorbereitung befindliche Patentgesetz – eine Einschränkung auf die Erstattung von Gutachten in besonders wichtigen und vor allem in strittigen Angelegenheiten. Weitere Einrichtungen, die als Berater tätig werden konnten, waren die Universität Wien oder das Sanitäts-Departement der k. k. Statthalterei in Wien.37

1.5. Vom Privilegiengesetz 1852 zum Patentgesetz 1897: Die Gründung des k. k. Patentamtes

Mit dem Privilegiengesetz 1852 verfügte die Habsburgermonarchie zwar über ein Rechtssystem, das sich über die gesamte Monarchie erstreckte,38 und hatte mit der Reform von 1832 auch erstmals in Europa das „Inhaberprinzip“ für Einführungsprivilegien bzw. -patente fixiert, da nur mehr die Pateninhaber:innen selbst Erfindungen aus dem Ausland ins Kaiserreich einführen konnten.39 Da aber auch die Regelung von 1852 im Wesentlichen auf dem Gesetz des Jahres 1820 beruhte, wurden in den kommenden Jahrzehnten immer stärkere Reformforderungen laut.40 Ein wichtiger Hintergrund dafür war, dass die Privilegiengesuche besonders ab den 1870er-Jahren stark anstiegen: Während die in Österreich-Ungarn erteilten Privilegien von 1820 bis 1832 bei 1.776 und zwischen 1832 und 1852 bei 5.024 lagen, machten sie von 1852 bis 1892 bereits 69.581 aus.41 Gleichzeitig verschob sich mit der voranschreitenden Industrialisierung das Schwergewicht in der Erfindertätigkeit von den individuellen Einzelerfinder:innen in Richtung Industriebetriebe mit eigenen Forschungsabteilungen;42 und auch die Anmeldungen aus dem Ausland begannen jene aus dem Inland, die bisher noch dominiert hatten, mit großem Abstand zu übertreffen.43 Maßgeblich war hierfür nicht zuletzt die auf den technischen Erfindungen im 18. und 19. Jahrhundert beruhende erste Globalisierung.

Abb. 3: Gelände der Wiener Weltausstellung 1873 mit der 1937 abgebrannten Rotunde

Einen ersten Anstoß für die Reformdiskussion gab die im August 1873 in Wien abgehaltene Weltausstellung. Mit dieser wollte sich Wien nach den verlorenen Kriegen in Italien 1859 und gegen Preußen 1866 sowie dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867, der das Reich in Cisleithanien (Österreich) und Transleithanien (Ungarn) trennte,44 als fortschrittliche europäische Metropole zeigen, die gerade einen Wirtschaftsaufschwung erlebte.

Im Habsburgerreich waren – wie genannt – seit dem Ende des 18. Jahrhunderts einige wesentliche Voraussetzungen für ein verstärktes Wirtschaftswachstum geschaffen worden, die Industrialisierung setzte um 1800 ein, kam aber erst im Vormärz in Schwung. Die Revolution 1848 brachte zwar eine Unterbrechung, in den kommenden Jahrzehnten führten die skizzierten Reformen, die Wunderernten 1867 und 1868 sowie vermehrte Bankengründungen jedoch zu einem dynamischen Wachstumsprozess, der ab 1867 in der sogenannten „Gründerzeit“ seinen Ausdruck fand. Wichtige Motoren des Aufschwungs waren die Eisenerzeugung, Maschinenindustrie sowie die Baubranche, die stark vom Ringstraßenbau profitierte. Zeichen der Modernisierung waren ein vermehrter Einsatz von Dampfmaschinen, die Verwendung des Telegrafen als dem bis dahin schnellsten Kommunikationsmittel und der vermehrte Eisenbahnbau ab den 1850er- und 1860er-Jahren.45

Die Weltausstellung in Wien 1873 war die erste Ausstellung ihrer Art im deutschsprachigen Raum und wurde auf maßgebliche Initiative des Niederösterreichischen Gewerbevereins abgehalten. Zuvor hatte es in Folge eines in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattfindenden Globalisierungsschubs seit der ersten Weltausstellung in London 1851 bereits Weltausstellungen in England, in den USA und Frankreich gegeben, die zunächst der Innovationsschau, später aber immer mehr der Popularisierung von technischem Wissen dienten, das in Fachkreisen bereits bekannt war. Die Ausstellung 1873 war ein enormer Kraftakt, da in nur zwei Jahren Vorbereitungszeit auf dem Gelände des Wiener Praters eine eigene Planstadt errichtet wurde, die Tausenden Aussteller:innen aus 35 Staaten Platz bieten sollte. Sie stand aber unter keinem guten Stern, da es kurz vor der Eröffnung zu einer Choleraepidemie und acht Tage später zum Börsenkrach kam. Anstelle der erwarteten 20 Millionen kamen daher nur 7,25 Millionen Besucher:innen, was die Weltausstellung zum finanziellen Debakel machte. Die Euphorie der Gründerzeit wurde mit dem Börsenkrach – nicht nur im Habsburgerreich – jäh beendet. Zu einem erkennbaren wirtschaftlichen Aufschwung bzw. einer Art „zweiten Gründerzeit“ kam es in der Habsburgermonarchie erst wieder ab Mitte der 1890er-Jahre,46 wobei dieser bis 1913 dauernde Aufschwung vor allem von der Eisen- und Stahlindustrie sowie einer Konsolidierung der landwirtschaftlichen Produktion gestützt war und die Elektro-, Fahrzeug-, Nahrungsmittel- und Chemieindustrie zu den Leitsektoren zählte.47

Für die Entwicklung des modernen Erfindungsschutzes war die Weltausstellung 1873 aber insofern wichtig, als in ihrem Rahmen zum ersten Mal ein Weltpatentschutzkongress abgehalten wurde, nachdem bereits die vorhergehenden Weltausstellungen mit der Diskussion über einen wirksamen Erfindungsschutz verbunden gewesen waren. Dies hatte bereits in früheren Jahren zu Sonderregelungen geführt, die den Aussteller:innen Schutz vor Nachahmung gewährleisten sollten. In England war es im Gefolge der ersten Weltausstellung von 1851 sogar zu einem neuen Patentgesetz und der Installierung eines eigenen Patentamtes 1852 gekommen, dem 1883 ein neues Gesetz folgte, das auf einem abgeschwächten Vorprüfungs- und Aufgebotssystem basierte.48 In Wien, wo wissenschaftliche Begleitkongresse erstmals zum Veranstaltungsprogramm gehörten, wurde neben der Gewährung eines besonderen Rechtsschutzes für alle Aussteller:innen aber der erste große internationale Kongress über den Erfindungsschutz abgehalten. Zuvor hatten insbesondere die USA, die aufgrund ihres technischen Fortschritts als Teilnehmer begehrt waren und deren Industrie bereits in den 1870er-Jahren einen großen Teil der Erträge aus Patenten generierte, auf einen wirksamen Schutz ihrer Exponate gedrängt.49 Diese hatten ihr Patentrecht seit 1790 sukzessive weiterentwickelt und die Patenterteilung ab 1836 auch wieder von einer Vorprüfung abhängig gemacht. Zuvor war diese in der Regelung von 1790 (mit einer Prüfung durch den Außen-, Kriegs- und Justizminister) zwar vorgesehen gewesen, aber 1793 wieder abgeschafft worden, womit auch das in den USA 1802 errichtete Patentamt bis dahin nur als „Registrierungsbehörde“ tätig geworden war.50

Der erste Weltpatentschutzkongress fand auf Anregung des Generaldirektors der Ausstellung Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn von 4. bis 9. August 1873 im Pavillon der internationalen Jury auf dem Ausstellungsgelände statt und wurde von Wilhelm Siemens als Präsident und seinem Bruder Werner Siemens, der zu den wichtigsten Vorkämpfern für einen modernen Erfindungsschutz in Deutschland zählte, als Vizepräsident geleitet. Die Verhandlungsgegenstände der Konferenz, die von ca. 160 Personen aus 16 Nationen besucht wurden, waren die Gründe für den Schutz von Erfindungen in den staatlichen Gesetzgebungen, die Grundlagen eines wirksamen und nützlichen Patentgesetzes sowie das Bedürfnis nach allgemeinen internationalen Regelungen. Das Ergebnis des Kongresses waren mehrere Resolutionen, die forderten, dass der Schutz der Erfindungen „in den Gesetzgebungen aller civilisierten Nationen zu gewährleisten“ sei, und die wichtige Eckpunkte für einen modernen Erfindungsschutz festhielten. Darunter befanden sich die Einführung einer Vorprüfung, die vollständige Veröffentlichung der Patentbeschreibung und die Einrichtung eines Patentamtes, die es jedermann leicht machen sollten, „die Specification eines jeden Patentes zu erhalten, sowie zu erkennen, welche Patente noch in Kraft stehen“. Hinzu kam die Aufforderung an die Regierungen, sobald wie möglich eine internationale Verständigung über den Patentschutz herbeizuführen.51

Zu einer konkreten Reforminitiative führte der erste Patentschutzkongress im Habsburgerreich jedoch nicht, wenngleich das Handelsministerium im Anschluss an den Kongress die Handels- und Gewerbekammern mittels eines Fragebogens auch einlud, sich zu den gefassten Resolutionen zu äußern.52 Für die internationale Debatte war der erste Weltpatentschutzkongress gemeinsam mit der ebenfalls 1873 ausbrechenden Wirtschaftskrise jedoch dafür verantwortlich, dass der seit den 1860er-Jahren in ganz Europa bemerkbaren Antipatentbewegung ein Ende bereitet wurde. Diese hatte als Teil der Freihandelsbewegung in der Vergabe von Erfindungsschutzrechten einen Verstoß gegen den freien Wettbewerb gesehen und den Erfindungsschutz generell abschaffen wollen.53

Die Antipatentbewegung war in der Habsburgermonarchie zwar weniger stark als in anderen Staaten in Erscheinung getreten. Sie hatte aber besonders in den deutschen Staaten54 einen starken Einfluss auf die Diskussion ausgeübt und dazu geführt, dass hier nicht nur unterschiedliche Regelwerke und Verfahren, sondern auch völlig unterschiedliche Haltungen gegenüber dem Erfindungsschutz bestanden hatten. So war den eher patentfreundlichen Ländern mit Anmeldesystemen im Süden (Bayern, Württemberg) Preußen gegenübergestanden, das zwar über ein Vorprüfungssystem verfügte, aber so gut wie keine Erfindungsschutzrechte (und wenn ja, nur von kurzer Dauer) vergeben hatte. Nach der Konstituierung des Deutschen Kaiserreiches 1871, das die verschiedenen deutschen Staaten miteinander vereinigte, war daher die Schaffung einer reichseinheitlichen Regelung notwendig. Dabei setzte sich sowohl vor 1871 als auch danach der bereits genannte Erfinder und Industrielle Werner Siemens (bzw. ab 1888 Werner von Siemens), der hierfür eigens einen Patentschutzverein ins Leben rief, besonders intensiv für die Beibehaltung des Erfindungsschutzes und ein neues Reichspatentgesetz ein. Dieses folgte 1877, sah eine Kombination aus Aufgebots- und Vorprüfungssystem vor und war mit der Einrichtung eines eigenen Patentamtes in Berlin verbunden.55 Generell fand mit dem Börsenkrach die liberale Wirtschaftspolitik ein Ende, der Ruf nach staatlicher Kontrolle wurde wieder lauter.56

Richtig in Schwung kam der Reformprozess im Habsburgerreich aber erst nach dem zweiten Internationalen Patentschutzkongress, der im Rahmen der Pariser Weltausstellung von 5. bis 17. September 1878 stattfand57 und in weiterer Folge zur Pariser Konvention zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 führte, die bis heute zu den wichtigsten internationalen Vereinbarungen auf dem Gebiet des Patentrechts zählt. Wichtige Träger der Reformbewegung, die in den 1880er-Jahren immer stärker wurde, waren der Niederösterreichische Gewerbeverein und der Österreichische Ingenieur- und Architektenverein, später auch die Handelskammern, sowie die sogenannten „Privilegienagenten“ als Vorläufer der späteren Patentanwält:innen. Ihr Drängen auf eine Ablöse des Privilegiengesetzes von 1852 durch ein modernes Patentgesetz und die internationale Entwicklung führten dazu, dass das Handelsministerium ab 1881 mehrere Gesetzesentwürfe ausarbeitete, weitere Umfragen durchführte sowie Enqueten veranstaltete und 1883 im Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrats ein eigener Ausschuss für Patent-, Marken- und Musterschutz eingerichtet wurde.58

Der wichtigste Kritikpunkt an der bestehenden Situation war, dass das Gesetz von 1852 vom Anmeldeprinzip ausging und jede Untersuchung über die Neuheit einer Erfindung ausschloss bzw. Einsprüche und Anträge auf Annullierung erst nach der Ausstellung des Privilegs vorgenommen werden konnten. Dies barg die Gefahr in sich, dass die angemeldeten Erfindungen nicht neu waren („Scheinpatente“), der Privilegienschutz aber die Verwendung bestimmter Techniken vereitelte. Hinzu kam, dass das Privilegiengesetz 1852 eine zwingende Veröffentlichung der Erfindungsbeschreibung erst nach 15 Jahren vorsah, was eine rasche Wissensweitergabe verhinderte. Dies führte dazu, dass die Forschung im Dunkeln gelassen wurde und die Privilegien nicht zu einem Motor der wirtschaftlichen Weiterentwicklung wurden. Es konnte aber auch darin resultieren, dass die Industrie Erfindungen nützte, ohne zu wissen, dass diese geschützt waren. Die Folge dieser Mängel war, dass es ab den 1870er-Jahren zu einer Zunahme von juristischen Prozessen kam, die für die Industrie zu teuren Unterfangen werden konnten und die eine weitere Schwäche des bestehenden Privilegienrechts offenbarten, nämlich das Fehlen einer Appellinstanz gegenüber den Nichtigkeits- und Erlöschungserkenntnissen des Handelsministeriums. Da das Ministerium die Stelle war, die Privilegien erteilte und zugleich auch die oberste und letzte Instanz für alle Entscheidungen in Nichtigkeits- und Löschungsstreitigkeiten darstellte, war mehrfach der Eindruck einer Kabinettsjustiz entstanden.59

Eine besonders wichtige Rolle im Reformprozess spielte Wilhelm Exner. Er setzte sich als Wissenschaftler, Pädagoge, Politiker, ausgezeichneter Organisator und Netzwerker auf vielen Gebieten für den technischen und gewerblichen Fortschritt ein und erlangte auch für die Entwicklung des Patentwesens eine besondere Bedeutung. Sich selbst bezeichnete er sogar als „Urheber der österreichischen Patentgesetzgebung und eigentlichen geistigen Begründer des Patentamtes“.60

Exner wurde als Sohn eines Eisenbahners in Gänserndorf (Niederösterreich) geboren und hatte mit dem Eisenbahnwesen den technischen Fortschritt des 19. Jahrhunderts somit bereits als Kind vor Augen. Er studierte am Polytechnischen Institut in Wien, dessen Geschichte er als erster niederschrieb, und war vorerst als Mittelschullehrer in Wien, Elbogen (Böhmen) und Krems tätig. 1868 wurde er Professor an der Forstakademie in Mariabrunn, die er ab 1875 leitete und in die Wiener Hochschule für Bodenkultur überführte, wo er eine Professur für allgemeine mechanische Technologie und forstliches Bau- und Maschineningenieurwesen erhielt und bis zu seiner Pensionierung 1900 mehrmals als Rektor fungierte. 1879 gründete er das zunächst vom Niederösterreichischen Gewerbeverein, ab 1905 vom Staat getragene Technologische Gewerbemuseum (TGM) in Wien, dem er von 1879 bis 1904 auch als Direktor vorstand, und wurde damit zum Begründer einer neuen Form der berufsbildenden Schule in Österreich. Die Zielsetzung der Gründung war es zunächst, den Gewerbetreibenden eine Stätte der Weiterbildung für den Bereich der Technologie in Form von Ausstellungen und Beratungen zur Verfügung zu stellen, woher sich auch der Name ergab. Sehr bald begannen sich jedoch schulische Strukturen zu entwickeln.61 Gleichfalls war er auch ein Initiator des 1908 gegründeten Technischen Museums für Industrie und Gewerbe, des heutigen Technischen Museums in Wien.62 Nachdem es Exner bereits als jungem Mann möglich gewesen war, mit Stipendien des Niederösterreichischen Gewerbevereins die Weltausstellungen in London 1862 und Paris 1867 besuchen zu können, hatte ihn die Idee, ein Technologisches Museum ins Leben zu rufen, nicht mehr losgelassen. Erfahrungen als Ausstellungsmacher hatte er u. a. dadurch sammeln können, dass er zur Wiener Weltausstellung 1873 die additionale Ausstellung „Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Österreichs“ beigesteuert hatte. In seinen letzten Lebensjahren war er zudem maßgeblich an der Einrichtung des Österreichischen Forschungsinstituts für Geschichte der Technik beteiligt, das 1931 seine Arbeit am Technischen Museum in Wien aufnahm. Weitere wichtige Funktionen nahm er im Niederösterreichischen Gewerbeverein, im Gewerbeförderungsamt und im Technischen Versuchsamt ein, das als Behörde in Folge der sogenannten „Lex Exner“ zwischen 1910 und 1912 ins Leben gerufen wurde,63 nachdem sich Exner bereits in den Jahrzehnten davor für die Gründung von außeruniversitären überbetrieblichen Versuchsanstalten (Laboratorien, Prüfanstalten) als wichtige Infrastrukturen für Industrie und Gewerbe eingesetzt hatte.64

Abb. 4: Wilhelm Exner

Für die Reform des Patentwesens war insbesondere wichtig, dass Exner von 1882 bis 1897 als liberaler Abgeordneter auch dem Reichsrat (und ab 1905 dem Herrenhaus) angehörte und dass er in dieser Funktion in den Jahren 1882, 1886 und 1891 drei Anträge einbrachte, die sich mit einer Revision des alten Privilegiengesetzes aus dem Jahr 1852 beschäftigten. Damit wurde er zu einem der wichtigsten Vorkämpfer für einen neuen Erfindungsschutz, nachdem er auf dem ersten Weltpatentschutzkongress 1873 noch die Position der Freihändler eingenommen hatte. Wie er selbst 1883 im Abgeordnetenhaus ausführte, musste er sich erst vom „Patentgegner“ zum „Patentanhänger“ wandeln,65 wobei der Kongress einen wichtigen Anstoß zu einer Revidierung seiner bisherigen Haltung gab,66 er aber auch durch „die Leistungen des deutschen Patentamtes und die Entwicklung des Patentwesens in der ganzen Welt zur Patentanhängerschaft bekehrt“ worden sei.67

Von Bedeutung für die weitere Entwicklung wurde sein Antrag aus dem April 1891, der nicht nur vom Abgeordnetenhaus angenommen, sondern in weiterer Folge auch zum Anlass für eine Expertise am 23. und 25. November 1891 gemacht wurde,68 die gemeinsam mit einer vom Abgeordnetenhaus im Oktober 1891 angenommenen Resolution eine entscheidende Wende in der Reformentwicklung brachte: Während die bisherigen Reformentwürfe der Regierung noch von der Installierung eines Aufgebotssystems ausgegangen waren, wurde nun die Einrichtung einer staatlichen Vorprüfung und eine enge Anlehnung an das deutsche Patentgesetz beschlossen, das – wie genannt – eine Kombination aus Vorprüfungs- und Aufgebotssystem vorsah. Dies führte dazu, dass 1892 ein weiterer Entwurf für ein Patentgesetz ausgearbeitet wurde, der sich am überarbeiteten deutschen Patentgesetz in der Fassung vom 7. April 1891 orientierte, und dass versucht wurde, mit Ungarn über eine Reform auf dieser Basis zu verhandeln. Wesentlich war dafür, dass das Privilegiengesetz von 1852 auch in Ungarn galt und dass sich nach Art. XVI des Zoll- und Handelsbündnisses vom 24. Dezember 1867 sowie den inhaltsgleichen Bestimmungen der Bündnisse der Jahre 1878 und 1887 die Wirkung der in der einen Reichshälfte erteilten Erfindungsprivilegien auch auf die andere Reichshälfte erstreckte und in beiden Staaten gleiche Normen zu gelten hatten. Für jede Änderung des bestehenden Privilegiengesetzes war daher die Zustimmung Ungarns erforderlich. Ungarn konnte sich jedoch weder mit dem Vorprüfungssystem noch mit der Idee einer gemeinsamen Patentbehörde anfreunden, wofür nicht nur wesentlich war, dass mit dem Vorprüfungssystem ein kostenintensives Modell gewählt wurde, sondern dass das Erfindungswesen im ländlich geprägten Ungarn kaum eine Rolle spielte bzw. nur ein geringer Anteil der in der k. u. k. Monarchie erteilten Privilegien an Ungarn vergeben wurde. Erst als durch das Gesetz vom 27. Dezember 1893 Art. XVI des Zoll- und Handelsbündnisses vom 24. Dezember 1867 dahin gehend geändert wurde, dass in jedem der beiden Staatsgebiete Erfindungen Schutz finden mussten, aber jedem der beiden Staaten die selbständige Ausgestaltung seiner Patentgesetzgebung gewahrt blieb, wurde eine Ablösung des alten Privilegiengesetzes durch ein neues Patentrecht möglich.69

Abb. 5: Patentgesetz 1897

In weiterer Folge wurden der beschriebene Entwurf eines Patentgesetzes zur Begutachtung ausgeschickt und die eingegangenen Stellungnahmen in den neuen Entwurf eines Patentgesetzes eingearbeitet. Der Entwurf eines Gebrauchsmusterschutzgesetzes, der auf einen Wunsch des Abgeordnetenhauses vom 28. November 1893 zurückging und ebenfalls dem deutschen Vorbild folgte, wurde nach der gleichzeitigen Versendung mit dem genannten Patentrechtsentwurf jedoch wieder fallen gelassen. Im Deutschen Reich war das Gebrauchsmuster 1891 eingeführt worden, um wenig begüterten Erfinder:innen eine Möglichkeit zu geben, „kleine Erfindungen“ bzw. Erfindungen mit einer „geringeren Erfindungshöhe“, insbesondere Arbeitsgerätschaften, ein Schutzrecht anzubieten. Dies sollte mit geringeren Kosten verbunden sein, dafür aber auch keine materielle Vorprüfung (Anmeldesystem) und eine kürzere Laufzeit als das Patent umfassen.70 In Österreich wurde – wie noch auszuführen sein wird – die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes zwar immer wieder diskutiert, aber erst viele Jahrzehnte später, nämlich 1994, verwirklicht.

Das Ergebnis dieser Arbeiten war die Regierungsvorlage für ein Patentgesetz, die im März 1896 den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet71 und am 5. Juni im Abgeordnetenhaus sowie am 21. November 1896 im Herrenhaus ohne eine lange Debatte oder umfangreiche Änderungen angenommen wurde. Die Allerhöchste Sanction durch den Kaiser erhielt der Entwurf am 11. Jänner 1897, woraufhin das neue Patentgesetz mit 6 Abschnitten und 124 Paragraphen am 28. Jänner 1897 im Reichsgesetzblatt kundgemacht werden konnte.72