Beziehungen in der Schule gestalten - Marion Scherzinger - E-Book

Beziehungen in der Schule gestalten E-Book

Marion Scherzinger

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Beschreibung

Die Gestaltung positiver Beziehungen in der Schule gehört zu den zentralen Aufgaben des Lehrberufs. Aber wie gelingt es, eine tragfähige Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen? Eine Beziehung, die sich durch einen freundlichen Umgangston, wechselseitigen Respekt und Wärme auszeichnet? Wie lässt sich eine Klassenkultur schaffen, in der sich Schülerinnen und Schüler zugehörig fühlen, sich gegenseitig unterstützen und motivieren und in der niemand ausgeschlossen oder gar gemobbt wird? Dieser Band zeigt Wege auf, diese schulischen Beziehungen aktiv und positiv zu gestalten. Dabei wird auch die Zusammenarbeit mit den Eltern in den Blick genommen und erörtert, wie Lehrpersonen eine gelingende Erziehungspartnerschaft mit den Eltern erreichen.

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Seitenzahl: 170

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Brennpunkt Schule

Hrsg. von Fred Berger, Doris Lindner, Wilfried Schubarth, Sebastian Wachs und Alexander Wettstein

Schule ist nicht nur Unterricht. Das Miteinander von Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern ist entscheidend für gelingendes Lernen und ein gutes Schulklima. Was in der Schule auch außerhalb des Klassenzimmers allen Beteiligten auf den Nägeln brennt, wird in dieser Reihe zum Thema.

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

    https://shop.kohlhammer.de/brennpunkt-schule

Die AutorInnen

Dr. Marion Scherzinger und Prof. Dr. Alexander Wettstein forschen und dozieren seit einigen Jahren an der Pädagogischen Hochschule Bern zu sozialen Interaktionen, sozialen Beziehungen, Unterrichtsstörungen und Aggression.

Marion Scherzinger/Alexander Wettstein

Beziehungen in der Schule gestalten

Für ein gelingendes Miteinander

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037970-1

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-037971-8

epub: ISBN 978-3-17-037972-5

Inhalt

1           Einleitung

Teil I     Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern

2           Die Beziehung als soziale Basis von Lernen und Lehren

2.1          Die Bedeutung der pädagogischen Beziehung für Lernende und Lehrende

2.2          Asymmetrie und Rollenspezifität der pädagogischen Beziehung

2.2.1     Rollenbeziehungen im Unterricht

2.2.2     (A)Symmetrie und Reziprozität in der pädagogischen Beziehung

2.3          Bedürfnisse von Lernenden und Verantwortung von Lehrenden

2.4          Zusammenfassung

3           Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern gestalten

3.1          Das Kind in seiner Individualität anerkennen

3.1.1     Erster Eindruck und soziale Kategorisierung

3.1.2     Erwartungen

3.1.3     Einmaligkeit und Individualität von Schülerinnen und Schülern anerkennen

3.2          Anerkennung

3.3          Vertrauen

3.4          Emotionale Unterstützung

3.5          Zusammenfassung

4           Zum Verhältnis von pädagogischer Beziehung und Klassenführung

4.1          Pädagogische Autorität und Klassenführung

4.2          Ehrlich, authentisch und humorvoll

4.3          Erfolgreiche Klassenführung und Unterrichtsgestaltung

4.3.1     Schülerinnen und Schüler fordern und etwas zutrauen

4.3.2     Klare Erwartungen, Regeln und Rituale

4.4          Beziehungsorientierte Klassenführung

4.5          Zusammenfassung

Teil II   Beziehungen in der Schulklasse

5           Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern

5.1          Sozial-emotionale Entwicklung

5.1.1     Aggressives Verhalten

5.1.2     Schüchternheit und soziale Ängste

5.1.3     Förderung sozial-emotionaler Fertigkeiten

5.2          Freundschaftsbeziehungen von Kindern und Jugendlichen

5.3          Konflikte unter Schülerinnen und Schülern

5.4          Zusammenfassung

6           Zugehörigkeitsgefühl und Klassengemeinschaft

6.1          Die Schulklasse als Gruppe

6.1.1     Formelle und informelle Gruppen

6.1.2     Gruppennormen

6.1.3     Gruppenbildung und -entwicklung

6.1.4     Gruppenstrukturen

6.2          Sozialer Einfluss und Konformität

6.2.1     Beiläufiger Einfluss

6.2.2     Absichtlicher Einfluss

6.3          Zusammenhalt und Kooperation

6.3.1     Soziale Ausgrenzung und Integration

6.3.2     Kooperatives Lernen

6.4          Mobbing vorbeugen und verhindern

6.4.1     Systematisch und wiederholt gegen Schwächere

6.4.2     Cybermobbing

6.4.3     Mobbing ist kein Konflikt

6.4.4     Weshalb Lehrpersonen oft nichts unternehmen

6.4.5     Mobbing wirksam begegnen

6.4.6     Mobbing vorbeugen

6.5          Zusammenfassung

Teil III      Beziehung zwischen Lehrpersonen und Eltern

7           Die Beziehung zu den Eltern gestalten

7.1          Die Vielfalt der Familien

7.1.1     Vielfalt an Lebens- und Familienformen

7.1.2     Familien aus unterschiedlichen Herkunftskulturen und Bevölkerungsschichten

7.2          Erziehungs- und Bildungspartnerschaft

7.3          Dialog mit den Eltern

7.3.1     Asymmetrie und unterschiedliche Perspektiven

7.3.2     Elterngespräche gestalten

7.3.3     Herausfordernde Gespräche und Probleme

7.4          Zusammenfassung

8           Beziehungen zwischen Lehrperson, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern gestalten

Literatur

1

Einleitung

In der Schule lernen Kinder und Jugendliche nicht nur die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern Schule ist auch ein Ort der Begegnungen und des sozialen und informellen Lernens. Schülerinnen und Schüler verbringen insgesamt bis zu 15.000 Stunden in der Schule. Sie werden durch Lehrpersonen und Mitschülerinnen und -schüler geprägt und entwickeln sich durch soziale Interaktionen. Die Schule stellt somit neben der Familie eine zentrale Sozialisationsinstanz für Kinder und Jugendliche dar (Fend, 2008).

Wie wichtig soziale Beziehungen und die Schule als sozialer Ort und Ort der Begegnung für Kinder und Jugendliche sind, hat in jüngster Zeit auch die COVID-19-Pandemie verdeutlicht (vgl. Schubarth, 2020). In Zusammenhang mit der Schulschließung und den Kontaktbeschränkungen zeigte sich, die Schülerinnen und Schüler vermissten die Schule, ihre Freundinnen und Freunde, ihre Klasse und ihre Lehrpersonen. Die DJI-Studie »Kindsein in Zeiten von Corona« (Langmeyer, Guglhör-Rudan, Naab, Urlen & Winklhofer, 2020) hat ergeben, dass sich gemäß Aussagen der Eltern rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 15 Jahren in Deutschland in der ersten Zeit der Corona-Pandemie im Jahr 2020 einsam fühlten und auch kaum oder wenig Kontakt zu ihren Lehrpersonen hatten.

Für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern und auch für das Lernen und Lehren bilden qualitativ hochwertige Beziehungen eine zentrale Grundlage. Studien belegen, dass positive Beziehungen zu den Lehrpersonen mit der Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler (Stipek, 2004; Wentzel, 2010; Wentzel & Wigfield, 2009), ihren schulischen Leistungen (Davidson, Gest & Welsh, 2010; Hughes 2012; Pianta, Hamre & Stuhlman, 2003), der sozialen Entwicklung (Davis, 2003; Roorda, Koomen, Spilt & Oort, 2011) wie auch weniger Verhaltensproblemen (Davis, 2003; Obsuth et al., 2017; Pianta, 2006; Wentzel, 2002) einhergehen. Schülerinnen und Schüler verhalten sich prosozialer und weniger aggressiv, wenn sie gute Beziehungen zu ihren Lehrpersonen haben (Obsuth et al., 2017). Zudem mindern positive Beziehungen Unterrichtsstörungen und beugen diesen vor (Helsper & Hummrich, 2014; Wettstein & Scherzinger, 2022). Auch für Lehrpersonen zeigen sich positive Effekte, so sind Lehrpersonen mit positiven Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern zufriedener mit ihrem Beruf (Hayer, Scheithauer & Petermann, 2005) und haben weniger Burnout (Chang, 2009; Friedman, 2006; Spilt, Koomen & Thijs, 2011).

Menschen sind soziale Wesen und haben ein Grundbedürfnis nach sozialer Eingebundenheit und Dazugehörigkeit (Baumeister & Leary, 1995; Raufelder, 2018). Die Befriedigung dieses Bedürfnisses nach sozialer Einbindung ist zentral für die intrinsische Motivation und das Lernen von Schülerinnen und Schülern (Deci & Ryan, 1985; 2014). Die sozialen Beziehungen in der Schule und ihre Qualität spielen hierfür eine entscheidende Rolle, da die Kinder und Jugendlichen sehr viel Zeit in der Schule verbringen. Soziale Interaktionen und Beziehungen können die Entwicklung und Motivation der Kinder und Jugendlichen fördern, aber auch hemmen. Denken und Lernen sind mit Emotionen eng verknüpft (Ciompi, 2016), daher ist eine angstfreie Atmosphäre, in der man sich anerkannt und respektiert fühlt, für das Lernen grundlegend.

Beziehungen entstehen und entwickeln sich über die Zeit, ausgehend von sozialen Interaktionen und Erfahrungen im Unterricht. Daher ist es wichtig, dass sich Lehrpersonen Zeit für den Beziehungsaufbau nehmen und die pädagogische Beziehung wie auch die Peerbeziehungen aktiv gestalten, deren Aufbau fördern und pflegen. Lehrpersonen können die Beziehungen unter den Schülerinnen und Schülern positiv beeinflussen, indem sie eine Klassenkultur schaffen, in welcher sich Schülerinnen und Schüler wohlfühlen, gegenseitig unterstützen und motivieren. Dies ist besonders deshalb wichtig, da sich Schülerinnen und Schüler ihre Schulklasse nicht selbst aussuchen und diese auch nicht einfach wechseln können. Sie besuchen in dieser Gruppenkonstellation über längere Zeit die Schule und können sozialen Interaktionen und Beziehungen nicht ausweichen, weshalb sie sich in der Klasse arrangieren müssen. Daher haben Lehrpersonen nicht nur die Aufgabe, sich um die Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern zu bemühen, sondern auch Einfluss auf diese Beziehungen zu nehmen und dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche nicht ausgeschlossen, schikaniert oder gemobbt werden.

Darüber hinaus kommt Lehrpersonen eine zentrale Rolle in der Prävention von Unterrichtsstörungen zu. Wichtig ist, dass sich Lehrpersonen dabei nicht auf Aspekte konzentrieren, die sie nicht oder kaum beeinflussen können, wie z. B. genetische, familiäre oder kulturelle Faktoren der Schülerinnen und Schüler, sondern dass sie dort ansetzen, worauf sie Einfluss nehmen und etwas verändern können. So beispielsweise, indem sie den Unterricht störungspräventiv gestalten, positive Beziehungen aufbauen und pflegen und die Klasse führen. Die Hattie-Studie (2013) hat gezeigt, dass Lehrpersonen einen großen Einfluss auf die kognitive, emotionale und soziale Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Bis zu 30 % der Unterschiede in den schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind auf die Lehrperson zurückzuführen, während schulisch-strukturelle Merkmale nur 5 bis 10 % der Unterschiede in den schulischen Leistungen erklären. Zu den Hauptfaktoren, die für diese Unterschiede verantwortlich sind, gehören eine positive Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern, eine störungspräventive Klassenführung und ein anregend gestalteter und kognitiv aktivierender Unterricht. Für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern ist demnach entscheidender, bei welcher Lehrperson sie den Unterricht besuchen, als in welche Schule sie gehen.

Mit dem Fokus auf soziale Beziehungen in der Schule sollten auch die Eltern miteinbezogen werden, da sie die primäre Sozialisationsinstanz und für die Kinder und Jugendlichen von großer Bedeutung sind. Eine wertschätzende, respektvolle und vertrauensvolle Beziehung zwischen Schule und Familie bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit, welche die Unterstützung und Förderung der Entwicklung und des Lernens der Schülerinnen und Schüler zum Ziel hat.

Das vorliegende Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil (Kapitel 2 bis 4) widmen wir uns der Beziehung und den sozialen Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern. Kapitel 2 thematisiert grundlegende Aspekte der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrpersonen und ihren Schülerinnen und Schülern und was diese auszeichnet ( Kap. 2). Es wird u. a. aufzeigt, welche Wichtigkeit der Beziehung für das Lehren und Lernen zukommt und was das asymmetrische Verhältnis von Lehrperson und Schülerinnen und Schülern sowie die komplementären Rollen im Unterricht für die Beziehungsgestaltung bedeuten.

In Kapitel 3 stehen der Aufbau und die Gestaltung der pädagogischen Beziehung im Fokus ( Kap. 3). Auf der sozialen Ebene des Unterrichts sollen sich Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler als Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die Anerkennung der Kinder und Jugendlichen als Individuen und als Menschen bildet die Grundlage für ein wertschätzendes, vertrauensvolles und respektvolles Verhältnis. Sie sollen sich ernstgenommen, akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.

Kapitel 4 setzt sich mit dem Verhältnis von Beziehung, Autorität und Klassenführung auseinander ( Kap. 4). Einige Lehrpersonen bauen positive Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern auf, ohne allerdings die Klasse zu führen, während andere Lehrpersonen ihre Klasse zwar führen, allerdings die Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern vernachlässigen oder sich ihnen gegenüber gar unfreundlich verhalten oder sie bloßstellen. Beides ist für den Unterricht und das Lernen wenig förderlich. Eine qualitativ hochwertige Beziehung und eine effektive Klassenführung schließen sich nicht gegenseitig aus, im Gegenteil: Eine positive pädagogische Beziehung bildet die soziale Basis für den Unterricht und eine effektive Klassenführung.

Im zweiten Teil des Buches (Kapitel 5 und 6) widmen wir uns den Beziehungen und Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern und der Schulklasse als Gruppe. Dabei werden in Kapitel 5 die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, Freundschaftsbeziehungen und Konflikte unter Kindern und Jugendlichen thematisiert ( Kap. 5).

In Kapitel 6 stehen die Schulklasse als Gruppe und die damit verbundenen Gruppenprozesse im Zentrum ( Kap. 6). Wir zeigen auf, was die Klasse als Gruppe auszeichnet, wie die Gruppe das Individuum beeinflusst und welche Bedeutung Gruppennormen zukommt. Da Menschen ein Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit haben, beschäftigen wir uns auch mit sozialer Integration und Ausgrenzung sowie mit dem Gruppenphänomen des Mobbings.

Im dritten und letzten Teil dieses Buches steht die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Eltern, d. h. die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft im Zentrum. Kapitel 7 widmet sich der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit mit den Eltern ( Kap. 7). Ziel dieser Zusammenarbeit sind das Wohl der Kinder und Jugendlichen und die Unterstützung und Förderung einer möglichst optimalen Entwicklung. Grundlage für die Kooperation zwischen Schule und Elternhaus bildet eine wertschätzende, vertrauensvolle und respektvolle Beziehung, eine sogenannte Partnerschaft zwischen Lehrpersonen und Eltern.

Kapitel 8 widmet sich abschließend der Beziehungstrias von Kind bzw. Jugendlicher oder Jugendlichem, Eltern und Lehrpersonen ( Kap. 8). In diesem Schlusskapitel werden die zentralen Inhalte des Buches zusammengefasst und zusammengeführt.

Teil I

Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern

2

Die Beziehung als soziale Basis von Lernen und Lehren

»Die Asymmetrie des Pädagogischen ist immer zurückgebunden an eine Symmetrie des Sozialen. Die Ungleichheit von Erzieher und Edukand gründet in ihrer Gleichheit als Menschen« (Herzog, 2006, S. 514).

In der Schule verbringen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler viel Zeit miteinander. Lehrpersonen prägen ihre Schülerinnen und Schüler. Wir erinnern uns an Lehrpersonen, die wir als Vorbilder erlebten, mit denen wir uns identifizierten und zu denen wir gerne in die Schule gingen. Andere Lehrpersonen blieben uns vielleicht in Erinnerung, weil wir Demütigung oder Ausgrenzung erfuhren.

Soziale Beziehungen entstehen und entwickeln sich durch die täglichen sozialen Interaktionen im Unterricht. Sie konstituieren sich über gegenseitige Wahrnehmung, doppelte Kontingenz und Reziprozität (Gouldner, 1984; Malinowski, 2001) und zeichnen sich durch Dauerhaftigkeit und Geschichtlichkeit aus. Die sozialen Interaktionen und Erfahrungen bilden die Basis für die Entstehung einer Beziehung und beeinflussen auch deren Qualität.

Als soziale Interaktion wird das aufeinander bezogene Handeln zweier oder mehrerer Personen verstanden (Goffman, 1971; Mummendey, Linneweber & Löschper, 1984). Menschen versuchen, in sozialen Interaktionen ihre Handlungen durch die absichtliche Übermittlung von Information sowohl verbal als auch nonverbal zu koordinieren und gleichzeitig auch andere zu beeinflussen (Käsermann & Foppa, 2002; Schilbach, 2015). So kann eine Lehrerin nonverbal z. B. mit wohlwollendem Blick und Gestik einen schüchternen Schüler ermutigen, auf eine Frage zu antworten, oder mit einem ermahnenden Blick eine schwatzende Schülerin daran erinnern, weiterzuarbeiten.

Im Folgenden werden wir im ersten Teil dieses Kapitels aufzeigen, welche Bedeutung der Beziehung zwischen Lehrpersonen und ihren Schülerinnen und Schülern im Kontext von Unterricht zukommt. Im zweiten Teil stehen die Asymmetrie und die Rollenspezifität der pädagogischen Beziehung im Fokus, da Lehrpersonen eine andere Rolle und Verantwortung im Unterricht haben als ihre Schülerinnen und Schüler. Im dritten Teil wird aufgezeigt, welche Bedürfnisse Schülerinnen und Schüler haben und welche Bedeutung der Beziehung zur Lehrperson für ihre Motivation und das Lernen zukommt.

2.1           Die Bedeutung der pädagogischen Beziehung für Lernende und Lehrende

Die Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern ist sowohl eine wichtige Grundlage für das schulische Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern (Harding et al., 2019; Kidger, Araya, Donovan & Gunnell, 2012) als auch für erfolgreiches Lernen und Lehren (Pianta et al., 2003; Wentzel, 2012). Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine gute Beziehung zwischen der Lehrperson und ihren Schülerinnen und Schülern, die sich durch Nähe, Sicherheit, Vertrauen und Unterstützung auszeichnet (Wentzel, 2012), mit einer höheren Lernmotivation (Wentzel, 2010) und besseren schulischen Leistungen (Pianta, Hamre & Stuhlman, 2003) sowie einer positiveren psychosozialen Entwicklung einhergehen (Davis, 2003; Obsuth et al., 2017; Pianta, 2006; Wentzel, 2002). Eine qualitativ wenig hochwertige Beziehung zur Lehrperson wirkt sich hingegen negativ auf das Befinden der Schülerinnen und Schüler wie auch auf ihre schulischen Leistungen aus (Roorda et al., 2011).

Auch für das Wohlbefinden und die Berufszufriedenheit von Lehrpersonen sind positive Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern wichtig. Studien haben gezeigt, dass Lehrpersonen mit qualitativ hochwertigen Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern in ihrem Beruf zufriedener und weniger häufig von Burnout betroffen sind (Chang, 2009; Friedman, 2006; Spilt et al., 2011). Die Erfüllung des Bedürfnisses von Lehrpersonen nach Verbundenheit mit ihren Schülerinnen und Schülern führt zu einem höheren Engagement (Klassen et al., 2012) und positiven Emotionen (Hagenauer, Hascher & Volet, 2015; Klassen, Perry & Frenzel, 2012). Diese Ergebnisse sind deshalb relevant, weil gesunde Lehrpersonen besser in der Lage sind, eine positive Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen und ein positives sowie unterstützendes Klassenklima zu schaffen (Harding et al., 2019). Ein unterstützendes Klassenklima stellt in der Unterrichtsforschung neben der Klassenführung und der kognitiven Aktivierung ein zentrales Qualitätsmerkmal von Unterricht dar (z. B. Klieme et al., 2006). Es geht dabei v. a. um die Interaktionen zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern (z. B. die emotionale Unterstützung) (Klieme & Rakoczy, 2008). Unterstützende Lehrpersonen zeigen Sensitivität für Probleme ihrer Schülerinnen und Schüler und können sich in sie hineinversetzen. Sie verhalten sich ihnen gegenüber respektvoll, sind empathisch und weisen eine hohe Schülerinnen- und Schülerorientierung auf (vgl. Einsiedler, 2017).

Auf der anderen Seite fühlen sich Schülerinnen und Schüler in qualitativ hochwertigen Beziehungen zu ihren Lehrpersonen respektiert, unterstützt und wertgeschätzt (Doll, Zucker & Brehm, 2004). Die Anerkennung jeder einzelnen Schülerin bzw. jedes einzelnen Schülers als Individuum und eine wechselseitige Vertrauensbeziehung erweisen sich als wichtige Voraussetzung für deren Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit (Ritter, Bilz & Melzer, 2016).

Schülerinnen und Schüler, die ihre Lehrpersonen als fürsorglich erleben und sich von ihnen unterstützt fühlen, gehen lieber zur Schule (Baker, 1999) und sind mit ihrem Leben zufriedener (Suldo & Huebner, 2006; Suldo et al., 2009). Sie weisen ein höheres Wohlbefinden (Pianta et al., 2003), einen besseren allgemeinen Gesundheitszustand und eine bessere psychische Gesundheit auf (John, Bilz, Fischer, Zeißig & Wachs, 2020; Ritter et al., 2016). Von besonderer Bedeutung ist hier nicht nur die emotionale, sondern auch die instrumentelle Unterstützung, welche die Schülerinnen und Schüler erhalten. Das heißt, inwiefern sich eine Lehrperson ihnen gegenüber fürsorglich, wertschätzend und vertrauensvoll verhält und sie auch instrumentell im Unterricht unterstützt (Suldo et al., 2009).

2.2           Asymmetrie und Rollenspezifität der pädagogischen Beziehung

Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrpersonen haben keine Wahl bei der Auswahl ihrer Lehrpersonen bzw. ihrer Klasse. Sie wählen sich nicht gegenseitig aus und gehen somit nicht freiwillig eine Beziehung ein, sondern sie bilden zunächst eine Schicksalsgemeinschaft (Schweer, 2017). Ziel von Lehrpersonen ist es deshalb, ein Arbeitsbündnis mit ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen (Helsper & Mummrich, 2008). Damit dies gelingt, sollten die Besonderheiten der pädagogischen Beziehung berücksichtigt werden, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

2.2.1         Rollenbeziehungen im Unterricht

Was zeichnet die Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern aus? Wie eng oder distanziert sollte sie sein? Beziehungen lassen sich in Abhängigkeit von den Rollen der Interaktionspartnerinnen und -partner in spezifische und diffuse Sozialbeziehungen unterteilen (Oevermann, 1996). Spezifische Sozialbeziehungen sind rollenförmig, wobei die Rollen, Zuständigkeiten und Themen klar geregelt sind. So beispielsweise zwischen Ärztin und Patient; die Ärztin stellt Fragen zur Gesundheit, der Patient lässt sich untersuchen und gibt Auskunft. Die Themen des Gesprächs beschränken sich dabei in der Regel auf die gesundheitliche Verfassung des Patienten.

In diffusen Beziehungen, wie beispielsweise der Familie, sind diese Rollen, Zuständigkeiten und Themen nicht so klar vorgegeben und geregelt. So kann zum Beispiel ein Jugendlicher, der von seinem Vater auf die Unordnung im Zimmer angesprochen wird, auch mal dessen eigene Ordnung in Frage stellen. Während in spezifischen Rollenbeziehungen begründet werden muss, weshalb ein Thema angesprochen wird, wird in diffusen Rollenbeziehungen erklärt, weshalb man über ein Thema nicht sprechen möchte.

Die Beziehung zwischen Lehrperson und ihren Schülerinnen und Schülern ist weder eine rein spezifische noch eine rein diffuse Sozialbeziehung. Sie zeichnet sich sowohl durch diffuse als auch spezifische Aspekte aus. An die Schülerinnen und Schüler und die Lehrpersonen werden bestimmte Rollenerwartungen gestellt (Spezifität), sie bringen sich allerdings auch als Individuen in den Unterricht ein (Diffusität) (Wenzl, 2018). So beispielsweise, wenn eine Schülerin oder ein Schüler während des Unterrichts von ihren oder seinen Erlebnissen vom Wochenende oder von der jungen Katze zuhause erzählt. Im Verlauf der Schulzeit und mit zunehmendem Alter der Schülerinnen und Schüler wird die Beziehung zu ihren Lehrpersonen spezifischer und die diffusen Aspekte verlagern sich immer mehr in die Pausen. Solche diffusen Momente, wie z. B. die Schilderung eindrücklicher Erlebnisse von Schülerinnen und Schülern, bleiben allerdings wichtig, denn sie stärken soziale Beziehungen.

2.2.2         (A)Symmetrie und Reziprozität in der pädagogischen Beziehung

In Erziehung und Unterricht findet sich zwischen Erwachsenen und Kindern oder Jugendlichen aufgrund unterschiedlicher Rollen, Verantwortungen, Rechte und Pflichten eine Asymmetrie. Dieses asymmetrische Verhältnis besteht aus komplementären Rollen und zeichnet sich durch ein »Reife- und Kompetenzgefälle« aus (Herzog, 2006, S. 488). Gleichzeitig kann die Beziehung zwischen der Lehrperson und ihren Schülerinnen und Schülern allerdings nur gelingen, wenn sie in ihrem Fundament, im gegenseitigen sozialen Austausch sich symmetrisch verhält.

»Erziehung und Unterricht als asymmetrische Verhältnisse, in die ein Reife- oder Kompetenzgefälle eingebaut ist, werden getragen von einer egalitären, symmetrischen Beziehung, die tiefer liegt und funktionieren muss, wenn pädagogisches Handeln einsetzen will« (Herzog, 2006, S. 488).