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Wesentlich für die Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit sind unterschiedliche Beziehungsräume, die das Verstehen und Handeln bestimmen. Zu diesen gehören die Dyade oder Zweierbeziehung - etwa zwischen Berater und Klient -, die Gruppe, die Familie, das Team, die Organisation und auch der innerpsychische Raum des Individuums. Für die in der Sozialen Arbeit Tätigen bedürfen solche Beziehungsräume einer differenzierten Betrachtung auf der bewussten und unbewussten Ebene, um in der jeweiligen komplexen Situation angemessen handeln zu können. Dafür ist ein profundes psychoanalytisches Denken äußerst hilfreich. Anhand eines Beziehungsmodells werden psychoanalytische Theorien der Gegenwart - Konflikttheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorie, Bindungstheorie und Selbstpsychologie - in ihren wesentlichen, für das Feld Sozialer Arbeit bedeutsamen Aspekten beschrieben und auf Fallbeispiele angewendet. Damit schließt das Buch eine wichtige Lücke in der Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. Für die 2. Auflage hat die Autorin ihr Werk aktualisiert.
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Seitenzahl: 493
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Wesentlich für die Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit sind unterschiedliche Beziehungsräume, die das Verstehen und Handeln bestimmen. Zu diesen gehören die Dyade oder Zweierbeziehung - etwa zwischen Berater und Klient -, die Gruppe, die Familie, das Team, die Organisation und auch der innerpsychische Raum des Individuums. Für die in der Sozialen Arbeit Tätigen bedürfen solche Beziehungsräume einer differenzierten Betrachtung auf der bewussten und unbewussten Ebene, um in der jeweiligen komplexen Situation angemessen handeln zu können. Dafür ist ein profundes psychoanalytisches Denken äußerst hilfreich. Anhand eines Beziehungsmodells werden psychoanalytische Theorien der Gegenwart - Konflikttheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorie, Bindungstheorie und Selbstpsychologie - in ihren wesentlichen, für das Feld Sozialer Arbeit bedeutsamen Aspekten beschrieben und auf Fallbeispiele angewendet. Damit schließt das Buch eine wichtige Lücke in der Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. Für die 2. Auflage hat die Autorin ihr Werk aktualisiert.
Professor Dr. Magdalena Stemmer-Lück lehrt Psychologie im Fachbereich Sozialwesen an der Katholischen Hochschule NRW in Münster. Sie arbeitet als Psychoanalytikerin (DPG) und Supervisiorin (DGSv).
Magdalena Stemmer-Lück
Beziehungsräume in der Sozialen Arbeit
Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendung in der Praxis
2., aktualisierte Auflage
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
2., aktualisierte Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © 2004/2012 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany
Print: 978-3-17-021966-3
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Persönliche Vorbemerkung
Einführende Übersicht
1 Zum Verhältnis von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit
1.1 Zur Geschichte der Verbindung von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit
1.1.1 Einführung
1.1.2 Beginn der psychoanalytischen Pädagogik
1.1.3 Beginn der psychoanalytischen Sozialarbeit in den USA
1.1.4 Weiterentwicklung der psychoanalytischen Pädagogik in den USA
1.1.5 Einfluss der Kinderanalyse auf die Soziale Arbeit
1.1.6 Renaissance der psychoanalytischen Pädagogik und psychoanalytischen Sozialarbeit in Deutschland
1.1.7 Psychoanalyse im Feld Sozialer Arbeit
1.1.8 Abschließende Bewertung
1.2 Was ist Psychoanalyse?
1.2.1 Stellung der Psychoanalyse innerhalb der Wissenschaften
1.2.2 Psychoanalytische Grundannahmen
1.2.3 Definitionen von Psychoanalyse
1.2.4 Das Unbewusste und seine Manifestationen
1.2.5 Verwandte tiefenpsychologische Schulen
1.2.6 Zusammenfassung der Essentials im psychoanalytischen Denken
1.3 Was ist Soziale Arbeit?
1.3.1 Soziale Arbeit als Verbindungskonstrukt von Sozialarbeit und Sozialpädagogik
1.3.2 Wissenschaftliche Basis der Sozialen Arbeit
1.3.3 Gegenstand und Methoden der Sozialen Arbeit
1.3.4 Systemtheoretisch orientierte Soziale Arbeit
1.3.5 An „Lebensbewältigung“ orientierte Soziale Arbeit
1.3.6 Zusammenfassung der Essentials in der Sozialen Arbeit
1.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit
1.4.1 Klienten und Kontaktaufnahme
1.4.2 Setting und Struktur
1.4.3 Zielorientierung und Fokussierung
1.4.4 Menschenbild und Haltung
1.4.5 Theorie und Methode
2 Beziehungsräume des Verstehens und Handelns
2.1 Dyade als Ur-Beziehung
2.2 Beziehungsräume in der Sozialen Arbeit
2.3 Mutter-Kind/Subjekt-Objekt-Interaktion als Prototyp für Beziehungsmuster
3 Psychoanalytische Theorien
3.1 Konflikttheorie
3.1.1 Psychische Struktur
3.1.2 Es als Triebsystem
3.1.3 Über-Ich und Ich als Steuerungssystem
3.1.4 Konflikte und Konfliktverarbeitung
3.1.5 Entstehung von Symptomen und Verhaltensstörungen
3.1.6 Ebenen psychischer Konfliktverarbeitung
3.1.7 Dreidimensionales Modell der Konfliktverarbeitung nach Mentzos
3.1.8 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
3.2 Ich-Psychologie
3.2.1 Gegenstand der Ich-Psychologie
3.2.2 Funktionen des Ich
3.2.3 Abwehrmechanismen als Schutzfunktionen des Ich
3.2.4 Störungen der Ich-Funktionen
3.2.5 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
3.3 Objektbeziehungstheorie
3.3.1 Gegenstand der Objektbeziehungstheorie
3.3.2 Entstehung der Objektbeziehung durch Internalisierung und Modifizierung
3.3.3 Übertragung/Gegenübertragung und Objektbeziehung
3.3.4 Übertragung/Gegenübertragung als Projektive Identifikation
3.3.5 (Re-)Inszenierung und Szenisches Verstehen
3.3.6 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
3.4 Bindungstheorie
3.4.1 Gegenstand der Bindungstheorie
3.4.2 Entstehung der Bindungsqualität
3.4.3 Feststellung der Bindungsqualität und Ergebnisse
3.4.4 Bindungsrepräsentanzen von Kindern
3.4.5 Bindungsrepräsentanzen von Eltern
3.4.6 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
3.5 Selbstpsychologie
3.5.1 Gegenstand der Selbstpsychologie
3.5.2 Motivationale Systeme und das Selbst
3.5.3 Entwicklung des Selbst
3.5.4 Verletzbarkeit und Fragmentierung des Selbst
3.5.5 Primäre Störungen des Selbst und deren Abwehr
3.5.6 Pathologische Verhaltensmuster der Selbststörung
3.5.7 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
4 Fallbeispiele – Verstehen und Handeln in der Praxis
4.1 Fallbeispiel A: Individualpädagogische Jugendhilfemaßnahme
4.2 Fallbeispiel B: Beratung eines „sexuellen Missbrauchers“ in einer Beratungsstelle
4.3 Fallbeispiel C: Betreuung eines Jugendlichen in der Einzelfallhilfe
4.4 Fallbeispiel D: Stationäre Betreuung einer Borderline-Klientin
4.5 Fallbeispiel E: Betreuung eines psychiatrischen Klienten im Übergangshaus
5 Psychoanalytische Perspektiven zum Verstehen und Handeln in der Sozialen Arbeit mit Individuen
5.1 Perspektive der aktuellen Situation des Klienten
5.2 Lebensgeschichtliche Perspektive des Klienten
5.3 Innerpsychische Perspektive des Klienten
5.4 Interaktionelle Perspektive
5.5 Organisationsbezogene Perspektive
5.6 Persönliche Perspektive des Sozialarbeiters
5.7 Dynamische Perspektive
5.8 Unbewusste Perspektive
5.9 (Be-)Handlungsperspektive
6 Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendung in Gruppen
6.1 Einführung zur Psychoanalyse in Gruppen im Sozialen Feld
6.2 Zur Geschichte der psychoanalytischen Gruppe
6.3 Psychoanalytisch orientierter Zugang zur Gruppe
6.4 Arbeitsgruppe und Grundannahmengruppe nach Bion
6.4.1 Gruppe als protomentales System
6.4.2 Arbeitsgruppe und Grundannahmengruppe
6.5 Gruppenanalyse nach Foulkes
6.5.1 Gruppenmatrix
6.5.2 Gruppenphänomene
6.6 Göttinger Modell
6.7 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
7 Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendung in Organisationen
7.1 Einführung zur Psychoanalyse in Organisationen
7.2 Geschichte der Anwendung von psychoanalytischen Theorien in Organisationen
7.3 Psychoanalytisch orientierter Zugang zur Organisation
7.4 Verknüpfung von Systemtheorie und Psychoanalyse
7.5 Organisation als offizielles System und Schattensystem
7.6 Organisation als offenes und geschlossenes soziales System
7.7 Zusammenhang zwischen personalem und sozialem System
7.8 Typische Konfliktfelder in Organisationen
7.9 Anpassungs- und Abwehrleistungen im Grenzbereich der Systeme und Subsysteme
7.10 Formen der Abwehr in Organisationen
7.10.1 Kollektive psychosoziale Abwehr
7.10.2 Institutionalisierte strukturelle Abwehr
7.10.3 Grundannahmen nach Bion als kollektive Abwehrformen in Organisationen
7.11 Konsequenzen für die Soziale Arbeit
8 Konsequenzen für die Ausbildung und Fortbildung
Literaturverzeichnis
Sachregister
Schaue ich auf meine berufliche Entwicklung zurück, wird deutlich, dass ich mich immer in Grenzbereichen der menschlichen Existenz bewegt habe, im Grenzbereich von verschiedenen Wissenschaftsbereichen wie auch im Grenzbereich von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit. Ich habe mit delinquenten und psychisch gestörten Jugendlichen und Erwachsenen begonnen zu arbeiten im Bereich der Forensischen Psychiatrie und Kriminologie. Nicht als Sozialarbeiterin, sondern als Psychologin, jedoch sehr häufig in der Kooperation mit Sozialarbeitern aus unterschiedlichen Institutionen. Ich habe mit Straftätern gearbeitet wie auch mit deren Interaktionspartnern aus den Herkunftsfamilien und aus den jeweiligen Institutionen wie Sozialarbeiter, Bewährungshelfer, Jugendgerichtshelfer, Richter, Vollzugsbedienstete. Diese Arbeit verstärkte meinen Wunsch, Menschen in ihren extremen Erlebens- und Verhaltensweisen besser zu verstehen. Ich wollte die Straftäter verstehen, über die ich z. B. Gutachten schreiben musste, aber auch deren Interaktions- und Beziehungspartner. Ich war bei jedem Fall mit einer spezifischen Dynamik befasst, die typisch und immer wieder einmalig war. Meine Suche nach geeigneten Verstehenszugängen brachte mich schließlich zur Psychoanalyse und so wurde ich dann Psychoanalytikerin. Die Psychoanalyse gibt mir eine Ordnung, ein Modell, um Menschen – und so auch mich selbst – besser zu verstehen, in den Normbereichen wie auch in den Extrembereichen unserer Existenz. Sie half und hilft mir, innerpsychische Prozesse besser zu verstehen, so: Wie kann es sein, dass ein sonst so friedlicher Mensch zum Gewalttäter wird? Oder: Wie kann es sein, dass manche Menschen überhaupt kein oder nur sehr wenig Einfühlungsvermögen haben? Oder: Wie kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in einer Gruppensituation kommen?
Meine berufliche Entwicklung war die vom sozialen Raum in den psychoanalytischen Raum. Auch wenn ich im Rahmen meiner psychoanalytischen Ausbildung auf das psychoanalytische Couch-Setting hin geschult worden bin, so habe ich doch immer versucht, psychoanalytische Theorien auch auf das soziale Feld zu übertragen. Dabei meine ich nicht die psychoanalytische Behandlungsmethode im engeren Sinne, sie ist an ein spezifisches Setting gebunden. Ich spreche von der Psychoanalyse als Erkenntnismethode, als psychosoziale und interpersonale Wissenschaft. Psychoanalyse war und ist für mich eine Haltung und eine Wissenschaft, um soziale Realitäten auf unterschiedlichen Ebenen zu reflektieren und besser zu verstehen. Ich möchte mich Cremerius (1995) anschließen, wenn er sagt, dass die Psychoanalyse keine Wissenschaft ist, die monopolisiert werden darf, sondern möglichst vielen zu Gute kommen soll. Cremerius steht mit seinem Ansinnen durchaus in der Tradition von Freud, der Psychoanalyse als eine Erkenntnis- und Behandlungsmethode verstand, die nicht allein in die Hände von Medizinern gehören sollte. Dieses hätte für Freud eine Reduktion seines Ansatzes bedeutet. Der Gewinn kann ein gegenseitiger sein, denn auch die Psychoanalyse kann Anregungen und Veränderungen über den Austausch mit anderen, insbesondere sozialwissenschaftlichen Disziplinen erfahren.
Ich bin keine Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin, sondern Psychologin und Psychoanalytikerin. Ich habe mich jedoch immer um eine Verbindung bemüht, als Lehrende, Supervisorin oder Projektleiterin. Mein Anliegen ist, einen Teil des psychoanalytischen Wissens denen zur Verfügung zu stellen, die im sozialen Feld arbeiten, für deren Arbeit psychoanalytisches Denken sinnvoll und förderlich ist. Mir geht es nicht um eine Addition von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit, auch nicht um eine Integration der beiden Richtungen. Mir geht es um die differenzierte Anwendung psychoanalytischen Denkens und Handelns in der Sozialen Arbeit. Natürlich wird die Soziale Arbeit dann von dem analytischen Denken durchdrungen, es wird ein Teil dieser Arbeit. Diese Durchdringung kann nur in einer permanenten Auseinandersetzung geschehen, die bereits im Studium beginnt und in der praktischen sozialen Arbeit durch Supervision, Beratung, Weiterbildung gefördert werden kann. Voraussetzung für eine Durchdringung ist psychoanalytisches Basiswissen. Die Vermittlung dieses Basiswissens ist ein Ziel meiner Arbeit. Mir geht es um die Vermittlung von psychoanalytischen Perspektiven und Reflexionshilfen für die Wahrnehmung psychosozialer Wirklichkeit. Besonders geeignet sind dafür die neueren Theorien der Psychoanalyse, die bisher kaum von der Sozialen Arbeit absorbiert worden sind. Psychoanalytische Perspektiven und Reflexionshilfen erweitern auch die Kompetenz, Verbindungen zu schaffen zwischen sozialen und psychischen Elementen in der komplexen und sich stets verändernden Struktur im sozialen Feld. Dies ist kein Privileg der Psychoanalytiker. Psychoanalyse ist für mich immer auch eine Art von Betrachtung der Welt, wobei der Schwerpunkt der Betrachtung auf Beziehungen liegt. Entwicklungen geschehen in Beziehungen, aktuelle Interaktionen geschehen in Beziehungen, der Sozialarbeiter bewegt sich stets in Beziehungen und arbeitet mit Beziehungen. Beim Verstehen der Beziehungsdynamik ist psychoanalytisches Wissen sehr hilfreich. Nicht vermittelt werden soll das psychoanalytische Behandlungsrüstzeug im engeren Sinne, wie die Deutung, die Spiegelung, die Arbeit in der Übertragungsbeziehung etc.; dieses bedarf des spezifischen psychoanalytischen Behandlungs-Settings.
Meine Adressaten sind Personen, die im sozialen Feld arbeiten oder arbeiten werden wie Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Heilpädagogen oder Studierende derselben Disziplinen. Aber auch für andere Professionen, die im sozialen Feld oder Raum arbeiten, wie Psychologen und Supervisoren kann dieses Buch von Nutzen sein – so hoffe ich jedenfalls.
Auch Psychoanalytiker, die mit psychoanalytischem Wissen auf einer differenzierteren Ebene umgehen, mögen sich für die Anwendung psychoanalytischer Theorien im Feld Sozialer Arbeit interessieren.
Im Verlauf meiner langen beruflichen Tätigkeit ist in mir der Wunsch gekeimt, mein psychoanalytisches Wissen bezogen auf die Anwendung im sozialen Feld zu ordnen und in eine Struktur zu bringen, um es so an Interessierte weiterzugeben. Mit dem Schreiben dieses Buches ist mein Wunsch Realität geworden. All den Menschen, die mich dazu beflügelt und mich unterstützt haben, möchte ich danken. Ohne den aktiven Austausch in ganz unterschiedlichen Beziehungsräumen wäre dieses Buch nicht entstanden. Es hat Gestalt gewonnen in dem Interaktionsprozess mit KlientInnen, mit SupervisandInnen, mit StudentInnen und FortbildungsteilnehmerInnen. KollegInnen und FreundInnen waren immer bereit, sich inhaltlich mit mir auszutauschen und auseinander zu setzen. Sie haben mir viele Anregungen gegeben und mich stets ermuntert. Danke!
Der Titel dieses Buches lautet „Beziehungsräume in der Sozialen Arbeit“. Zu den Beziehungsräumen gehört die dyadische Beziehung, wie die zwischen Sozialarbeiter und Klient, die Familie, die Gruppe, das Team, die Organisation wie auch der innerpsychische Raum des Individuums. Ich habe den Begriff des Raumes gewählt, da er für mich am besten die Multidimensionalität von Beziehungen im Feld Sozialer Arbeit beschreibt.
Als Einführung, damit der Leser eine Vorstellung davon bekommt, was ihn erwartet, möchte ich eine knappe Zusammenfassung über die Hauptkapitel geben.
Im ersten Kapitel widme ich mich dem Verhältnis von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit, wobei ich zunächst die geschichtlich bedeutsamen Verbindungen aufzeige, die aus der Tradition der psychoanalytischen Pädagogik und psychoanalytischen Sozialarbeit kommen. Fruchtbare Verknüpfungen sind besonders durch solche Personen entstanden, die beide Ansätze integrieren konnten. Ich zeige auf, dass die fruchtbare Verbindung von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit auf einer gegenseitigen Beeinflussung beruht. Bevor ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Disziplinen herausarbeite, beschreibe ich beide Wissenschaften separat, um eine theoretische Basis und einen Bezugsrahmen zu schaffen. Selbstverständlich kann ich mich in der Beschreibung dessen, was Psychoanalyse und was Soziale Arbeit ausmacht, nur auf einige, aus meiner Sicht wesentliche Aspekte beschränken. Die Diskussion ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigt die große Nähe der beiden Disziplinen auf verschiedenen Ebenen wie des allgemeinen Zieles, des Menschenbildes, der Haltung, der Prozessorientierung. Beide schaffen einen sozialen Raum, in dem gearbeitet wird, beide arbeiten in der Beziehung und berücksichtigen den Wechselwirkungsprozess zwischen psychischen und sozialen Elementen, beide sind vor dem Hintergrund ihres psychosozialen Menschenbildes dem Prinzip der Aufklärung verpflichtet. Den Begriff „Soziale Arbeit“ verwende ich als Verbindungskonstrukt von Sozialpädagogik und Sozialarbeit.
Im zweiten Kapitel werden die Beziehungsräume des Verstehens und Handelns entfaltet. Bei der Realisierung meines Anliegens, psychoanalytische Theorien im Feld Sozialer Arbeit anzuwenden, ist es sinnvoll, diesen komplexen Bereich zu reduzieren. Ich wähle den Raum der Beziehung. Die Arbeit mit und in Beziehungen ist der Kern aller psychoanalytischen Theorien und ebenfalls ein Essential in der Sozialen Arbeit. Ich definiere zunächst die Dyade als die Ur-Beziehung und entwickle ein Modell der Interaktion, welches sich sowohl generell als auch konkret für die Beschreibung von aktuellen und vergangenen Beziehungen und die Entstehung von Beziehungsmustern eignet. Eine zentrale Beziehung der Gegenwart ist die zwischen Klient und Sozialarbeiter; eine zentrale Beziehung aus der Vergangenheit, die die gegenwärtige beeinflusst, ist die zwischen Mutter und Kind. Dieses Modell basiert auf verschiedenen psychoanalytischen Theorien und stellt den Prototyp für die Beschreibung von Beziehungsinteraktionen und die Entwicklung von Beziehungsmustern dar. Das zweite Kapitel ist das kürzeste, aber gleichzeitig das Herzstück des Buches.
Das Beziehungsmodell als Bezugsrahmen nehmend, beschreibe ich in Kapitel 3 die gegenwärtig zentralen Psychoanalytischen Theorien: Die Konflikttheorie, die Ich-Psychologie, die Objektbeziehungstheorie, die Bindungstheorie und die Selbstpsychologie. Die Theorien ergänzen sich sehr gut und helfen, die psychosoziale Wirklichkeit des Menschen, hier den Klienten der Sozialen Arbeit, besser zu verstehen. Bei der Beschreibung der Theorien stelle ich jeweils solche Aspekte heraus, die aus meiner Sicht für den Kontext der Sozialen Arbeit bedeutsam sind. Z. B. akzentuiere ich in der Konflikttheorie Formen der Konfliktverarbeitung, in der Ich-Psychologie die unterschiedlichen Ich-Funktionen, die auch der Unterscheidung von neurotischen, psychotischen und Persönlichkeits-Störungen dienen. In der Objektbeziehungstheorie fokussiere ich auf das Übertragungs-/Gegenübertragungsgeschehen und das Szenische Verstehen. In der Bindungstheorie geht es um Aspekte der Bindungsqualität und deren Auswirkungen auf das spätere Beziehungsverhalten. Bei der Selbstpsychologie setze ich den Schwerpunkt auf die Entwicklung und Verletzbarkeit des Selbst und auf pathologische Verhaltensmuster bei Selbststörungen. Jedes Theoriekapitel schließe ich mit einer Betrachtung der Konsequenzen für die Soziale Arbeit ab.
Während Kapitel 3 eher theoretisch ausgerichtet ist, beziehe ich mich in Kapitel 4 Fallbeispiele – Verstehen und Handeln in der Praxis auf die praktische Anwendung. Ich stelle fünf Fallbeispiele aus eigener supervisorischer Praxis vor, wobei die Fälle aus Feldern der Sozialen Arbeit stammen. Es geht um eine individualpädagogische Jugendhilfemaßnahme, die Beratung eines „sexuellen Missbrauchers“ in einer speziellen Beratungsstelle, die Betreuung eines Jugendlichen in der Einzelfallhilfe, die Betreuung einer Borderline-Patientin in einer Klinik und die Betreuung eines psychiatrischen Klienten in einem Übergangshaus. Bei der Interpretation der Fallbeispiele beziehe ich mich auf die zuvor beschriebenen theoretischen Ausführungen, d.h. der Zugang des Verstehens in den Fallbeispielen erfolgt sehr konkret und individuenzentriert über die unterschiedlichen psychoanalytischen Theorieansätze, wobei die Schwerpunktsetzungen je nach Fall unterschiedlich sind.
In Kapitel 5 zeige ich zusammenfassend auf einer allgemeinen Ebene auf, welche Psychoanalytischen Perspektiven zum Verstehen und Handeln in der Sozialen Arbeit mit Individuen hilfreich sein können. Dem Kern des psychoanalytischen Denkens folgend, ist die Psychoanalyse primär hilfreich beim Verstehen von Individuen, in ihren Beziehungen und sozialem Umfeld. Um zu einem umfassenden Verständnis der psychosozialen Wirklichkeit des Individuums zu gelangen, wird es von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Ich habe die Vielfalt der möglichen Perspektiven auf einige wesentliche reduziert und sie als Ordnungsgesichtspunkte genommen. Die psychoanalytischen Perspektiven, nach denen der Klient allgemein betrachtet werden kann, sind: Die aktuelle Situation, in der die Hilfe ansetzt, die psychogenetische, d.h. die biographische Perspektive, die die gegenwärtige Problemsituation verstehen hilft. Die biographische Perspektive ist untrennbar mit der innerpsychischen verknüpft. Die interaktionelle Perspektive weist auf die soziale Umgebung und speziell auf die Interaktion zwischen Klient und Sozialarbeiter. Da Soziale Arbeit immer in einem Organisationskontext stattfindet, wird auch diese Perspektive berücksichtigt. Der Sozialarbeiter ist stets ein Teil des Interaktionsgeschehens, von daher ist seine Persönlichkeit ebenfalls eine bedeutsame Perspektive. Die dynamische und unbewusste Perspektive gehen quer durch alle anderen. Die Handlungen ergeben sich aus den vorangestellten Perspektiven und sind ebenfalls von psychoanalytischer Reflexion geleitet.
In den Kapiteln 6 Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendung in Gruppen und 7 Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendung in Organisationen wird die Betrachtung der Beziehungsdyade als Ur-Beziehung überschritten. In der Gruppe und der Organisation geht es immer um Mehrpersonenbeziehungen. Je mehr Personen sich in einem sozialen Raum bewegen, desto größer wird auch die Komplexität des Beziehungsraumes.
Die Bedeutung der Gruppe, auch als Instrument der Veränderung, wurde von der Sozialen Arbeit wie auch von der Psychoanalyse erkannt und es wurde eine Vielzahl von Gruppenmethoden entwickelt. Methodische Gruppenarbeit gehört auch zu den Basismethoden in der Sozialen Arbeit. Neben der Geschichte der psychoanalytischen Gruppe stelle ich drei psychoanalytische Gruppenmodelle vor, von denen die Soziale Gruppenarbeit profitieren kann: Das Modell von Bion mit der Arbeits- und Grundannahmengruppe, das gruppenanalytische Modell nach Foulkes und das Göttinger Modell nach Heigl-Evers und Heigl. In den zusammenfassenden Konsequenzen für die Soziale Arbeit wende ich die verschiedenen psychoanalytischen Theoriezugänge und Reflexionsperspektiven auf ein Verstehen und Handeln in Gruppen an.
Wie ich in Kapitel 1 ausgeführt habe, gehört auch die Organisation zum Gegenstand Sozialer Arbeit. Der Sozialarbeiter setzt entweder bei der komplexen Situation des Klienten an, zu der immer auch die Organisation gehört, oder direkt bei der Organisation zur Veränderung des Bedingungsgefüges. Der Sozialarbeiter arbeitet also stets in und mit Organisationen, z. B. bei deren Vernetzung. Auch für das Verstehen von Organisationen ist psychoanalytisches Wissen hilfreich. Ich gebe einen kurzen Überblick über die Geschichte der Anwendung der Psychoanalyse in Organisationen und verknüpfe die Psychoanalyse mit der Systemtheorie. Da die Systemtheorie sowohl eine Referenztheorie für die Organisation als auch für die Soziale Arbeit darstellt, bildet sie auch eine Brücke zu Kapitel 1. Den Schwerpunkt lege ich auf unbewusste Prozesse in Organisationen, auf unbewusst ablaufende Dynamiken, Konflikte, Anpassungs- und Abwehrprozesse. Auch dieses Kapitel schließe ich mit allgemeinen Konsequenzen für die Soziale Arbeit ab.
Im abschließenden Kapitel 8 Konsequenzen für die Ausbildung und Fortbildung stelle ich einige Überlegungen zur Integration psychoanalytischen Wissens in der Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildung an. Für eine effektive professionelle Soziale Arbeit ist psychoanalytisches Wissen beim Verstehen und Handeln unerlässlich.
Während des Schreibens hat mich stets die Frage begleitet, ob ich von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern oder von SozialarbeiterInnen sprechen soll. Ich habe mich schließlich der besseren Lesbarkeit halber dafür entschieden, von der professionellen Rolle des Sozialarbeiters auszugehen. In diesem Sinne meine ich mit Sozialarbeiter, Berater oder Therapeut stets die jeweilige berufliche Rolle.
Das Verhältnis von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit möchte ich einführend unter historischer Perspektive betrachten. Da die Verbindung von Sozialer Arbeit und Psychoanalyse in einem Spannungsfeld liegt, ist auch die Geschichte dieser Verbindung von Spannungen und Ambivalenzen gekennzeichnet. Ich werde nicht alle abgrenzenden Diskussionen wiederholen, sondern die fruchtbaren Verbindungen nachzeichnen. Ich lege den Fokus darauf, was Psychoanalyse im sozialen Feld/Raum leisten kann. Fruchtbare Verknüpfungen sind besonders durch Personen entstanden, die beide Ansätze integrieren konnten. Nach der historischen Betrachtung der Verbindung werde ich jede Disziplin separat beschreiben und anschließend ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede unter aktueller Perspektive herausarbeiten. Den Begriff „Soziale Arbeit“ verwende ich als Verbindungskonstrukt von Sozialpädagogik und Sozialarbeit (vgl. Kap. 1.3.1).
Eine der zentralen Entdeckungen Freuds war die Bedeutung der Kindheit. In seiner Folge sind sich alle Psychoanalytiker einig darin, dass die Kindheit und speziell die frühe Kindheit für die Entwicklung des Menschen entscheidend ist. Mit der Fokussierung auf die Kindheit und die Entwicklung des Menschen sind eigentlich auch die Personen angesprochen, die sich von ihrer Profession her mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Somit ist die Psychoanalyse im Grunde ein ureigenes Thema von Pädagogen. Um so erstaunlicher ist es festzustellen wie sehr die Psychoanalyse, die sich doch permanent mit der Kindheit beschäftigt, heute diese Profession ausklammert. Während Pädagogen sich unmittelbar mit Kindern beschäftigen, haben Psychoanalytiker nur einen mittelbaren Zugang über die Rekonstruktion der Kindheit. Psychoanalytiker betrachten die Kindheit auf der Folie des Geronnenen im Erwachsenenalter. Lediglich psychoanalytische Kinder- und Jugendtherapeuten arbeiten direkt mit Kindern und Jugendlichen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Freud selbst immer sehr für die sog. Laienanalyse eingesetzt hat. Damit bezeichnete er die Psychoanalyse, die von Nicht-Ärzten durchgeführt wird. Freud schrieb in einem Brief im März 1926 an Paul Federn: „Der Kampf um die Laienanalyse muss irgendeinmal ausgefochten werden. Besser jetzt als später. Solange ich lebe, werde ich mich dagegen sträuben, dass die Psychoanalyse von der Medizin verschluckt wird“ (Kaufhold 1993, 5). Diesen Kampf hat Freud nicht ausfechten können. Es gab und gibt immer ein großes Interesse an der Psychoanalyse von Nicht-Ärzten, insbesondere von denen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiteten. So haben pädagogisch arbeitende Psychoanalytiker oder psychoanalytisch arbeitende Pädagogen und Sozialarbeiter auch viel zur theoretischen Weiterentwicklung psychoanalytischer Theorien und Konzepte beigetragen. Ich zeige im Folgenden auf, dass die fruchtbare Verbindung von Psychoanalyse und Sozialer Arbeit auf einer gegenseitigen Beeinflussung beruht.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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