Big Ideas. Das Feminismus-Buch - Georgie Carroll - E-Book
SONDERANGEBOT

Big Ideas. Das Feminismus-Buch E-Book

Georgie Carroll

0,0
19,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Feminismus anschaulich & verständlich erklärt! Facettenreich, komplex, vielfältig, revolutionär – der Feminismus zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Bewegungen unserer Zeit. Dieses innovative Nachschlagewerk führt mit informativen Diagrammen & originellen Grafiken leicht verständlich in über 100 feministische Ideen, Organisationen & Ereignisse ein – von kritischen Aktivistinnen des 17. Jahrhunderts bis zu feministischen Forderungen des 21. Jahrhunderts. Der neue Titel aus der DK Kultreihe! Das große Feminismus-Buch zum Nachschlagen – Zusammenhänge, Strömungen & Ziele des Feminismus kurzweilig und einfach aufbereitet: • Über 90 wichtige feministische Ideen: Dieses Buch erzählt die gesamte Geschichte des Feminismus – von den wichtigsten feministischen Ideen über Organisationen und Ereignisse bis zu den Biografien berühmter Feministinnen wie Mary Wollstonecraft oder Malala Yousafzai. • Wissen grafisch auf den Punkt gebracht: Interessante Diagramme sowie beeindruckende Illustrationen und Fotografien in einem jungen, frischen Layout erleichtern auf kreative Weise den Zugang zum vielfältigen Themenspektrum des Feminismus. • Kernfragen rund um die Frauenbewegung werden in diesem Buch verständlich und anschaulich beantwortet und regen zum Nachdenken an. • Die Geschichte des Feminismus in sechs großen Kapiteln! Fundiert & zugänglich aufbereitet: Der perfekte Überblick zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit – Basiswissen zum Studieren, Informieren oder Nachschlagen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 561

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

VORWORT

EINLEITUNG

GEBURT DES FEMINISMUS

18. — FRÜHES 19. JH.

Männer werden frei geboren, Frauen als Sklaven

Früher Feminismus in Großbritannien

Unser Körper ist das Kleid unserer Seele

Früher Feminismus in Skandinavien

Verletzte Frau, erhebe dich, fordere dein Recht!

Kollektives Handeln im 18. Jh.

Es steht in eurer Macht, [die Hindernisse] zu überwinden

Aufklärung und Feminismus

Ich will nicht, dass [Frauen] Macht über Männer haben, sondern über sich selbst

Emanzipation von der Häuslichkeit

Wir rufen alle Frauen auf, gleich welchen Standes

Emanzipation der Arbeiterin

Ich lehrte sie die Religion Gottes

Bildung für islamische Frauen

Jeder Weg stehe der Frau so offen wie dem Mann

Weibliche Autonomie in einer männlich dominierten Welt

DER KAMPF UM GLEICHE RECHTE

1840–1944

Wer seine Arbeitskraft verkauft, verkauft sich selbst

Gewerkschaftliche Organisation

Bloßes Werkzeug der Kindererzeugung

Marxistischer Feminismus

Wir halten diese Wahrheit für offensichtlich: dass alle Männer und Frauen gleich geschaffen sind

Die Wahlrechtsbewegung

Ich habe genauso viele Muskeln wie ein Mann

Rassen- und Geschlechtergleichheit

Eine Frau, die ihren Teil beiträgt, kann nicht verächtlich behandelt werden

Arbeit und Ehe

Heirat macht einen gewaltigen rechtlichen Unterschied für Frauen

Rechte verheirateter Frauen

Mehr denn je war ich entschlossen, Ärztin zu werden

Bessere medizinische Versorgung für Frauen

Die Menschen billigen beim Mann, was bei der Frau scharf verurteilt wird

Sexuelle Doppelmoral

Kirche und Staat setzen den Mann durch ein Gottesrecht über die Frau

Institutionen als Unterdrücker

Die Familie legt alle Frauen in Ketten

Verstaatlichung der Kinderbetreuung

Am Anfang war die Frau die Sonne, jetzt ist sie ein matter Mond

Feminismus in Japan

Fasst Mut, haltet euch an den Händen, stellt euch neben uns

Politische Gleichheit in Großbritannien

Wir bekriegen den Krieg

Frauen für den Frieden

Gebt uns die Rechte, die wir verdienen

Frauenwahlrecht weltweit

Verhütung ist der erste Schritt zur Freiheit

Geburtenkontrolle

Männer erkennen nicht an, welche Fähigkeiten alle Frauen haben

Früher arabischer Feminismus

Es gibt kein Tor, kein Schloss, keinen Riegel, die ihr vor die Freiheit meines Geistes setzen könnt

Geistige Freiheit

Die Lösung liegt in der Revolution

Anarcha-Feminismus

DAS PERSÖNLICHE IST POLITISCH

1945–1979

Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es

Wurzeln der Unterdrückung

Etwas ist sehr falsch daran, wie amerikanische Frauen versuchen zu leben

Das Problem ohne Namen

»Gottes Plan« meint oft einen Plan von Männern

Feministische Theologie

Unsere Biologie ist nicht richtig analysiert worden

Lust

Ich habe begonnen, einen Beitrag zu leisten

Feministische Kunst

Schluss mit Miss America!

Die Befreiung der Frau als Massenbewegung

Unsere Gefühle bringen uns zum Handeln

Bewusstseinsbildung

Gleichmacherin, Befreierin

Die Pille

Wir gehen den Weg bis zum Ende

Radikaler Feminismus

Der Feminismus wird die grundlegendsten Strukturen der Gesellschaft zerstören

Familienstrukturen

Frauen ahnen kaum, wie sehr Männer sie hassen

Frauenfeindlichkeit

Die Autorinnen von Ms. machten aus einer Bewegung ein Magazin

Moderne feministische Veröffentlichungen

Patriarchat, ob reformiert oder nicht, ist immer noch Patriarchat

Patriarchat als Sozialkontrolle

Uterusneid quält das männliche Unterbewusstsein

Gebärmutterneid

Wir sind immer ihre unentbehrlichen Arbeitskräfte

Lohn für Hausarbeit

Gesundheit muss von uns definiert werden

Frauenzentrierte Gesundheitsfürsorge

Frauen haben noch nicht begonnen aufzubegehren

Frauen in die Geschichte einschreiben

Die Freiheit der Frau steht auf dem Spiel

Das Recht auf Abtreibung

Ihr müsst protestieren, ihr müsst streiken

Frauen in den Gewerkschaften

Schrei leise

Schutz vor häuslicher Gewalt

Der männliche Blick projiziert seine Fantasie auf die weibliche Gestalt

Der männliche Blick

Vergewaltigung ist eine Methode systematischer Einschüchterung

Vergewaltigung als Machtmissbrauch

Als Frau geborene Frau zu sein ist eine gelebte Erfahrung

Trans-feindlicher radikaler Feminismus

Fett ist eine Art, »Nein« zur Machtlosigkeit zu sagen

Körperfett ist positiv

Die Befreiung der Frauen, die Befreiung aller

Feminismus in Indien

Unsere Stimme wurde nicht beachtet

Feministisches Theater

Alle Feministinnen können und sollten Lesben sein

Politischer Lesbianismus

Die Frau muss sich in den Text einschreiben

Poststrukturalismus

POLITIK DER DIFFERENZIERUNG

DIE 1980ER-JAHRE

Sprachliche Mittel des Patriarchats

Sprache und Patriarchat

Die Heterosexualität wurde den Frauen aufgezwungen

Erzwungene Heterosexualität

Pornografie ist zwangsläufig die Sexualität männlicher Machtausübung

Antipornografischer Feminismus

Frauen sind Wächterinnen der Zukunft

Ökofeminismus

»Frausein« ist angesagt – aber das schafft nicht jede

Rassismus und Klassenvorurteile im Feminismus

Das Militär ist ganz offensichtlich ein Produkt des Patriarchats

Frauen gegen Atomwaffen

Womanist ist im Vergleich zu feministisch wie lila zu lavendel

Schwarzer Feminismus und Womanismus

Du kannst nicht das Haus des Herren mit dem Handwerkszeug des Herren abreißen

Wut als Waffe der Aktivistinnen

Die Hälfte der Bevölkerung arbeitet praktisch für nichts

Bruttoinlandsprodukt

Die weiße Gesellschaft hat uns unserer Persönlichkeit beraubt

Antikolonialismus

Eine Gemeinschaft von Schwestern im Kampf

Postkolonialer Feminismus

Lass uns die Vorfahren sein, denen unsere Nachfahren danken

Indigener Feminismus

Frauen stecken in der beruflichen Sackgasse

Pink-Collar-Feminismus

Frauenthemen wurden vergessen

Feminismus in China nach Mao

Zwangsheirat ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte

Zwangsehen verhindern

Hinter jeder Verurteilung von Erotik steckt ein verlogener Heuchler

Sexpositiver Feminismus

Jede hat das Recht, die Wahrheit über ihr Leben zu sagen

Überlebende, keine Opfer

Unverdiente Privilegien sind die Erlaubnis zu herrschen

Privilegien

Alle Systeme der Unterdrückung greifen ineinander

Intersektionalität

Wir könnten jede sein und wir sind überall

Guerrilla-Proteste

EINE NEUE WELLE ENTSTEHT

1990–2010

Ich bin die dritte Welle

Postfeminismus und die dritte Welle

Geschlecht ist die Wiederholung bestimmter Handlungsmuster

Geschlecht ist performativ

Feminismus und Queer-Theorie sind Äste des gleichen Baums

Feminismus und Queer-Theorie

Der Mythos Schönheit schreibt ein Verhalten vor, kein Aussehen

Mythos Schönheit

Reproduktive Gerechtigkeit basiert auf den Menschenrechten

Reproduktive Gerechtigkeit

Gesellschaft lebt von Dichotomien

Bisexualität

Der antifeministische Backlash ist los

Antifeministischer Backlash

Mädchen können wirklich die Welt verändern

Die Riot-Grrrl-Bewegung

Frauenfiguren, wie Männer sie sich vorstellen

Antike Philosophie, neu gedacht

Die Sprache der Theologie bleibt sexistisch und exklusiv

Befreiungstheologie

Behindert ist nicht minderwertig, weiblich auch nicht

Feminismus unter Behinderten

Weibliche Überlebende halten Familien und Länder zusammen

Frauen in Kriegsgebieten

Eine Frage der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern

Gegen weibliche Genitalbeschneidung

Vulgär-Kultur ist nicht fortschrittlich

Raunch Culture

Gleichheit und Gerechtigkeit sind nötig und möglich

Moderner islamischer Feminismus

Eine neue Art des Feminismus

Transfeminismus

MODERNER KAMPF GEGEN DEN SEXISMUS

2010 UND SPÄTER

Vielleicht ist die vierte Welle online

Feminismus im Netz

Der Feminismus braucht die Sexarbeiterinnen – und umgekehrt

Unterstützung für Sexarbeiterinnen

Meine Kleidung bedeutet nicht mein Einverständnis

Schluss mit der Opferschuldzuweisung

Feminität ist zur Marke geworden

Antikapitalistischer Feminismus

Wir sollten alle Feminist*innen sein

Universaler Feminismus

Es geht nicht um »Männer gegen Frauen«

Sexismus ist überall

Wir können nicht alle Erfolg haben, wenn die Hälfte von uns ausgebremst wird

Mädchenbildung weltweit

Keine weiblichen Führer, nur Führer

Lean in – Häng dich rein

Verweise auf ein Problem und du wirst zum Problem

Die feministische Spielverderberin

Frauen sind eine Gemeinschaft und diese Gemeinschaft ist nicht sicher

Männer verletzen Frauen

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Die Lohnlücke

Überlebende sind schuldig bis zum Beweis des Gegenteils

Gegen sexuelle Gewalt auf dem Campus

Frauen am Steuer

Das Recht, Auto zu fahren

#MeToo

Sexuellen Missbrauch anprangern

MEHR FEMINISMUS

GLOSSAR

DANK

MITWIRKENDE

VORWORT

Frisch von der Universität bewarb ich mich für eine Stelle. Während des Vorstellungsgesprächs blickte der Ältere meiner beiden Gesprächspartner auf meinen Lebenslauf und fragte, als er sah, dass ich für die Studentenzeitung über Frauenfragen geschrieben hatte: »Sind Sie Feministin?« Offensichtlich dachte er an Frauen in Latzhosen, die mit Plakaten auf den Straßen protestierten – aber ich wollte einen Job, also antwortete ich vorsichtig: »Nun, ich entspreche meiner Vorstellung von einer Feministin. Vermutlich nicht Ihrer.« Angesichts meiner Diplomatie nickte er anerkennend, griff das Thema aber ständig wieder auf – obwohl sein jüngerer Kollege versuchte einzugreifen. Bis ich, außer mir, rief: »Mein Gott! Ich habe mir für dieses Gespräch die Beine rasiert, wenn Sie das beruhigt!« Der junge Kollege erstarrte, der ältere aber lachte. Ich bekam die Stelle.

Damit möchte ich sagen: Feminismus ist eine komplizierte Sache. Unwissenheit gibt es zuhauf, ebenso Stereotype, Feindseligkeit und einfach Verwirrung. Die einzig mögliche Reaktion darauf ist zu informieren, um die Leere, in der sich Ängste, Zweifel und Vorurteile breit machen, mit Fakten zu füllen. Alles, vom Mastodon bis zu globalen gesellschaftspolitischen Bewegungen, ist viel weniger beunruhigend, wenn es aus dem Dunkel heraustritt und man sieht, womit man es zu tun hat. Dieses Buch beleuchtet den Feminismus von allen Seiten und beseitigt die Unwissenheit Stück für Stück.

Und es erfüllt noch eine zweite wichtige Funktion: Es soll insbesondere Frauen ein Gefühl für ihren Platz in der Geschichte geben, die bekanntlich von den Siegern geschrieben wird. Weibliche Aktivistinnen und ihre Errungenschaften wurden schon immer zu wenig zelebriert, verbreitet und anerkannt. Das macht es schwieriger, auf dem Vorhergehenden aufzubauen. Das Rad muss neu erfunden werden, was auch dann anstrengend ist, wenn man nicht gleichzeitig die nächste Generation zur Welt bringen und aufziehen muss.

Kaum jemand lernt in der Schule etwas über den Feminismus. Ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern fällt meist an kleinen Dingen auf. Bei mir waren es oft kleine Erkenntnisse, die mich empörten und sich wie Kletten in mein Gehirn hakten. So erfuhr ich mit zehn Jahren, dass der jüngere Bruder meiner Freundin mehr Taschengeld bekam als sie. Warum? Weil er ein Junge war. Diese Ungerechtigkeit spürte ich fast als körperlichen Schmerz. Einige Jahre später las ich im Magazin Just Seventeen, dass Claudia Schiffer, das erfolgreichste Supermodel der 1980er-Jahre, unter ihrem »ungleichmäßigen Haaransatz« litt. Irgendwo tief in mir erkannte ich, dass einer Welt, in der sich eine junge Frau so fühlte, wenig am Wohlbefinden der Frauen liegen konnte. Mit den Jahren kommen große und kleine Erkenntnisse hinzu, bis die Begünstigung der Männer so offensichtlich ist, dass sie sich nicht mehr ignorieren lässt. Dann fangen wir an, nach Antworten zu suchen. Was bedeutet: entweder Elektrolyse oder Feminismus.

Was aber ist Feminismus? Kann man gleich sein und verschieden? Das Patriarchat ablehnen und Männer mögen? Soll man gegen jede Kleinigkeit kämpfen oder sich auf die großen Dinge konzentrieren? Und habe ich mich mit meinen rasierten Beinen für die Schwesternschaft für immer disqualifiziert?

Weiß man, welche Formen der Feminismus im Laufe der Zeit ausgeprägt hat, wie er sich entwickelt hat, welche Stärken und blinde Flecken er hat, welche Kämpfe bereits siegreich ausgefochten wurden und welche erneut gekämpft werden müssen, kann man auf eine historische Reservearmee blicken, die Truppen der Argumente aufstellen und mit dem Wissen in die Schlacht ziehen, dass man nicht allein ist und es nie war.

Hier findet man die Mystikerinnen, Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen, Künstlerinnen und viele mehr, die neue Gedanken in die Welt gesetzt haben, neue Einstellungen, neue Definitionen, neue Regeln, neue Prioritäten, neue Einsichten, damals und heute. Was ist Feminismus? Dieses Buch erklärt es.

Lucy Mangan

EINLEITUNG

Seit Jahrhunderten begehren Frauen gegen die Ungerechtigkeiten auf, die sie aufgrund ihres Geschlechts erleiden. Als Konzept wurde »Feminismus« jedoch erst 1837 geboren, als der Franzose Charles Fourier den Begriff féminisme erstmals verwendete. In den folgenden Jahrzehnten stand er in Großbritannien und den USA für eine Bewegung, die die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter anstrebte und die Unterdrückung der Frau durch den Mann beenden wollte.

Infolge unterschiedlicher Ziele und Grade der weltweiten Geschlechterungleichheit entstanden verschiedene feministische Strömungen. Da der Feminismus mit seinen sich stetig weiterentwickelnden Vorstellungen und Zielen Gesellschaften seit seinen Anfängen formt, zählt er zu den wichtigsten Strömungen unserer Zeit – inspirierend, einflussreich und sogar große Bevölkerungsgruppen betreffend, je mehr er sich weiterentwickelt.

Den Weg ebnen

Die männliche Dominanz hat ihre Wurzeln im Patriarchat, das seit Jahrhunderten das Fundament der meisten Gesellschaften ist. Aus welchen Gründen das Patriarchat auch entstand – die Gesellschaften wurden komplexer, mussten stärker reguliert werden, und die Männer schufen Institutionen, die ihre Macht festigten und die Frauen unterdrückten. Die Herrschaft des Mannes wurde in jedem Bereich der Gesellschaft durchgesetzt: Regierung, Gesetz, Religion, Ehe und Heim. Der männlichen Herrschaft untergeordnet und machtlos, galten Frauen intellektuell, sozial und kulturell als minderwertig.

Nachweise von Frauen, die die patriarchalen Grenzen herausforderten, sind rar, auch weil Männer die Geschichte schrieben. Mit Beginn der Aufklärung um 1800 und der wachsenden Bedeutung der individuellen Freiheit machten Vorkämpferinnen auf die Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt waren, aufmerksam. Im Zuge der Revolutionen in den USA (1775–1783) und in Frankreich (1789–1799) forderten viele Frauen auch für ihr Geschlecht neue Freiheiten. Damals waren sie nicht erfolgreich, doch dauerte es nicht lange, bis immer mehr Frauen den Kampf aufnahmen.

»Ich habe mich nie minderwertig gefühlt … Dennoch, ›eine Frau zu sein‹ verweist jede Frau auf den zweiten Rang.«

Simone de Beauvoir

Mehrere Wellen

Soziologen unterscheiden drei große »Wellen« des Feminismus. Manche Feministinnen sprechen von einer vierten Welle in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts. Jede Welle wurde durch bestimmte Katalysatoren ausgelöst, wenngleich der Feminismus eine sich beständig fortentwickelnde Bewegung mit einem breiten Spektrum an Zielen ist.

Die erste Welle begann Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA und in Europa. Den Zielen dieser Welle lagen dieselben freiheitlichen Prinzipien zugrunde wie dem Kampf zur Abschaffung der Sklaverei. Frühe Feministinnen (vor allem gebildete Frauen der weißen Mittelschicht) forderten das Wahlrecht, gleichen Zugang zu Bildung und gleiche Rechte in der Ehe. Die erste Welle endete um 1920. Die Frauen in den meisten westlichen Ländern hatten nun das Wahlrecht erhalten. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) waren die Energien gebunden. Erst um 1960 nahm die zweite Welle Fahrt auf, beeinflusst durch Schriften, die im Krieg entstanden waren. Der Slogan »Das Persönliche ist politisch« brachte diese neue Welle auf den Punkt. Die Frauen mussten feststellen, dass die in der ersten Phase gewonnenen Rechte ihren Alltag kaum verbessert hatten, und richteten ihre Aufmerksamkeit nicht auf Ungleichheiten am Arbeitsplatz und in der Familie, sondern diskutierten nun sexuelle »Normen«.

Die zweite Welle, angeheizt durch das revolutionäre Klima der 1960er-Jahre, ist als furchtlose Frauenbefreiungsbewegung in die Geschichte eingegangen, die die Unterdrückung der Frau genauer analysierte und beenden wollte. Während neue Kurse in feministischer Theorie an Universitäten die Wurzeln der Unterdrückung untersuchten und die Vorstellungen vom Geschlecht analysierten, nahmen Basisorganisationen die Ungerechtigkeiten in Angriff. Die Frauen holten sich die Kontrolle über die Geburten vom männlich dominierten Berufsstand der Gynäkologen zurück, kämpften für das Recht auf Abtreibung und wehrten sich gegen Tätlichkeiten.

Um 1980 ebbte die zweite Welle ab, geschwächt durch interne Querelen und ein zunehmend konservatives politisches Klima. Doch nun erstarkten der schwarze Feminismus und die Idee der Intersektionalität – die Erkenntnis der Mehrfachbenachteiligung dunkelhäutiger Frauen –, die der Feminismus der weißen Frauen der Mittelschicht nicht adressierte. Dieses Konzept, erstmals 1989 von Kimberlé Crenshaw vertreten, fand außer in den USA und in Großbritannien auch in den ehemaligen Kolonien weltweit Anklang.

Neue Sorgen

Die US-Feministin Rebecca Walker formulierte um 1990 angesichts des Freispruchs eines mutmaßlichen Vergewaltigers die Notwendigkeit einer dritten Welle, da Frauen weiterhin Befreiung bräuchten und nicht nur Gleichheit, die Postfeministinnen für erreicht hielten. Die dritte Welle umfasste verschiedene, oft gegensätzliche Strömungen, die sich u. a. mit sexueller Freiheit, Transfrauen und der Frage, ob feministische Ziele im Kapitalismus erreicht werden können, beschäftigten. Dieser reiche Ideenaustausch setzte sich bis ins neue Jahrtausend fort, gestützt durch Blogs und soziale Medien. Heutige Themen sind sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und die geschlechterspezifische Lohnlücke. Damit ist der Feminismus noch ebenso relevant wie in der Vergangenheit.

»Eine Frau darf nicht akzeptieren. Sie muss herausfordern.«

Margaret Sanger

Dieses Buch

Das Panoptikum der vorgestellten Persönlichkeiten, die für einen besseren Platz der Frau in der Gesellschaft gekämpft haben, ist keinesfalls erschöpfend. Dieses Buch stellt einige der bedeutendsten Ideen vom 18. Jahrhundert bis heute zu diesem Thema vor. Jeder Eintrag konzentriert sich auf einen Zeitabschnitt und ein bedeutendes Zitat einer Frau aus dieser Zeit. Dieses Buch reflektiert, wie fundamental der Feminismus für das Verständnis unserer heutigen Welt ist, und wie viel noch zu tun ist.

GEBURT DES FEMINISMUS

18. — FRÜHES 19. JAHRHUNDERT

1700

In ihrem Buch Some Reflections on Marriage vertritt die Engländerin Mary Astell die Ansicht, dass Gott Männer und Frauen mit Seelen von gleicher Intelligenz geschaffen hat

1734

Das Bürgerliche Gesetzbuch in Schweden gewährt Frauen bestimmte Rechte, insbesondere verbietet es dem Mann, den Besitz seiner Frau ohne ihr Einverständnis zu verkaufen.

1750er

In England wird die Blaustrumpf-gesellschaft ins Leben gerufen – eine informelle Gruppe für gebildete Frauen und eingeladene Männer, die sich zu Diskussionen traf.

1765

Die Daughters of Liberty schließen sich in den USA zusammen, um gegen Einfuhrzölle zu protestieren und die Unabhängigkeit Amerikas von Großbritannien zu unterstützen.

1790

Die amerikanische Frauenrechtlerin Judith Sargent Murray behauptet in ihrem Aufsatz »On the Equality of the Sexes«, dass Frauen ebenso intelligent sind wie Männer.

1791

In ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin fordert die französische politische Aktivistin Olympe de Gouges für Frauen dieselben Bürgerrechte, wie sie für Männer gelten.

1792

Die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft fordert in Die Verteidigung der Frauenrechtedas Recht der Frauen auf Bildung.

1830

Im heutigen Norden von Nigeria bildet Nana Asma’u eine Gruppe Frauen, Jajis genannt, dazu aus, durch das Kalifat Sokoto zu reisen und andere Frauen zu unterrichten.

1832

In Frankreich wird Suzanne Voilquin Herausgeberin der ersten bekannten feministischen Zeitschrift für Arbeiterinnen,Tribune des femmes.

Das Wort »Feminismus« wurde erst um 1890 geläufig, doch schon lange vorher vertraten einzelne Frauen feministische Ansichten. Anfang des 18. Jahrhunderts begannen Frauen in verschiedenen Teilen der Welt zu hinterfragen, ob ihr benachteiligter Status natürlich und unvermeidlich war. In Schriften und Diskussionen formulierten sie einzeln und in Gruppen ihren Widerstand gegen ihre untergeordnete Rolle und forderten mehr Rechte und Ebenbürtigkeit mit den Männern.

Von Schwäche zu Stärke

Anfang des 18. Jahrhunderts galten Frauen als von Natur aus den Männern unterlegen–intellektuell, sozial und kulturell. Dies war ein tiefer, seit Langem gefestigter Glaube, untermauert durch die christliche Lehre, die Frauen als das »schwächere Gefäß« ansah. Frauen waren der Kontrolle ihres Vaters und später ihres Ehemanns unterworfen.

Mit Fortschreiten des Jahrhunderts wirkten sich soziale und technische Veränderungen tief greifend auf das Leben der Frau aus. Das Erstarken von Handel und Industrie schuf eine blühende, strebsame Mittelschicht, in der die gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter scharf definiert waren. Die öffentliche Sphäre von Arbeit und Politik war den Männern vorbehalten, während für Frauen die private Sphäre bestimmt war, eine Trennung, die sich zunehmend verfestigte.

Die Technisierung veränderte auch die Druckindustrie und brachte eine Flut von Zeitschriften, Pamphleten, Romanen und Dichtung hervor, die Informationen und neue Ideen verbreiteten. Diese wurden von privilegierten gebildeten Frauen aufgesogen. Einige von ihnen wandten sich, den gesellschaftlichen Einschränkungen zum Trotz, dem Schreiben zu und verbreiteten mit dem gedruckten Wort feministische Ansichten.

Einige der frühesten feministischen Schriften kamen Mitte des 18. Jahrhunderts aus Schweden. Eine relativ liberale Einstellung zu den Rechten der Frau bot Intellektuellen wie der Verlegerin und Journalistin Margareta Momma oder der Dichterin Hedvig Nordenflycht die Chance, feministische Themen in Druckwerken zu verbreiten.

In Großbritannien erschienen feministische Theorien ab Beginn des 18. Jahrhunderts, vor allem die Werke Mary Astells. Sie argumentierte, dass Gott Frauen ebenso viel Vernunft geschenkt hatte wie Männern, und behauptete mutig, die untergeordnete Rolle der Frau sei weder gottgegeben noch unvermeidlich.

Um 1750 trafen sich gebildete Frauen in Deutschland und anderen Ländern Europas in literarischen »Salons«, wo sie Literatur diskutierten und Ideen austauschten. Die Salons erschlossen weiblichen Erfahrungen einen Raum und förderten Schriftstellerinnen und Denkerinnen.

Neue Ideen und Revolution

Zwei intellektuelle, kulturelle und politische Entwicklungen in Europa und Amerika rüttelten im 18. Jahrhundert den Feminismus wach: die Aufklärung und die Revolutionen in Amerika und Frankreich. Philosophen der Aufklärung wie die Franzosen Jean-Jacques Rousseau und Denis Diderot stellten die gesellschaftliche Tyrannei durch die ererbten Privilegien von Königen, Adel und Kirchen infrage. Sie fochten für Freiheit, Gleichheit und die »Menschenrechte« – bei Rousseau schloss dies die Frauen jedoch aus.

In den Revolutionen, die Amerika 1783 seine Unabhängigkeit von Großbritannien verschafften und Frankreich von 1789 an erschütterten, spielten Frauen eine aktive Rolle. Inmitten der kollektiven Rufe nach Freiheit und Bürgerrechten begannen auch sie, Rechte zu fordern. In Amerika ermahnte die Frau des zweiten Präsidenten Abigail Adams die Gründungsväter, »die Damen nicht zu vergessen«, die die Revolution unterstützt hatten, und in Frankreich forderte die Theaterautorin und Aktivistin Olympe de Gouges in ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin gleiche Rechte für Frauen und Männer. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution veröffentlichte die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft Die Verteidigung der Frauenrechte, einen Meilenstein der feministischen Literatur, der die häusliche Tyrannei als größtes Hindernis zu weiblicher Unabhängigkeit benannte und den Zugang zu Bildung und Arbeit forderte.

Viele prominente Frauenrechtlerinnen entstammten den privilegierten Klassen. Ab 1800 wurden in Großbritannien und den USA auch Arbeiterinnen politisch aktiv, oft mit den neuen Arbeiterbewegungen. Auch in Teilen der islamischen Welt kamen feministische Ansichten auf. Diese Stimmen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts noch lauter.

MÄNNER WERDEN FREI GEBOREN, FRAUEN ALS SKLAVEN

FRÜHER FEMINISMUS IN GROSSBRITANNIEN

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Mary Astell, 1706

SCHLÜSSELFIGUR

Mary Astell

FRÜHER

1405 In Das Buch von der Stadt der Frauen errichtet die Französin Christine de Pizan eine symbolische Stadt aus Heroinnen der Geschichte, die die Bedeutung der Frau zeigt.

1589 Die Engländerin Jane Anger verteidigt Frauen und kritisiert Männer in ihrem Pamphlet Jane Anger: her Protection for Women.

SPÄTER

1792 Mary Wollstonecrafts Die Verteidigung der Frauenrechte ruft die Frauen auf, von Männern unabhängig zu werden.

1843 Die schottische Feministin Marion Reid kritisiert in A Plea for Women, dass die Verhaltensnormen der Frau ihre Möglichkeiten einschränken.

Fast 200 Jahre, bevor »Feminismus« ein Konzept wurde, begannen einzelne Frauen die geltende Ansicht, das weibliche Geschlecht sei minderwertig, herauszufordern. Eine der bedeutendsten Stimmen in England war die von Mary Astell. In ihren Schriften äußerte sie, dass Frauen klarer und kritischer Gedanken genauso fähig seien wie Männer. Ihre scheinbare Unterlegenheit sei Folge der männlichen Kontrolle und des begrenzten Zugangs zu Bildung.

Das schwächere Gefäß?

Das 17. Jahrhundert war politisch eine unruhige Zeit, doch der englische Bürgerkrieg (1642–1651) und die Restauration der Monarchie änderten für Frauen wenig. Sie galten als »schwächeres Gefäß« – eine Behauptung, die von christlicher Kirche und Bibel gestützt wurde, der zufolge Eva aus einer Rippe Adams erschaffen war. Die Natur hatte die Frau eben nur zur Ehefrau und Mutter bestimmt.

Doch für nonkonformistische oder andersdenkende Sekten wie die Anabaptisten und Quäker waren Frauen und Männer vor Gott gleich. Frauen durften an den Treffen teilnehmen und sogar predigen. Sie spielten auch bei den Levellers, einer egalitären Bewegung aus dem Bürgerkrieg, eine Rolle, doch deren Forderung nach Ausweitung des Wahlrechts galt nicht für Frauen.

Margaret Cavendish erklärte, sie schreibe, da Frauen im öffentlichen Leben so viel versagt war. In 20 Jahren publizierte sie 23 Werke: Erzählliteratur, Essays, Dramen, Dichtung und Briefe.

Proto-Feministinnen

Allen Schranken zum Trotz wandten sich einige Frauen dem Schreiben zu, um die Minderwertigkeit der Frau zu widerlegen, etwa Bathsua Makin, Autorin von An Essay To Revive the Antient Education of Gentlewomen (1673), und Margaret Cavendish, Duchess of Newcastle, die den Platz der Frau in der Gesellschaft stark kritisierte. In ihren Philosophical and Physical Opinions (1655) klagte sie, dass Frauen »wie Vögel in Käfigen gehalten« wurden, ausgeschlossen von aller Macht und von arroganten Männern verachtet. Dies brachte ihr heftige männliche Kritik ein.

Aphra Behn, 1640 in einfachen Verhältnissen geboren, Reisende, Spionin und Schriftstellerin, lebte als erste Engländerin vom Schreiben. Ihre Dramen verspotteten die männlich dominierte Welt der Literatur und männliches Verhalten. Kritiker fanden sie unsittlich und beschuldigten sie des Plagiats, aber ihr Publikum war begeistert.

»Denn da Gott Frauen wie Männern verständige Seelen gegeben hat, warum sollte es ihnen verboten sein, diese zu bilden?«

Mary Astell

Radikale Analyse

Die Schriftstellerin Mary Astell widersprach der Ansicht, dass die »minderwertigen« Frauen unter männlicher Kontrolle stehen sollten. Die fromme Christin argumentierte gegen die Behauptung der Kirche, die zweitrangige Rolle der Frauen sei gottgewollt, dass Gott auch die Frauen mit »intelligenten Seelen« und der »Fähigkeit zu denken« ausgestattet habe. Allein die Männer hatten sie untergeordnet. Indem sie Frauen eigenständiges Denken versagten, versklavten sie sie und beleidigten Gott.

Für Astell war bessere Bildung der Schlüssel zu mehr Gleichheit. In A Serious Proposal to the Ladies (1694) fordert sie die Frauen auf, ihren Intellekt und ihre Fähigkeiten zu entwickeln, statt sich den Männern zu fügen. Sie schlägt sogar die Gründung eines weltlichen Klosters oder einer Universität vor. Zwar akzeptiert sie die Notwendigkeit der Ehe, heiratet selbst aber nie. In Some Reflections on Marriage (1700) warnt sie Frauen vor Ehen, die auf Lust oder Geld basieren. Sie glaubte, dass Bildung Frauen kluge Entscheidungen ermöglicht und Unglück vermeiden hilft.

Wie ihre Zeitgenossinnen war Astell keine Aktivistin, schrieb aber intensiv über die Lage der Frauen ihrer Umgebung aus feministischer Perspektive. Ihre Theorien sind bis heute gültig. Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis andere Frauen die Diskussion öffentlich fortführten.

Aphra Behn, hier auf einem Porträt des Niederländers Peter Lely aus dem 17. Jahrhundert, begann zu schreiben, um den Schulden zu entkommen. Sie wurde berühmt und nach ihrem Tod 1689 in Westminster Abbey beigesetzt.

Mary Astell

1666 in Newcastle upon Tyne (England) in eine Familie der oberen Mittelschicht geboren, erhielt Mary Astell nur wenig formelle Bildung. Ihr Onkel Ralph Astell unterrichtete sie in klassischer Philosophie. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1688 zog sie in den Londoner Stadtteil Chelsea und lebte mühsam vom Schreiben, wurde von literarischen und intellektuellen Freundinnen und Mäzeninnen aber ermutigt. William Sancroft, Erzbischof von Canterbury, ebenfalls ein Freund, unterstützte sie finanziell. Ihr erstes Buch, A Serious Proposal to the Ladies, etablierte sie als ernsthafte Denkerin. 1709 zog sie sich aus dem öffentlichen Leben zurück und gründete in Chelsea eine Armenschule für Mädchen. 1731 starb sie nach einer Mastektomie aufgrund von Brustkrebs.

Hauptwerke

1694A Serious Proposal to the Ladies

1700Some Reflections on Marriage

UNSER KÖRPER IST DAS KLEID UNSERER SEELE

FRÜHER FEMINISMUS IN SKANDINAVIEN

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Sophia Elisabet Brenner, 1719

SCHLÜSSELFIGUREN

Sophia Elisabet Brenner, Margareta Momma, Hedvig Nordenflycht, Catharina Ahlgren

FRÜHER

1687 König Christian V. von Dänemark und Norwegen erlässt ein Gesetz, das unverheiratete Frauen für unmündig erklärt.

SPÄTER

1848 Die schwedische Schriftstellerin und feministische Aktivistin Sophie Sager stellt ihren Vermieter wegen Vergewaltigung in einem wegweisenden Rechtsfall vor Gericht.

1871 Die Frauenrechtsgesellschaft Dansk Kvindesamfund wird von Matilde und Fredrik Bajer in Dänemark gegründet.

Im 18. Jahrhundert gewährte Stockholm, hier auf einem Gemälde von Elias Martin (1739–1818), seinen Bürgern immer mehr Rechte. Einige der frühesten Feministinnen lebten hier.

Mit Beginn der schwedischen Freiheitszeit (1718–1772) ging die Macht von der Monarchie auf die Regierung über. Politische und philosophische Debatten mehrten sich und mit ihnen die Forderungen nach mehr Freiheit für Frauen. Die Verfassung von 1734 spiegelte das progressive Milieu wider – Frauen erhielten Recht auf Besitz und auf Scheidung bei Ehebruch.

Frühaufklärung

Die schwedische Schriftstellerin und gebildete Aristokratin Sophia Elisabet Brenner erklärte als eine der ersten Frauen öffentlich, dass Frauen dieselben Rechte zustünden wie Männern. Ihr 1693 publiziertes Gedicht Die berechtigte Verteidigung des weiblichen Geschlechts bekräftigte, dass Frauen Männern intellektuell ebenbürtig seien. 1719 schrieb sie in einem Gedicht für Königin Ulrika Eleonora von Schweden, Männer und Frauen seien gleich, wenn auch nicht äußerlich.

In »Conversation between the Shades of Argus and an unknown Female« (1738–1739) nimmt die Journalistin Margareta Momma den Ruf nach Bildung für Frauen auf und äußert sich satirisch über Kritiker, die Frauen der Debatte für unfähig befinden. Im Geist der Aufklärung forderte sie die Freiheit der Rede und der Religion und setzte sich für den Gebrauch der schwedischen Sprache statt des aristokratischen Französisch ein, um mehr Menschen Zugang zu neuen Ideen zu geben.

»Eine energische Frau, aber sehr talentiert.«

Jonas ApelbladSchwedischer Reiseschriftsteller über Catharina Ahlgren

Intellektuelle Anerkennung

Die Schriftstellerin Hedvig Charlotta Nordenflycht debütierte literarisch mit Die Klage der schwedischen Frau (1742), einem Gedicht zur Bestattung von Königin Ulrika Eleonora, in dem die Dichterin mehr Rechte für ihr Geschlecht fordert. Anders als Momma und viele Zeitgenossinnen veröffentlichte sie unter eigenem Namen. Beruflich erfolgreich, wurde sie 1753 als einzige Frau in den Tankebyggararorden (Orden von Gedankenerrichtern) aufgenommen, eine literarische Gruppe in Stockholm, die die schwedische Literatur erneuern wollte. Nordenflycht unterhielt auch selbst einen Salon, den die besten Autoren der Zeit zum Gedankenaustausch aufsuchten. Mit ihrer Verteidigung des weiblichen Intellekts in Gedichten wie Die Pflicht der Frau, ihren Verstand zu gebrauchen und ihrem Protest gegen Frauenhass in Verteidigung von Frauen (1761) forderte sie das Recht ein, intellektuell aktiv zu sein.

Sprache der Wissenschaft

Catharina Ahlgren, eine Freundin von Nordenflycht, publizierte ihr erstes Gedicht 1764 zum Geburtstag von Königin Louisa Ulrika. Schon als Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Deutschen bekannt, schrieb sie 1772 unter dem Pseudonym »Adelaide« rhetorische Briefe, die in zwei Zeitschriften erschienen. Die an Männer und Frauen adressierten Briefe setzen sich für sozialen Aktivismus, Demokratie, Geschlechtergleichheit und weibliche Solidarität angesichts der Dominanz des Mannes ein. Wahre Liebe sei nur möglich, wenn Mann und Frau sich als gleichwertig ansehen. Häufigstes Thema der Briefe ist Freundschaft, weitere sind Moral und Rat an Töchter. Vermutlich verfasste Ahlgren auch den Aufsatz »Die modernen Frauen Sophia und Belisinde diskutieren Ideen«, der kritisiert, dass Französisch gelehrt wird, die Sprache der leichten Romanzen. Frauen sollten Englisch lernen, Sprache der Wissenschaft und des gelehrten Diskurses.

Hedvig Nordenflycht wurde 1718 in Stockholm geboren. Als Dichterin und Gastgeberin eines Salons zählte sie zu den ersten Frauen, deren Ansichten Männer ernst nahmen.

Catharina Ahlgren

Catharina Ahlgren, 1734 geboren, war Hofdame der schwedischen Königin Louisa Ulrika. Die Königin war eingefleischte Intrigantin und entließ Ahlgren aufgrund einer Verschwörung. Ahlgren verdiente sich fortan den Lebensunterhalt mit Schreiben, Herausgeben, Drucken und einer Buchhandlung.

Ahlgren heiratete zweimal und ließ sich zweimal scheiden. Sie hatte vier Kinder. Später zog sie nach Finnland, wo sie 1782 in der Stadt Åbo (heute Turku) als Herausgeberin von The Art of Correct Pleasing wirkte, einer der ersten finnischen Zeitungen. 1796 kehrte sie nach Schweden zurück und lebte bei ihrer jüngsten Tochter. Sie starb um 1800.

Hauptwerke

1772A Correspondence between a Woman in Stockholm and a Country Woman

1793Amiable Confrontations

VERLETZTE FRAU, ERHEBE DICH, FORDERE DEIN RECHT!

KOLLEKTIVES HANDELN IM 18. JAHRHUNDERT

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Anna Laetitia Barbauld, 1792

SCHLÜSSELFIGUR

Elizabeth Montagu

FRÜHER

1620 Catherine de Vivonne hält ihre ersten Salons in Paris, im Hôtel de Rambouillet, ab.

1670 Aphra Behn ist die erste Engländerin, die sich bekanntermaßen ihren Lebensunterhalt als Autorin verdient. Ihr Theaterstück The Forc’d Marriage ist ein voller Erfolg.

SPÄTER

1848 Das erste den Rechten der amerikanischen Frau gewidmete öffentliche Treffen findet in Seneca Falls, New York (USA) statt.

1856 Der Langham Place Circle kommt erstmals in London (England) zusammen, um für Frauenrechte einzutreten.

Im England des 18. Jahrhunderts entstand eine zunehmend reichere Mittelschicht. Die Freizeit nahm zu und es verbreitete sich eine Ideologie, die den öffentlichen vom privaten Bereich unterschied. Männer, damit beschäftigt, die ihnen durch Industrialisierung und Handel gebotenen Chancen zu nutzen, besetzten den öffentlichen Bereich und prägten die öffentliche Meinung, während Frauen im häuslichen Bereich »die Tugend nährten«.

Die Ziele der Blaustrümpfe

Der Platz der Frau

In wachsender Zahl erschienen nun Pamphlete, Magazine und Benimmbücher, die das richtige weibliche Benehmen beschrieben, um Frauen zu ermutigen, ihre neue private Rolle, Zeichen eines Elitestatus, anzunehmen. Publikationen drängten Frauen, »Besserungsliteratur«, in erster Linie die Bibel und historische Werke, zu lesen. Von Romanen wurde abgeraten. In seinem Benimmbuch An Enquiry into the Duties of the Female Sex (1797) bezeichnete Thomas Gisborne diese als »insgeheim korrupt«. Die Forderung nach »Besserung« sollte Frauen anspornen, zu Hause einen hohen moralischen Standard zu pflegen, ihren Ehemännern pflichtgetreu zu dienen und so die Tugend der Gesellschaft insgesamt zu bessern. Doch die Literatur mehrte auch die Zahl der gebildeten Frauen, die die engen häuslichen Grenzen überwinden wollten. Nahrung lieferte ihnen eine wachsende Anzahl gedruckter Werke, die nicht nur die Leselisten der Benimmbücher bediente, sondern auch Romane, Zeitungen und Zeitschriften umfasste, die die Neugier der Frauen weckte. Doch in der häuslichen Sphäre blieben die Möglichkeiten, die öffentliche Debatte zu beeinflussen, begrenzt.

»Reichtümer zu verachten mag tatsächlich philosophisch sein, aber sie sinnvoll zu verteilen ist sicher von größerem Nutzen für die Menschheit.«

Fanny Burney

Treffen Gleichgesinnter

Manche gebildeten Frauen fanden gegenseitige Unterstützung in den »Salons«. Privilegierte Frauen, die solche Treffen zum Zweck der Debatte ins Leben gerufen hatten, sahen hier die Gelegenheit, durch Mäzenatentum und in Form gesellschaftlicher Zusammenkünfte ihre intellektuellen Fähigkeiten auszuleben und die Gesellschaft zu beeinflussen. Den wichtigsten Salon in London führte Elizabeth Montagu. Sie hatte in eine reiche Familie von Kohlenminen- und Grundbesitzern eingeheiratet. »

Um 1750 gründete sie mit Gleichgesinnten, allen voran der wohlhabenden irischen Intellektuellen Elizabeth Vesey, die Blaustrumpfgesellschaft. Der Name leitete sich von den blauen Garnstrümpfen ab, die Männer tagsüber gern über schwarzen Seidenstrümpfentrugen, und stand für Zusammenkünfte, die weniger formell waren als bei Hofe.

Die Blaustrümpfe brachten gebildete Frauen und ausgewählte Männer zusammen, um das »vernunftgemäße Gespräch« zu fördern, das eine moralische Besserung herbeiführen sollte. Die Mitglieder trafen sich in aller Regel einmal monatlich, vom späten Nachmittag und manchmal fast bis Mitternacht. Man trank eher Tee und Limonade als Alkohol und das Spiel, die übliche Zerstreuung bei gesellschaftlichen Anlässen, war verboten. Zwischen den Treffen gab es einen regen Briefwechsel Blaustrumpf zu Blaustrumpf. Von Elizabeth Montagu sind rund 8000 Briefe bekannt.

Jede Gastgeberin hatte ihren eigenen Stil. Die Treffen bei Elizabeth Vesey verliefen besonders informell. Stühle waren über den Raum verteilt, um kleine Diskussionsgruppen anzuregen. Elizabeth Montagu ordnete ihre Stühle im Halbkreis an, sie selbst saß in der Mitte. Eine weitere Gastgeberin, Frances Boscawen, hielt Salons in ihrem Landhaus Hatchlands Park in Surrey sowie in ihrem Londoner Haus in der Audley Street ab.

Mary, Herzogin von Gloucester (Mitte), prominente Fürsprecherin der Blaustrümpfe, stellt der feinen Gesellschaft die Dichterin und Theaterautorin Hannah More vor.

Literarischer Ehrgeiz

Die Blaustrümpfe förderten die Bildung für Frauen sowie Frauen, die bestrebt waren, ihr Leben durch Schreiben zu bestreiten, wie Fanny Burney, Anna Laetitia Barbauld, Hannah More und Sarah Scott (Elizabeth Montagus Schwester). Diese forderten traditionelle Vorstellungen von der Frau und ihren intellektuellen Fähigkeiten heraus, indem sie Kommentare zu klassischer Literatur verfassten sowie selbst Gedichte, Dramen und Romane schrieben.

Elizabeth Montagu reiste nach Paris, um Shakespeare gegen Angriffe des Schriftstellers und Philosophen Voltaire zu verteidigen. Ihr An Essay on the Writings and Genius of Shakespeare, erschien zuerst anonym, wurde von Kritikern gut aufgenommen und beschädigte Voltaires Ruf, als das Buch ins Französische übersetzt wurde. Über das Blaustrumpf-Mitglied Elizabeth Carter sagte Samuel Johnson, er kenne niemanden, der im klassischen Griechisch besser bewandert sei als sie. Mit der Zeit gelang es einigen Blaustrumpf-Mitgliedern, die nicht finanziell unabhängig waren, von ihrer Arbeit sogar zu leben.

Statt als Bedrohung für die etablierte männliche Vorherrschaft zu gelten, wurden die Blaustrümpfe als Bastion der Tugend und des Intellekts gepriesen. 1778 porträtierte der Maler Richard Samuel neun herausragende Mitglieder als die klassischen neun Musen und Symbole nationalen Stolzes. Doch hinter der Aura der Gelehrigkeit und Eleganz stand der Wunsch der Frauen nach einem Platz in der Öffentlichkeit. Daher hatte sich Elizabeth Montagu schon lange für die schottische Aufklärung interessiert, die für eine prominentere Rolle der Frauen eintrat.

»Our intellectual ore must shine, Not slumber idly in the mine. Let education’s moral mint The noblest images imprint.«

Hannah More»Basbleu« (»Blaustrumpf«)

Frauen der Oberschicht, darunter die Herzogin von Devonshire, demonstrieren 1784 zur Unterstützung des radikalen Politikers Charles James Fox. Um diese Zeit erhoben die Frauen ihre Stimmen.

Männer herausfordern

Frauen bewiesen dort, wo es vielleicht am wichtigsten war – im Bereich der Ideen und der Intelligenz – dass sie Männern ebenbürtig waren. Als sie mehr Macht gewannen und manche literarisch Erfolg hatten, eigneten sich die Blaustrümpfe kollektives Denken und eine öffentliche Stimme an. 50 Jahre nach den ersten Blaustrumpf-Treffen hatten sich die gebildeten Frauen, die für gesellschaftliche Stabilität und Zusammenhalt standen, in Rebellinnen und Radikale gewandelt, die in der Ära der Revolutionen ans Licht traten.

»Es ist von den Männern sehr unvorsichtig es zu wagen, jene, denen sie ihre Ehre, ihr Glück und ihr Vermögen anvertrauen, zum Narren zu halten.«

Elizabeth MontaguBrief an die Herzogin von Portland, 26. Juli 1763

Der Salon

Man trinkt englischen Tee im Salon des Quatre Glaces im Pariser Palais du Temple im Jahr 1764, plaudert und hört Musik. Die zahlenmäßig überlegenen Frauen sind in männlicher Gesellschaft entspannt.

Das Wort »Salon« wurde erstmals im Frankreich des 17. Jahrhunderts gebraucht. Es leitet sich ab vom italienischen salone für »großer Raum«. Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet (1588–1665), hielt als eine der ersten Frauen einen Salon in ihrem Pariser Haus ab, in einem Zimmer, das als Chambre bleue (Blaues Zimmer) bekannt wurde. Ihr Erfolg als literarische Gastgeberin inspirierte Frauen, als Salonnièren eine führende intellektuelle und gesellschaftliche Rolle einzunehmen. Salons waren respektierte Orte, an denen Frauen ihr intellektuelles Interesse zur Schau stellen konnten. Anfangs regten sie Diskussionen über literarische Werke an, später über politische und wissenschaftliche Ideen.

Salons blühten im 18. Jahrhundert in ganz Europa. Darunter waren auch der wissenschaftliche Salon von Julie von Bondeli in Bern (Schweiz) und der literarische Salon von Henriette Herz, einer emanzipierten Jüdin, in Berlin.

Elizabeth Montagu

Elizabeth Montagu, Schriftstellerin, Sozialreformerin und Literaturkritikerin, war die herausragende intellektuelle und künstlerische Mäzenin im England des 18. Jahrhunderts. 1718 geboren, besuchte sie als Kind oft Cambridge, wo ihr Stiefgroßvater Conyers Middleton eine akademische Stellung innehatte. Durch ihre Heirat im Jahr 1742 mit Robert Montagu, Enkel des 1. Earl of Sandwich, erhielt sie finanzielle Möglichkeiten, englische und schottische Schriftsteller zu unterstützen. Ab 1750 verbrachte sie die Winter in London, wo sie intellektuelle Gesellschaften gab und Freundschaften mit führenden Politikern und Literaten wie Samuel Johnson, Horace Walpole und Edmund Burke pflegte. Montagu führte ihren Salon in Mayfair 50 Jahre lang erfolgreich, bis zu ihrem Tod im Jahr 1800.

Hauptwerke

1760 Drei anonyme Dialoge in George Lyttletons Dialogues of the Dead

1769An Essay on the Writings and Genius of Shakespeare

ES STEHT IN EURER MACHT, [DIE HINDERNISSE] ZU ÜBERWINDEN

AUFKLÄRUNG UND FEMINISMUS

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Olympe de Gouges, 1791

SCHLÜSSELFIGUREN

Olympe de Gouges, Judith Sargent Murray

FRÜHER

1752 In London sind Frauen zu »The Temple of Taste«, einer Veranstaltung mit öffentlichen Reden eingeladen, aber ohne mitdebattieren zu dürfen.

1762 Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau äußert in Émile, die Frau habe Ehefrau und Mutter zu sein.

SPÄTER

1871 Die Union des Femmes (Frauengewerkschaft) entsteht während der Pariser Kommune. Die Arbeiterinnen kämpfen mit Waffen für die Revolution, fordern gleiche Bürgerrechte und Gesetze für Frauen, das Recht auf Scheidung und gleiche Bezahlung.

Im 18. Jahrhundert veränderte die geistige Strömung der Aufklärung Europa und Nordamerika. Sie stellte die Vernunft und die Wissenschaft über Aberglauben und religiösen Glauben und propagierte neue Ideale von Gleichheit und Freiheit. Doch die Meinung darüber, ob die Freiheit und die gleichen Rechte für Frauen ebenso gelten sollten wie für Männer, war geteilt. Für den französischen Denker Jean-Jacques Rousseau waren Frauen von Natur aus schwächer und weniger rational als Männer und daher von ihnen abhängig. Andere wie die Philosophen Denis Diderot, Marquis de Concorcet, Thomas Hobbes und Jeremy Bentham erkannten öffentlich die intellektuellen Fähigkeiten der Frauen an und unterstützten ihr Ziel der Geschlechtergleichheit.

Aufklärung und Feminismus

Sich Gehör verschaffen

Beiderseits des Atlantiks suchten Frauen Foren, um sich aktiv an den intellektuellen Diskussionen ihrer Zeit zu beteiligen und ihre Ebenbürtigkeit mit Männern zu beweisen. In London öffneten sich öffentliche Debattierclubs, die ursprünglich von Männern dominiert waren, auch Frauen. Um 1780 florierten in London Debattierclubs für Frauen, etwa La Belle Assemblée, Female Parliament, Carlisle House Debates und Female Congress. Hier konnten Frauen öffentlich auf ihre Forderungen – gleiche Bildung, politische Rechte und bezahlte Arbeit – aufmerksam machen.

»[Die Frau] muss […] gleichermaßen beteiligt sein an der Verteilung der Posten, der Anstellungen, der Aufträge, der Würden und der Gewerbe.«

Olympe de Gouges, 1791

Denker der Aufklärung aus ganz Europa trafen sich wöchentlich im Salon der wohlhabenden Mäzenin Madame Geoffrin, hier bei der Lesung eines Dramas von Voltaire im Jahr 1755.

Revolutionärinnen

In Nordamerika und dann in Frankreich forderten revolutionäre Bewegungen die herrschende Ordnung heraus. Sie schufen ein politisches Milieu, in dem sich Frauen aktiv engagieren konnten. In den Jahren vor dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) begannen Frauen, an Debatten über das Verhältnis der Kolonien zu Großbritannien teilzunehmen.

Als die Townshend Acts von 1767–1768 Einfuhrzölle auf Tee und andere Waren verhängten, die an die britische Krone zu zahlen waren, organisierten amerikanische Frauen Boykotte gegen britische Waren. Manche tranken statt Tee nun Kaffee oder Kräutersude, andere unterstützten die Bewegung gegen die Einfuhr von Waren und für die nationale (patriotische) Sache, indem sie selbst Stoffe webten. Massentreffen zum Spinnen von Garn wurden von den Daughters of Liberty gesponsort – der ersten formellen Frauenorganisation, die die amerikanische Unabhängigkeit unterstützte. Sie war 1765 als Reaktion auf das britische Stamp Act entstanden, das den Kolonien höhere Steuern aufbürdete. Solche Maßnahmen ermutigten die Frauen, sich der Revolution anzuschließen.

Mit dem Kriegsausbruch im Jahr 1775 nahm das Engagement der Frauen weiter zu. Sie übernahmen Rollen außerhalb des Heimes, leiteten Firmen und trafen wichtige familiäre Entscheidungen, da ihre Väter und Gatten in die Armee eingezogen waren. Frauen wurden auch politisch aktiv. 1780 veröffentlichte Esther Reed den Handzettel »The Sentiments of an American Woman«, um mehr Frauen für die Unterstützung der patriotischen Sache zu gewinnen. Mit ihrer Kampagne sammelte sie 300 000 Dollar. Gemeinsam mit Sarah Franklin Bache, Tochter von Benjamin Franklin (einem der Gründungsväter der USA) rief Reed die Ladies Association of Philadelphia ins Leben, die größte Frauenorganisation der Amerikanischen Revolution. » Ihre Mitglieder gingen von Tür zu Tür, um Geld für die patriotischen Truppen zu sammeln.

Manche Frauen drangen weiter auf männliches Gebiet vor und wurden im Militär aktiv. So dienten Anna Smith Strong und Lydia Barrington Darragh der amerikanischen Armee als Spioninnen und erhielten Informationen über die Briten, die sie an General Washington weitergaben. Für das britische Königreich spionierte Ann Bates, die sich als Bettlerin verkleidet in ein Feldlager der amerikanischen Armee einschlich. Einige Frauen gaben sich sogar als Männer aus, um neben den Soldaten zu kämpfen. Deborah Sampson lud Kanonen und erhielt später eine Pension in Anerkennung ihres Militärdiensts in Washingtons Armee.

»Und Frauen« wird in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776, dass »alle Menschen [engl. men] gleich geschaffen sind« auf diesem Titelblatt des Magazins Life ergänzt.

»Vergiss nicht, dass alle Männer Tyrannen wären, wenn sie es könnten.«

Abigail AdamsBrief an ihren Ehemann, den ehemaligen US-Präsidenten John Adams

Steter Kampf um Rechte

In der Französischen Revolution (1789–1799), die hinsichtlich der Gleichberechtigung neue Fragen aufwarf, spielten Frauen von Beginn an eine aktive Rolle. Mit ihrem Zug auf den Palast von Versailles im Oktober 1789 und ihrer Forderung nach Brot erreichten Tausende von Arbeiterinnen, was der Sturm auf die Bastille am 14. Juli nicht vollbracht hatte: Sie stürzten die strauchelnde französische Monarchie. Doch als eine Gruppe Frauen der Nationalversammlung, nun regierendes Organ in Frankreich, eine sechs-seitige Petition vorlegte, mit der sie gleiche Rechte forderte, wurde diese nicht einmal diskutiert.

Französische Frauen setzen den Kampf um Gleichberechtigung auch in den 1790er-Jahren fort, als die Revolution sich ausweitete. Sie nahmen an öffentlichen Demonstrationen teil, gaben Zeitungen heraus und gründeten eigene politische Clubs, da sie von den Versammlungen der Männer ausgeschlossen waren. Am bemerkenswertesten war der 1793 gegründete Club der revolutionären republikanischen Bürgerinnen, der Geschlechtergleichheit und eine politische Stimme für Frauen forderte. Frauenclubs thematisierten auch die Bürgerrechte,verlangten den Titel citoyenne (Bürgerin) und alle Rechte und Pflichten, die ein Vollbürger einer Republik innehatte.

»Der Gedanke der Unfähigkeit der Frau ist … in diesem aufgeklärten Zeitalter vollkommen unstatthaft.«

Judith Sargent Murray

Eine Frau symbolisiert in Frankreich die Freiheit, wie in Eugène Delacroix’ Gemälde über die Julirevolution von 1830. Doch die Französinnen erhielten erst 1944 das Wahlrecht.

Worte als Waffen

Inmitten des Kriegsgetöses verschafften wichtige Schriftstellerinnen der Diskussion um Frauenrechte weiter Gehör. Als die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen Revolution 1789 Recht und Freiheit für alle Menschen forderte, verfasste die Dramenautorin und Aktivistin Olympe de Gouges ihre Schrift Die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791) und verlangte die Gleichstellung der Frau. In allen ihren Werken thematisierte sie die Werte der Aufklärung und deren mögliche Auswirkung auf das weibliche Geschlecht.

In Amerika widerlegte die Essayistin und Dramenautorin Judith Sargent Murray den verbreiteten Glauben an die Minderwertigkeit der Frau in ihrem wegweisenden Essay »On the Equality of Sexes«. Sie argumentierte, dass Frauen die gleichen Leistungen erbringen könnten wie Männer, wäre ihnen die gleiche Bildung erlaubt.

In Großbritannien betonte auch Mary Wollstonecraft in Die Verteidigung der Frauenrechte (1792) die Bedeutung der Bildung. Sie beschrieb, wie Mädchen von Kindheit an beigebracht wurde, sich unterzuordnen, und wie ihnen eingetrichtert wurde, dass sie Männern unterlegen seien – Vorstellungen, gegen die Wollstonecraft ihr Leben lang lautstark protestierte.

Trotz dieser Rufe nach Gleichheit fiel das Erbe der beiden Revolutionen für Frauen uneindeutig aus. Männliche Rollen in Kriegszeiten brachten die Debatte um Geschlechtergleichheit kaum voran. In Frankreich schreckte die Exekution dreier Aktivistinnen – Olympe de Gouges, Madame Roland und Charlotte Corday (die den Präsidenten der Jakobiner Jean-Paul Marat ermordet hatte) – Frauen vorübergehend vom Kampf um ihre Rechte ab.

Doch die Beispiele für politisch aktive Frauen sowie die Debatten und Schriften über Geschlechtergleichheit, die während der Aufklärung aufkamen und sich die beiden Revolutionen hindurch mehrten, sind fundamental für moderne feministische Forderungen und gaben Frauen im Kampf um Gleichberechtigung Auftrieb.

Olympe de Gouges

Olympe de Gouges, 1748 als Marie Gouze geboren, befreite sich von ihrer Herkunft als illegitime Tochter des Marquis de Pompignon sowie einer Zwangsheirat mit 16 Jahren und eroberte sich einen Platz in der französischen Aristokratie. Um 1780 begann sie, Dramen und politische Schriften zu verfassen, die die männliche Autorität in der Gesellschaft hinterfragten. Darüber hinaus sprach sie sich gegen den Sklavenhandel aus.

Mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin formulierte de Gouges als eine der Ersten überzeugende Argumente für volle Bürgerrechte und Gleichberechtigung der Frau. Während der Schreckensherrschaft, einer blutigen Phase der Französischen Revolution, wurde de Gouges wegen Kritik an der Regierung verhaftet und 1793 mit der Guillotine hingerichtet.

Hauptwerke

1788Lettre au peuple ou Projet d´une caisse patriotique

1790La nécessité du divorce

1791Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin

ICH WILL NICHT, DASS [FRAUEN] MACHT ÜBER MÄNNER HABEN, SONDERN ÜBER SICH SELBST

EMANZIPATION VON DER HÄUSLICHKEIT

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Mary Wollstonecraft, 1792

SCHLÜSSELFIGUR

Mary Wollstonecraft

FRÜHER

1700 In Some Reflections upon Marriage fragt die englische Philosophin Mary Astell, warum Frauen in die Sklaverei, Männer aber frei geboren sind.

1790 Die britische Historikerin Catherine Macaulay legt in ihren Briefen über Erziehungsfragen dar, dass Frauen nur aufgrund von mangelhafter Bildung den Eindruck erweckten, schwach zu sein.

SPÄTER

1869 Der britische Philosoph John Stuart Mill veröffentlicht Die Hörigkeit der Frau, ein kraftvolles Plädoyer für Gleichberechtigung, das er zusammen mit seiner Frau, der Feministin Harriet Taylor Mill, verfasst hatte.

Mary Wollstonecrafts Verteidigung der Frauenrechte von 1792 setzte ein kraftvolles frühes Zeichen für die Emanzipation der Frau von der Häuslichkeit. Ihre feministische Polemik war eine Antwort auf die Denker der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, u. a. den Philosophen Jean-Jacques Rousseau. Deren Forderung nach Freiheit sei ungerecht und widersprüchlich, solange sie Frauen weiter unterwerfe. Auch widersprach sie der Ansicht, Frauen seien weniger vernunftbegabt als Männer. »Wer machte den Mann zum einzigen Richter?«, fragte sie. Frauen seien vielleicht körperlich schwächer, des rationalen Denkens aber ebenso fähig wie Männer.

»Sie [wurde] als Spielzeug des Mannes geschaffen […], als seine Rassel, und die müsse in seinen Ohren klingeln, wann immer er, die Vernunft beiseite schiebend, Unterhaltung wünsche.«

Mary Wollstonecraft

Spielzeug der Männer

Wollstonecraft begründet die Unterlegenheit der Frau damit, dass sie in der häuslichen Sphäre gehalten wird, gezwungen, den Männern als »Spielzeug« zu dienen. Die Gesellschaft lehre sie, dass Aussehen, die Meinung der Männer und Heirat wichtiger seien als geistige und persönliche Erfüllung. Nach einem Geschlechterstereotyp modelliert, den ihre Mütter förderten, würden Mädchen dazu erzogen, aus ihrem Aussehen Kapital zu schlagen, um einen Mann zu finden, der sie versorgen und beschützen würde.

Als erste Feministin nannte Wollstonecraft die Versorgungsehe eine Form der Prostitution – eine Aussage, die schockierte. Fehlende Mittel zwangen viele Frauen zur Heirat. Erniedrigt durch ihre Abhängigkeit vom Wohlwollen der Männer, seien sie de facto deren Sklavinnen. Ihr auf häusliche Belanglosigkeiten beschränktes Leben könne sie auch psychisch schädigen.

Um die Würde der Frau wieder herzustellen, fordert Wollstonecraft »eine Revolution der weiblichen Sitten«, gleiche Bildung für Männer und Frauen und sogar ein gemeinsames Schulsystem. Frauen sollen in der öffentlichen Sphäre präsent sein und einen Beruf erlernen, etwa in Medizin, Geburtshilfe und im Geschäftsleben. Sie drängt auf ein Ende der sozialen Geschlechterdifferenzierung. Gleiche Rechte für Frauen würden ihnen Kontrolle über ihr Leben geben.

Gemischte Reaktionen

Die Verteidigung wurde positiv aufgenommen, vor allem in intellektuellen Kreisen. Eine feindselige Presse bezeichnete Wollstonecraft jedoch als »Hyäne im Petticoat« in Anspielung auf ihr Aussehen und ihre unorthodoxe Lebensweise. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihr Buch nachgedruckt und von Persönlichkeiten wie der britischen Suffragette Millicent Fawcett und der amerikanischen Aktivistin Lucretia Mott bewundert. Noch Barbara Bodichon und Simone de Beauvoir griffen ihre fortschrittlichen Ideen auf.

Frauenarbeit im 18. Jh. war rein auf die häusliche Sphäre beschränkt. Wäscherinnen mochten zwar auch außerhalb arbeiten, erledigten aber Knochenarbeit für geringe Bezahlung.

Mary Wollstonecraft

Die anglo-irische Feministin und Radikale Mary Wollstonecraft wurde 1759 in London geboren. Ihr Vater war ein Tyrann und Verschwender. Ihre Bildung eignete sie sich im Wesentlichen selbst an. Mit einer Freundin gründete sie in London eine Schule. Nach deren Konkurs wurde sie Gouvernante in der Familie von Lord Kingsborough, eine Position, die sie hasste.

1790 arbeitete Wollstonecraft für einen Londoner Verlag und gehörte, mit Thomas Paine und William Godwin, einer Gruppe radikaler Denker an. 1792 lernte sie in Paris Gilbert Imlay kennen, mit dem sie eine Tochter, Fanny, hatte. Imlay war untreu, und so endete die Beziehung. 1797 heiratete sie Godwin und starb noch im selben Jahr, zehn Tage nach der Geburt ihrer Tochter Mary, die später als Mary Shelley den Roman Frankenstein schrieb.

Hauptwerke

1787Thoughts on the Education of Daughters

1790Verteidigung der Menschenrechte

1792Die Verteidigung der Frauenrechte

WIR RUFEN ALLE FRAUEN AUF, GLEICH WELCHEN STANDES

EMANZIPATION DER ARBEITERIN

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Suzanne Voilquin, 1832

SCHLÜSSELFIGUR

Suzanne Voilquin

FRÜHER

1791 Olympe de Gouges fordert im revolutionären Frankreich mit Die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin Geschlechtergleichheit.

1816 Der französische Aristokrat und Politiktheoretiker Henri de Saint-Simon legt in dem Aufsatz »L’Industrie« dar, dass eine produktive Gesellschaft, die auf echter Gleichheit und nützlicher Arbeit basiert, Glück bedeutet.

SPÄTER

Um 1870 Dem französischen Sozialisten und frühen Anführer der Arbeiterbewegung Jules Guesde zufolge lenkt der Kampf um Frauenrechte ab, diese kämen mit Abschaffung des Kapitalismus von selbst.

In vielerlei Hinsicht vertiefte die Industrialisierung die Kluft zwischen den Frauen der Mittel- und der Arbeiterschicht. Frauen beider Gruppen fühlten sich unterdrückt, aber während die Frauen der Mittelschicht, ausgeschlossen von ökonomischen Aufgaben in den neuen Industriezweigen, bessere Bildung, Zugang zu sinnstiftender Arbeit und das Wahlrecht forderten, waren die Arbeiterinnen, die durch ihre Tätigkeit in den neuen Fabriken zum Familieneinkommen beitrugen, weniger hörbar und viel stärker an einer Verbesserung ihrer Entlohnung und Arbeitsbedingungen interessiert. Manche setzten auf die Gewerkschaften, andere schlossen sich utopischen Bewegungen wie dem Saint-Simonismus an, der im Frankreich der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode war. Von den Ideen Henri de Saint-Simons inspiriert, strebte die Bewegung eine »Einheit der Arbeit« an, bei der alle Schichten zum gegenseitigen und gleichen Vorteil in einer zunehmend technisierten, wissenschaftlichen Welt zusammenarbeiteten. Der Saint-Simonismus propagierte eine gemeinschaftliche Lebensweise, befreit von der Tyrannei der Ehe, in der die femininen Prinzipien von Frieden und Mitgefühl aggressivere männliche Werte ersetzen sollten. Satirische Drucke der Zeit zeigten männliche Saint-Simonisten in Korsetts bei der Ausführung von Hausarbeit und ihre weiblichen Gegenparts bei Beschäftigungen, die als männlich galten, wie Jagen und Reden halten.

»Männer! Wundert euch nicht länger über die Unordnung, die in eurer Gesellschaft herrscht. Sie ist ein energischer Protest gegen das, was ihr allein getan habt.«

Suzanne Voilquin

Eine Zeitung für Frauen

Auch Suzanne Voilquin war vom Saint-Simonismus beeinflusst. Die französische Stickerin beschloss, als unabhängige Frau zu leben, nachdem sie sich in Freundschaft von ihrem Mann getrennt hatte. Sie wollte anderen ein Beispiel geben und sich dringend für den Saint-Simonismus einsetzen, insbesondere nachdem die Julirevolution von 1830 die Verhältnisse der Arbeiterschicht nicht verbessert hatte. Voilquin hatte selbst nach der Revolution Not gelitten, als die Nachfrage nach Luxuswaren stark sank und sie als Stickerin zeitweilig arbeitslos war.

1832 wurde Voilquin Herausgeberin der Zeitung La tribune des femmes, die sich für den Saint-Simonismus einsetzte. Frauen aller Klassen waren zu Beiträgen aufgefordert, vor allem Arbeiterinnen. Die Autorinnen publizierten unter ihrem Vornamen als Protest dagegen, dass sie bei der Heirat den Namen ihres Mannes annehmen mussten. Die Zeitung propagierte eine Allianz der »proletarischen« und »privilegierten« Frauen und die Schaffung einer nouvelle femme (neuen Frau). »Jede einzelne Frau wird einen Stein setzen, mit dem das moralische Gebäude der Zukunft gebaut wird«, sagte Voilquin. La tribune des femmes war der erste Versuch, ein weibliches Bewusstsein zu schaffen.

Mit fortschreitender Industrialisierung arbeiteten Frauen und Mädchen zunehmend außerhalb des Heims. Dieses Foto von 1898 aus Malaga (Spanien) zeigt Arbeiterinnen in einer Weberei.

Suzanne Voilquin

Die Tochter eines Hutmachers kam 1801 in Paris zur Welt. Ihre Kindheit war komfortabel, doch sie wünschte sich dieselbe Ausbildung wie ihre Brüder. Als ihr Vater bankrott ging und die Familie verarmte, wurde Voilquin Stickerin.

1823 heiratete sie und schloss sich dem Saint-Simonismus an, einer Frühform des utopischen Sozialismus. Ab 1832 gab sie nach der Trennung von ihrem Mann La tribune des femmes heraus, die erste feministische Arbeiterinnenzeitung. Sie schrieb über die Ungerechtigkeit der französischen Verfassung, die Frauen von öffentlichen Angelegenheiten ausschloss, und trat für deren Bildung und wirtschaftliche Unabhängigkeit ein. 1834 folgte sie dem Aufruf, den Saint-Simonismus zu verbreiten, und arbeitete in Ägypten als Krankenschwester. Später ging sie nach Russland und in die USA. 1860 kehrte sie nach Frankreich zurück und starb 1877 in Paris.

Hauptwerke

1866Souvenirs d’une fille du peuple

ICH LEHRTE SIE DIE RELIGION GOTTES

BILDUNG FÜR ISLAMISCHE FRAUEN

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Nana Asma’u, 1858/1859

SCHLÜSSELFIGUR

Nana Asma’u

FRÜHER

610 Der Prophet Mohammed erhält erste göttliche Offenbarungen, die später den Koran bilden.

SPÄTER

Um 1990 Scheich Ibrahim al-Zakzaky gründet die Islamische Bewegung in Nigeria, die Bildung für Frauen fördert.

2009 Die Taliban greifen Schulen im Swat-Tal (Pakistan) an. Die Überlebende Malala Yousafzai erhält 2014 den Nobelpreis für ihren Kampf für Menschenrechte und insbesondere Bildung für Frauen und Kinder.

2014 Die islamistische Gruppe Boko Haram entführt in der Stadt Chibok im Westen Nigerias über 200 Schülerinnen.

Sich zu bilden gilt jedem Moslem als Pflicht. Der Prophet Mohammed (571–632) betonte die Bedeutung des Lernens. Er sagte, ein Mensch, der nach Wissen strebt, erhält die gleiche spirituelle Belohnung, wie einer, der einen ganzen Tag gefastet und eine ganze Nacht Gebetswache gehalten hat. Die islamische Lehre unterscheidet nicht zwischen religiösem und weltlichem Wissen: Alles Wissen gilt als Teil der Menschheit.

Im Mittelalter blühten in islamischen Ländern die Wissenschaften. Gelehrte waren führend auf den Gebieten der Medizin, der Astronomie und der Mathematik. Sie berechneten den Erdumfang und formulierten die Prinzipien der Algebra. In der Frühzeit des Islam (7.–8. Jahrhundert) spielten Frauen für die Verbreitung des Wissens eine wichtige Rolle. Schiitischen Quellen zufolge besaßen Fatima, die Tochter des Propheten, und ihre Tochter Zainab eine lückenlose Kenntnis des Koran und des Hadith (Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten) und unterrichteten Frauen in Medina. Der Prophet selbst wies die Frauen der Stadt an, von Fatima zu lernen. Zainabs Neffe Ali ibn al-Husain (659–713), für den schiitische Zweig des Islam der göttlich ernannte Imam (Anführer), nannte seine Tante »Gelehrte ohne Lehrer«, womit er implizierte, dass sie sich das Wissen aus ihrer Umgebung einverleibt hatte.

»Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau.«

Prophet Mohammed

Gelehrte Frauen

Etwa ab dem 11. Jahrhundert hatten muslimische Frauen keinen Zugang mehr zur selben Bildung wie Männer. Der Grund liegt teilweise im Patriarchat, das davon ausging, Männer würden mehr öffentliche Aufgaben übernehmen und daher eine höhere Bildung benötigen. Manche privilegierten Frauen nutzten jedoch ihr Vermögen und ihre Verbindungen, um diese Schranken zu überwinden und Bildung für Frauen zu finanzieren. Fatima al-Fihri gründete im Jahr 859 die Universität Al-Qarawiyyin in Fès (Marokko). Ibn Asakir (1106–1176), ein sunnitischer Gelehrter, der die islamische Welt bereiste, studierte den Hadith bei Hunderten von Lehrern, darunter 80 Frauen. Hajji Koka war Beraterin des indischen Mogulkaisers Jahangir (1569–1627) und nutzte ihren Reichtum für Stiftungen zur Bildung von Frauen. Zu den bemerkenswertesten Frauen des 19. Jahrhunderts zählt Nana Asma’u aus dem Kalifat Sokoto im heutigen Nigeria in Westafrika. Die Tochter des Kalifen wurde für ihre Weisheit gerühmt. Davon überzeugt, dass die Bildung für Mädchen fester Institutionen und Standards bedurfte, bildete sie ein Netzwerk von Frauen aus, Jajis genannt, die durch das Land reisten und Frauen zu Hause unterrichteten.

Nana Asma’us Vermächtnis lebt bis heute fort, trotz des Versuchs militanter Islamisten, Mädchen die Bildung zu versagen. Unzählige Schulen und Frauenorganisationen sind nach ihr benannt, und ihre Lehren sind in der Geschichte und Kultur Nigerias fest verankert. Sie gemahnt an die Bedeutung der Bildung für alle im Islam.

Ein Mädchen in Nigeria lernt mithilfe einer lawh (Holztafel) den Koran. Bis heute bilden solide Kenntnisse des Koran in vielen islamischen Ländern die Grundlage der frühen Bildung.

»Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern.«

Malala Yousafzai

»Wenn Mädchen keine Gelegenheit gegeben wird, zu studieren und zu lernen – ist das im Grunde, wie lebendig begraben zu sein.«

Scheich Mohammed Akram NadwiIslamischer Gelehrter

Nana Asma’u

Nana Asma’u, 1793 geboren, war die Tochter von Usman dan Fodio, dem Gründer des Kalifats Sokoto (1809–1903) in Westafrika. Wie ihr Vater war Nana Asma’u im Studium des Koran ausgebildet. Sie sprach vier Sprachen fließend und nutzte das Medium der Dichtung, um die Prinzipien des Kalifats zu lehren.

Als Nana Asma’us Bruder Mohammed Bello zweiter Kalif von Sokoto wurde, diente sie ihm als enge Beraterin. Ihr größtes Vermächtnis war ein Bildungssystem für Frauen. Als sie 1864 starb, hinterließ sie zahlreiche Werke – Dichtung sowie politische, theologische, politische und erzieherische Schriften auf Arabisch, Fula, Hausa und Tamascheq.

Hauptwerke

1997The Collected Works of Nana Asma’u Daughter of Usman dan Fodiyo (1793–1864)

JEDER WEG STEHE DER FRAU SO OFFEN WIE DEM MANN

WEIBLICHE AUTONOMIE IN EINER MÄNNLICH DOMINIERTEN WELT

IM KONTEXT

ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT

Margaret Fuller, 1845

SCHLÜSSELFIGUREN

Frances (Fanny) Wright, Harriet Martineau, Margaret Fuller

FRÜHER

1810 Schweden gewährt Frauen das Recht, in allen in Gilden organisierten Berufen, in Handel und Handwerk zu arbeiten.

1811 In Österreich wird verheirateten Frauen finanzielle Unabhängigkeit erlaubt und das Recht auf die Wahl eines Berufs gewährt.

SPÄTER

1848 Drei US-Staaten (New York, Pennsylvania und Rhode Island) erlassen neue Eigentumsgesetze, die Frauen Kontrolle über ihren Besitz geben.

1870 Ein neues Gesetz in Großbritannien erlaubt verheirateten Frauen, Geld zu haben und Besitz zu erben.

Als die industrielle Revolution (etwa 1770–1850) Anfang des 19. Jahrhunderts an Fahrt aufnahm, prüften Frauen ihren Status in Gesellschaften, für die die produktive Arbeit an Bedeutung gewann. Charles Fourier, französischer Philosoph und utopischer Sozialist, der den Begriff féminisme prägte, plädierte für eine neue Ordnung, die auf kooperativer Autonomie gleichberechtigter Männer und Frauen basierte. Frauen sollte jede Arbeit offenstehen, gemäß ihren individuellen Fähigkeiten, Interessen und Talenten. Ihr Beitrag, von patriarchaler Unterdrückung befreit, sei entscheidend für eine harmonische, produktive Gesellschaft. Seine Ansichten verbreiteten sich von Europa in die USA, wo ihre Anhänger um 1840 und 1850 utopische Kommunen gründeten, in denen Männer und Frauen gemeinschaftlich lebten und arbeiteten.

Kampf mit Wort und Schrift

Frances (Fanny) Wright, gebürtige Schottin und in Amerika lebende Feministin, Freidenkerin und Abolitionistin, unterstützte Fouriers Ansichten. In Briefen, die 1821 in Views of Society and Manners in America publiziert wurden, versichert sie, dass amerikanische Frauen »ihren Platz als denkende Wesen« einnehmen würden, aber durch fehlende finanzielle Mittel und Rechte gehindert wären. Sie lebte in der utopischen Gemeinschaft von New Harmony (Indiana, USA) des walisischen Sozialreformers und Fourier-Anhängers Robert Owen und wurde als erste Frau in Amerika Herausgeberin einer Zeitung, The New Harmony Gazette. 1829 zog sie nach New York, brach das Tabu, dass Frauen öffentliches Reden verbot, und forderte in Vorträgen die Befreiung von Sklaven und Frauen, Rechte für Ehefrauen, ein liberales Scheidungsrecht und Geburtenkontrolle.

Die britische Schriftstellerin Harriet Martineau griff soziale, wirtschaftliche und politische Themen auf, die eher von Männern diskutiert wurden. Bekannt wurde sie durch ihre Illustrations of Political Economy (1832), 25 fiktive »Porträts«, die die Auswirkungen der wirtschaftlichen Bedingungen auf Menschen in verschiedenen Gesellschaftsschichten beschrieben. 1834–1836 war sie in den USA, um deren angeblich demokratische Prinzipien zu untersuchen. Ihren Befund veröffentlichte sie 1837 in Society in America. Frauen erhielten »Duldung statt Gerechtigkeit«, stellt sie fest, und fordert bessere Bildung für Frauen, damit sie ohne finanzielle Unterstützung und Kontrolle von Männern leben könnten.

Einige Jahre später schloss sich die US-Journalistin Margaret Fuller diesen Feministinnen mit Woman in the Nineteenth Century