BLACK. SWANLAKE. PRINCESS. - Vanessa Fuhrmann - E-Book

BLACK. SWANLAKE. PRINCESS. E-Book

Vanessa Fuhrmann

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Beschreibung

Fay will alles hinter sich lassen, als sie ihr Studium am Trinity College in Dublin beginnt. Direkt auf der ersten College-Party lernt sie den unverschämt gutaussehenden und reichen Grover Nashville kennen. Er ist das genaue Gegenteil von ihr, und trotzdem scheint er sich für sie zu interessieren. Was Fay nicht weiß: Grover hat einen Zwillingsbruder, der nach seinem Rauswurf aus einem Internat nach Dublin zurückgekehrt ist. Und dieser will nur eines: Rache an seinem Bruder. Fay ist das perfekte Ziel für Garret, um Grover richtig tief ins Herz zu treffen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog
Danksagung

Vanessa Fuhrmann

 

Black Swanlake Princess

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Black Swanlake Princess

 

 

 

 

 

© 2024 VAJONA Verlag GmbH

 

 

Lektorat und Korrektorat: Désirée Kläschen

Umschlaggestaltung: VAJONA Verlag GmbH unter Verwendung von

Motiven von 123rf

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für alle, die immer an diese Geschichte geglaubt haben.

 

Aber Achtung!

Diese Geschichte ist ganz sicher nichts für brave Prinzessinnen. Sie ist für alle schwarzen Schwäne unter euch.

 

 

 

Prolog

 

Garret

 

Ich spüre, wie sich ihre Fingernägel in meine Haut schneiden. Sie bohren sich tief in meinen Rücken, als würde ihr Leben davon abhängen. Doch ich liebe diesen süßen Schmerz, gepaart mit der unbändigen Lust, die er hervorruft. Dazu noch die Art und Weise, wie ihr mein Name über die Zunge geht, dieses gequälte Stöhnen.

»Garret.«

Es zeigt mir, dass ich Macht über sie besitze. Und verdammt noch mal, das ist genau mein Ding. Macht. Bereits als Kind wurde ich darauf trainiert, dass es etwas Gutes ist und dass die Nashvilles genau das in die Wiege gelegt bekommen haben. Mein Vater hat uns schon von klein auf beigebracht, was Macht bedeutet: zu herrschen. Und dessen bin ich mir sehr genau bewusst, ich nutze sie bis zum Anschlag aus. Ich brauche dieses Gefühl.

Aber nicht nur das. Ich brauche auch ihre feuchte Enge und das Gefühl, wenn sich ihre Muskeln fester um mich schließen und ich genau weiß, dass ich sie fast soweit habe. Dort, wo ich sie von Anfang an haben wollte.

Ein Grinsen umspielt meine Mundwinkel. Ich weiß, dass es sie gleich zerreißen wird. Und genau in diesem Moment, in dem sie vollends die Kontrolle verliert, habe ich sie voll und ganz in meinen Händen.

Ein Schaudern läuft durch meinen Körper. Ihre Reibung ist perfekt. Ich schließe die Augen und stoße ein zufriedenes Knurren aus. Genau das habe ich heute gebraucht.

Eigentlich dürfte ich die Regeln nicht brechen. Aber ich muss es tun. Nur unter Kerlen hier zu sein, das habe ich von Anfang an nicht ausgehalten.

Deshalb ist ein Mädchen genau das Richtige. Auch wenn ich ihren Namen längst in den hintersten Winkel meines Gedächtnisses geschoben habe, das tue ich immer. Aber wenn ich merke, dass sie meinen vergessen hat, werde ich wütend. Diese hier macht aber alles richtig.

»Garret!«

Ich will ihr geben, was sie braucht. Sie hat eine Belohnung verdient, dafür, mit welcher Hingabe und Lust ihr mein Name immer wieder über die Lippen gleitet.

»Gleich ist es vorbei, Baby, gleich werde ich dich erlösen«, seufze ich in ihr Ohr und stoße heftiger in sie hinein. Sogleich wird ihr Kratzen auf meiner Haut stärker, sie wölbt ihren Rücken und wirft ihren Kopf in den Nacken, gleichzeitig erbebt sie unter mir und stößt einen erstickten Schrei aus.

In genau diesem Augenblick wird die Tür zu meinem Zimmer aufgestoßen.

»Mr. Nashville!«, ertönt die Stimme der einzigen Frau, die hier im Internat in Kilkenny etwas zu suchen hat. Ich verdrehe die Augen. Ms. Peggy. Sie ist die Haushälterin, die überall ihre Augen und Ohren hat. Das ist mehr als nur nervig!

»Sie haben nichts gesehen, Ms. Peggy. Oder wollen sie etwa auch einmal?« Ich wackle anzüglich mit den Augenbrauen und ziehe mich mit einem Ruck aus meiner Eroberung zurück. Verdammte Scheiße! Es hätte nicht mehr lange gedauert, ein, vielleicht zwei, drei Stöße und ich wäre ebenfalls gekommen. Ms. Peggy hat mir gerade wirklich alles versaut.

»Diesmal haben Sie es wirklich zu weit getrieben. Sie kommen auf der Stelle mit zum Rektor!«

»Etwa nackt?!«

Ihr Blick wird noch eine Spur finsterer, dabei sehe ich ganz genau, wo sie hinschaut. Ich lecke mir kurz über die Lippen. Täusche ich mich oder werden ihre Wangen sogar langsam rot? In meinem Kopf male ich mir bereits aus, wie ich die prüde Haushälterin einfach auf mein Bett schmeiße und dann von hinten nehme. Erst sie, während mein anderes Mädchen wartet. Kurz bevor ich Ms. Peggy in den Himmel vögle, werde ich sie einfach fallen lassen und in meiner blonden Muschi kommen, denn die hat es verdient.

Doch natürlich bleibt Ms. Peggy ganz Ms. Peggy. Sie stemmt die Hände bestimmend in ihre Hüften.

»Sie kommen auf der Stelle mit! Und ich bin mir ganz sicher, Sie haben dieses Mädchen und auch Ihr Zimmer zum letzten Mal gesehen!«

Ich versuche, ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf meinen nackten Körper zu lenken, doch diesmal sieht sie mir einfach nur mit finsterer Miene ins Gesicht. Ernst. Wütend. Oh ja, richtig wütend.

Schleierhaft wird es mir bewusst: Sie meint es wirklich ernst. Habe ich die Regeln etwa einmal zu oft gebrochen?

 

Kapitel 1

Fay

 

»Jetzt hast du Flügel, meine kleine Tinkerbell.« Ihr warmer Blick ruht auf mir, doch ich kann ihm in dieser Situation nichts abgewinnen.

»Nenn mich nicht so.« Ich fühle mich so klein mit diesem Spitznamen. So jung. Wie ein Vogel, der immer noch in einem Käfig gefangen ist.

»Mom, ich bin keine acht mehr!«, rüge ich meine Mutter.

Wir sitzen nebeneinander in unserem klapprigen Leihwagen, auf dem Parkplatz am Straßenrand vor meiner zukünftigen Wohnung.

»Du hättest auch nicht mit mir extra herfliegen müssen«, nuschle ich. Das schlechte Gewissen ist mir auf die Stirn geschrieben, weil ich weiß, wie hart meine Mutter Brooke dafür hatte schuften müssen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Meine Mutter seufzt tief. »Fay, ich will nun mal richtig dabei sein, wenn du auf dein College gehst, das erste Mal dein Zimmer siehst. Ich will dir beim Auspacken deiner Sachen helfen, dir dann einen Vortrag über Drogen und Alkohol halten und mich dann heulend von dir verabschieden. Immerhin ist das Trinity College nicht gleich um die Ecke.«

»Trotzdem, Mom. Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber bin, dass du so viel Geld nur wegen mir ausgegeben hast.«

»Ach Liebling …« Meine Mutter wischt sich ihr braunes Haar aus der Stirn. »Wenn du selbst einmal Kinder hast, dann wirst du verstehen, wie sich diese Liebe anfühlt. Ich kann nichts dagegen tun, es ist einfach ein mütterlicher Instinkt.« Sie zwinkert mir zu und öffnet dann die Wagentür. »Los, komm, sehen wir uns dein Zimmer an.«

Ich nicke, steige aus und atme die irische Luft Dublins ein. Ein Traum von mir geht hiermit in Erfüllung. In einem neuen Land mit neuen Leuten studieren, alte Freundschaften hinter mir lassen und ein ganz neues Leben beginnen. Nur Brooke zu verlassen, das tut am meisten weh. Sie hat nur mich und es ist ein großer Schritt für sie, mich einfach gehen zu lassen. Ich sehe sie an. Sie ist ein ganz anderer Typ als ich. Schon allein dass ich meine natürliche Haarfarbe, das dunkle Braun, einfach unter einer schützenden Schale aus Lila und einem Grau-Blau verstecke, zeigt, wie unterschiedlich wir sind – und doch wieder nicht.

»Wirst du ohne mich klarkommen?«, besorgt sehe ich meine Mutter an. Brooke lächelt auf mich hinunter. Sie ist trotz allem noch einen halben Kopf größer als ich.

»Fay, du redest mit mir, als wäre ich die Tochter und du die Mutter. Müsste es nicht eigentlich umgekehrt sein?«

Ich nicke zerknirscht. »Du darfst mir nachher auch noch deinen Vortrag über Drogen und Alkohol halten. Über Sex meinetwegen auch.«

Meine Mutter lacht auf. »Über Sex brauche ich dir wahrlich nichts mehr zu erzählen. Es ist eigentlich nicht gut, dass du als Kind da so viel mitbekommen hast.«

Ich grinse sie nur von der Seite an. Früher wäre ich rot geworden, aber mittlerweile sehe ich das Thema lockerer.

»Aber wenn es dich beruhigt«, fügt meine Mutter hinzu, während sie den Kofferraum öffnet, »ich werde auch allein klarkommen. Immerhin wohnt Angie gleich in der Wohnung nebenan.«

Ich nicke, bin froh, dass sie wenigstens noch ihre beste Freundin hat.

Gemeinsam hieven wir mein Gepäck aus dem Auto und gehen dann auf meine Wohnung zu.

Das Gebäude ist alt, mit hohen Fenstern, insgesamt drei Stockwerke hoch. Doch ich mag diesen Flair, der für mich Irland vollkommen verkörpert. Und obwohl meine Heimat London das auch zu bieten hat, überrollen mich hier die Empfindungen und Gefühle doch auf eine andere Art und Weise.

Wie von der Vermieterin versprochen, finden wir den Schlüssel unter der Fußmatte.

»Ich hab die Wohnung im dritten Stock«, murmle ich und gemeinsam steigen wir die Treppe hinauf. Leider war das die letzte Wohnung, die ich für mein Budget noch ergattern konnte. Was mich daran erinnert, dass ich mich bald nach einem Job neben dem Studium umsehen muss. Ansonsten werde ich die Miete kaum bezahlen können, selbst dann nicht, wenn sie durch zwei geteilt wird. Ich werde eine Mitbewohnerin haben. Ob wir uns wohl verstehen werden?

»Hübsch hier.« Meine Mutter sieht sich neugierig in der kleinen Wohnung um.

Sie ist wirklich bescheiden, aber mir gefällt es, dass die kleine Küche direkt an ein Wohnzimmer grenzt. Das Bad ist nicht besonders groß, aber darin werde ich wohl kaum die meiste Zeit des Tages verbringen. Der einzige Nachteil ist, dass meine Mitbewohnerin und ich uns ein Schlafzimmer teilen werden. Es ist zwar sehr geräumig und große, breite Betten stehen darin, allerdings bleibt wirklich zu hoffen, dass ich mich mit ihr gut verstehen werde.

Auf einmal vernehme ich ein Schniefen. Ich drehe mich zu meiner Mutter um, die am Fenster steht und sich die Tränen aus den Augen wischt.

»Irgendwie werde ich jetzt doch sentimental …«

Ich gehe zu ihr und nehme sie in den Arm. »Wir können telefonieren, wir können schreiben …«

»Ich weiß ja und eigentlich wollte ich mich auch nicht wie eine besorgte Mutter benehmen.« Sie lacht. »Tja, hat wohl nicht geklappt. Aber du hast es wirklich schön hier. Das wird ein Abenteuer am College, glaub mir. Die Chance, etwas aus deinem Leben zu machen.«

»Du hast auch etwas aus deinem Leben gemacht«, widerspreche ich. »Du hast deinen Traum gelebt.«

»Meinen Traum gelebt und dann bin ich gefallen.« Sie lässt die Schultern hängen. Bestimmt denkt sie an die Vergangenheit. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass alles gut wird, dass sie ihren Traum wieder leben kann. Doch ich bin mir sicher, dass es eine Lüge ist, also schweige ich lieber und halte sie einfach eine kleine Weile fest.

»Also, Fay, erstens: Keine Drogen! Davon kommst du nie wieder los. Ich kenne mich auf dem Gebiet aus, denn ich habe es versucht und es ist gar nicht so toll, wie man es sich immer vorstellt.«

Ich lasse sie los und nicke wie eine brave Tochter.

»Zweitens: Alkohol nur in geringem Maße, auch wenn Partys sehr viel Spaß machen können.«

»Drittens: Sex nur, wenn ihr verhütet. Doppelt! Kondom und Pille bitte. Hält einfach besser. Ich weiß selbst, wie leicht ein Kondom reißen kann.«

»Hey!«, protestiere ich. »Wäre es nicht gerissen, hättest du mich jetzt nicht.«

»Das stimmt, aber ich will es dir in deinem Alter trotzdem nicht raten.«

Ich nicke. »Ich mir selbst auch nicht. Also gut … Ist damit der Abschied gekommen?«

»Ich denke schon. Oder soll ich dir noch beim Auspacken helfen?«

»Nein, damit komme ich schon selbst klar«, winke ich ab, weil ich den Abschied nicht länger hinauszögern möchte. Mom sieht außerdem müde aus und sie würde heute noch zurück nach London fliegen.

Wir umarmen uns ein letztes Mal, dann begleite ich sie zur Tür. Als ich sie mit dem klapprigen Auto davonfahren sehe, habe ich selbst einen Kloß im Hals. Zu wissen, dass sie allein zurückfliegen wird, in eine Wohnung zurückkehren wird, in der ein Zimmer fast komplett leer ist – das macht mir das Herz schwer. Umso wichtiger, dass ich jetzt wirklich endlich meinen Neuanfang starte.

Und dazu brauche ich eine Schere. Also ist das Erste, was ich auspacke, genau das.

Ich stelle mich im Bad vor den Spiegel. Kürzer. Meine Mähne muss ab, das erinnert mich nur an den Traum, den ich einmal hatte. Das Hobby, das ich einmal gelebt habe. Und das meine Mutter, die diesen Traum teilte, gelebt hatte, bevor sie schließlich fiel. Und ich darf nicht so fallen wie sie, sonst rutsche ich noch in dasselbe Schicksal hinein.

Und damit ich nicht in Versuchung komme oder irgendwie an meinen Traum erinnert werde, müssen die Haare mindestens bis zu den Schultern ab. Ich atme noch einmal durch, setzte die Schere an und sehe die erste Strähne zu Boden fallen.

»Halt! Stopp!«

Eine Stimme erschreckt mich so sehr, dass ich aus Versehen eine weitere Strähne abschneide – schief und krumm. So ein Mist!

Im Spiegel sehe ich ein glattes Gesicht, große Augen.

Rehbraun.

Ich drehe mich um. »Hey, ich bin …«

»Erst einmal nehme ich dir die hier ab! Du verunstaltest so noch deinen ganzen Look.« Sie schüttelt missbilligend den Kopf und reißt mir mit einer schnellen Bewegung die Schere aus der Hand. Das ist ja ein hervorragender Start!

»Ich wollte eigentlich sagen, dass ich Fay bin«, stelle ich mich vor und strecke ihr die Hand hin. Sie ergreift sie.

»Ich bin Rhona. Und wahrscheinlich hältst du mich gerade für total spießig, aber ich will dich nur davon abhalten, dir deine Frisur zu versauen. Du solltest zu einem Friseur gehen, wenn du dir schon – aus welchem Grund auch immer – diese wunderschöne Mähne abschneiden willst.« »Ach, ich dachte, ich spar mir das Geld und bekomme das auch selbst so gut hin.« Ich versuche, ein überzeugendes Lächeln aufzusetzen, doch Rhonas Blick ist streng und duldet keinen Widerspruch. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob wir uns so einmal verstehen können. Noch bin ich nicht im Geringsten überzeugt.

»Also gut«, seufze ich und verdrehe die Augen.

»Hey!«, rügt mich Rhona. »Das hab ich gesehen.«

Sie kommt mir vor, als würde sie versuchen, meine Mutter zu spielen, und das passt mir gar nicht in den Kram.

Trotzdem lasse ich mich von ihr aus der Wohnung schleppen.

Nur wenige Straßen weiter befindet sich, laut Rhona, der beste Friseursalon der Stadt. Wenigstens sind die Preise annehmbar.

Der Friseur scheint Rhona zu kennen und begrüßt sie mit einer freudigen Umarmung. Kein Wunder. Die beiden passen wunderbar zusammen. Der ältere Herr ist ebenfalls elegant und langweilig gekleidet. So wie Rhona mit ihrem grauen Pullover, unter dem sie eine hellblaue Bluse trägt. Die Haare hat sie nach oben zusammengebunden und an der Seite geflochten. Hm … Sind alle Iren so? Dann werde ich hier wieder auffallen wie ein bunter Hund.

Denn wie gewöhnlich habe ich mich auch heute für meine Netzstrumpfhose entschieden, trage darüber ein dickes Strickkleid. Allerdings kombiniere ich den Look mit meinen schwarzen, schweren Springerstiefeln. Ich mag es einfach nicht simpel. Außerdem wäre alles andere nicht ich selbst.

»Typveränderung?«, fragt mich der Friseur.

Ich nicke und auf einmal kommt mir eine Idee. »Ja. Gerne etwas kürzer, so knapp über die Schultern vielleicht? Und bitte blond. Hellblond. Weißblond. Mit lila Spitzen. Etwas von der Farbe würde ich gern behalten. Den Ansatz aber etwas dunkler lassen. Und bitte keine Stufen, alles auf dieselbe Länge.«

Ein Lachen aus dem Mund des Friseurs. »Das sind aber ziemlich genaue Anweisungen. Aber kein Problem, das bekommen wir hin.«

 

 

 

 

 

Zwei Stunden später befinden wir uns wieder auf dem Weg zurück zu unserer Wohnung. Rhona ist natürlich stolz wie Oskar und lobt ihren Friseur bis über beide Ohren. Ich dagegen versuche, nicht zuzugeben, wie zufrieden ich mit meiner neuen Frisur bin. Meine Haare fühlen sich federleicht an und glänzen im Licht der Sonne.

»Also, Mitbewohnerin. Eigentlich fängt man ja mit Fragen über das Studium an, mich interessiert es aber tausendfach mehr, warum du dir die Haare selbst schneiden wolltest, ohne vorher überhaupt deine Sachen ausgepackt zu haben.«

Erwischt.

»Neuanfang eben.« Ich zucke mit den Schultern. Tja, immerhin keine Lüge. Aber ich will Rhona jetzt ungern auftischen, was ich alles hinter mir gelassen habe und aus welchen Gründen. »Typveränderung für das College«, füge ich hinzu. »Immerhin ist das doch ein neuer Abschnitt im Leben.«

Rhona nickt bestätigend. »Wobei ich mich nie von meiner braunen Mähne einfach so trennen könnte. Und so mutig wie du mit den lila Spitzen wäre ich erst recht nicht.«

»Tja, ich wurde dafür in der Schule immer doof angeschaut. Hoffentlich wird das hier anders.«

Bevor Rhona etwas erwidern kann, stoße ich sie kurz in die Rippen. Sie folgt meinem Blick. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße läuft ein Typ vorbei. Und nicht irgendein belangloser Kerl, den man leicht übersieht. Nein, der hier schreit förmlich danach, Blicke auf ihn zu richten. Sein Haar ist dunkel, ich vermute komplett schwarz, und fällt ihm ins Gesicht. Seine Schritte sind zielstrebig und die Aura, die ihn umgibt, lässt mich kurz frösteln. Sein Outfit ist ebenfalls dunkel und er trägt einen Mantel. Doch es sind sein schönes Gesicht und seine Zielstrebigkeit, die mich so anziehen.

»Dir bleibt ja dein Mund glatt offen stehen!«, neckt mich Rhona, als der junge Mann um die nächste Ecke verschwunden ist.

Ich knuffe sie verärgert. »Dir etwa nicht?« »Ja, wem nicht …« Sie seufzt und legt den Kopf schief. Erst Sekunden später bemerke ich ihren verklärten Blick. Dann wird es mir klar.

»Du kennst ihn?«, rufe ich aus.

»Jup. Das ist Grover Nashville. Er geht auch aufs Trinity.«

»Warum sagst du das nicht gleich? Ich bin neugierig, was ist das für ein Typ?«

»Schon allein sein Nachname hätte dir etwas sagen müssen.«

Doch ich kann nur mit dem Kopf schütteln.

»Der Name ist auf der ganzen Welt bekannt. Hast du noch nie etwas vom berühmten Modelabel Nashville gehört?«

»Nope. Gar nichts. Meine Kleidung stammt meistens aus Secondhandshops, da schaue ich nicht so auf die Markennamen, verstehst du?«

»Oh.« Rhona sieht etwas betreten drein. Wahrscheinlich hat sie nicht damit gerechnet, dass ich eine arme Kirchenmaus bin. »Nun, auf jeden Fall ist seine Familie steinreich. Grover geht aufs Trinity, sein Zwillingsbruder seit einem Jahr allerdings nicht mehr. Sonst hätten wir hier zwei von der Sorte. Ja, sein Zwillingsbruder Garret hat leider gewechselt. Gerüchten zufolge haben ihn seine Eltern aus der Familie geschmissen.«

Ich winke betont lässig ab. »Wozu interessiert mich der Bruder, der offensichtlich der Bad Boy der beiden ist, wenn Grover so verdammt heiß aussieht?«

Rhona grinst. »Nun, du musst bedenken, sie sind Zwillinge.«

Ich rolle mit den Augen, muss mir aber trotzdem sofort zwei von der Sorte vorstellen. Ein Schauer läuft durch meinen Körper und sammelt sich genau in der Mitte zwischen meinen Beinen, die ich sofort fest aneinanderdrücke, um das Pochen etwas zu dämpfen.

»Verdammt, ich hatte einfach zu lange keinen Sex mehr!«, stoße ich aus.

»Wem sagst du das!« Rhona seufzt sehnsuchtsvoll und mustert mich dann kurz. »Dir gefällt Grover wirklich, nicht wahr?«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke.

»Tja, nun, zu viele Hoffnungen solltest du dir trotz seines guten Aussehens nicht machen. Er hatte seit der Trennung von seiner Exfreundin vor einem Jahr keine feste Freundin mehr.«

Wieder tue ich so, als würde mich diese Neuigkeit total kalt lassen. »Ich bin auch nicht auf der Suche nach einem neuen Freund«, gebe ich zu. »Mein Ex Timber war ein Riesenarschloch.«

Wir halten an einer Fußgängerampel an, die gerade auf Rot umschaltet. Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen. Timber. Dem ich einfach mein Herz geschenkt habe. Timber. Der es einfach mit Füßen getreten hat.

»Erzähl, was ist denn mit diesem Arsch Timber passiert?«

Ich verdrehe nur die Augen. »Das willst du gar nicht wissen.«

»Und ob ich das will.« Rhona bleibt hartnäckig. Und auf einmal denke ich, dass es gar nicht so schlimm wäre, ihr alles zu erzählen. Schließlich scheint sie doch weniger spießig zu sein, als es zunächst den Anschein hatte.

»Aber bitte, Rhona, du musst mir versprechen, es nicht gleich ans schwarze Brett im College zu nageln, sonst kann ich mich nämlich sofort nach einem neuen umsehen. Ich wollte hier neu anfangen, und wenn das rauskommt, hat es nichts mehr mit einem Neuanfang zu tun.«

Sie hebt fragend eine Augenbraue. »Weshalb?«

»Weißt du, ich habe Timber immer so weit wie möglich von meiner Mutter ferngehalten. Und das ging über eineinhalb Jahre gut. Aber dann … Tja, es sind eigentlich zwei Paar Stiefel.«

»Zwei Paar Stiefel?«

»Zum einen wollte er mich betrügen. Warum sonst wäre er auf den Londoner Strich gegangen? Und meine Mutter hat ihn gesehen. Mit einer belanglosen Blondine im Arm, die so große Titten hatte, dass ihr jedes Oberteil in ihrer Größe viel zu kurz war.« Ich kneife die Augen zusammen bei dem Gedanken. Brooke hat mir das erzählt. Mein Freund hatte mich betrügen wollen. Doch auf dem Weg zu irgendeinem Hotel hatte meine Mom ihn gesehen – und er sie. Die größere der Katastrophen.

»Und was ist dann der zweite Grund gewesen?«, will Rhona wissen.

»Weißt du, Rhona, nicht nur meine Mutter hat Timber gesehen. Er hat auch sie gesehen, wie sie angezogen war. Und da konnte er eins und eins zusammenzählen. Meine Mutter ist nämlich jeden Tag zum Arbeiten in diesem Viertel von London. Dem schmutzigsten, in dem man den widerlichsten und brutalsten Männern begegnen kann.«

Rhona schnappt sichtlich nach Luft. »Heißt das, ihr wurde schon mal von solchen Männern wehgetan?«

Ich nicke. »Ja. Manche stehen darauf, die Frau zu foltern, während sie sie ficken. Sie zu schlagen oder noch Schlimmeres, was nichts mehr mit der Vorliebe für BDSM zu tun hat.«

»Moment mal, ich komme gerade nicht ganz mit. Ich dachte, deine Mutter arbeitet dort vielleicht in irgendeiner Bar und läuft den Kerlen über den Weg …«

Wild schüttle ich meinen Kopf. »Nope. Du kannst es ruhig laut aussprechen. Tue ich auch. Tut Brooke auch. Tja, meine Mutter ist eine Nutte. Und deshalb hat sich Timber noch am selben Tag von mir getrennt. Er konnte nicht mit einer Schlampentochter zusammen sein.« Ich lache hämisch. Es ist einfach nur lächerlich. Ganz genau kann ich mich daran erinnern, wie er das Wort in den Mund genommen hatte und mir die Tränen in Scharen über das Gesicht liefen.

Ich schnaube. »Timber hätte sich wahrscheinlich viel früher von mir getrennt, wenn er auf meine Schule gegangen wäre. Dort haben mich alle nur als Tochter einer Schlampe gekannt. Du willst nicht wissen, wie ich dort behandelt wurde. Das ist auch einer der Gründe für diesen Neuanfang hier.«

»Hm … ich glaube, ich schreibe gleich eine Textnachricht an alle, die ich am Trinity kenne.« Rhona hält sich gespielt fragend einen Finger an die Lippen. Ich rolle mit den Augen und sie lacht los. »Scherz! Immerhin bist du meine neue Zimmergenossin. Meine neue Freundin.«

»Echt wahr? Mit einer Spießerin soll ich klarkommen?«

»Wer hat dir denn das erzählt? Na warte, ich werde dir schon noch das Gegenteil beweisen. Dass ich das nicht bin. Zwar halte ich mich gern an Regeln, … aber ich kann auch richtig feiern und Spaß haben.«

Wir stehen vor unserer Wohnung. Rhona holt den Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schließt auf. »Und ich werde es dir gleich heute Abend beweisen.«

Ich runzle die Stirn. »Was steht an?«

Mit Schwung dreht sie sich zu mir um und wedelt mit ihrem Schlüssel in der Hand vor meiner Nase herum.

»Party! Und zwar nicht nur irgendeine Party. Die legendäre Party zum Start des neuen Studienjahrs. Ich durfte schon letztes Jahr dabei sein und es war gigantisch!«

»Klasse, wer schmeißt sie? Unser Nachbar ein Stockwerk unter uns in seiner kleinen Bude?«, witzle ich.

Doch Rhona grinst nur selbstsicher. »Da wirst du gleich mal in den Genuss des Nashville-Anwesens kommen.«

»Häh?« Jetzt stehe ich auf dem Schlauch, obwohl offensichtlich ist, was Rhona damit sagen will.

»Tja, was soll ich sagen? Gastgeber der Party ist College-Liebling Grover Nashville. Und wenn er eine Party gibt, dann ist sie vor dem Sonnenaufgang nicht zu Ende.«

 

 

Garret

 

Heimzukommen ist eigentlich keine Option.

Nicht für mich. Wenn ich schon an sein Gesicht denke, der strenge Blick, der sich in meine Augen bohrt. Dazu der ewig währende Vorwurf. Warum ich so bin, wie ich eben bin.

Tja, ich bin eben nicht so, wie er mich haben will. Ich lasse mich nicht einfach in irgendeine Schublade stecken, nur weil der Name Nashville hinter meinem Vornamen steht. Ich bin einfach nicht wie sie. Und aus diesem Grund bin ich auch nicht wie Grover.

Ich stopfe die Hände in die Taschen meines Mantels und kicke einen Stein weg, der auf dem Gehweg liegt.

Eigentlich hätte ich auch mit dem Taxi fahren können. Allerdings wäre ich dann viel schneller zu Hause. Und das will ich nicht. Ich will diese letzten Sekunden Freiheit noch in allen Zügen genießen.

Tja, aber was ist schon Freiheit? Das Internat ist es sicher auch nicht gewesen. Nichts von alldem. Alles ist nur Lug und Betrug.

Ich stecke hier in einem luxuriösen Markenmantel, die Schuhe sehen aus wie geleckt. Alles nur Fassade. Alles nur Schein. Nichts davon ist echt und das kotzt mich einfach an!

Ich laufe tatsächlich bis an den Stadtrand Dublins.

Laufe immer weiter, bis die Landschaft schon wieder richtig grün ist. Es führt keine Teerstraße bis hierher, am Ende ist der Weg nur noch geschottert. Dann taucht es auf, das Haus, das ich seit einem Jahr nicht gesehen habe.

Der Park und die Grünfläche rund um das Nashville Manor ist riesig. Dazu das Labyrinth. Wie oft ich die Mädchen hierhin mitgenommen habe, kann ich gar nicht zählen.

Und ganz früher haben Grover und ich hier wirklich viel Spaß haben können. Aber früher ist eben nicht heute.

Ich seufze, sammle mich und stapfe durch den riesigen, übertrieben großen Vorgarten auf die alten Gemäuer zu. Vor dem Eingang parkt der alte Rolls-Royce meines Vaters. Protzend. Ich schnaube verächtlich und spucke auf den Boden.

Den Schlüssel zu meinem Zuhause habe ich noch. Ein Wunder, dass sie ihn mir nicht vor meiner Abreise abgenommen haben.

Ich drehe ihn im Schloss. Als die Tür aufschwingt, fühle ich mich wieder wie in eine andere Welt versetzt. Die Eingangshalle hat eine hohe Decke und ist einfach nur gewaltig. Als Kind bin ich immer mit meinem Fahrrad hier durchgeflitzt. Jetzt kommt mir der teure und alte Marmorboden albern vor.

Ich blicke mich nur kurz um. Wo ich meine Mutter finde, ist einfach.

Ich werfe einen Blick in das Wohnzimmer, das meine Eltern hauptsächlich nutzen. Alice Nashville sitzt auf dem Sofa, ihre Augen wandern über eines ihrer Lieblingsbücher. Sie sieht nicht anders aus als die Mutter, die mich vor einem Jahr einfach in einem Internat abgeladen hat. Vielleicht älter? Nein. Selbst das nicht. Dazu hat sie zu viel Geld, das sie für Beauty-Behandlungen und Cremes ausgeben kann.

»Hey, Mom«, sage ich schließlich und breche die Stille.

Meine Mutter dreht sich um, überrascht. Ich glaube, sie ist die einzige Person, die mich und meinen Bruder hundertprozentig auseinanderhalten kann. Selbst dann, wenn wir die gleiche Stimmlage haben. Eben Mutterinstinkt.

Ihre stechend blauen Augen, das Ebenbild von meinen, fixieren mich.

»Garret!«, haucht sie überrascht und steht auf. »Du bist wieder da!«

Sie fällt mir um den Hals. Ihr teures Parfum weht mir in die Nase und in diesem Augenblick fühle ich mich wieder wie ein kleiner Junge in einer vollkommen heilen Welt. Ich genieße den Moment und falle erst wieder in die Realität, als sie mich loslässt.

»Warum bist du hier? Das neue Semester fängt nächste Woche an …«

Ich bleibe stark und sehe sie direkt an.

»Ich bin nicht freiwillig hier«, gebe ich zu. »Ich wurde rausgeschmissen.«

Alice' Augen weiten sich und in genau diesem Augenblick wird die Tür des Wohnzimmers aufgestoßen.

Egal wo er erscheint, mein Vater Cormac strahlt immer Macht aus. Vielleicht ist das die Hinsicht, in der wir uns ähneln. Auch ich genieße das Gefühl von Macht. Nur, dass er über mehr Macht verfügt, als ich jemals besessen habe.

»Habe ich hier eben das Wort »rausgeschmissen« gehört?«

Kein »Hallo«. Kein »Wie geht es dir?«. Aber ich bin es nicht anders gewöhnt.

Ich spüre, wie sich heiße Wut in mir zusammenbraut, als ich meinen Vater ansehe.

»Du wurdest aus dem Internat geschmissen?«, fragt mich mein Vater direkt und verschränkt die Arme vor seiner Brust. Alice tritt einen Schritt hinter ihn. Dort steht sie immer. Sie liebt meinen Vater bedingungslos, deshalb würde sie es kaum wagen, ein Wort gegen ihn zu erheben.

Ich zucke belanglos mit den Schultern. »Ihr seid selbst schuld. Immerhin war es eure glorreiche Idee, mich auf ein reines Jungsinternat zu schicken. Ich kann eben meine männlichen Triebe auch nicht unterdrücken.«

Ich grinse breit. Ist mir doch egal, was sie über mich denken. Sie denken schon viel zu viel Negatives. Da ist mein verbotener Fick eine Kleinigkeit dagegen.

»Was hast du getan, Junge?«

Ich hasse es, wenn er mich so nennt. Das macht mich nur noch wütender.

»Ein verdammtes Mädchen auf meinem Zimmer gefickt und mich erwischen lassen.« Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme lauter wird.

Das Gesicht meines Vaters wird eine einzige, steinharte Fassade. Seine Augen blitzen und ich kann erkennen, wie sehr er sich anstrengen muss, um nicht komplett auszurasten und die Kontrolle zu verlieren. Nicht, dass er das noch nie getan hätte.

»Weißt du eigentlich, was das bedeutet? Das Internat war die Chance, dich von allem hier fernzuhalten.«

»Du meinst wohl eher, mich aus der Familie auszusperren«, spotte ich, »weil ich nicht deinen Anforderungen entspreche, weil ich aus der Reihe tanze. Ich bin eben nicht wie du, Dad. Und ich will auch niemals so sein.«

Cormac lacht laut. »Hast du das gehört, Liebling?«

Er dreht sich zu meiner Mutter um. »Dabei sind er und ich uns ähnlicher, als er denkt. Er ist einfach nur ein rebellisches Kind, das es an die Leine zu legen gilt. Mehr nicht.«

Die Wut in mir staut sich ins Unermessliche.

»Aufs Trinity College kann er aber unmöglich zurück«, wirft meine Mutter ein.

Mein Vater nickt. »Ich weiß. Sein Bruder würde das auch nicht wollen. Und für die Schüler dort ist das auch besser.«

»Wollt ihr mich etwa auf das nächste Internat schicken? Ihr könnt euch sicher sein, dort werde ich die Regeln wieder brechen.« Ich balle meine Hände zu Fäusten.

Mein Vater sieht aus, als könne er jeden Augenblick explodieren. Beruhigend legt meine Mutter ihm eine Hand auf die Schulter.

»Er kann auch zu Hause Unterricht bekommen und sein Studium beenden, Schatz.«

Ihm scheint die Idee zu gefallen. »Perfekt!«

Er wendet sich an mich. »Und du wirst das Haus nicht mehr verlassen. Du bist eine Schande für die Familie.«

Ich traue meinen Ohren nicht. Hat er das tatsächlich gesagt? Hat er gedroht, mich wirklich einzusperren?

»Du willst mich also einsperren wie eine Abscheulichkeit«, knurre ich.

»Das bist du ja auch«, kontert mein Vater.

Bei mir brennen alle Sicherungen durch. »Ich lasse mich nicht einsperren! Das könnt ihr nicht tun, niemals. Ich lasse mir nicht alles wegnehmen, ihr seid …«

Doch ich breche ab. Meine Faust habe ich längst hoch erhoben, sie zittert in der Luft. Ich ziehe sie zurück, atme tief durch. Nur nicht durchdrehen. Sonst wäre ich wirklich nicht anders als mein Vater.

»Vergesst es einfach«, rufe ich und stürme aus dem Zimmer. Ich halte diese Demütigung keine Sekunde länger aus.

Ich laufe die Treppe hinauf. Zielstrebig. Ich will nur noch in mein Zimmer und auf irgendetwas eindreschen.

Oben angekommen, stoße ich beinahe mit Grover zusammen.

»Alter, was fällt dir ein?« Er hebt den Blick und erstarrt. Seine Augen wandern geweitet über meinen Körper.

»Garret?«

»Wie er leibt und lebt.« Ich stemme meine Hände in die Seiten. »Gehst du mir bitte aus dem Weg? Ich habe keinen Bock auf dich.«

»Was machst du verflucht noch mal hier?«

Ich rolle mit den Augen. »Jetzt erzähle ich diese verdammte Geschichte schon zum zweiten Mal!«

»Ach, schon Bekanntschaft mit Mom und Dad gemacht?«

»Allerdings.«

Grover lacht kurz auf. »Erzähl, was hast du diesmal angestellt?«

In diesem Augenblick ist sein Tonfall genauso, wie der eines Bruders sein sollte: verständnisvoll. Ich berichte ihm kurz und knapp von meinem Rauswurf. Mädchen. Sex. Ist ja auch ganz einfach.

»Wer hätte das gedacht …« Grover gähnt gespielt.

»Diese Geschichte ist sogar langweiliger als andere Sachen, die du sonst verzapft hast.«

Ich knuffe ihn in die Seite, spielerisch, doch Grover bleibt ernst. »Warum hast du dir nur diesen Tag ausgesucht, um wieder nach Hause zu kommen, warum nicht irgendeinen anderen …?«

Sein Blick ist vorwurfsvoll und genervt. Erkenne ich sogar eine Spur Wut darin?

»Warum fragst du?«

»Tja, meine legendäre Party zum Start des Semesters.

Du erinnerst dich?«

Tja. Und ob. Unsere erste hatten wir gemeinsam gefeiert. Da ist es noch nicht seine Party gewesen. Und kurz darauf hat sich alles verändert. Die Folge war das verdammte Internat, während er im Trinity weiterhin seinen Spaß hatte.

Grover baut sich warnend vor mir auf. Das genaue Ebenbild von mir.

»Wehe, du planst irgendetwas, um diese Party zu sabotieren. Du hältst dich gefälligst vom Geschehen fern!«

Ein Stich fährt durch mein Herz. Kurz und knapp. Und obwohl ich ihn ignorieren will, spüre ich ihn diesmal.

»Zählt etwa nichts?«, frage ich ihn und kann sehen, wie seine Wangen leicht anlaufen, dazu seine aufgerissenen Augen. Ich will gar nicht wissen, wie schnell sein Herz klopft. Das schlechte Gewissen steht ihm ins Gesicht geschrieben.

»Es war auch mal meine Party. Und nach all dem, was ich für dich getan habe …« Enttäuscht und gleichzeitig wütend schüttle ich den Kopf.

Grover sammelt sich wieder. »Das ist eben dein Schicksal.

Ich schnaube. »Dann tu doch, was du willst. Leb du dein spießiges Leben in Daddys Schoß. Ich dagegen poche weiter auf meine Freiheit.«

Mit diesen Worten lasse ich ihn frei und rausche in mein altes Zimmer davon.

 

Kapitel 2

Fay

 

Eine Party.

Und das gleich am ersten Abend.

Im Anwesen einer der wahrscheinlich reichsten Menschen in Dublin.

Offen gesagt, ist mir etwas mulmig zu Mute. Erst recht, wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, woher ich komme. Ich passe doch gar nicht in die Fassade eines schicken Hauses. Wahrscheinlich wird auch noch Champagner serviert.

Doch Rhona ist fest davon überzeugt, dass wir heute Abend ausgehen und Spaß haben sollten. Die Party sei legendär, doch noch hat mich das nicht überzeugt – die Angst ist einfach größer.

»Wie findest du's?«, fragt Rohna und dreht sich im Kreis. Sie trägt ein kleines Schwarzes, was ihr bis halb über die Oberschenkel fällt. Der Ausschnitt ist nicht zu gewagt, aber auch nicht zu prüde. Ich lehne mich zurück, bis mein Kopf an die Lehne stößt.

»Hmm … Ich für meinen Teil würde das Ganze noch mit einer Netzstrumpfhose und lässigen Overknees kombinieren, dazu eine rockige Jacke.« Ich grinse breit und Rhona verdreht die Augen.

»Ich will nicht herumlaufen wie eine Bitch.«

»Willst du damit etwa sagen, dass ich so rumlaufe?« Ich schnappe empört nach Luft und überschlage meine Beine.

Rhona schüttelt mit dem Kopf. »Nein! Aber du schaust sogar in diesem dämlichen Strickkleid sexy aus!« Sie seufzt tief.

»Früher wurde ich in der Schule nur wegen meines Styles gehänselt. Alles secondhand.« Ich zucke mit den Schultern. »Und es ist natürlich ein gefundenes Fressen gewesen, mich mit meiner Mutter zu vergleichen.«

Rhona beißt sich auf die Unterlippe, lässt sich neben mir auf das Sofa fallen. »Du, Fay … Ich weiß, dass ich mit dieser Frage vielleicht nicht sofort ins Haus fallen sollte, aber ich kann sie mir einfach nicht verkneifen.«

Ich lege meinen Kopf schief.

Rhona sieht betreten aus. »Hast du, ich meine, hast du auch Erfahrungen gemacht, so wie deine Mutter?«

»Du meinst, ob ich mich prostituiert habe?«, setze ich nach.

Rhonas Wangen laufen rosa an. »Hm …«

Mehr bringt sie nicht über die Lippen. Ich sehe ihr an, wie sie sich schämt.

»Du willst gar nicht wissen, wie oft ich diese Frage schon gehört habe.« Ich verdrehe die Augen.

»Fay? Gib es zu. Nur deswegen kannst du so gut tanzen, dich so gut bewegen. Aus dem Grund hast du vor mir gestrippt, als hättest du nie etwas anderes getan.«

Timber. Nachdem er von dem Job meiner Mutter erfahren hatte, hat er alles auf mich übertragen. Als ob ich selbst eine Nutte wäre.

»Ich hab nie für Geld mit Männern geschlafen, wenn du das wissen willst«, antworte ich Rhona. »Und auch sonst habe ich nie irgendetwas in die Richtung für Geld getan.«

»Okay. Sorry für die Frage, war wirklich blöd, was?«

»Tja, aber ich kann tanzen«, gebe ich zu, »wie die Mädchen an der Stange. Ich hab eben von klein auf gelernt, meinen Körper zu akzeptieren und mich zu bewegen.« Dann breche ich ab. Lasse ein Detail aus. Sie soll denken, dass ich Pole Dance kann. Vielleicht noch ein paar sexy Moves, aber nicht mehr.

»Ich komme mir echt dämlich vor, dass ich das von dir wissen wollte. Es geht mich ja auch eigentlich nichts an.«

»Ist schon gut«, winke ich ab. »Du kannst mir auch einfach entgegenkommen und mich nicht auf die Party schleppen.«

Rhona schnappt empört nach Luft. »Das kommt gar nicht infrage! Wenn ich mich schon freiwillig in so ein Kleid quetsche, dann musst du auch leiden. Außerdem, ich dachte, ein gewisser Mr. Nashville hätte dir gefallen.«

 

 

 

 

 

Wir nehmen uns ein Taxi, um zu den Nashvilles zu fahren.

Ich bereue es schon wieder, so viel Geld ausgeben zu müssen, nur um aus der Stadtmitte rauszukommen.

Aber Rhona hat darauf bestanden, obwohl sie anscheinend ein Auto hat. »So können wir beide trinken und darum geht es auf einer Party.«

Trinken. Alkohol. Als ob ich das nicht kennen würde.

Natürlich habe ich schon getrunken.

»Tinkerbell, du bist ja ganz betrunken!«

»Lass mich, Mom.«

»Stoß mich nicht weg, was hast du, Liebes?«

»Willst du es wirklich wissen? Timber hat mich verlassen, als er dich halbnackt auf dem Strich getroffen hat. Ein Glück, dass er dich erkannt hat, am Ende wärt ihr gemeinsam in der Kiste gelandet.« Mich schüttelt es und die Galle kommt mir hoch. Die Galle oder doch …? Ich würge und erbreche den ganzen Wodka auf den Küchenfußboden.

Die Gedanken an die Trennung, die Demütigung machen mich traurig und wütend zugleich. Es ist frustrierend. »Du hast recht, lass uns einfach Spaß haben. Viel zu lange ist es her, dass ich mal wieder richtig gefeiert habe.« Ich bin entschlossen und Rhona jubelt freudig.

»Aber ich brauche auf jeden Fall baldmöglichst einen Job, sonst kann ich die ganzen Taxifahrten zu irgendwelchen Partys bald nicht mehr zahlen.«

Rhona knufft mich. »Ach was, ich kann dir auch aushelfen. Das ist für mich kein Problem, meine Eltern finanzieren mein ganzes Studium und nebenbei arbeite ich noch in der Trinity-Bibliothek.«

»Wenn da noch ein Job frei wäre, ich würde sofort auch dort anfangen.«

»Leider schwer, aber ich werd mich mal umhören«, verspricht Rhona.

»Danke, du bist die Beste.«

»Hier, wir sind da.«

Ich schnappe nach Luft. »Da wohnen die Nashvilles?

Das ist ja fast ein ganzes Schloss!«

»Das Nashville Manor ist uralt und ich glaube, da haben früher auch Fürsten gewohnt.«

»Oh Gott, lass solche Details einfach aus, ich muss hier weg.« Ich kneife meine Augen fest zu, will dieses Gebäude einfach nicht mehr sehen. So viel Reichtum steckt dahinter, und das macht mir Angst. Ich will gar nicht wissen, wie die anderen Partygäste gekleidet sind. Wahrscheinlich tragen sie wie Rhona ein kurzes Kleid mit einer prüden schwarzen Strumpfhose. Ich werde wieder aus der Reihe fallen. Ich, die sich nicht von ihrer Netzstrumpfhose trennen kann und darüber einfach Vintage-Hotpants gezogen hat. Dazu ein Shirt, das mir gerade bis knapp unter meine Brüste reicht. Meine Kette liegt eng um meinen Hals, eher wie ein schwarzes, breites Halsband, und meine Lippen sind dunkel angemalt. Da mein Oberteil nicht meine kompletten Arme bedeckt, sieht man meine Tattoos, auch die auf meinen Beinen und am Rücken – dort ist der Ausschnitt so tief, dass er sogar das Geheimnis lüftet, das ich keinen BH trage.

»Du bleibst gefälligst hier, für einen Rückzieher ist es zu spät.«

»Dann muss ich mir wenigstens etwas anderes anziehen. Schau mal, wie ich aussehe? Hätte da nicht ein Ballkleid besser gepasst?«

Rhona verdreht die Augen. »Hör auf, dir so etwas einzureden, das ist kein Wohltätigkeitsball, nur eine Studentenparty.«

Sie gibt mir einen Klaps auf den Oberschenkel und streckt dann dem Taxifahrer ein paar Scheine entgegen. Ich will protestieren, doch sie wimmelt ab. Dann zieht sie mich aus dem Auto.

Tosendes Stimmengewirr und laute Musik empfangen uns, als wir durch die Eingangstüren des Anwesens schreiten. Und natürlich stehen Angestellte an der Tür, beäugen uns und werfen sogar einen Blick in unsere Taschen. Als ob wir einen Anschlag vorhätten!

Das Licht ist schummrig, und als ich meinen Blick zur hohen Decke richte, sehe ich einen gewaltigen Kronleuchter. War ja klar!

Ich weiß nicht, aber mit dem Prunk komme ich einfach nicht zurecht. Es lässt mich sofort wütend werden, dass reiche Scheißer sich um nichts sorgen müssen und meine Mutter wahrscheinlich gerade wieder den Schwanz von irgendeinem ekligen Typen im Mund hat, nur um sich am nächsten Tag etwas zum Essen kaufen zu können.

Wenigstens passt die Musik. Keine dämlichen Charts mit albernem Gewummer, sondern sexy Rock dröhnt aus den Boxen, während sich die partygeilen Gäste im Takt dazu bewegen.

Ich sehe mich um. Ich passe sogar besser hierher als gedacht. Die Anwesenden tragen nämlich keine Ballkleider, sondern sind wie ganz normale Collegestudenten gekleidet, wenn auch nicht im gleichen Style wie ich, aber wer trägt so was schon?

Wenigstens bin ich nicht allein. Rhona klammert sich an meinem Arm fest, als hätte sie auf einmal mehr Angst als ich.

»Ich dachte, du wärst im letzten Jahr schon auf dieser Party gewesen«, necke ich sie.

Rhona schnaubt. »Ja, aber ich bin jedes Mal überwältigt.«

»Immerhin passt du hier besser rein als ich«, seufze ich.

»Allein schon, dass du nicht die Centstücke von deinen Stiefeln kratzen musst.«

Rhona beißt sich auf die Unterlippe. »Sei nicht so gemein zu dir selbst. Geld spielt doch keine Rolle.«

»Eben schon.« Ich deute auf den Kronleuchter und die prunkvolle Deckenbemalung. Hier komme ich mir vor wie in einem Museum.

»Siehst du das? In unserer kleinen Bude hätte so eine Party niemals stattfinden können.«

»Wohl wahr. Aber lass uns das jetzt vergessen. Ich will Spaß haben, bevor das neue Semester anfängt.« Sie wackelt albern mit ihren Hüften herum, doch ich will mich nicht direkt in die tanzende Menge ziehen lassen.

»Lass uns erst etwas trinken«, rufe ich ihr zu, doch Rhona schüttelt den Kopf.

»Dann hole ich uns etwas.«

Sie nickt nur, winkt einem Mädchen, das mit einem dunkelhäutigen Jungen tanzt. Anscheinend jemand, den sie kennt. Denn schon ist sie verschwunden und ich stehe allein da.

Das Gefühl, fehl am Platz zu sein, nimmt noch mehr überhand und ich beschließe, jetzt wirklich nach etwas Alkoholischem Ausschau zu halten.

Als ich den Tisch mit den Getränken ausfindig mache, schnappe ich mir schnell zwei Gläser. Sekt? Champagner? Ich weiß es nicht. Vorsichtig lege ich meine Lippen an das Glas und nippe. Schmeckt nicht anders als Billigware aus dem Supermarkt. Meine Meinung. Jetzt muss ich nur Rhona wiederfinden, obwohl ich keine Lust habe, mich schon wieder durch die Masse zu zwängen. Ich nehme noch einen weiteren Schluck, drehe mich dabei um und …

»Scheiße!«, fluche ich. Ich sehe nur einen Anzug vor mir, eine schwarze Krawatte und ein hellblaues Hemd, das jetzt dunkel gefärbt ist. So ein Mist! Ich hab doch nicht gerade wirklich irgendeinem reichen Schnösel das Getränk drübergekippt oder? Ich halte den Atem an. Peinlich – und das am ersten Abend. »Ach, so eine schöne Scheiße!«, flucht eine Männerstimme, die mir sofort durch Mark und Bein geht. Auf meinen Armen bildet sich Gänsehaut und auf einmal fühle ich mich gänzlich unsicher.

Langsam hebe ich beschämt meinen Blick, will mich eigentlich entschuldigen, doch als ich das Gesicht meines Opfers ausmache, fliegt mir vollständig der Boden unter den Füßen weg. Es ist kein Geringerer als der Typ, den ich erst vor ein paar Stunden mit Rhona auf der Straße gesehen habe. Der Typ, der hier der Gastgeber ist und einfach nur verboten gut ausschaut. Von Nahem sogar noch besser als aus der Ferne. Sein Gesicht ist so ebenmäßig, dass ich fast Angst habe, er wäre aus Glas. Die kantigen Züge unterstreichen seine Männlichkeit und sein rabenschwarzes Haar ist elegant gestylt. Man merkt ihm an, aus welchen Kreisen er stammt. Doch am meisten ziehen mich seine Augen in den Bann. Sie leuchten in einem starken Hellblau und sind so einnehmend, dass ich meinen Blick einfach nicht lösen kann. Verdammt, er sieht wirklich verboten aus.

 

Grover

 

Die Party läuft perfekt. Natürlich tut sie das. Wenn ein Nashville etwas plant, dann muss es perfekt sein. Ich dränge mich durch die Menge an Gästen. Dabei spüre ich deren Blicke auf mir. Vor allem die der Mädchen. Es ist kein Geheimnis, dass ich seit einem Jahr Single bin. Und es ist auch kein Geheimnis, dass mich einige von ihnen haben wollen, sich ausmalen, wie es wäre.

Ich brauche jetzt dringend was zu trinken. Meine Kehle fühlt sich in der Hitze der Tanzenden auf einmal ganz trocken an. Immer weiter schiebe ich mich durch die rockende und schwitzende Menschenmenge. Kurz vor dem Tisch sehe ich ein Mädchen, das mir den Rücken zugewandt hat. Weißblondes Haar, lila Spitzen bis knapp über ihre Schultern. Plötzlich dreht sie sich schwungvoll um, rempelt mich an und kippt ihr ganzes Glas über mein Hemd.

Ich fluche. »Ach, so eine schöne Scheiße!«

Das Mädchen sieht auf und ihre grauen Augen hängen sich an meine. Ihr Mund steht auf einmal offen, als hätte sie noch nie einen Typen gesehen. Ich nutze den Augenblick, um sie zu mustern. Ich bin mir sicher, dass ich sie vorher noch nie gesehen habe.

Ihr Oberteil ist kurz, reicht nur knapp bis über ihre kleinen Brüste. Dazu diese Hotpants mit einer Netzstrumpfhose. Ihr scheint es herzlich egal zu sein, was sie trägt. Sie hat ihren ganz eigenen Style, das komplette Gegenteil von mir, denn ihr fehlt jegliche Spur von Eleganz. Ihre Lippen … Mein Blick wandert noch einmal zu ihnen. Sie sind voll und dunkel bemalt. Und sie hat sie immer noch nicht zu bekommen. Ich schmunzle, verziehe meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. Keine Ahnung, warum, aber sie gefällt mir.

Mein Lächeln scheint sie noch mehr aus dem Konzept zu bringen. Nun gut, ich weiß, wie ich auf Frauen wirke.

Schließlich sammelt sie sich wieder, schüttelt kurz ihren Kopf und murmelt ein leises »Tut mir leid.«

Ich seufze. »Schon gut, aber jetzt muss ich mich umziehen. Und da du die Übeltäterin bist, bist du mir nicht nur eine Unterhaltung schuldig, sondern auch einen Tanz. Und zuvor kommst du mit hoch, so kann ich nicht unter die Leute gehen.«

Ich strecke ihr meine Hand entgegen. Ihre Wimpern flimmern unruhig auf und ab. Vielleicht ist es ein bisschen zu derb, sie sofort mit mir in mein Zimmer zu nehmen. Ich weiß auch nicht, was gerade über mich gekommen ist. Sonst ist das nicht mein Stil. Nicht mehr. Unterhaltung? Ja, aber nur auf freundschaftlicher Basis. Und bei diesem Mädchen ist das nicht so. Denn sie gefällt mir auf eine ganz andere Art und Weise, als mir Aideen damals gefallen hat. Sie ist anders … und verdammt, ich kenne nicht einmal ihren Namen.

»Ich bin Grover«, stelle ich mich vor. Sie sieht mich etwas unruhig an.

»Und ich bin Fay. Wer du bist, wusste ich schon.« Sie grinst breit.

»Ach, hat eine Freundin getratscht?«

»Jup. Und das gleich am ersten Tag, als ich hier angekommen bin.« Sie ist neu hier. Natürlich. Deshalb habe ich sie nicht gekannt. Hah!, denke ich mir. Das ist sogar noch besser. Ein unbeschriebenes Blatt und für sie bin ich ein völlig Fremder. Sie kennt meinen Bruder nicht, denn mit dieser schwarzen Geschichte würde ich meine Familie nur in ein düsteres Licht rücken. Dieses Mädchen soll nur den Glamour meines Lebens kennenlernen.

»Also, kommst du jetzt mit?« Für einen kleinen Moment scheint sie zu zögern, doch dann ergreift sie meine Hand und ich führe sie mit mir die breite Treppe nach oben. Dabei merke ich ihren Blick. Sie sieht sich mit ihren Augen um, als hätte sie so etwas zum ersten Mal gesehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Eltern keine reichen Schlucker sind.

»Wenn du neu bist, wo kommst du dann her?«, will ich wissen. »Nicht aus Dublin, das merke ich schon allein an deinem Akzent.«

»Fällt es so sehr auf, dass ich nicht aus dem Land bin?«, kontert sie.

Ich nicke. »Ja, irgendwie schon.«

Ich führe sie den Gang entlang, die vielen Winkel hindurch, dann noch ein Stockwerk höher. Mein Bruder und ich wohnen beide unter dem Dach. Hoffentlich hat er sich wirklich in seinem Zimmer verkrochen. Es würde jetzt alles zunichtemachen, wenn er auf einmal mitten im Flur stünde.

»Immer herein.« Ich mache eine kecke Handbewegung, sodass sie kichern muss. Sie hat ein schönes Lachen. Und es gefällt mir, dass sie so selbstbewusst ist, gleichzeitig aber auch ihre Nervosität zeigt. Denn das zeigt mir wiederum, dass ich etwas in ihr auslöse.

»Wow! Dein Zimmer ist größer als unsere Wohnung.« Sie sieht sich neugierig um. Die Mischung zwischen modern und antik macht unser Anwesen aus. Ehrfürchtig geht Fay durch das Zimmer. Meine Badtür steht offen und sie erhascht einen Blick auf die großzügige Badewanne, die in der Mitte des Zimmers freisteht. »Wow, einfach nur wow! Du musst mich für eine waschechte Touristin halten, oder nicht?«

»Eine Touristin, von der ich immer noch nicht weiß, wo sie herkommt.«

Fay beißt sich auf ihre Unterlippe. »London.«

Eine Engländerin also. »Was verschlägt dich von London nach Dublin? Ihr habt doch Colleges in Hülle und Fülle, warum ausgerechnet hier das Trinity?«

»Muss ich dir das erzählen?« Sie zuckt mit den Schultern, läuft immer noch im Zimmer auf und ab.

»Also ich ziehe mich schnell um, die Gäste kommen nicht lange ohne meine Anwesenheit aus.«

»Arrogant bist du nicht gerade?«, meint sie ironisch.

»So etwas bekomme ich aus meinem Elternhaus mit. Ich weiß, wer ich bin, und ich kenne meine Stärken eben ziemlich gut.« Langsam fange ich an, meine Krawatte zu lockern, lasse sie auf den Boden fallen. Danach knöpfe ich Stück für Stück mein Hemd weiter auf. Erwartet hätte ich, dass sie sofort den Blick abwendet, doch sie beobachtet mich stattdessen neugierig. Bis der letzte Knopf gelöst ist und die offene Mitte des Hemdes einen kleinen Einblick auf meine nackte Haut erlaubt.

Erst jetzt kneift sie ihre Augen zusammen und dreht sich weg. »Diese Stärke will ich nun wirklich nicht sehen.«

»Hey, das war ein Kompliment«, gebe ich zurück.

»Bilde dir ja nichts ein! Ich bin nicht hier, um zu flirten, sondern um zu studieren.«

Hmm, an jungem, stählernem Fleische also nicht interessiert. Das wollen wir doch mal sehen. Sie ahnt ja gar nicht, wie sie meinen Jagdinstinkt damit antreibt. Ein Nashville bekommt immer, was er will, das ist ein festgeschriebenes Gesetz.

Ich schiebe mir das Hemd von den Schultern, lasse mir betont Zeit, um zu meinem Schrank zu gehen, und greife betont lässig nach einem sauberen Hemd. Diesmal entscheide ich mich für klassisches Weiß.

»Du kannst dich wieder umdrehen.«

Vorsichtig sieht sie nach hinten. Als sie bemerkt, dass ich wieder angezogen bin, atmet sie aus. »Ich bin nur hier, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, nicht, weil ich dich attraktiv finde oder so«, erklärt sie und wippt in ihren Springerstiefeln auf und ab.

»Und deswegen wirst du jetzt auch mit mir die Treppe runter gehen und tanzen.«

»Kann der Sohn eines Modelabels überhaupt tanzen?«

»Natürlich! So etwas gehört zur Etikette in den Kreisen meines Vaters.«

»Ganz schön viel Verantwortung, oder?« Sie sieht mich mit schief gelegtem Kopf an.

Ich nicke. »Schon. Wenn man bedenkt, dass ich einmal in seine Fußstapfen treten werde …«

»Willst du das etwa nicht?«

»Doch. Aber es ist auch etwas, wofür ich hart kämpfen muss. Das Studium ist kein Zuckerschlecken, auch wenn man den Status eines Nashvilles hat.«

»Hey!« Sie boxt mich spielerisch mit ihrem Ellbogen.

»Willst du mir etwa noch vor meinem ersten Tag am Trinity Angst einjagen?«

»Nein, nur dich vorbereiten. Und jetzt komm, die Gäste warten schon.«

Diesmal biete ich ihr nicht meine Hand an. Sondern, ganz der Gentleman, reiche ich ihr meinen Arm und sie hakt sich kichernd unter.

Dann gehen wir die Treppe hinunter, zurück ins Getümmel.

 

Garret

 

Eine Party ohne mich kann gar keine richtige Party sein.

Im letzten Jahr haben wir sie gemeinsam geplant. Mein Bruder und ich. Heute dagegen werde ich behandelt wie ein Ausgestoßener. Dass ich nicht mehr zur Familie gehöre, ist mir allerdings schon lange klar. Nur, dass mein Bruder sich komplett gegen mich wendet – das ist immer noch wie ein tiefer Schwertstoß ins Herz. Wir sind Zwillinge, verdammt, sollten wir da auch nicht gleich denken? Aber nein, er ist so anders als ich. Und doch irgendwie gleich.

Ich seufze. Die Musik dringt sogar bis hinauf in mein Zimmer, meine Eltern haben sich wie immer auswärts irgendwo verzogen, werden die Nacht wahrscheinlich in einem Nobelhotel im Herzen Dublins verbringen und erst am nächsten Morgen, wenn die Hausmädchen alles aufgeräumt haben, wieder aufkreuzen.

Grover macht es sich so leicht. Alkohol. Scharfe Mädels. Er hat alles, was sonst immer mir gehört hat. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass er zum Säufer mutiert ist, während ich weg war. Das wäre dann doch nicht sein Stil, schließlich will er meinem Vater weiterhin gefallen.

Ich schnaube und kicke mit meinem Fuß gegen die Wand unterhalb des Fensters. Ich bin doch kein Gefangener! Das ist mein Haus, ebenso wie seines.

Ich habe es verdammt noch mal satt, diese Scheißmaske zu tragen und mich vor jedem verbergen zu müssen. Warum nicht einen großen Auftritt wagen? Mein Bruder würde toben vor Wut. Ein schelmisches Grinsen schleicht sich auf meine Mundwinkel. Ich gehe zu meinem großen Spiegel, der direkt gegenüber dem Bett hängt. Ein Blick hinein genügt, um mir zu beweisen, dass ich vorzeigbar bin. Meine Haut ist makellos, das Haar sorgfältig nach oben gegelt. Das schwarze Hemd und die dazu passende Hose lassen mich düster und geheimnisvoll wirken.

Perfekt.

Ich lächle breit. »Mach dich auf etwas gefasst, Bruder.«

Ich reibe mir die Hände und ziehe dann mit einem Ruck meine Zimmertür auf, genieße den Duft der Freiheit. Ein wohliges Kribbeln schleicht sich in meinen Körper. Ich brauche diesen Kick, das Adrenalin. Und noch etwas brauche ich ganz dringend: Ich brauche meine Macht zurück. Mich herumschubsen zu lassen, als wäre ich nichts weiter als ein verzogener kleiner Junge, das steht mir nicht. Hmm … Wie wäre es, wenn ich ihm auf seiner legendären Party einfach die hübschesten Mädchen entführe, um sie hierher zu bringen und dann ordentlich durchzuficken? Mein Schwanz regt sich bei dem Gedanken und meine Stimmung hebt sich gewaltig.

Ich schlendere den Flur entlang, die Hände in meinen Hosentaschen vergraben, und nehme die erste Treppe nach unten in den ersten Stock. Dann bin ich auch schon an der Doppeltreppe, die von beiden Seiten der ersten Etage nach unten führt, sich dann trifft, zu einer Treppe verschmilzt und schließlich ins Erdgeschoss, direkt zu den Partygästen, führt. Vor allen versteckt kann ich über die Galerie zu den Partygästen hinabblicken. Mein Blick wandert über die College-Studenten; Kameraden, mit denen ich früher Kurse besucht, Sport getrieben hatte. Wut breitet sich in mir aus. Sie alle haben mich vergessen, einfach abgeschrieben, seitdem ich aufs Internat gekommen war.

Da entdecke ich Grover am Fuße der Treppe. Er führt ein Mädchen am Arm, unterhält sich angeregt mit ihr. Sie lacht gerade über irgendetwas, das er gesagt hat, zeigt dabei ihre weißen Zähne und streicht sich ihr Haar aus der Stirn. Ich überlege. Sie habe ich auf jeden Fall noch nie hier gesehen. Und noch mehr verwundert es mich, sie bei meinem Bruder zu sehen, da sie eigentlich so gar nicht seinem Typ entspricht. Das ist nicht Grover. Er steht doch auf die braven, unscheinbaren Mädchen, die nie dazu bereit wären, Regeln zu brechen. Die sich ihm einfach fügen und sich nicht trauen, den Mund aufzumachen.

Doch dieses Exemplar sieht anders aus. Ihr wildes Outfit gefällt mir, das unmissverständlich jeden ihrer Reize betont. Hmm … Vielleicht nur eine zufällige Begegnung, jemand, der sich einfach nur kurz mit dem Gastgeber unterhalten möchte.

Sie reden immer noch und Grover sagt etwas zu ihr, bei dem sie verlegen ihren Arm zurückzieht und den Kopf schüttelt, doch er hält ihr die Hand hin und winkt gleichzeitig dem DJ. Als ein ruhiges Klavierstück ertönt, weiß ich auch, warum. Er will mit ihr tanzen. Und nachdem das weißblonde Mädchen kurz gezögert hat, willigt sie ein, indem sie seine Hand ergreift und er sie mit sich in die Mitte der Gäste ziehen kann.

Diese weichen sofort vor ihm zurück. Natürlich. Sein Name bewirkt das. Alle starren sie an, während er die Hände um ihre Hüften legt.

Aber dieses Mädchen, wie sie sich bewegt … Ihre Füße tänzeln so leichtfüßig über den Boden, dass es aussieht, als würde sie schweben. Ich halte kurz die Luft an. Grover wirbelt sie herum und versucht, sie zu führen, doch eigentlich ist sie es, die das Ruder in der Hand hält. Ich kann das genau sehen und es fasziniert mich. Sie überlässt ihm als Kerl nicht die Führung. Sie tanzt ihren ganz eigenen Tanz und gibt sich der Musik hin.

Auf einmal juckt es mich, mehr über sie zu erfahren. Ich sehe weiter auf sie hinab, beobachte meinen Bruder, wie er sie keine Sekunde lang aus den Augen lässt. Tja, wenn sich mein Grover in dem Jahr meiner Abwesenheit nicht komplett geändert hat, würde ich behaupten, dass sie ihm so gut gefällt, dass er sich in sie verlieben könnte. Sonst würde er sie nicht so mit seinen Augen verschlingen und so ein dämliches Lächeln auf dem Gesicht tragen.

Mein Plan, meine Maske fallen zu lassen und nach unten zu gehen, die Party aufzumischen und für Chaos zu sorgen, schwindet. Was, wenn ich die Maske anbehalte? Denn was, wenn ich auf eine größere Rache aus bin, als nur diese lächerliche Party zu sprengen? Tja, Bruder, du wirst dafür büßen, für das, was du mir angetan hast. Meine Mundwinkel zucken, dann grinse ich, pruste und stoße ein herzhaftes, lautes Lachen aus. Mein Bruder glaubt, er kenne mich? Nun, vielleicht hat er sich auch getäuscht und nicht ich mich. Sagt Grover nicht schließlich immer, ich wäre der dunklere Bruder und er der weiße Ritter in schillernder Rüstung?

 

Kapitel 3

Grover

 

Mein Kopf fühlt sich schwer an. Das liegt aber sicher nicht am Alkohol. Nein, die vier Stunden Schlaf machen sich einfach bemerkbar. Ich bin kein Mensch, der bis mittags nach einer langen Nacht durchschlafen kann. Mein innerer Wecker macht mir immer einen Strich durch die Rechnung.

Ich werfe einen prüfenden Blick auf die Uhr. Halb neun. Ich seufze tief, während ich von oben der Putzkolonne zuschaue, die sich um die Hinterlassenschaften der Party kümmert. Sie sammeln die Becher auf, wischen die Flecken vom Boden. Alles muss wieder picobello sein, wenn meine Eltern heimkommen. Nicht, dass sie dann sauer auf mich wären. Aber ich will einfach nur meinen Eindruck bewahren.

Aideen hatte immer gesagt, dass ich auch mal mit anpacken könnte, den Servicekräften helfen könnte. Sie hätte sich die Hände schmutzig gemacht, mit ihrem

makellosen Gesicht und den manikürten Fingernägeln. Sie ist immer so anständig gewesen. Genau so, wie sich meine Eltern immer ihre Schwiegertochter vorgestellt hatten. Schöne blaue Augen. Unauffälliges braunes Haar und ein graziler Körper, der in den Markenklamotten der Nashvilles steckte. Eltern, die keinerlei Vorgeschichte hatten, sondern ein ganz normales Leben führten, vielleicht nur mit etwas mehr Geld als normale Familien.

Und wäre alles bei uns im Hause Nashville normal verlaufen, dann wäre sie jetzt noch bei mir.