6,99 €
Reclam Lektüreschlüssel XL – hier findest du alle Informationen, um dich zielsicher und schnell vorzubereiten: auf Klausur, Referat, Abitur oder Matura! Differenziert, umfassend, übersichtlich! - Präzise Inhaltsangaben zum Einstieg in den Text - Klare Analysen von Figuren, Aufbau, Sprache und Stil - Zuverlässige Interpretationen mit prägnanten Textbelegen - Informationen zu Autor:innen und historischem Kontext - Hilfreiche Infografiken, Abbildungen und Tabellen - Aktuelle Literatur- und Medientipps - Prüfungsaufgaben mit Lösungshinweisen - Zentrale Begriffe und Definitionen als Lernglossar Morten, 15 Jahre alt, schlittert von einer Erschütterung zur nächsten: Seine Eltern trennen sich. Na gut, er ist cool genug, um das wegzustecken. Dann wird sein bester Freund Bogi krank, schwer krank. Diese Nachricht trifft ihn hart. Und schließlich fährt Jacqueline auf ihrem Hollandrad an ihm vorbei und lässt ihn verwirrt zurück. Hier der drohende Tod des Freundes, dort die erste Liebe. Mortens Welt gerät außer Kontrolle. Doch Witz, Mut und die richtigen Leute an seiner Seite lassen ihn so einiges überstehen …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 148
Matthias Brandt
Lektüreschlüssel XL für Schülerinnen und Schüler
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Matthias Brandt: Blackbird. Roman. Anmerkungen und Nachwort von Liane Schüller. Stuttgart: Reclam, 2023. (Universal Bibliothek. 14367.) [Zitiert als: R].Matthias Brandt: Blackbird. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 22021. [Zitiert als: K].
E-Book-Ausgaben finden Sie auf unserer Website
unter www.reclam.de/e-book
Lektüreschlüssel XL | Nr. 962257
2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2024
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962257-6
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015553-0
www.reclam.de
1. Schnelleinstieg
2. Inhaltsangabe
3. Figuren
Motte und seine Freunde
Eltern
Lehrerinnen und Lehrer
Weitere Nebenfiguren
4. Form und literarische Technik
Gattung
Aufbau
Erzähltechnik und Sprache
5. Quellen und Kontexte
6. Interpretationsansätze
Sprechen und Sprachlosigkeit
Der Soundtrack des Lebens: zur Bedeutung von Musik
Motivik: Amsel und Zehnmeterbrett
7. Autor und Zeit
Biografie
Weitere Werke, weiteres Wirken
8. Rezeption
9. Wort- und Sacherläuterungen
10. Prüfungsaufgaben mit Lösungshinweisen
11. Literaturhinweise/Medienempfehlungen
12. Zentrale Begriffe und Definitionen
Autor
Matthias Brandt, deutscher Schauspieler, Hörbuchsprecher und Schriftsteller, geboren 1961 in West-Berlin
Erscheinungsjahr
2019 im Verlag Kiepenheuer & Witsch (Köln)
Gattung
Roman
Handlung
Als der zu Handlungsbeginn noch 15-jährige Morten Schumacher, Spitzname »Motte«, erfährt, dass sein bester Freund Bogi an Krebs erkrankt ist, ist plötzlich nichts mehr wie bisher. Während Bogi weitgehend isoliert im Krankenhaus liegt, geht Mottes Leben »draußen« weiter: Seine Eltern trennen sich, er verliebt sich, er macht erste Rauscherfahrungen. Haben sie vor der Krebsdiagnose noch jede freie Minute zusammen verbracht, besucht Motte Bogi nun nur noch selten. Die aufkommenden Schuldgefühle versucht er beiseitezuschieben, die Gleichzeitigkeit von Existenziellem und Alltäglichem überfordert ihn. Am Ende der Handlung steht unausweichlich Bogis Tod, den Motte ebenfalls am liebsten verdrängen möchte. Da dies nicht möglich ist, er aber auch nicht weiß, wie er einfach weiterleben soll, hört er auf zu sprechen. Nach mehrwöchiger Therapie und durch die Unterstützung seiner Freunde spricht er auf Bogis Beerdigung wieder sein erstes Wort.
Zeit
Die Handlung beginnt Mitte August 1977 und endet Mitte Juli 1978.
Ort
Die Handlung ist angesiedelt in einer fiktiven Kleinstadt in Deutschland. Die wesentlichen Handlungsorte dort sind das Krankenhaus, die Schule, Mottes altes und neues Zuhause, das Freibad, der Stadtpark und der Ringwald, die Wohnung des Lehrers Meinhardt Vogt sowie die verschiedenen Stadtteile und Viertel, in denen seine Freunde wohnen, und zum Schluss der Südwestfriedhof in der Nähe der Autobahn.
Blackbird ist Matthias Brandts erster RomandebütRoman und sein zweites literarisches Werk überhaupt. 2016 erschien mit Raumpatrouille sein Debüt, ein Band mit Geschichten über eine Kindheit in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Den zeitgeschichtlichen Hintergrund teilen sich seine beiden Werke – auch Blackbird spielt in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, der Zeit, in der der Autor selbst Jugendlicher gewesen ist. Der Roman erzählt von einem knappen Jahr im Leben des Teenagers Morten Schumacher, genannt Motte. Zu Beginn der Handlung ist er gerade noch 15 Jahre alt, am Ende steht er kurz vor seinem 17. Geburtstag – der Blick richtet sich also auf die fragile Phase des ErwachsenwerdenErwachsenwerdens, die geprägt ist von Veränderung, Verunsicherung, Entwicklung, Abgrenzung und vielen ersten Malen: der erste Rausch, das erste Verliebtsein, die erste Enttäuschung und in Mottes Fall auch die erste Konfrontation mit dem ganz großen Unglück: Sein bester Freund Bogi erkrankt an Krebs und stirbt schließlich. Brandt lässt seinen Protagonisten selbst von der nahezu unerträglichen Gleichzeitigkeit von Existenziellem und AlltäglichemGleichzeitigkeit von Existenziellem und Beiläufigem, von sich überschlagenden Ereignissen bei dem einen, für den das Leben weitergeht, und Stillstand bei dem anderen, der vom einen auf den anderen Tag aus seinem Alltag gerissen worden ist und nun isoliert im Krankenhausbett liegt, erzählen. »Es war, als ob Bogis Leben durch die verschissene Scheißkrankheit stehen geblieben war, während es für mich weiterraste.« (R 97 | K 102) Darüber sprechen, wie es in ihm aussieht, kann Motte nicht, wie sollte sich auch das Unfassbare mit Worten greifen lassen? »Wahrscheinlich gibts für die wirklich wichtigen Dinge, die man fühlt, keine Worte. Jedenfalls nicht die richtigen. Man tut eigentlich immer nur so, als ob. Weil man sich alles zurechtquatschen muss. Damit die Welt nicht stehen bleibt und es irgendwie weitergeht.« (R 24 | K 26) Daher weicht der Ich-Erzähler dem Eigentlichen aus, weiß plötzlich nicht mehr, was er mit seinem besten Freund im Krankenhaus reden soll, schiebt seine Gefühle und Gedanken so lange beiseite, bis es nicht mehr geht, und verstummt schließlich komplett.
Blackbird ist ein Roman über das Erwachsenwerden mit all seinen Facetten und Ambivalenzen. Er erzählt von der Simultaneität von Alltag (Schule, Freibad, Eltern, Musik) und Ausnahmesituation (Krankheit, Tod, Verlust, Liebe), von Reden und Schweigen, aber auch von Freundschaft, Zusammenhalt und Entwicklung – Zeitlose Themenzeitlose Themen vor einem zeitgeschichtlich fest verorteten Hintergrund: der alten Bundesrepublik in den Siebzigerjahren. Die Entscheidung, die Grundsatzentscheidung: Zeit der HandlungHandlung in einer Zeit anzusiedeln, in der die Menschen noch nicht über moderne Kommunikationsmedien wie Smartphones verfügen, setzt den Rahmen für die Art und Weise des Miteinanders der Figuren im Roman. Es werden handschriftliche Briefe und Postkarten verschickt, telefonieren geht nur über den stationären Festnetzanschluss zu Hause bei den Eltern, wer unterwegs ist, ist nicht zu erreichen. Die Analoge KommunikationKommunikation ist eine ganz andere als in der heutigen Zeit, in der Unmittelbarkeit und Permanenz selbstverständlich geworden sind und auch erwartet werden. Brandt findet genau diesen Aspekt spannend: »Es gibt in dieser Geschichte hier x Situationen, die mit Handys geschweige denn mit Smartphones so nicht auftreten würden. […] Ich fand das aber interessanter, weil ich es gut finde, wenn es gewisse LeerflächenLeerflächen gibt, wo Figuren alleine sind, wo Figuren andere Menschen auch mal suchen müssen.«1 Die Geschichte wäre mutmaßlich eine ganz andere, wenn Motte und Bogi rund um die Uhr via Kurznachrichten-Dienst kommunizieren würden oder Bogi aus dem Krankenhausbett heraus über Social Media am Leben seiner Freunde teilhaben könnte. Für Brandt ist es eine grundsätzliche Entscheidung, die vor dem Beginn jedes Schreibens zu treffen ist und den Grundton des Erzählens setzt: Handys oder nicht?2 In Blackbird gibt es keine und so ist dieser Roman für erwachsene Leser, die sich an eine Zeit rein analoger Kommunikation noch erinnern können, eine Reise in die eigene Vergangenheit und für jugendliche Leser ein interessantes Gedankenexperiment.
Blackbird ist in 17 17 KapitelKapitel unterteilt, deren Nummerierung jeweils eine Angabe zum Monat der Handlung beigefügt ist. Das erste Kapitel beginnt Mitte August, das letzte endet Mitte Juli des Folgejahres. Die Handlung erstreckt sich also über einen Zeitraum von elf Monaten. Mal schließen sich die erzählten Ereignisse nahtlos an die des vorherigen Kapitels an, mal gibt es größere Zeitsprünge. Angesiedelt ist die Handlung von Blackbird in einer fiktiven Kleinstadt in der Bundesrepublik Deutschland, zeitlich lässt sie sich in den Jahren 1977 und 1978 verorten.
Die Romanhandlung beginnt unmittelbar mit der Nachricht, die das Leben des 15-jährigen Protagonisten und Ich-Erzählers Morten Schumacher, genannt Motte, komplett auf den Kopf stellt. Auf dem Weg zum unablässig klingelnden Telefon erzählt Motte wie nebenbei, dass seine Eltern sich getrennt haben und sein Vater gerade dabei ist auszuziehen, um mit seiner neuen Freundin Claudia Hunger-Löper zusammenzuleben. Am anderen Ende der Leitung ist der Vater seines besten Freundes Bogi, der eigentlich Manfred heißt. Darüber ist Motte einigermaßen verwundert: »Mit dem hatte ich noch nie telefoniert« (R 6 | K 7). Die einzige Erklärung, die Motte so spontan für den Anruf von Herrn Schnellstieg hat, ist die Möglichkeit, dass dieser die zwei Flaschen Rotwein gefunden hat, die die beiden Freunde heimlich für die Turnierfahrt am kommenden Wochenende gekauft hatten. Motte erfährt jedoch, dass es weder um das Fußballturnier noch um den Rotwein geht, sondern dass Bogi ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Der von dem Gespräch selbst überforderte Herr Schnellstieg reicht den Telefonhörer an seine Frau weiter, die Motte berichtet, dass Bogi sich aufgrund eines Zufallsfundes bei einem Routinearztbesuch zu näheren Untersuchungen im Krankenhaus befindet. Ihre Versuche, den offensichtlichen Ernst der Lage herunterzuspielen und Ruhe auszustrahlen, scheitern: »Dann weinte Bogis Mutter plötzlich auch, obwohl sie mir doch vor fünf Sekunden noch gesagt hatte, das müsse nicht sein. Ganz leise nur, aber ich merkte es« (R 10 | K 10). Auch wenn Motte noch nicht richtig greifen kann, was passiert, fühlt er die Tragweite dieser Nachricht: »Jetzt hat sich gerade Alles andersalles verändert, dachte ich. Nee, dachte ich nicht. Keine Ahnung, was ich wirklich dachte« (R 10 | K 11).
Die Handlung macht einen Zeitsprung von circa einem Monat. Motte ist auf dem Weg zu Bogi ins Krankenhaus. Es ist der Erster Besuch im Krankenhauserste Besuch bei seinem besten Freund, seitdem bei diesem ein Non-Hodgkin-Lymphom und damit KrebsdiagnoseKrebs diagnostiziert worden ist. »Komisch war das. Bogi, mit dem ich seit Jahren fast jeden Tag verbracht hatte, war von einem Moment auf den anderen weg gewesen.« (R 11 | K 12) Motte freut sich zwar auf das Wiedersehen mit Bogi, ist gleichzeitig aber auch nervös diesbezüglich, weswegen er sich in Abschweifende GedankenGedanken an scheinbar belanglose Dinge verliert (an den Hausmeister seiner Schule, einen älteren Schüler mit einem missratenen Tattoo oder an einen Tierfilm aus dem Biologieunterricht, der wiederum mit dem Hausmeister zu tun hat). Die Beobachtungen und Begegnungen auf dem Weg zu Bogis Krankenzimmer lassen Motte noch an weitere Personen aus seinem alltäglichen Leben denken: Die Pförtnerloge sieht für ihn aus wie ein Aquarium, weswegen ihm sein Guppy-begeisterter Physiklehrer in den Sinn kommt, der zivildienstleistende Sanitäter wäre in den Augen seines sadistischen Sportlehrers Kragler, der von seinen Schülern militärische Tugenden verlangt, ein »Drückeberger« (R 16 | K 17).
Da Bogi ein Jahr jünger ist als Motte, liegt er auf der Kinderstation, deren einzelne Zimmer mit Tiersymbolen gekennzeichnet sind. Für Motte macht dies die ganze Situation noch absurder, ihm ist mulmig zumute und er will auf keinen Fall »einer von denen hier sein« (R 21 | K 22). Als er Bogi schließlich in seinem Giraffen-Zimmer erblickt, fällt ihm auf, wie sehr dieser sich verändert hat. Bogi wirkt auf Motte so, »[a]ls ob er, obwohl er noch gar nicht lange hier war, schon hierhergehörte und nicht mehr zu unserer Welt, zu meiner« (R 22 | K 24). Sofort hat er ein schlechtes Gewissen – so etwas zu denken sei schließlich das Gegenteil von dem, was die Besucher Bogi laut seiner Mutter vermitteln sollen. Das Gefühl von Zugehörigkeit und Normalität sei wichtig für den Heilungsprozess. Motte empfindet aber genau das als Unmöglichkeit und wird richtiggehend aggressiv: »Aber wie sollte das bitte schön gehen, das mit dem Dazugehören, wenn er den ganzen Tag über im Frotteepyjama in dem bekackten Giraffenzimmer rumlag, während wir draußen gerade unsere Welt umkrempelten?« (R 22 | K 24). Diese Ambivalente GefühleDiskrepanz, die Motte auch an weiteren Stellen zur Sprache bringt (»Ich freute mich total, ihn zu sehen, und wollte gleichzeitig nur noch wegrennen«, R 24 | K 26), führt zu einer gewissen Sprachlosigkeit und DistanzDistanz zwischen den beiden Freunden. Das Wiedersehen ist geprägt durch einen stockenden Austausch von Belanglosigkeiten. »Bogi und ich saßen also auf diesem Scheiß-Krankenhausbett und merkten, dass wir gerade wenig miteinander anfangen konnten. Ziemlich traurig war das.« (R 27 | K 29) Motte fühlt sich schlecht deswegen, da er es eigentlich als seine Aufgabe empfindet, Bogi aufzuheitern und der Situation ihre Schwere zu nehmen (R 28 | K 31).
Weniger gehemmt agieren die beiden zu Mottes Erleichterung kurz darauf auftauchenden Freunde Jan und Jan und WalkiWalki. Vor allem Jan beginnt sofort mit Bogi herumzublödeln: »Na, du Behindi! Hehehe, ein Vollhorst ist das, der Bogi! Hängt der hier im Krankenhaus rum!« (R 30 | K 32), »Und? Mit den Schwestern? Wie siehts aus? Hehe« (R 33 | K 35). Motte ist erleichtert über die verbesserte Atmosphäre im Raum, fragt sich aber zugleich, warum es ihm selbst nicht möglich ist, eine normale Unterhaltung mit seinem besten Freund zu führen (R 33 | K 35 f.). Walki, der sich bislang eher zurückgehalten hat, schlägt nach einer Weile vor, auf der Wiese vor dem Krankenhaus gemeinsam Fußball zu spielen. Motte findet die Idee absurd, sagt aber nichts dazu. Bogi verneint, er sei zurzeit immer sehr müde, schlägt aber vor, den anderen vom Fenster aus zuzusehen. Die Verlegenheit im Raum ist spürbar. Auf dem Weg nach unten überfällt Motte ein Gedanke, ein schmerzhaftes Gefühl, das er nicht in Worte fassen kann und das er schnell verdrängt.
Das dritte Kapitel erzählt von einer weiteren Erschütterung in Mottes Leben, die jedoch nichts mit Bogi zu tun hat: Motte verliebt sich Hals über Kopf in Verliebt in JacquelineJacqueline Schmiedebach vom Nachbargymnasium. Seit er Jacqueline zum ersten Mal auf ihrem Fahrrad gesehen hat, versteht er plötzlich die Bedeutung des Wortes »Anmut« (R 39 | K 41), welches er aus dem Deutschunterricht von Frau Standfuss kennt. Auf Anraten seiner Freunde folgt Motte Jacqueline mit seinem Fahrrad und findet so heraus, dass sie auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses wohnt und die Fähre zur Schule nimmt. In den folgenden Tagen treibt sich Motte beim Fähranleger herum, um ihr scheinbar zufällig begegnen zu können. Jedoch wird zunächst jemand anderes auf ihn aufmerksam: Ein Mann spricht ihn an und bietet ihm 50 DM für sexuelle Dienste. Erschrocken macht Motte sich mit seinem Fahrrad davon, verpasst somit aber die Ankunft der nächsten Fähre und schlägt sich in sicherer Entfernung zu dem Mann wieder querfeldein zum Anlegeplatz durch, wo Jacqueline dann auch tatsächlich an ihm vorbeifährt und ihn sogar anlächelt. Trotz seines verschwitzten und verdreckten Zustands fährt er ihr nach und traut sich schließlich sogar, neben ihr an der Ampel anzuhalten – wobei er sich bemüht, nicht in ihre Richtung zu blicken. Den restlichen Nachmittag schaut er ihr heimlich beim Tennistraining zu.
Das vierte Kapitel knüpft nahtlos an das vorherige an. Motte Irritierende Begegnung im Wohnzimmertrifft zu Hause auf seinen Vater. Beide sind gleichermaßen unbeholfen und wissen nichts mit sich anzufangen. Als der Vater dann schließlich doch das peinliche Schweigen bricht und sagt, die Mutter habe ihm ja alles erklärt, fürchtet Motte eine unangenehme Aussprache über die gegenwärtige Situation und bejaht daher. »Meine Eltern sollten das so regeln, wie sie es für richtig hielten. Oder auch nicht. Hauptsache, sie ließen mich damit in Ruhe.« (R 47 | K 50) Mottes Vater, der vor einiger Zeit seine Arbeit verloren hat, fängt unvermittelt an zu lachen und wendet sich schließlich röchelnd und hustend von seinem Sohn ab. Motte denkt über die bevorstehenden Lebensveränderungen nach und zählt die Vorteile auf, die der Bevorstehender UmzugUmzug in einen anderen Stadtteil mit sich bringen würde. Den Gedanken daran, dass er dann nicht mehr in Bogis Nachbarschaft leben wird, schiebt er schnell beiseite, da dieser in ihm ein schlechtes Schlechtes GewissenGewissen auslöst – hat er Bogi doch schon eine Weile nicht mehr im Krankenhaus besucht.
Während der Vater sich durch Schweigen auszeichnet, versucht Mottes Mutter seit der Trennung für ihren Sohn da zu sein und Gespräche über seine gegenwärtige Gefühlslage und die Veränderungen in seinem Leben zu führen. Bei Motte löst dies allerdings alterstypisches Entsetzen aus: »So ein Wahnsinn. Die sollte gefälligst jemand anderen zutexten« (R 50 | K 53). Die Versuche seiner Mutter, mit ihm über Sex zu sprechen, lassen Motte an den Aufklärungsunterricht in der Schule denken. Während seine Biologielehrerin Frau Strobel sich des Themas nur widerwillig angenommen hat, pflegt der Schulleiter einen entspannteren Umgang damit und ist von den Jungs sogar einmal beim Besuch eines Sexshops beobachtet worden.
Nach erfolgreicher Flucht vor seiner Mutter liegt Motte in seinem Zimmer und hört Musik. In der Schule hat er von einer Marihuanaplantage gehört, die jemand im Ringwald angelegt haben soll. Er denkt daran, dass er Bogi bei seinem nächsten Besuch unbedingt davon erzählen muss, schiebt diesen Gedanken aber aufgrund des erneut aufkeimenden schlechten Gewissens wieder beiseite. »Ich dachte dann lieber wieder an Jacqueline. Dabei fehlte mir Bogi nicht.« (R 53 | K 56)
Er denkt über all die VeränderungenVeränderungen in seinem Leben nach, versucht seine ambivalenten Gefühle zu sondieren und kommt zu dem Schluss, dass es in solchen Situationen hilfreich wäre, Raucher zu sein. So entwendet er seiner Mutter eine Schachtel Mentholzigaretten und macht sich mit dem Fahrrad auf in den Ringwald. Auf dem Rückweg kommt Motte am derzeit geschlossenen Freibad vorbei und fragt sich, ob er es im kommenden Sommer wohl endlich schaffen würde, vom Zehnmeterbrett zu springen.
Zurück zu Hause gelingt es Motte nicht, seiner Mutter aus dem Weg zu gehen. Sie wartet schon auf ihn und verkündet, dass sie sich am folgenden Tag eine Wohnung anschauen könnten. Motte ist nicht begeistert, bemerkt aber die Enttäuschung seiner Mutter und lenkt ein. Einer der beiden Schornsteinfeger, die währenddessen auf dem Dach des Hauses zugange gewesen sind, stellt sich anschließend als Mottes Grundschulklassenkameradin Wiedersehen mit SteffiSteffi heraus. Motte kann sich zunächst nicht an sie erinnern, bis ihm einfällt, dass sie es war, die damals einen denkwürdigen Unfall mit einer Heugabel hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass die gleichaltrige Steffi bereits eine Lehre macht, also arbeitet, kommt Motte sich ziemlich kindisch vor und fühlt sich schlecht, weil er als Gymnasiast Realschüler bislang immer von oben herab behandelt hat.
Das fünfte Kapitel nimmt in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Zum einen hebt es sich typografisch von den anderen Kapiteln ab, da es zum größten Teil aus einem handgeschriebenen Brief Mottes besteht (Rechtschreibfehler inklusive). Zum anderen ist es das einzige Kapitel, das genau datiert ist: Es ist der erste Oktober und damit Mottes 16. 16. GeburtstagGeburtstag.
Der Brief, der nicht in seiner redigierten Endfassung abgedruckt ist, sondern noch alle Durchstreichungen und Bearbeitungen enthält, ist an Brief an Jacqueline