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Erleben Sie die glanzvolle 7-teilige Familiensaga: Nach dem plötzlichen Tod des Familienoberhaupts herrscht Aufruhr in der Familie Lassiter. Die Erben müssen sich gegen Lügen und Intrigen wehren - und für ihre große Liebe kämpfen! Knisternde Spannung herrscht zwischen ihnen, seit sie sich auf seiner Ranch zum ersten Mal geküsst haben! Aber Chance Lassiter ist überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Fee nach Los Angeles zurückkehrt. Oder gibt es einen Weg, das aufregende City-Girl zu halten?
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Seitenzahl: 188
IMPRESSUM
Bleib bei mir, City-Girl! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2014 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Lured by the Rich Rancher“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 354 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Silke Schuff
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733769598
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Chance Lassiter und seine Halbschwester Hannah Armstrong trafen sich am vierten Juli zur verabredeten Uhrzeit vor der Tür, die in den weitläufigen Wohnbereich der Big Blue Ranch führte.
„Das hier kommt mir irgendwie total verkehrt vor. Vor zwei Monaten erst habe ich erfahren, dass ich eine Schwester habe, und jetzt muss ich dich schon wieder hergeben“, sagte er traurig.
„Da ist was dran“, erwiderte sie lächelnd. „Aber du bist ein guter Freund von Logan, da werden wir zwei uns vermutlich öfter über den Weg laufen.“
„Darauf kannst du dich verlassen. Jedenfalls, was mich angeht.“ Er warf einen liebevollen Blick auf seine fünfjährige Nichte Cassie, die ungeduldig darauf wartete, dass sie endlich die Blumen streuen durfte, die sie in einem Körbchen am Arm trug. „Ich habe Cassie versprochen, mindestens einmal pro Woche mit ihr nach Cheyenne zu fahren, um ein Eis zu essen. Ich werde mein Wort halten.“
„Ich habe es kommen sehen. Du wirst sie hoffnungslos verwöhnen“, seufzte Hannah in gespielter Verzweiflung.
Er grinste und zuckte mit den Schultern. „Ich bin ihr Lieblingsonkel. Was erwartest du?“
„Du bist ihr einziger Onkel“, gab sie lachend zurück. „Ihr bleibt also keine Wahl.“
Als Chance vor einiger Zeit von seiner Halbschwester erfahren hatte, die aus einer außerehelichen Beziehung seines Vaters stammte, hatte er eine Reihe unterschiedlichster Gefühle durchlebt. Zunächst einmal war er zornig und enttäuscht gewesen. Sein Vater, den er immer für ein Vorbild in Sachen Moral und Anstand gehalten hatte, war seiner Ehefrau untreu gewesen. Und Marlene Lassiter, seine Mutter, wusste sowohl von der Affäre als auch von der Tochter ihres Mannes und hatte Chance kein Wort davon gesagt. Diese Tatsache machte die Enttäuschung umso bitterer. Seine Mutter war sich immer darüber im Klaren gewesen, wie sehr Chance während seiner Kindheit Geschwister vermisst hatte. Jetzt kam es ihm vor, als hätten seine Eltern ihm die Möglichkeit verwehrt, zumindest zeitweise zusammen mit seiner Halbschwester aufzuwachsen. Daher setzte er nun alles daran, die verlorenen Jahre aufzuholen, seit er vor zwei Monaten Hannah und seine bezaubernde Nichte kennengelernt hatte.
Als die Tür endlich geöffnet wurde, nahm er Hannahs Hand und legte sie in seine Armbeuge. „Abgesehen von der obligatorischen Verabredung zum Eisessen … du weißt, dass ich jederzeit für dich und Cassie da sein werde. Anruf genügt.“
„Du und deine Mutter, ihr beide seid so fantastisch.“ Tränen schimmerten in Hannahs grünen Augen, die seinen so ähnlich waren. „Ich weiß nicht, wie ich euch jemals danken soll. Ihr habt uns mit offenen Armen empfangen. Und eure Zuneigung bedeutet alles für mich.“
Er schüttelte abwehrend den Kopf. „Es besteht kein Grund für Dankbarkeit. Das ist das Schöne an einer Familie. Wir lieben Cassie und dich bedingungslos. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie lange es gedauert hat, bis wir uns gefunden haben.“
Als sie den Gang zwischen den Stuhlreihen beschritten, richtete Chance den Blick auf das kleine rothaarige Mädchen vor ihnen. Cassies Locken wippten im Takt ihrer weit ausholenden Bewegungen, mit denen sie die Blüten aus ihrem Korb um sich warf. Chance fand sie unglaublich süß, und die Brust schwoll ihm vor onkelhaftem Stolz.
Dann erreichten sie den Bräutigam, der neben dem Geistlichen am Kamin stand. Kurz darauf bekam Chance sein Einsatzzeichen und legte die Hand seiner Schwester in die von Logan Whittaker. Gerührt küsste er Hannah auf die Wange, stellte sich als Trauzeuge neben seinen Freund und warf ihm einen bedeutungsvollen Seitenblick zu. „Pass bloß gut auf Hannah und Cassie auf“, raunte er ihm zu. „Du weißt ja, was passiert, wenn du es nicht tust.“
„Du wirst mir die Hölle heißmachen“, erwiderte Logan lächelnd.
„Darauf kannst du deinen Hintern verwetten“, versprach Chance.
„Du musst dir weder um Hannah noch um Cassie Sorgen machen“, sagte Logan und küsste Hannahs Hand. Dann trat er mit seiner Braut vor den Geistlichen.
Als der ältere Herr seine Brille zurechtrückte und salbungsvoll zu sprechen begann, betrachtete Chance die Hochzeitsgäste. Außer Dylan und Jenna war der Lassiter-Clan in voller Stärke angetreten. Und die Abwesenheit seines Cousins Dylan und dessen frisch angetrauter Gattin Jenna war allzu verständlich. Schließlich lag deren Hochzeit nur knapp eine Woche zurück, und sie waren noch auf Hochzeitsreise in Paris.
Chance ließ den Blick schweifen und entdeckte seine Cousine Angelica, die auf einem Stuhl in der hintersten Reihe weitab vom Rest der Familie Platz genommen hatte. Sie war immer noch wütend, weil ihr kürzlich verstorbener Vater in seinem Testament verfügt hatte, dass ihr früherer Verlobter Evan McCain und nicht sie selbst die Kontrolle über den Medienkonzern der Familie erhielt. Chance hatte keine Ahnung, was sein Onkel sich dabei gedacht hatte, aber er vertraute auf das Urteilsvermögen von J. D. Lassiter. Bestimmt hatte es einen guten Grund für die Entscheidung gegeben. Chance wünschte sich nur, Angelica könnte das ebenso sehen.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Trauungszeremonie zu und fischte den Ring aus seiner Brusttasche, als Logan sich mit ausgestreckter Hand zu ihm umdrehte. Sein künftiger Schwager hatte ihm das kostbare Schmuckstück zuvor anvertraut. Er beobachtete, wie Logan seiner Braut den mit Diamanten besetzten Ring ansteckte, und musste unwillkürlich lächeln. Er selbst trug sich zwar überhaupt nicht mit Heiratsabsichten. Aber er sah gern zu, wie zwei Menschen, die füreinander bestimmt waren, dieses Ritual vollzogen. Und nach einem Paar, das besser zusammenpasste als Hannah und Logan, musste man wohl ziemlich lange suchen.
„Kraft meines Amtes, das mir vom Staat Wyoming verliehen wurde, erkläre ich Sie zu Mann und Frau“, intonierte der Geistliche mit fester Stimme. „Sie dürfen die Braut nun küssen.“
Chance wartete ab, bis Hannah und Logan einen ebenso zärtlichen wie hingebungsvollen Kuss getauscht hatten, bot der Trauzeugin galant seinen Arm und folgte dem Brautpaar dann mit ihr gemeinsam zur Tür. Cassie hüpfte ausgelassen neben ihnen her. Plötzlich entdeckte er eine blonde Frau, die neben seinem Cousin Sage und dessen Verlobter Colleen saß. Interessant.
Ihr Haar hatte einen matt schimmernden Goldton, und sie war zweifellos das schönste weibliche Wesen, das er je gesehen hatte. Als sie den Blick ihrer strahlend blauen Augen auf ihn richtete und ihm ein warmes Lächeln schenkte, war ihm, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen. Es kostete ihn einige Mühe, nicht stehen zu bleiben und sie mit den Augen zu verschlingen.
Chance hatte keine Ahnung, wer sie war. Aber er beabsichtigte, so bald wie möglich auch das kleinste Detail über sie herauszufinden.
Als Felicity Sinclair den Kopf hob und dem Blick des Trauzeugen begegnete, hatte sie das Gefühl, als würde sich der Boden unter ihren Füßen bewegen. Er folgte dem frisch vermählten Paar an der Seite der Trauzeugin durch den Gang zwischen den Stuhlreihen und war einfach perfekt.
Wie der Bräutigam trug auch er ein weißes Hemd, ein schwarzes Jackett, dunkelblaue Jeans und einen breitkrempigen Cowboyhut. Der Mann schien alles zu verkörpern, was sie sich je erträumt hatte. Und mehr noch. Er war groß, breitschultrig und auf eine robuste Weise attraktiv. Aber noch bestechender war das unerschütterliche Selbstbewusstsein, das ihn umgab wie eine leuchtende Aura. Alles an ihm schien zu sagen, dass man ihm bedingungslos vertrauen konnte. Felicity hoffte inständig, dass er ein Mitglied der Familie Lassiter war. Wenn das der Fall war, konnte sie seine blendende Erscheinung vielleicht für ihre Öffentlichkeitskampagne nutzen.
Als er im Weitergehen den Blick abwandte, beugte Felicity sich zu dem Paar, das neben ihr saß. „Sage, weißt du zufällig, wer der Trauzeuge ist?“
„Aber klar doch. Das ist mein Cousin Chance“, antwortete Sage und stand auf. „Er besitzt die Mehrheit der Anteile an der Big Blue Ranch.“
Mit einem aufgeregten Kribbeln im Bauch folgte sie Sage und Colleen auf die große Terrasse, wo der Hochzeitsempfang stattfinden sollte. Dieser unverschämt gut aussehende Cowboy gehörte also tatsächlich zur Familie. Sie fragte sich kurz, warum sie ihn bei der Eröffnung des neuesten Lassiter Grills nicht getroffen hatte, vergaß es dann aber wieder. Ihre Gedanken waren zu sehr mit der Planung ihrer PR-Kampagne beschäftigt. Für das, was sie im Sinn hatte, war die Big Blue Ranch die ideale Kulisse. Und ein bodenständiger, vertrauenswürdiger und obendrein attraktiver Cowboy wäre ein überzeugender Übermittler ihrer Botschaft.
Ihr Chef, der neue Geschäftsführer von Lassiter Media, Evan McCain, hatte sie nach Cheyenne geschickt, wo sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit anlässlich der Eröffnung des Lassiter Grills kümmern sollte. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, innerhalb von zwei Wochen wieder in Los Angeles zu sein. Aber offenbar war ihre Arbeit so zufriedenstellend gewesen, dass ihr Aufenthalt in Wyoming verlängert wurde. Vor zwei Tagen hatte sie telefonisch den Auftrag erhalten, eine Kampagne zu entwickeln, die das Ansehen der Familie Lassiter aufpolieren würde. Keine leichte Aufgabe. Gerüchte über Angelica Lassiters Unzufriedenheit mit dem Testament ihres Vaters und ihre Verbindung zu Jack Reed hatten sich wie ein Lauffeuer verbreitet und das Image einer glücklichen Familie beschädigt. Besonders die Tatsache, dass Jack Reed dafür bekannt war, Mehrheitsbeteiligungen von Firmen zu erwerben, um sie dann mit Gewinn zu veräußern oder gar zu zerschlagen, hatte zu Nervosität unter den Aktionären geführt. Schon als Felicity den Hörer auflegte, hatte sie etliche brauchbare Ideen im Kopf. Sie war zuversichtlich, dass ihre Kampagne den Schaden beheben und Lassiter Media als das solide Unternehmen darstellen würde, das es seit jeher gewesen war. Sie brauchte nur die richtige Person vor der richtigen Szenerie. Wie es aussah, hatte sie beides gefunden.
Natürlich musste sie Chance erst davon überzeugen, mitzumachen und in den Fernsehspots und Zeitungsanzeigen zu erscheinen, die sie geplant hatte. Aber da machte sie sich keine allzu großen Sorgen. Soweit sie wusste, waren alle Lassiters mit einem ausgeprägten Familiensinn gesegnet. Wenn sie Chance erklärte, wie sehr die Kampagne seiner Familie nutzen würde, wäre er bestimmt bereit, ihr zu helfen.
Sie fand einen freien Platz an einem der runden Tische, die auf der großen Terrasse für die Gäste aufgestellt worden waren. Nachdem sie sich gesetzt hatte, holte sie das Handy aus der Handtasche, um einige Notizen einzugeben. Ihr schwirrte der Kopf vor lauter guten Ideen. Da konnte sie sich unmöglich nur auf ihr Gedächtnis verlassen.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen, meine Liebe?“
Felicity blickte auf und sah sich einer sympathischen gepflegten älteren Dame gegenüber. Sie trug das braune Haar kurz geschnitten und lächelte sie freundlich an. „Es wäre mir ein Vergnügen“, sagte sie und erwiderte das Lächeln. „Mein Name ist Fee Sinclair.“
„Und ich heiße Marlene Lassiter“, stellte die Frau sich vor und nahm neben Fee Platz. „Sind Sie eine Freundin der Braut?“
Fee schüttelte den Kopf. „Ich arbeite bei Lassiter Media in Los Angeles und bin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.“
„Ich glaube, Dylan hat erwähnt, dass sich jemand aus L. A. um die Werbekampagne kümmern würde“, sagte Marlene. Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann mit gesenkter Stimme fort: „Und Sage erzählte mir gestern, Sie würden sich ebenfalls darum kümmern, die Wogen zu glätten, die Angelica erzeugt hat. Das dumme Ding hat in aller Öffentlichkeit damit gedroht, das Testament ihres Vaters anzufechten. Außerdem ist sie mit Leuten wie Jack Reed gesehen worden.“
„Stimmt“, erwiderte Fee und fragte sich, wie viel die Frau von den Sorgen des Firmenvorstands wusste. Sie hatte den Eindruck, dass Marlene Lassiter nur wenig entging, wenn es sich um ihre Familie handelte. „Ich bin dabei, eine Werbekampagne fürs Fernsehen und die Zeitungen zu entwickeln. Ich will die Öffentlichkeit daran erinnern, was für ein solides, familienfreundliches Unternehmen Lassiter Media ist.“
„Gut“, sagte Marlene entschieden. „Wir haben natürlich unsere Auseinandersetzungen. Die gibt es wohl in jeder Familie. Aber wir hegen große Zuneigung füreinander und stehen uns sehr nah. Das gilt für alle Familienmitglieder.“
Sie warfen beide einen Blick auf die hübsche dunkelhaarige Frau, die sich ein hitziges Wortgefecht mit Sage lieferte. Sie wirkte dabei ebenso zornig wie unglücklich. „Im Moment fällt es vielen Menschen schwer, das zu glauben. Aber Angelica ist eine wunderbare junge Frau, die wir alle sehr lieben“, sagte Marlene und beobachtete, wie Angelica ihrem Bruder den Rücken kehrte und wütend davonging. Marlene wandte sich wieder an Fee. In ihren braunen Augen stand Traurigkeit. „Sie versucht immer noch, den Tod ihres Vaters zu verwinden. Und das Testament hat sie enttäuscht und verletzt. Es ist nicht einfach für sie, all das zu verkraften.“
Tröstend legte Fee eine Hand auf Marlenes Unterarm. „Es war bestimmt ein schwerer Schlag für sie. Sie hat so hart für das Unternehmen gearbeitet. Viele Leute sind davon ausgegangen, dass sie es eines Tages übernehmen würde.“
Marlene nickte. „Wir alle hatten den Eindruck, dass J. D. sie zu seiner Nachfolgerin aufbauen würde. Als er ihr jedoch in seinem Testament nur zehn Prozent der Anteile überließ und Evan McCain als Geschäftsführer bestimmte, war das Mädchen am Boden zerstört.“
Es war offenkundig, dass Marlene sich große Sorgen um Angelica machte. „Ihr Vater ist erst vor wenigen Monaten gestorben“, sagte Fee leise. „Vielleicht schafft sie es mit der Zeit, über seinen Tod und das Testament hinwegzukommen.“
„Das hoffe ich.“ Marlene schüttelte resigniert den Kopf. „Manchmal ist es auch für erwachsene Kinder schwer, die Entscheidungen ihrer Eltern zu akzeptieren. Aber wir versuchen immer, im Interesse unserer Kinder zu handeln.“
Fee hatte das Gefühl, dass Marlene mit ihren letzen Worten nicht nur Angelica gemeint hatte. Möglicherweise gab es noch andere Probleme in der Familie. „Ich habe keine Kinder. Ich kann mir jedoch vorstellen, wie schwierig die Beziehung zwischen Eltern und ihrem Nachwuchs sein kann“, erwiderte sie und beschloss, das Thema zu wechseln. Vielleicht gelang es ihr, die ältere Dame ein wenig aufzuheitern. Sie deutete auf den Tisch, an dem das Brautpaar sitzen sollte. „Ich weiß nicht, wer für die Dekoration zuständig war. Aber sie ist einfach wundervoll.“
Auf allen Tischen lagen blütenweiße Tischtücher. In der Mitte standen Vasen, die mit roten, weißen und blauen Rosen gefüllt waren. Der Tisch des Brautpaars war zusätzlich mit einem Kranz aus Schleierkraut und roten und blauen Rosenknospen geschmückt.
„Vielen Dank“, sagte Marlene lächelnd. „Hannah hat mir diese Aufgabe anvertraut. Ich dachte, Rot, Weiß und Blau sind angemessen. Immerhin haben wir den vierten Juli. Und an unserem Unabhängigkeitstag sollten wir unsere Nationalfarben zeigen. Heute Abend gibt es auch noch ein Feuerwerk.“
„Grandma Marlene, kann ich an deinem Tisch sitzen?“, fragte das bezaubernde rothaarige Blumenmädchen und kam zögernd näher.
„Natürlich, Cassie“, antwortete Marlene und nahm die Kleine in den Arm. „Vorausgesetzt, deine Mutter ist damit einverstanden.“
„Sie sagt, ich darf. Aber ich soll zuerst dich fragen“, erklärte Cassie mit ernster Miene. Sie schien Fee erst jetzt zu bemerken. „Ich heiße Cassie. Und ich habe heute einen neuen Daddy gekriegt.“
„Das habe ich gesehen.“ Fee fand das Mädchen einfach hinreißend. „Darüber bist du sehr froh, oder?“
Cassie nickte eifrig. „Ja. Aber Onkel Chance hat gesagt, ich bin immer noch seine Lieblingsnichte. Auch wenn Logan jetzt mein neuer Daddy ist.“
„Oh, das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Fee und lächelte.
Während Cassie auf den Stuhl neben Marlene kletterte, dachte Fee an ihre Idee. Durch Cassies Auftauchen war ihr klar geworden, dass sie mit der Mutter und der Nichte des Mannes an einem Tisch saß, der zukünftig das Gesicht ihrer Kampagne sein sollte. Wenn Marlene von der Kampagne wusste und sie befürwortete, würde ihr Sohn das bestimmt auch tun. Und wenn sie Glück hatte, wäre er mehr als erpicht auf die ihm zugedachte Rolle, um den Ruf der Familie Lassiter wieder herzustellen.
Chance saß neben seinem neuen Schwager und fühlte sich so unbehaglich wie ein Hirsch inmitten eines Rudels Wölfe. Er mochte es nicht besonders, auf dem Präsentierteller zu sitzen. Und genau das war jetzt der Fall. Immer wenn er von seinem Teller aufblickte, lächelte ihn jemand an, winkte ihm zu oder starrte ihn nur an. Das führte dazu, dass ihm sein eigentlich hervorragendes Steak schmeckte wie eine alte Schuhsohle.
Schließlich gab er auf, legte das Besteck beiseite und wartete darauf, dass auf das Wohl des Brautpaars angestoßen würde. Wenn das endlich hinter ihm läge, hätte er seine Pflichten als Trauzeuge erfüllt, könnte sich entspannen und die Feier genießen.
Wenigstens hatte Logan nicht auf Smokings bestanden. Hannah hatte die Jeans und die schwarzen Jacketts als legeren Chic bezeichnet. Chance selbst nannte dieses Outfit bequem.
Er suchte mit den Augen die Gäste nach der Blondine ab, die vorhin beim Verlassen des Wohnbereichs seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er hoffte, dass sie nicht etwa auf die Idee gekommen war, den Hochzeitsempfang zu schwänzen, denn er wollte sie gern näher kennenlernen.
Er war sich ziemlich sicher, dass sie nicht aus dieser Gegend kam. Sie war ganz anders gekleidet, frisiert und geschminkt als die Frauen, die er kannte. Angefangen von ihrem perfekt gestylten Haar bis hin zu den hochhackigen Pumps machte sie den Eindruck eines Großstadtmädchens. Er hätte seinen letzten Penny darauf verwettet, dass ihr rotes schulterfreies Kleid auf der Innenseite das Etikett eines berühmten Designers trug. Aber es spielte keine Rolle, wenn sie aus verschiedenen Welten stammten. Er war nicht an einer langfristigen Beziehung interessiert. Für ihn kam nur eine kurze Sommeraffäre infrage.
Als er sie schließlich entdeckte, musste er ein Stöhnen unterdrücken. Sie war ausgerechnet mit seiner Mutter in ein angeregtes Gespräch vertieft. Das war gar nicht gut. Seit seine Mutter durch Cassie auf den Geschmack gekommen war, hatte sie ihm bereits mehrmals unverblümt signalisiert, wie gern sie in naher Zukunft ein Enkelkind oder besser noch zwei hätte. Hoffentlich pries sie ihn der Blondine nicht gerade als möglichen Heiratskandidaten an.
Er runzelte die Stirn. Bei Marlene konnte man nie sicher sein. Erst vor zwei Monaten hatte sie ihm den Schock seines Lebens versetzt, indem sie unumwunden zugab, von der Affäre seines Vaters gewusst zu haben. Und von der daraus hervorgegangenen Tochter Hannah. Seiner Halbschwester. Außerdem hatte sie es nach seinem Tod übernommen, Hannahs Mutter mit einer monatlichen Summe zu unterstützen. Die Geheimnisse seiner Mutter hatten Chance ebenso verstört wie enttäuscht. Erst in den letzten Tagen hatten sie damit begonnen, die dadurch entstandenen Risse in ihrer Beziehung wieder zu flicken. Er konnte nur hoffen, dass sie es nicht riskieren würde, neue Probleme zwischen ihnen aufzuwerfen.
„Es ist Zeit, auf das Brautpaar anzustoßen“, sagte Logan in seine Gedanken hinein. „Es sei denn, du willst uns weiter warten lassen, weil du die Blondine neben Marlene anschmachtest“, fügte er leise hinzu und grinste breit.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Geschwür am Gesäß der Menschheit sein kannst?“, knurrte Chance, ergriff sein Champagnerglas und stand auf.
Er ignorierte das anzügliche Lachen seines Schwagers und wünschte dem Brautpaar mit wohlgesetzten Worten ein langes und glückliches gemeinsames Leben. Außerdem verkündete er, dass er Hannah und Logan ein großzügig bemessenes Grundstück auf dem Gelände der Ranch überschrieben hatte, auf dem sie ihr geplantes Haus bauen konnten. Nun, da er sein Sprüchlein aufgesagt und ihnen das Geschenk überreicht hatte, war er endlich frei, um sich zu amüsieren. Zunächst einmal beabsichtigte er, ein längeres Gespräch mit der Blondine zu führen.
Vielleicht würde er sie sogar um einen Tanz bitten. Wenn der Rhythmus der Musik nur langsam genug war und es genügte, auf der Stelle von einem Fuß auf den anderen zu treten, lief er nicht Gefahr, wie ein Trottel auszusehen. Denn er war alles andere als ein guter Tänzer.
Er wartete noch ein paar Minuten, bis auch der letzte der mehr oder weniger launigen Trinksprüche auf das Brautpaar beendet war. Dann atmete er erleichtert auf und ging zu dem Tisch, an dem seine Mutter, Cassie und die blonde Frau saßen.
„Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagte er lächelnd. „Jetzt können wir endlich zum gemütlichen Teil übergehen.“
„Du hast deine Sache sehr gut gemacht, mein Sohn“, lobte ihn seine Mutter.
„Onkel Chance, tanzt du mal mit mir?“, fragte Cassie und kletterte von ihrem Stuhl.
„Du bist meine Lieblingsnichte. Mit wem sonst sollte ich wohl tanzen wollen?“ Er nahm Cassie auf den Arm und schenkte der blonden Frau ein strahlendes Lächeln. „Aber wir müssen warten, bis die Band anfängt. Mit Musik kann man wesentlich besser tanzen.“
Cassie nickte. „Hoffentlich beeilen sie sich. Ich spiele nämlich, dass wir auf einem Ball sind.“
„Fee, das ist mein Sohn Chance“, sagte Marlene und erhob sich. „Solange wir auf die Musik warten, können wir zwei ja ins Haus gehen und dein Krönchen suchen, Cassie.“
„Oh, ja“, stimmte das Mädchen zu. „Ich brauche meine Krone für den Ball. Dann bin ich eine Prinzessin.“
Chance stellte die Kleine wieder auf die Füße. Inzwischen hatte die Band damit begonnen, die Instrumente zu stimmen. „Ich warte hier auf dich, Prinzessin.“ Als seine Mutter und seine Nichte in Richtung Haus gingen, legte er eine Hand auf die Rückenlehne von einem der Stühle. „Darf ich mich zu Ihnen setzen, Fee?“
Ihr schönes Lächeln ließ ihm fast den Atem stocken. „Gern, Mr Lassiter.“
„Bitte nennen Sie mich Chance“, sagte er und erwiderte ihr Lächeln. „Ich glaube, den Namen Fee habe ich noch nie gehört“, fügte er hinzu, nachdem er Platz genommen hatte.
„Es ist die Kurzform für Felicity.“ Sie strich sich eine Strähne ihres langen blonden Haars von der Wange und beobachtete, wie Hannah und Logan das erste Mal als Ehepaar miteinander tanzten. „Meine Großmutter hat meine Mutter dazu überredet, mich so zu taufen. Es war der Name ihrer Mutter.“
„Sind Sie eine Freundin meiner Schwester?“, erkundigte er sich.
„Nein. Ich arbeite bei Lassiter Media in der Abteilung für Public Relations.“ Sie nahm ihr Mobiltelefon vom Tisch und verstaute es in der Handtasche. Dann hob sie den Kopf, um ihn anzublicken. Chance war sich sicher, noch nie so strahlend blaue Augen gesehen zu haben. „In Los Angeles“, fügte sie hinzu.