Blind Side of Your Heart - James Black - E-Book
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James Black

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Beschreibung

**Du bist die Antwort auf all meine Fragen.**  Der Auftrag für ein Interview zu einem College-Footballspiel versetzt den Sportjournalisten Ethan in Vorfreude – und Panik, denn als ehemaliger Tennisprofi hat er von Football nicht die geringste Ahnung. Trotz holpriger Fragen verläuft das Gespräch mit dem Quarterback Mason gut und Ethans Neugier auf den attraktiven Mann ist geweckt. Als Masons Traum von der Juniorliga durch eine Verletzung ins Wanken gerät, bietet Ethan ihm seine Hilfe beim Training an. Während Gesprächen über Erfolgsdruck und Erwartungen entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Studenten. Schon bald gehört zu jedem Lachen auch Herzklopfen, was vor allem den überzeugten Hetero Mason verwirrt zurücklässt … Kann er ihren Gefühlen eine Chance geben? Eine queere Friends to Lovers-College-Romance, die mit Humor und Feingefühl mitten ins Herz trifft!  //»Blind Side of Your Heart« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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James Black

Blind Side of Your Heart

Du bist die Antwort auf all meine Fragen.

Der Auftrag für ein Interview zu einem College-Footballspiel versetzt den Sportjournalisten Ethan in Vorfreude – und Panik, denn als ehemaliger Tennisprofi hat er von Football nicht die geringste Ahnung. Trotz holpriger Fragen verläuft das Gespräch mit dem Quarterback Mason gut und Ethans Neugier auf den attraktiven Mann ist geweckt. Als Masons Traum von der Juniorliga durch eine Verletzung ins Wanken gerät, bietet Ethan ihm seine Hilfe beim Training an. Während Gesprächen über Erfolgsdruck und Erwartungen entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Studenten. Schon bald gehört zu jedem Lachen auch Herzklopfen, was vor allem den überzeugten Hetero Mason verwirrt zurücklässt … Kann er ihren Gefühlen eine Chance geben?

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© privat

James Black wurde 1995 in Schwerin geboren, lebte dort für zwanzig Jahre und zog schließlich in die Nähe Hamburgs. Geschichten und Bücher begleiten ihn bereits sein Leben lang. Als Kind las er seine Lieblingsbuchreihe dutzende Male, bis irgendwann der Drang in ihm aufkam, selbst etwas zu kreieren. Ganz nach dem Vorbild seines großen Idols Taylor Swift verbindet seine Romane die Suche nach Liebe und ein Hang zur Dramatik.

Für alle, die mutig sein wollen undfür alle, die ihren Träumen nachjagen.

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

James und das Impress-Team

Playlist

Within the blindness of my heart I found you

Feels Like – Gracie Abrams

Wander. Wonder. – The Arcadian Wild

Wake Up – EDEN

stay right here – Chloe Ament

State of Grace – Taylor Swift

Not Strong Enough – boygenius

Best – Gracie Abrams

Call Me – Chloe Ament

All Of The Girls You Loved Before – Taylor Swift

it can’t get worse – Chloe Ament

Labyrinth – Taylor Swift

Young – Neon Capital

Where We Belong – Passion Pit

Me & My Dog – boygenius

The Archer – Live From Paris – Taylor Swift

I See You – Phoebe Bridgers

Take Me on the Floor – The Veronicas

Hits Different – Taylor Swift

life you lead – niceboy ed

All in My Head – Nasty Cherry

False God – Taylor Swift

The Mother We Share – CHVRCHES

orange show speedway – Lizzy McAlpine

proud – Riley Biederer

cowboy like me – Taylor Swift

Minor Feelings – Rina Sawayama

all my ghosts – Lizzy McAlpine

I’ll Get the Coffee – Kathryn Gallagher

Going Home – The Aces

Homesick – Dua Lipa

Electric Touch feat. Fall Out Boy – Taylor Swift

The Cause – Tommy Lefroy

Are We a Thing – Leidi

Shooting Star – MUNA

Nostalgic for the Moment – Kathryn Gallagher

Waiting for You – The Aces

All I Wanted – Paramore

Maroon – Taylor Swift

Coming Of Age – Maisie Peters

Dear Arkansas Daughter – Lady Lamb

1.

An einem besonderen Abend wie diesem fühlte sich Ethan von seinem Tennisschläger nur noch mehr verhöhnt. Er hatte den schlanken Griff schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr in den Händen halten können, noch hatte das stabile Netz die Möglichkeit gehabt, einen der gelben Bälle quer über das Spielfeld zu schleudern. Stattdessen musste der Schläger als Wanddekoration versauern, als eine bloße Erinnerung an das dienen, was Ethan hätte haben können, und mehr böse Blicke ertragen, als es für einen einfachen Tennisschläger recht war. Vielleicht war es ein Zeichen von masochistischer Veranlagung, dass er ihn noch nicht entsorgt hatte, aber Ethan konnte es nicht übers Herz bringen, ihn zu verkaufen oder zu zerbrechen. Das ließ das letzte bisschen Stolz, das ihm geblieben war, nicht zu, selbst wenn er damit jeden Tag einmal mehr an seine zerbrochenen Träume erinnert wurde.

Ein Football flog um eine Handbreite an Ethans Kopf vorbei und traf die Wand.

»Willst du meine Hilfe überhaupt oder bist du mit Starren zu sehr beschäftigt?«, fragte Jackson, der beide Beine über die Lehne des Sessels geworfen hatte, damit er in einer halbwegs liegenden Position sein konnte. Seine blonden Haare waren so kurz geschoren, dass er fast eine Glatze hatte.

»Sorry, wie war die Frage?«, erwiderte Ethan mit fahrigem Lächeln. Mit der linken Hand warf er den Ball zurück. Ein unangenehm kribbelndes Taubheitsgefühl hatte sich einmal wieder in seinem rechten Arm breit gemacht, sodass er den Mund fest zusammenpresste.

Jackson stöhnte, als er den Ball auffing. »Ehrlich, Mann«, meinte er, »mir kann es egal sein, ob du dich blamierst, echt. Wir können auch einfach jetzt schon runter zum Spiel gehen und es gut sein lassen.« Mit einer Hand warf er den Football in die Luft, fing ihn wieder auf und wiederholte das Ganze. Jackson zog eine seiner dunklen, scharfen Augenbrauen in die Höhe, als er Ethans Zähneknirschen bemerkte. »Dein Arm?«

Mit zusammengepressten Lippen nickte er. »Geht schon wieder«, sagte Ethan. »War nur kurz. Wie war jetzt die Frage noch?«

Als ob ihn die Schmerzen seines Freundes besänftigt hätten, seufzte Jackson leise auf. »Wie lange haben die offensiven Spieler Zeit, einen Spielzug zu beginnen?«

Nachdenklich runzelte Ethan die Stirn. »Fünfundzwanzig Sekunden?«

»Und?«, erwiderte Jackson.

»Ähm.« Ethan versuchte in seinem Kopf nach der Lösung zu graben, aber überall, wo er es versuchte, stieß er lediglich auf Aufregung und blanke Nerven. Das nervöse Wackeln seiner Füße half da nicht unbedingt weiter. »Eine Minute?«

»Vierzig Sekunden im NFL, fünfundzwanzig für College-Football«, berichtigte Jackson ihn. »Weiter. Wie viele Punkte ist ein Touchdown wert und um wie viele Punkte kann ein Spieler, sollte er die Spielzüge richtig ausführen, durch einen Extra-Punkt-Versuch aufgewertet werden, sofern diese nicht geblockt werden?«

Ethans Hirn begann bei der Frage ein wenig zu rauchen, aber er biss sich kurz auf die Innenseite seiner Wange, damit er den Fokus zurückgewinnen würde. Das wusste er. Es war keine schwierige Frage, dachte er. Jackson hatte sie nur unnötig kompliziert gestellt, damit er ihn kalt erwischen konnte. »Touchdowns bringen sechs Punkte, der Extra-Punkt-Versuch kann entweder durch Kick mit einem oder mittels Pass oder Laufspiel mit zwei Punkten enden.«

»Oder null, wenn man so eine schwache Offensive wie wir hat«, kommentierte Jackson und fing den Football auf. Er schlang die Finger um das braune Leder des Balls, hielt ihn hoch über seinen Kopf, wobei der Ärmel seines Hoodies herunterrutschte und damit die schwarzen Tintenlinien entblößte, die seine Haut zierten. »Okay, ein Fehlstart wird mit zehn Yards bestraft, richtig oder falsch?« Er drehte den Kopf zu Ethan.

»Falsch, es sind fünf«, antwortete dieser schnell. »Genau wie bei der Spielverzögerung.«

»Beeindruckend«, sagte Jackson und gähnte. Er warf einen Blick auf seine silberne Armbanduhr und seufzte. Die Hand mit dem Football ließ er wieder auf seinem Brustkorb ruhen. »Können wir nicht schon gehen? Mir ist mega langweilig.«

»Das Spiel beginnt nicht vor sechs. Du wirst dich da genauso langweilen.«

»Aber da könnte ich wenigstens schon mal einen trinken, anders kann ich dich nervöses Wrack ja nicht ertragen«, grinste Jackson ihn lahm an. »Nur n Spaß«, fügte der junge Mann schnell hinzu, als Ethan ihm einen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen zuwarf. »Du weißt doch, ich hab dich lieb, Bruder.«

»Hmm, so was verliert an Wirkung, wenn du es nur dann sagst, wenn du mich vorher beleidigst, weißt du?«, erwiderte Ethan. »Stell mir noch eine Frage.« Er presste eine Hand fest auf sein Knie, damit es vor Nervosität aufhörte, auf und ab zu wippen.

Mit einem Grinsen auf den Lippen zielte Jackson, holte aus und warf den Football direkt in den geöffneten Kleiderschrank auf der anderen Seite des Zimmers. Dumpf kam der Lederball auf Ethans gefalteten T-Shirts auf. »Na schön. Welche Nummern können die Center-Spieler tragen und wer war von dieser Regeln lange Zeit nicht betroffen?«

»Du bist ein Arsch«, meinte Ethan trocken, warf den Kopf in den Nacken und stöhnte. »Warum?«

»Du wolltest die Frage doch«, erwiderte sein Freund und stand auf. »Jetzt sag an. Oder weißt du es etwa nicht? Dann wäre ich nämlich ziemlich enttäuscht von dir, Ethan.«

Ethan konnte das Grinsen in der Stimme des anderen genau hören, dafür musste er ihn nicht sehen. Er schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich das dicke Regelwerk vor Augen zu führen, welches er die letzten Tage quasi hatte verschlingen müssen. Die Seite mit den Rückennummern war ihm nicht sonderlich gut in Erinnerung geblieben, nicht zuletzt, weil er sie für wenig relevant hielt. Er hatte sich eingeredet, es würde ausreichen, wenn er die Grundregeln verstehen würde, aber natürlich musste Jackson ihm einen Strich durch die Rechnung machen. »Keine Ahnung. Dreißig bis Neununddreißig?«

»Ehhh«, machte Jackson laut, im Versuch, einen Buzzer nachzuahmen. »Fünfzig bis Neunundfünfzig. Und die Ausnahme war Jim Otto, der irgendwie die Null-Null tragen durfte. Aber frag mich nicht warum, ich hab doch auch keine Ahnung davon. Ich hab mir nur ein paar Wikipedia-Einträge durchgelesen, damit ich dich mit blöden Fragen ärgern kann.«

Ethan verdrehte die Augen. »War klar, Arschloch. Los, noch eine.«

»Wow, du bist so dominant heute«, erwiderte Jackson mit wackelnden Augenbrauen. »Daran könnte ich mich ja glatt gewöhnen.«

»Lass das nicht Iliza hören«, sagte Ethan. »Außerdem bist du nicht mein Typ. Also los.«

Jackson seufzte. »Na schön, na schön. Lass mich nachdenken.« Er rieb mit einer Hand über sein kantiges Gesicht, ehe er sie wieder fallen ließ. »Okay. Was passiert bei einem Play-Action-Spielzug?«

»Keine Ahnung«, brummte Ethan. »Frag mich was Leichteres.«

»Du willst doch Eindruck schinden«, sagte Jackson. »Weiß nicht, warum du dir überhaupt die Mühe machst, ich glaube kaum, dass der Coach dich was fragen wird, wenn du ihn interviewst.«

»Vielleicht nicht, aber ich will wenigstens nicht komplett nutzlos dastehen und keine Ahnung von irgendwas haben.«

Jackson zuckte mit den Schultern, ehe er die Beine vom Sessel schwang. »Können wir jetzt gehen? Ich guck einfach unterwegs nach Football-Fragen, die ich dir stellen kann.«

Wohl wissend, dass er sowieso in Jacksons Schuld stand, nickte Ethan seufzend. »Also gut. Ich glaub ja auch nicht, dass ich mir jetzt noch irgendwas merken kann.« Während er redete, stolperte Jackson auf der Suche nach seiner Mütze durch die Küche, wobei das Klappern im Kühlschrank verkündete, dass er sie zuerst zwischen den Bierdosen suchte.

»Hände vom Bier«, rief Ethan.

»Ich mach überhaupt nichts«, ertönte Jacksons unschuldige Antwort, der die Tür schloss. Er streckte den Kopf aus der Küche. »Aber dann gehen wir jetzt, ja?«

»Du bist wie ein Hund, der unbedingt Gassi gehen muss«, meinte Ethan und erhob sich seufzend. Sein rechter Arm kribbelte und brannte, aber er blendete das unangenehme Gefühl einfach aus, während er sich mit der linken Hand anzog und seine Schlüssel unter einem Stapel an Büchern und Zeitschriften über College-Football hervorzog. Sie fielen allesamt zu Boden, aber Ethan ignorierte es genauso wie seinen schmerzenden Arm. Es gab Dinge, die er immer auf später verschieben würde und Aufräumen stand meist ganz oben auf dieser Liste.

»Ich lass mir zwar gerne eine Leine anlegen, aber du bist nicht ganz so der Kandidat, den ich am anderen Ende sehen möchte, sorry. Dafür fehlen dir zwei schlagkräftige Argumente.« Jackson hielt sich vielversprechend die Hände an die eigene Brust und hob die Augenbrauen. »Wenn du weißt, was ich meine.«

»Ja, ich lebe nicht unter einem Stein, stell dir vor«, erwiderte Ethan augenverdrehend. »Unglaublich, dass dir noch niemand wegen deinem Sexismus etwas auf die Fresse gegeben hat. Ich würde es ja glatt übernehmen, wenn ich nicht die Tür abschließen müsste.«

»Du könntest mich gar nicht schlagen, dafür hast du mich zu gern.« Jackson folgte ihm in den Flur des Apartmentgebäudes, in dem seine Stimme etwas hallender, etwas tiefer klang. »Komm schon, sag es.«

Über das Klimpern seiner Schlüssel tat Ethan so, als hätte er seinen Freund nicht gehört, drehte sich um und fragte: »Können wir dann?«

»Man, als ob es dich umbringen würde, einmal nett zu mir zu sein«, sagte Jackson schmollend mit den Armen erhoben. Er wandte sich dennoch um und ging die Treppenstufen hinab, wobei er sich noch im Laufen die Kapuze über den Buzzcut zog. Aus der Tasche seiner Jacke holte er sein Handy hervor. »Ich ruf Iliza an und sag ihr, dass wir jetzt losfahren.«

Die Haustür des Gebäudes schlug hinter Ethan ins Schloss und er entsperrte das Auto. Jackson telefonierte bereits mit seiner Freundin, als er an der Beifahrerseite einstieg. Ethan stieg ebenfalls ein. Seine Finger verkrampften sich um das Lenkradleder, er schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Versuchte sich einzureden, dass er gut vorbereitet war, dass er alles getan hatte, was er konnte, dass er nichts vergessen würde. Es würde gut laufen und er wusste es.

Jackson fing seinen Blick auf, als Ethan die Augen wieder öffnete, und grinste ihn an. Sein Freund nickte ihm bestärkend zu, die Lippen verzogen, die Augen mit Lachfalten versehen.

Ethan war froh, dass er bei ihm war.

Die nächsten einhundertsechzig Minuten waren ein verschwommener Film in Ethans Kopf. Er konnte sich zwar sehr gut daran erinnern, mit Jackson auf dem Campus angekommen zu sein und Iliza getroffen zu haben, aber er wusste nicht mehr, wie er mit ihnen das Spielfeld betreten hatte und wie sie ihre Plätze eingenommen hatten. Jackson musste ihn daran erinnert haben, dass er sich Notizen machen wollte, denn sein Block war mit wirren Sätzen und Stichpunkten vollgekritzelt. Sein Arm schmerzte und er hatte seine Tabletten vergessen. Statt sich zu beklagen, biss er die Zähne heftig zusammen.

Gleißendes Licht strahlte auf das Spielfeld vor ihnen, der Rasen ein mattes, saftiges Grün, umspielt von weißen Linien und den matschigen Abdrücken von Dutzenden Spielern. Von irgendwoher konnte Ethan die Cheerleader hören, die ihr Team anfeuerten. Ein fieser, dicker Kloß hatte es sich in seinem Hals gemütlich gemacht. Das Spiel war aus. Die Punktetafel eine breite Erinnerung daran. Rote Neonzahlen brannten sich in seine Augen, ohne dass er sie wirklich erkannte. Ethan versuchte sich zu erinnern, wie das Spiel gelaufen war, aber sein Kopf war leer.

»Wer hat gewonnen?«, fragte er mit matter, belegter Stimme und drehte den Kopf zu Jackson.

»Wir«, erwiderte dieser heiser. Seine Wangen waren rot, er roch nach Euphorie und Bier. »Hast du alles aufgeschrieben, was du brauchst? Coach Rivera ist gleich fertig mit seiner Ansprache.« Mit einem Kopfnicken deutete Jackson zuerst auf Ethans Notizblock, dann runter aufs Feld.

In der Nähe des Ausgangs hatte sich eine Traube aus Menschen gesammelt. Sie trugen die weiß-blauen Uniformen des Colleges. Ein Dutzend Rückennummern vermischten sich in seinem Kopf und selbst wenn er sich jetzt daran erinnern konnte, welche davon zum Quarterback gehören würde, könnte er sie nicht erkennen. Inmitten der Studenten stand ein großer Mann mit Glatze und breitem Oberkörper. Er hielt ein Klemmbrett in der einen und ein zerknülltes Trikot in der anderen Hand. Sein Gesicht glänzte, während er seinen Spielern etwas zubrüllte.

»Geht’s dir nicht gut?« Eine kleinere Hand legte sich auf seinen Arm. »Du bist ganz schön blass, Ethan.«

»Geht schon«, murmelte er, ehe er Iliza ein schwaches Lächeln schenkte, die sich über Jackson gebeugt hatte. »Schätze, ich bin ziemlich nervös.«

Iliza, die sich ein Tuch um die schmutzig-blonden Strähnen gebunden hatte, legte den Kopf schief, wobei ihr der Fischgrätenzopf über die Schulter fiel. »Das wird schon«, meinte sie. Ihre dünnen Lippen waren zwar zu einem Lächeln verzogen, aber ihre Augen waren sorgenvoll zusammengezogen. Auch die Falten auf ihrer Stirn sprachen Bände. »Ich kann gern mitkommen, wenn du dich dann sicherer fühlst.«

»Nein«, sagte Ethan schnell. »Nein, das geht schon. Wirklich.« Das Letzte, was er bräuchte, wäre von den Sportlerjungs nicht ernst genommen zu werden, weil er noch eine emotionale Begleiterin benötigte. Es wird schon gut gehen, sagte er sich. »Ich pack das.« Ethan nahm einen tiefen Atemzug und erhob sich. »Wünscht mir Glück.«

»Hals- und Beinbruch, Mann.« Jackson klopfte ihm grinsend auf den Oberschenkel. »Merk dir einfach deine Fragen, dann wird das.«

»Genau«, fügte Iliza an. Sie drückte Ethans linke Hand fest, ehe sie ihn losließ und die Finger wieder auf Jacksons Knie legte. »Du bist super vorbereitet und hast nichts zu befürchten. Wenn dir einer von denen blöd kommt, dann machen wir ihm das Leben zur Hölle, ja? Ich kann ziemlich schnell Gerüchte verbreiten, weißt du.«

»Ich hoffe mal, das wird nicht nötig sein, aber danke.« Ethan lächelte seinen Freunden noch einmal zu, ehe er sich durch das Gewirr an Menschen bahnte, welches die Tribünen einnahm. Überall waren Füße, die ihm im Weg lagen, überall angetrunkene Seniors, an denen er sich vorbeidrücken musste. Mit den Augen auf die Spielertraube am Ausgang gerichtet, fiel es ihm schwer, sich darauf zu konzentrieren, nicht die Treppe hinunterzustürzen, aber glücklicherweise brach er sich keine Knochen auf dem Weg zu seinem ersten Interview. Er hielt den Notizblock so fest umklammert, dass er sich in der Mitte verbog. Die kribbelnden Finger seiner rechten Hand fanden sein Aufnahmegerät in der Hosentasche; er hielt sich Halt suchend daran fest.

Als er nah genug war, um die laute, dröhnende Stimme des Coaches zu hören, wartete er einige Schritte entfernt.

»– will beim nächsten Mal nicht mehr so einen dummen Fehler sehen, Mathews, oder du darfst den Rest des Jahres Handtücher waschen. Und Hickman, wenn du noch einmal deinen Mitspielern ein Bein stellst, dann sorg ich dafür, dass du dieses Spielfeld nicht mehr betreten kannst, solange ich lebe, kapiert? Ihr habt alle super gespielt«, rief der Coach aus, dessen Gesicht vor Schweiß glänzte, »aber es gibt noch viel zu verbessern. Hendriks, morgen Vormittag kommst du zu mir, dann gehen wir deinen Trainingsplan noch mal durch. Fitz, leg dich weiter so ins Zeug, gut gemacht. Wenn der Punkteabstand das nächste Mal höher ist, dann geb ich einen aus! Und jetzt verzieht euch unter die Dusche, ihr verpestet mir hier die Luft!«

Die Jungs begannen zu jubeln und zu röhren. Der Coach verschwand augenblicklich zwischen ihnen, tauchte aber wieder auf, als sich die Mannschaft teilte und auf zu den Umkleiden machte. Er klemmte sich eine leere Bierkiste unter den Arm, auf der er allem Anschein nach gestanden hatte, damit er seine Jungs richtig sehen konnte, und war schon drauf und dran, in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren, als Ethan sich ihm schnellen Schrittes näherte.

»Coach Rivera«, rief er, verschluckte sich an seinem eigenen Atem und stockte. Ethan klopfte sich selbst auf die Brust. »Coach, kann ich Sie kurz sprechen?«

Nachzügler der Mannschaft warfen ihm irritierte Blicke zu, aber auch Coach Rivera hatte Ethan gehört. »Was ist denn?«, fragte er schroff. »Ich hab’s eilig, meine Frau wartet.«

»Ich«, fing Ethan an und spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Tut mir leid, i-ich wollte Sie nur fragen, also, ob Sie für ein kurzes Interview bereit wären? Ich arbeite für –«

»Dafür hab ich keine Zeit, tut mir leid«, unterbrach der Coach Ethan. Mit der freien Hand machte er eine Bewegung in Richtung der Jungs, die sich noch am Ausgang tummelten. »Frag einen von denen, die kriegen sonst das Maul auch nicht zu. Ich muss echt los, Junge.« Rivera schenkte ihm ein schmales, entschuldigendes Lächeln, welches zwischen seinen groben, breiten Gesichtszügen sehr verloren aussah, und drehte sich dann um. Schweißflecken bedeckten seinen Rücken, als hätte er soeben selbst gespielt.

»Aber –« Ethan schloss den Mund, ein tiefer, enttäuschter Seufzer in seiner Stimme. Seine Augen wanderten zur Seite.

Die Spieler, die noch da waren und die mehr als kurze Unterhaltung zwischen ihm und dem Coach belauscht hatten, konnten jetzt nicht schnell genug in die Umkleiden verschwinden und flüchteten mit den Helmen unter den Armen. Lediglich ein hochgewachsener Typ blieb zurück, der über und über mit Matsch beschmutzt war. Er blickte über die Schulter, wahrscheinlich um zu prüfen, ob noch jemand anderes da war, und kam, als er realisiert hatte, dass er der letzte Anwesende war, zwei Schritte auf Ethan zu.

»Ein Interview?«, fragte er. »Wofür?« Der Spieler wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht, aber das half nicht, damit Ethan ihn erkennen konnte. Schlamm und Schweiß bedeckten seine Haut und klebten in seinen Brauen und Haaren. Lediglich seine braunen Augen waren verschont geblieben. Er war groß, überragte Ethan um mehr als einen Kopf und hatte sich seinen Helm ebenfalls unter den Arm geklemmt. Die breiten Schulterpolster machten es allerdings unmöglich zu beurteilen, ob er wirklich so kräftig war, wie ihn die Schutzrüstung aussehen ließ.

»Für den Sportaholic«, erwiderte Ethan.

Ein schnaubendes Lachen entkam seinem Gegenüber. »Sorry, der Name ist n bisschen dumm.«

»Ich hab ihn mir nicht ausgesucht.« Der lockere Tonfall des Footballspielers hatte Ethan ein bisschen die Nervosität genommen und der Knoten in seinem Magen löste sich ein wenig. »Aber ich habe die Aufgabe, über das Spiel zu berichten. Mein erstes eigenes Interview«, fügte er stolz an, wobei er nicht verhindern konnte, dass er grinste.

Mit der linken Hand fuhr sich der Spieler erneut übers Gesicht, wobei ein wenig des getrockneten Schlamms abfiel. »Hey, Glückwunsch. Also ich wär bereit.« Er deutete mit dem Kopf zur Seite, wo die Reservebänke standen. Leere Wasserflaschen, schmutzige liegen gelassene Handtücher und ein Korb mit Ersatzfootballs schmückten die Umgebung. »Oder musst du mit dem Coach reden?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.

Ethan legte den Kopf zur Seite, folgte ihm aber. »Nein. Ich soll nur ein Interview beschaffen. Ich denke, es ist egal, von wem. Hauptsache, er hat was mit dem Spiel zu tun.«

Unter lautem Geklapper ließ der Spieler sich auf der Bank nieder und warf seinen Helm zu seinen Füßen. Er schnappte sich eine der Wasserflaschen und nahm einen großzügigen Schluck, ehe er sie Ethan anbot, der mit einem Kopfschütteln ablehnte. »Ich bin Mason«, sagte er, bevor er sich über den Mund wischte. »Mason Fitz. Quarterback.«

»Ethan Fox. Angehender Sportjournalist.« Nervös kramte er sein Aufnahmegerät aus der Hosentasche und setzte sich dann einige Schritt von Mason entfernt ebenfalls auf die Bank, das kleine Gerät, welches vom Aussehen her an einen Kassettenrecorder erinnerte, platzierte er zwischen sie. »Macht es dir was aus, wenn ich das aufnehme?«, fragte er, seine Stimme ein wenig höher und zittriger als sonst.

»Sehr professionell«, kommentierte Mason und nickte beeindruckt. »Mach ruhig.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, was aufgrund der klobigen Rüstung eher unangenehm denn entspannt wirkte und fügte hinzu: »Und beruhig dich ein bisschen. Ich bin friedfertig.«

Ethan meinte ein Zwinkern zu erkennen, war sich aber aufgrund all des Schmutzes im Gesicht des anderen nicht sicher. Tief holte er Luft. »Richtig. Also. Warum erzählst du mir nicht ein paar deiner Gedanken, die du während des Spiel hattest?«

»Willst du das Ding dafür auch anmachen?«, fragte Mason mit einem Nicken.

Mit heißen Wangen und Ohren drückte Ethan auf den Knopf am Aufnahmegerät, wodurch eines der matten, dunklen Lämpchen anfing rot zu leuchten. »Danke«, murmelte er. »Okay. Erzählst du mir ein paar deiner Gedanken, die du während des Spiels hattest?«

»Hmm.« Mason drückte seinen Rücken durch, ehe er die Schultern wieder gerade hielt. Mit den Fingern trommelte er auf seinen Unterarmen, ehe er den Mund öffnete. »Eigentlich hab ich nur über die Spielzüge nachgedacht, die Rivera mit uns durchgegangen ist und mit denen wir Punkte machen konnten. Wir wussten eigentlich alle, dass wir besser als das gegnerische Team waren, aber die meisten von uns haben es sich trotzdem nicht zu Kopf steigen lassen. Ich denke, ich hab versucht, mich darauf zu konzentrieren, keine dummen Fehler zu machen, die uns Punkte oder Yards kosten würden. Die meiste Zeit hat es geklappt.«

Während Mason sprach, starrte Ethan auf seine Notizen und versuchte zu entziffern, ob er etwas über den Quarterback aufgeschrieben hatte, aber alles, was er finden konnte, waren ein paarmal das Wort Touchdown, gefolgt von Yardverlust und Fouls mit mehreren Fragezeichen dahinter. Er war sich nicht ganz sicher, was er damit meinte, entschied sich aber, sein Glück zu versuchen. »Du hast einen ziemlich guten Eindruck auf dem Spielfeld gemacht«, log er, weil er sich sicher war, dass er nicht hätte sagen können, ob Mason überhaupt auf dem Spielfeld gewesen war. »Wie oft hast du Punkte für dein Team geholt?«

»Insgesamt nur viermal«, meinte der Footballspieler. »Es war nicht mein bestes Spiel.«

»Also waren das vierundzwanzig Punkte«, erwiderte Ethan langsam, in der Hoffnung, dass er sich richtig daran erinnerte, wie viel ein Touchdown wert war.

Aber Mason lachte nur und sagte schnell: »O nein, nicht so viele. Schön wär’s aber, ha.« Ein weiteres schnaubendes Lachen entkam ihm. »Nein, ich hab nur acht gemacht, jeweils durch Pass und Laufspiel. Die guten Vorlagen hat mir aber mein Team geliefert, deswegen sehe ich es nicht wirklich als meine Punkte an.«

»Also bist du eher enttäuscht mit deiner Leistung?«, fragte Ethan vorsichtig. »Oder würdest du sagen, du hast dein volles Potenzial heute ausgeschöpft?« Er meinte, dass ein düsterer Schatten über Masons Gesicht huschte, aber dieser verschwand genauso schnell wieder, wie er ihn gesehen hatte, deswegen war er sich nicht mehr so sicher, ob er ihn sich nicht einfach durch einen Lichtreflex der Scheinwerfer eingebildet hatte.

»Ich glaube nicht, dass ich enttäuscht bin. Ich meine, klar, es hätte besser sein können, wesentlich besser eigentlich. Wenn ich an mein Training zurückdenke, dann hab ich heute ziemlich reingehauen, aber es hat trotzdem etwas gebracht. Mein Potenzial hab ich aber nicht ausgeschöpft und das weiß der Coach genauso gut wie ich.« Mason machte einen Moment Pause, dann fügte er an: »Aber keine Sorge, ich trainier weiter. Bis zum nächsten Saisonspiel bin ich auf jeden Fall in Topform und dann gibt es Touchdowns ohne Ende.« Ein harter Ausdruck erschien auf seinen Lippen. »Bis zum Dezember wird es eine Menge Spiele geben und du kannst dir sicher sein, dass ich in jedem davon dabei sein will.«

Dunkel erinnerte sich Ethan, dass die Saison lediglich vier Monate anhielt, aber er wusste nicht mehr, wie viele Spiele diese beinhaltete. Weil er sich vor Mason nicht die Blöße geben wollte, eigentlich keine Ahnung von Football zu haben, nickte er lediglich und sagte: »Dann kommt ja eine aufregende Saison auf euch zu. Ich nehme an, ihr wollt auch alle Spiele gewinnen?«

»Wollen, ja, klar.« Masons Stimme war ein wenig leiser geworden. »Aber ich glaube kaum, dass wir das schaffen werden. Kaum ein Team gewinnt alle Spiele, nicht mal die Besten der Besten. Unsere Chancen sind aber relativ hoch, dass wir zumindest unter den Top 40 landen. Für so ein kleines College wäre das auf jeden Fall eine große Leistung.«

Ethan machte sich eine gedankliche Notiz, dass er nachprüfen musste, wie viele Teams überhaupt mitmachten, aber er tat trotzdem so, als wäre es unheimlich beeindruckend. »Große Worte«, erwiderte er. »Zwei Fragen hätte ich noch.«

»Schieß los.«

»Okay.« Sein Mundinnenraum zwickte, als er sich auf die Zunge biss. »Ich konnte nicht umhin, zu hören, dass euer Coach einige Namen erwähnte, die beim Spiel keine große Glanzleistung vollbracht haben. Unter anderem ein Mitspieler, der seinen Kollegen Beine stellte?«

Mason rollte mit den Augen und lachte leise. »Ja, keine große Sache. Das passiert immer mal wieder, wir sind es gewohnt, dass er so was abzieht. Er muss immer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, seitdem ich erster Quarterback geworden bin und ihn damit auf Platz zwei verdrängt hab. Eigentlich ist aber alles super bei uns, es gibt keine großen Streitigkeiten. Keine Sorge, wir schlagen uns nicht die Köpfe ein, wenn keiner hinguckt.«

»Das ist beruhigend zu hören«, sagte Ethan mit trockenem Mund. Er spürte ein verstärktes Kribbeln in seinem Arm, welches sich weiter bis in seine Fingerspitzen zog. Mit einem schnellen, tiefen Atemzug versuchte er zu kaschieren, dass es ihn schmerzte, den Arm zu bewegen. »Letzte Frage dann. Was versprichst du dir persönlich aus der Saison?«

»Klare Antwort, die Aufnahme in eines der Junior-Teams. Zu den letzten Spielen der Saison werden eine Menge Coaches eintreffen, die sich neue Rekruten suchen werden, deswegen will ich bis dahin dabeibleiben und mich verbessern, damit ich entdeckt werde.« Grimmig und stolz grinste Mason und drückte die Brust ein wenig heraus.

»Das klingt ja so, als hättest du einen ziemlich guten Zukunftsplan. Willst du abschließend noch etwas sagen?« Ethan streckte bereits die Hand nach dem Aufnahmegerät aus und hielt den Finger über dem Knopf schwebend. Mit einer hochgezogenen Augenbraue fing er Masons Blick auf.

»Nö«, meinte der nur achselzuckend. Als die rote Lampe wieder erlosch, erhob er sich sofort. »Das war’s dann, ja?«

»Das war’s«, entgegnete Ethan, der noch sitzen blieb. »Danke. Für die Zeit.«

»Kein Thema.« Mason hob eine Hand, als ob er sich verabschieden wollte, ließ sie dann aber wieder fallen. Nutzlos baumelte sie an seiner Seite. »Na dann, hat mich gefreut Ethan. Sag mir Bescheid, wenn der Artikel raus ist.« Mason wandte sich ab und verschwand in den Umkleiden.

Mittlerweile hatten sich die Tribünen geleert. Die meisten hatten das Stadion bereits für die Partys verlassen, fuhren nach Hause oder warteten auf die Spieler. Für einen Moment blieb Ethan einfach sitzen. Das Spielfeld lag leer und verlassen vor seinen Augen, eine grüne Wüste unter der Scheinwerfersonne. Über ihm hatte sich der Himmel zu einem dunklen Blau gewandelt. Einige wenige graue Wolken hatten einen kühlen Wind mit sich gebracht. Irgendwo musste auch der Mond scheinen. Es war einfach für ihn, die Stimmen und die Geräusche um sich herum auszublenden und seinen Kopf zu leeren. Das war eine der ersten Fähigkeiten, die er gelernt hatte. Alles ausblenden, einen Fokus aufbauen, Konzentration bewahren, sich nicht von seinem Umfeld irritieren lassen.

»Hey.« Ilizas ruhige Stimme ließ ihn aufblicken. »Wie lief’s? Hast du dein Interview bekommen?« Seine Kommilitonin setzte sich neben ihn und sah ebenfalls zum Himmel.

»Mit dem Quarterback«, antwortete Ethan. »Coach Rivera hatte keine Zeit.«

»Hm«, machte sie leise. »Oder keine Lust. Wenn ich Coach wäre, dann hätte ich dazu auch keine Lust. Aber es lief gut mit ihm? Dem Quarterback, meine ich. Hat er deine Fragen beantwortet?«

»Hat er.« Ethan fuhr mit den Fingern über das kleine Aufnahmegerät. »Jetzt muss ich daraus nur noch einen Text formulieren.«

»Na, das wirst du ja wohl im Schlaf können.« Iliza stieß ihn sanft an. »Jackson wird ungeduldig«, fügte sie an. »Wir sollten ihn holen, sonst schmollt er noch.«

Ein Lächeln huschte über seine Lippen. »Er ist echt wie ein Hund.«

Überrascht und belustigt blickte Iliza ihn an, dann stand sie auf und reichte ihm die Hand. »Solange er nicht anfängt, im Müll zu wühlen, kann er das auch gerne sein. Ansonsten muss ich ihn draußen anleinen.«

»Pass auf, nachher gefällt ihm das noch«, warnte Ethan sie.

»Oh, das wird ihm ganz sicher gefallen«, kicherte sie. Mit einem Zwinkern wandte sie sich um und ging zurück zu den Tribünen. Ihre Schritte waren federnd und leicht.

»Das war ein bisschen zu viel Information für meinen Geschmack«, rief er ihr hinterher.

»Stell dich nicht so an, Ethan, wir sind erwachsen. Außerdem hab ich extra die Details ausgelassen, weil du sonst wieder nur rot angelaufen wärst.« Ilizas Stimme war zwar ruhig und erinnerte ihn immer ein wenig an das Gefühl von weicher Seide auf seiner Haut, aber sie wusste genau, was sie mit ihren Worten tun musste. »Hey, wusstest du, dass Menschen seit circa dreißigtausend Jahren mit Hunden zusammenleben?«

Mit zusammengekniffenen Augenbrauen erwiderte Ethan: »Okay, danke. Was soll ich damit jetzt anfangen?« Am Fuß der Tribüne holte er zu ihr auf.

»Na, damit siehst du, dass es für mich gar nicht so verkehrt wäre, wenn Jackson ein Hund wäre, weil Menschen schon immer mit Hunden zusammengelebt haben. Dann hab ich eben einfach nur ein Haustier und keinen Freund mehr, wenn du es so willst.« Sie lachte leise. »Außerdem ist es irgendwie lustig, dir solche Sachen zu sagen, weil sie dich immer verwirren. Wenn du so verwirrt bist, dann sieht es immer so aus, als hätte jemand bei dir das Licht im Kopf ausgeschaltet.« Sie schnipste mit einem Finger gegen seine Schläfe.

»Lass das«, brummte er, konnte aber auch nichts dagegen sagen, weil sie wahrscheinlich recht hatte.

Iliza verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging lächelnd die Treppen nach oben, damit sie Jackson aufsammeln konnten, der sich keinen Meter von seinem Platz auf der Tribüne bewegt hatte. Als er die beiden kommen sah, ließ er sein Handy in der Tasche verschwinden und stand auf.

»Endlich«, sagte er. »Hey, also, Kyle und David haben mir geschrieben, sie schmeißen mit den anderen Jungs noch ne Party im Dorm und ich soll fragen, ob ihr mitkommen wollt.«

»Kann nicht«, sagte Ethan. »Ich muss den Text bis morgen früh fertig haben.«

»Langweilig«, meinte Jackson lahm. »Was ist mir dir? Kommst du mit? Bitte?« Er setzte seinen besten Hundeblick auf, etwas das sowohl Ethan als auch Iliza sehr zum Lachen brachte. »Was ist? Hab ich was im Gesicht?« Jackson hob eine Hand, aber Iliza fing sie noch in der Luft ab.

»Nein, alles gut, Schatz.« Sie küsste seine Fingerknöchel und fügte dann an: »Geh ruhig zu deiner Party, ich fahr Ethan nach Hause.« Sowohl Ethan als auch Jackson warfen ihr einen überraschten Blick zu, aber Iliza schüttelte nur den Kopf. »Als ob ich nicht gesehen hätte, dass du deinen rechten Arm so gut wie gar nicht bewegt hast. Keine Sorge, ich hab eh noch eine Hausarbeit zu schreiben.« Sie beugte sich nach vorne und drückte Jackson einen Kuss auf die bärtige Wange.

»Meine Fresse, sie behandelt dich manchmal besser als mich«, sagte Jackson trocken. Er klopfte Ethan vorsichtig auf die Schulter. »Dann sehen wir uns morgen?«

»Denke schon«, erwiderte er.

»Okay dann.«

Ethan und Iliza trennten sich auf dem Parkplatz von Jackson, der in Richtung College verschwand. Wortlos überreichte er ihr seine Autoschlüssel, doch bevor sie überhaupt bei seinem Fahrzeug ankamen, holte sie eine Stimme ein, bei welcher Ethan unschlüssig die Augenbrauen hochzog. »Hey, Ethan!«

Ohne Dreck, Schlamm und Schweiß hatte Mason Fitz ein ebenes, rundes Gesicht mit einer kräftigen Nase und markanten Wangenknochen. Seine Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, als er neben Ethan und Iliza stehen blieb. Sommersprossen bedeckten seine Wangen und Nase, ein paar Falten hatten sich in seine Stirn gegraben und seine Haut hatte im Licht der Straßenlaternen einen bronzenen Ton angenommen. Das wellige pechschwarze Haar fiel ihm strähnenweise auf die Stirn. Anstatt der klobigen und schmutzigen Footballuniform trug er jetzt eine kurze dunkelrote Sporthose und ein T-Shirt mit Löwenmotiv. Sein Blick fiel von Ethan auf Iliza.

»Du bist der neue Quarterback«, sagte sie anerkennend, als wäre er ein berühmter Profisportler. »Ich hab gehört, wie man sich über dich beschwert hat, weil du Russell Hickman anscheinend den Platz geklaut hättest.«

»Du weißt ja gut Bescheid«, erwiderte Mason lächelnd. »Aber ich schwöre, ich habe den Platz ehrlich verdient.«

Iliza lachte, ehe sie die Hand ausstreckte. »Ganz ehrlich, mir wäre es auch recht gewesen, wenn du ihn erschummelt hättest. Ich bin übrigens Iliza.«

Mason ergriff ihre Hand, schüttelte sie kurz, wandte sich dann aber sofort wieder an Ethan. »Du hast überhaupt keine Ahnung von Football, oder?«, fragte er mit einem nahezu strahlenden Lächeln.

Heiß fing Ethans Haut an zu brennen. »Wa–«, fing er an, doch Mason unterbrach ihn.

»Ich hab einen Blick auf deinen Block werfen können, als du dich hingesetzt hast«, erklärte der Quarterback. »Bei dem Gekritzel war es zwar schwer, was zu erkennen, aber die paar zusammenhanglosen Sachen haben schon gereicht. Du hast übrigens Touchdown falsch geschrieben«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu. »Wieso wolltest du unbedingt ein Interview über ein Footballspiel führen?«

»Es war auch eher ein Müssen statt Wollen«, gab Ethan leise zu. »Ich hab ja gesagt, dass es mein erstes eigenes Interview war. Ich konnte mir leider nicht aussuchen, worum es ging, also musste ich das nehmen, was man mir bot.«

Mason brummte, als würde er überlegen, dann grinste er breit. »Na ja, nächstes Mal solltest du dich vielleicht ein bisschen schlaumachen.«

Zorn brodelte in seinem Magen auf. Dieser Typ kannte ihn doch gar nicht! Wieso ging er bitte davon aus, dass Ethan sich nicht vorbereitet hatte? Wütend öffnete Ethan bereits den Mund, um etwas zu sagen, als Iliza einschritt: »Halt mal den Ball flach, ja, sonst muss ich noch glauben, was Hickman über dich erzählt.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, während Mason abwehrend die Hände hob.

»Sorry, sorry, war nur n kleiner Scherz. Er hat ja die richtigen Fragen gestellt, glaub ich. Alles gut, kein Stress.« Ein wenig beschämt klopfte er sich auf den Oberschenkel. »Ich muss dann aber auch los.« Zum Abschied hob er eine Hand, beeilte sich dann aber, an ihnen vorbeizulaufen, als könnte er es kaum erwarten, von ihnen wegzukommen.

Iliza blickte ihm deutlich hinterher, ehe sie zu Ethan meinte: »Ein Schnittchen ist er ja.«

»Jackson ist keine zehn Minuten weg und du schaust schon den anderen Männern hinter?«, fragte er, wobei er nicht umhinkam, Mason ebenfalls nachzublicken, wie er an all den geparkten Fahrzeugen vorbei zu den Fahrradständern ging. Seine Rückseite war mindestens genauso hübsch wie die Vorderseite, stellte Ethan mit angezogenen Brauen fest.

»Ich darf gucken«, erwiderte Iliza nonchalant. »Das hat ja noch niemandem wehgetan.«

Sie beließ es dabei und nahm ihren Weg zu Ethans Auto wieder auf. Kaum, dass sie eingestiegen waren – Ethan dieses Mal auf der Beifahrerseite –, warf er einen Blick in den Rückspiegel, in der leisen, kleinen, schwachen Hoffnung, Mason noch einmal sehen zu können, wurde aber nur mit dem nächtlichen Anblick des Parkplatzes begrüßt. Mit der linken Hand schnallte er sich an, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, als Iliza den Motor startete.

2.

Mason war viel zu spät dran. Das war noch untertrieben, denn eigentlich hätte er bereits vor einer Stunde am Campus sein sollen. Hätte man ihn auf der Arbeit nicht aufgehalten, dann wäre er auch pünktlich gewesen, aber es kam immer etwas dazwischen, wenn er es gerade nicht gebrauchen konnte. Es war idiotisch von ihm gewesen, die Extraschicht überhaupt anzunehmen, das wusste er, aber gegen einen höheren Lohnzettel konnte er schlecht Nein sagen. Normalerweise wäre er damit auch nicht zu spät gewesen, denn der Coffee Shop in der Stadt war keine fünfzehn Minuten mit dem Rad vom Campus entfernt, also hätte er genügend Zeit gehabt, um rechtzeitig da zu sein, aber natürlich musste sich die Kollegin, die ihn ablösen sollte, auf die letzte Minute krankmelden, sodass er gezwungen gewesen war, länger zu bleiben, wenn er den Job behalten wollte.

Er wollte sich nicht wirklich ausmalen, was passiert wäre, wenn er Nein gesagt hätte – wahrscheinlich hätte ihm der Boss irgendetwas von Krisenmanagement und Einsatzbereitschaft erzählt, als würde er nicht selbst die ganze Zeit in seinem klimatisierten Büro sitzen und keine nervigen Kunden bedienen müssen. Mason hatte sich dazu bereit erklärt, länger zu bleiben, obwohl er wusste, dass er verabredet war, und wahrscheinlich machte ihn das zu einem schrecklichen Menschen.

Von einem schrecklichen Bruder mal abgesehen.

Auf dem Campus angekommen, kettete er sein Rad so schnell wie möglich an den nächsten Fahrradständer, bevor er vorbei am Hauptgebäude der Glenwich University ging und den Weg zum Trainingsfeld fand.

Er hörte die Cheerleader, bevor er sie sehen konnte. Musik, Jubel und Lachen ließen sein nervöses Herz ein wenig höherschlagen. Mit verschränkten Armen und einem automatischen Lächeln im Gesicht lehnte er sich gegen die Außenwand des Eingangs, ein Betontunnel unter den Tribünen hindurch, der mit Abstellräumen und Umkleidekabinen ausgestattet war, die lediglich durch lackierte Holztüren getrennt waren.

Seine Augen durchsuchten die Mädchen und Jungen unterschiedlichen Alters, bis er endlich die schwarzen Haarschöpfe seiner Schwestern ausmachen konnte, die in Sporthosen und weiten Oberteilen Spagat machten, als hätten sie all die Jahre nichts anderes gemacht. Ein älteres Mädchen stand neben ihnen, hatte den Kopf schief gelegt und ein breites Grinsen auf den Lippen, während sie mit zwei blau-weißen Pom-Poms in der Luft wedelte. Die langen hellen Haare hatte Haley zu einem Zopf gebunden und passend zu ihren Pom-Poms hatte sie sich in ihre Cheerleadinguniform geworfen, einem Zweiteiler aus weißem Rock und Top, mit knielangen blauen Strümpfen und flachen Schuhen. Die Ränder der Uniform waren ebenfalls im typischen Blau gefärbt und eine große Zahl schmückte ihren Rücken, auch wenn Mason diese aus seiner Position heraus nicht sehen konnte. Nicht, dass er das noch müsste.

Es dauerte nicht lange, bis Haley zufällig einen Blick in seine Richtung warf und ihn erkannte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht schwand und sie ließ die Hände ein wenig sinken.

Mason vergrub die Hände tief in den Taschen, bevor er versuchte, betont lässig zu ihr hinüberzuschlendern. Den entschuldigenden Ausdruck in seinen Augen wurde er dabei nicht los. Er blieb ein paar Schritte vor seiner Ex-Freundin Haley stehen, die die Lippen zusammengedrückt hatte.

»Wir dachten schon, du kommst nicht«, meinte sie kurz angebunden.

Die Kälte in ihrer Stimme fiel ihm deutlich auf, aber er war sich auch klar, dass er es verdient hatte. Er zuckte mit den Schultern. »Ich musste länger arbeiten. Sorry.«

Haley betrachtete ihn kritisch, dann wandte sie den Blick ab. »Wenigstens bist du jetzt hier.«

»Das hätte ich mir auch nicht entgehen lassen können.« Er versuchte einen Augenblick länger, dass sie ihm wieder ins Gesicht blickte, dann gab er auf. »Wie gefällt’s euch?«, fragte er seine Zwillingsschwestern Olivia und Josie.

»Es macht mega Spaß!«, antwortete Josie inmitten ihres Spagats.

»Ich fand Kickboxen besser«, sagte Olivia, die ihre Beine lediglich träge anwinkelte.

Haley lachte. »Es geht ihr zu sanft zu«, fügte sie an.

»Zu sanft?«, fragte Mason und warf seine Sporttasche auf den Boden. »Ich kann mich gerne ein bisschen mit dir prügeln, so wie früher.«

»Nein!«, meinte Olivia, während sie sich erhob. »Das wäre ja unfair, du bist ungefähr dreimal so groß wie ich. Und wahrscheinlich auch zehnmal so schwer!«

»Ja und davon sagt er immer, es wären alles Muskeln«, meinte Josie kichernd, was Haley ebenfalls müde lächeln ließ.

Masons Gesicht heizte sich auf, verlor das Grinsen aber nicht. »Ich finde, jetzt, wo ihr fast sechzehn seid, könntet ihr auch ein bisschen netter zu mir sein.«

Olivia und Josie wechselten einen kurzen Blick, dann sagten sie einstimmig: »Nö.«

Schnalzend murmelte er: »War ja klar.« Sein Blick flog zu Haley, die die Arme verschränkt hatte und demonstrativ auf ihre Pom-Poms blickte. »Was steht noch auf dem Plan?«

»Vorbereitungen für die Pyramide«, meinte sie. An die Mädchen gerichtet sagte sie: »Wollt ihr noch mitmachen oder lieber zugucken?«

»Mitmachen«, antwortete Josie im gleichen Moment, in dem ihre Schwester sagte: »Zugucken.« Haley hielt sich eine Hand mit dem Pom-Pom vor den Mund und lächelte.

»Dann komm mit und ich zeig dir, was du machen kannst«, sagte die junge Frau an das Mädchen gerichtet. »Olivia, du kannst ja bei deinem«, für den Bruchteil einer Sekunde stockte sie, dann fing sie sich, »Bruder bleiben.«

Mason tat so, als hätte er nichts mitbekommen, sondern lächelte lediglich zustimmend. Er versuchte Haleys Blick zu treffen, aber diese wandte sich so schnell von ihm ab, dass ihr blonder Pferdeschwanz wie eine Peitsche hinter ihr herflog. Wenn sie gewollt hätte, dann hätte sie ihm damit sicherlich ins Gesicht geschlagen. Er nahm es als gutes Zeichen, dass sie das nicht getan hatte. »Dann lass uns deiner Schwester mal zugucken, wie sie zum Profi wird.«

»Profi«, schnaubte Olivia belustigt, aber folgte ihm zu den Tribünensitzen. Olivia war immerhin nicht die Einzige, die die letzte Übung ausfallen ließ; eine Schar an kichernden und sich neckenden Mädchen und Jungen ging ebenfalls von der Cheerleader-Gruppe davon und setzte sich auf die untersten Tribünensitze, wo sie direkt wie eine eigene Clique aussah.

Mason bemerkte, dass Olivia ihnen einen raschen Seitenblick zuwarf, aber entschied sich, nichts dazu zu sagen. Stattdessen beobachtete er mit seiner Schwester, wie Haley Josie und den anderen Cheerleadern in spe Anweisungen zurief, damit sie versuchen konnten, ihren Partner auf die Schulter zu nehmen, während immer jemand dabeistand, um achtzugeben, dass sich niemand verletzte. Wie immer war Haley die geborene Anführerin. Mason hoffte, dass er irgendwann auch so viel Autorität ausstrahlen würde.

»Es ist sehr nett von Haley, dass sie uns zum Training eingeladen hat«, murmelte Olivia neben ihm, den Blick starr nach vorne gerichtet. »Das hätte sie nicht machen müssen.«

»Richtig«, erwiderte er etwas träge. »Wirklich nett von ihr.«

»Sie hat die ganze Zeit nicht ein Wort über dich verloren«, meinte seine jüngere Schwester. »Ich glaube ja, sie ist immer noch ziemlich sauer auf dich.«

»Sie ist nicht wirklich sauer«, sagte er mit schiefem Lächeln. »Sie mag es nur, wenn ich mich schuldig fühle.«

»Du könntest sie ja fragen.«

»Lieber nicht«, entgegnete er leise.

Olivia warf ihm einen Blick mit hochgezogenen Brauen zu und presste die Lippen aufeinander. »Hast du Angst vor ihr? Echt?«

Ein belustigtes Schnauben entkam ihm und er räusperte sich schnell. »Das ist es nicht«, meinte er, die Augen auf Haley gerichtet, die gerade eine Anweisung zu einem der Mädchen rief, die ziemlich wacklig auf den Beinen wirkte. »Ich gebe ihr einfach Freiraum, wenn sie offensichtlich gerade nicht in meiner Nähe sein will. Nicht alle Trennungen enden damit, dass man Freunde bleibt, weißt du?«

Seufzend stützte Olivia ihr Kinn auf ihrer Hand ab und murrte: »Du hättest auch einfach mit ihr zusammenbleiben können, dann hätte sich jetzt nicht alles ändern müssen.«

Überrascht warf Mason seiner Schwester einen Blick zu, den sie geflissentlich ignorierte. »Wie kommst du darauf, dass sich alles geändert hat?«

»Na ja, Haley kommt gar nicht vorbei oder geht mit uns Eis essen. Sie hat mir versprochen, dass sie mir helfen wird, ein Kleid für den Abschlussball auszusuchen, und jetzt seid ihr nicht mehr zusammen, also muss ich das allein machen.« Sie mied es, in seine Richtung zu gucken. »Es ist einfach doof. Haley war die erste deiner Freundinnen, die uns auch mal gemocht hat. Nicht so wie die dumme Chloe.«

»Hey«, erwiderte er lachend. »Chloe war nicht dumm. Nur … etwas einfach.«

»O bitte«, sagte Olivia und klang dabei sehr aufgebracht. »Ich hab ihr mal erklären müssen, wie sie ihre Hausaufgaben zu machen hatte und da war ich immerhin erst zehn. Sie war dumm. Ich mochte sie nicht.«

»Ja, aber ich mochte sie«, antwortete Mason sanft, bevor er seine Schwester gegen die Schulter stieß. »Das ist leider die Hauptsache bei Beziehungen. Man muss sich mögen und nicht erst seine kleine Schwester fragen, ob sie einverstanden ist.«

»So sollte es aber sein«, brummte sie. »Immer machst du mit all deinen Freundinnen Schluss und wir müssen uns an eine neue gewöhnen. Du könntest dich ja mal ruhig für eine entscheiden. Wie wär’s mit Haley? Ich hab gehört, sie ist Single.« Dieses Mal warf sie ihrem Bruder einen neckischen Blick zu.

Mason lachte, aber sagte nichts darauf. Es war kein Geheimnis, dass seine Schwestern Haley manchmal lieber mochten als ihn, auch wenn er sich nicht viel daraus machte. Haley war eine Heilige, was das anging. Sie hatte sich immer die Zeit genommen, mit den beiden was zu machen, auch wenn sie es überhaupt nicht hätte tun müssen. Er konnte verstehen, wieso Olivia jetzt sauer auf ihn war, aber wusste auch, dass er da durchmusste. Immerhin war es nicht Olivias Entscheidung gewesen, dass er und Haley sich getrennt hatten.

Das hatten die beiden ganz allein beschlossen.

Mason konnte sich glücklich schätzen, dass jemand wie Haley überhaupt Zeit mit ihm verbracht hatte und mit ihm zusammen gewesen war. Er war froh, dass ihre Trennung ihre Beziehung nicht komplett zerstört hatte und hoffte, dass es irgendwann wieder so sein konnte wie früher. Vielleicht könnte sie ihm dann auch wieder in die Augen gucken, ohne dass er sich immens schuldig fühlte, ihr das Herz gebrochen zu haben.

Als die Übung abgeschlossen und alle Teilnehmenden wieder mit zwei Beinen auf dem Boden waren, kam Josie mit breitem Grinsen zu ihnen gelaufen. »Damit steht es fest«, sagte sie atemlos, ehe sie sich neben ihre Schwester quetschte. »Wenn ich auch aufs College gehe, dann werde ich Cheerleaderin.«

Olivia verzog kaum merklich das Gesicht. »Dann kannst du endlich was ohne mich machen.«

Josie streckte ihr die Zunge entgegen. »Niemand hat dich gezwungen mitzukommen.«

»Nein, aber ich kann schlecht zulassen, dass nur du Zeit mit Haley verbringst.«

»Du bist ja nur sauer, weil sie mich lieber hat als dich.«

»Das stimmt überhaupt nicht!«

»Tut es wohl!«

»Nicht!«

»Hey, hey, Haley hat niemanden von euch lieber, alles klar?«, sagte Mason mit defensiv erhobenen Händen. »Sie hat euch beide eingeladen.«

Josie verschränkte die Arme locker. »Wenigstens hat sie uns lieber als dich.«

Mason verdrehte die Augen. »Dafür kenne ich sie länger, also gewinne ich.«

»So funktioniert das nicht«, meinte Olivia.

»Tut es wohl, denn ich bin älter und habe damit automatisch recht«, erwiderte er achselzuckend.

»Kein Wunder, dass Haley Schluss gemacht hat, wenn du dich so benimmst«, sagte Josie.

»Sie hat nicht – ist ja auch egal«, unterbrach er sich selbst, bevor er den Kopf schüttelte. »Nimmt Haley euch noch mit?«

Olivia nickte. »Damit du trainieren kannst«, fügte sie an. »Außerdem hat sie gesagt, dass wir Mean Girls gucken, wenn wir zu Hause sind.«

»Nach den Hausaufgaben, hoffe ich«, antwortete er mit einer angezogenen Augenbraue.

»Sicher, was immer dich ruhig schlafen lässt«, erwiderte seine Schwester.