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In einer Osnabrücker Villa wird der Banker Simon Birklund ermordet. Kommissarin Birthe Schöndorf und ihr neuer Kollege Carlo Oltmann folgen einer Spur, die sie direkt in die Mafiakreise der Bankenmetropole Frankfurt führt. In diesen Sumpf geriet auch der bodenständige Mario Roggenkamp, ein von Birklund um sein Geld gebrachter Schreiner. Durch den Banker verlor er sein gesamtes Vermögen, was er vor seiner Familie verheimlicht. Hat er sich an Birklund gerächt?
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Seitenzahl: 373
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Alida Leimbach
Börsentöpfchen
Kriminalroman
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Katja Ernst
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © sabelfoto13 – Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-4494-4
Für Julia, Sascha und Nele
Wozu die Tage zählen? Dem Menschen genügt ja ein einziger Tag, um das ganze Glück zu erfahren.
Fjodor Dostojewski
Mario rannte die Treppen zu seiner Wohnung hinauf. In der dritten Etage angekommen, verharrte er atemlos vor dem Tonschild mit den vier modellierten Köpfen seiner Familie, das seine Frau vor vielen Jahren nach einem Foto hatte anfertigen lassen. Die Jungs waren noch klein, hatten pausbäckige Gesichter und blonde Locken, die ihnen in die Stirn fielen. Anneke trug die kastanienbraunen Haare ein bisschen länger als heute und er selbst hatte noch volles, dunkelblondes Haar. Willkommen bei Familie Roggenkamp – Mario, Anneke, Ronny und Luca.
So genau hatte Mario das Türschild nie zuvor betrachtet. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass es überhaupt jemals Gefühle in ihm ausgelöst hatte. Er streichelte zärtlich über das blasse Gesicht seiner Frau. Anneke. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn. Mario liebte sie immer noch, nach über 20 Jahren, vielleicht sogar mehr denn je.
Das Licht ging aus und er schaltete es mechanisch wieder ein. Seit 20 Jahren wohnte er in diesem Haus in der Natruper Straße, das man in früheren Zeiten als »Mietskaserne« bezeichnet hätte, und genauso lange hasste er es. Er hasste den Geruch – eine unangenehme Mischung aus kaltem Zigarettenqualm, ungelüfteter Küche und Bohnerwachs –, das Abblättern des Putzes an den Flurwänden, das Kindergeschrei hinter den Türen und das Gekeife der Frau von nebenan. Doch heute störte ihn das nicht. Das alles würde er bald hinter sich lassen; er hatte soeben die Schritte in ein neues Leben getan. Den Schlüsselbund, den er bereits in der Hand gehalten hatte, steckte er wieder ein. Stattdessen drückte er auf den Klingelknopf. Er wollte, dass Anneke ihm sofort gegenüberstand, und freute sich unbändig auf ihre Reaktion, wenn er es ihr sagen würde.
Die klappernden, forschen Schritte auf den Fliesen konnten nur von ihr stammen. Wunderbar, sie war schon da! In seinem Körper begann es zu kribbeln. Unwillkürlich musste er lächeln. Gleich! Er konnte die Spannung kaum noch ertragen.
Die Wohnungstür öffnete sich, nureinen Spaltbreit.
»Du?«, fragte Anneke erstaunt und riss die Tür ganz auf. »Hast du deinen Schlüssel vergessen?« Sie sah erhitzt aus, trug ihre rotkarierte Schürze, an der sie sich die Hände abwischte. Aus der Küche strömten verführerische Düfte.
»Tadaaa«, rief Mario strahlend und zog eine Flasche Champagner hinter seinem Rücken hervor, die er auf dem Heimweg von der Arbeit im Discounter gekauft hatte.
»Champagner?«, fragte sie und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Sag mal, hast du sie nicht alle? Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und trat einen Schritt näher. Seine Augen funkelten. »Komm mal her«, sagte er atemlos, nahm ihre Hand und zog sie zu sich. »Es gibt etwas zu feiern!«
»Du bist ja völlig außer Atem. Was ist los?« Sie ließ sich widerstrebend in seine Arme ziehen. »Pass auf, dass die Flasche nicht …«
»Pssst«, machte er und presste seinen Zeigefinger auf ihren Mund. Aber sie schob ihn sanft beiseite.
»Champagner, dass du so leichtsinnig bist, gerade im Moment, das finde ich …« Weiter kam sie nicht, denn sein Mund umschloss ihre Lippen mit einem feuchten Kuss. Mit dem Rücken drückte er die Tür zu. Sie machte sich von ihm frei. »Jetzt sag endlich, was passiert ist, ich habe Essen in der Röhre.«
»Was gibt’s Leckeres?« Er schnupperte übertrieben und blickte sehnsüchtig in Richtung Küche.
»Blumenkohlauflauf.«
»Hm, lecker. Dauert’s noch lange?«
»Noch fünf Minuten. Spann mich nicht so auf die Folter! Nun sag schon!«, bettelte sie.
Er lächelte vielsagend und holte in aller Ruhe die Teller aus dem Schrank. Mario genoss es plötzlich, sie zappeln zu lassen. Dabei hatte es ihm vorhin nicht schnell genug gehen können. »Nach dem Essen, Schatz«, war alles, was er über die Lippen brachte.
Gut gesättigt saßen sie später nebeneinander auf der abgewetzten Ledercouch. Mario ließ den Verschluss aufploppen. »Wo sind eigentlich die Jungs?« Ihm war auf einmal ganz flau. Was, wenn sie anders reagierte als erwartet?
»Schön, dass dir wenigstens auffällt, dass sie nicht da sind«, bemerkte Anneke spöttisch. »Ronny ist bei seiner Freundin und Luca beim Training. Er geht hinterher noch mit zu einem Freund. Den Auflauf können sie sich aufwärmen.«
Mario nickte geistesabwesend vor sich hin. Sein Brustkorb hob und senkte sich wie nach einem anstrengenden Lauf. Sein Mut hatte ihn auf einmal verlassen.
»Willst du mir nicht endlich sagen, was das alles soll?« Ihre Stimme klang leicht gereizt.
Er füllte abwechselnd die Gläser, wartete jedes Mal geduldig ab, bis sich der Schaum gesenkt hatte, und goss wieder nach.
»Prost«, sagte er schließlich, griff nach seinem Glas und sah ihr in die Augen. Seine Hand zitterte. Er nahm einen Schluck und stellte es wieder ab. Sie rührte ihres nicht an.
»Anneke, hör zu«, begann er und machte sogleich wieder eine Pause. Der Anfang war das Schwerste. »Du kennst doch die Hagedorns oder die Heesings. Denen geht es richtig gut, oder? Hast du das nicht auch mal gedacht? Die können sich viel mehr leisten als wir.«
»Ja und? Ich vergleiche mich nie mit anderen. Macht nur unglücklich.«
Er trank sein Glas bis zur Hälfte leer. Nun fühlte er sich stärker und gleichzeitig entspannter. »Ich habe noch fast 20 Dienstjahre vor mir. Ronny ist fertig mit seiner Ausbildung. Zusammen können wir es schaffen. Ronny und ich wären ein gutes Team, zwei Schreiner, die etwas auf dem Kasten haben. Und in drei Jahren kommt vielleicht noch Luca hinzu«, sprudelte es aus ihm heraus. »Endlich nicht mehr für andere buckeln, sich von morgens bis abends für den Chef das Hemd nass machen, um am Monatsende doch nur Ebbe im Portemonnaie zu haben. Davon hab ich endgültig genug. Und sieh dich hier um! Unsere Wohnung platzt aus allen Nähten. Die Jungs haben nicht mal jeder ein eigenes Zimmer. Als sie klein waren, ging es noch, aber jetzt? Davon abgesehen, die Natruper Straße ist nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Ich würde gern bei offenem Fenster schlafen, aber bei dem Lärm?« Er hatte sich frei geredet. Gleich wäre die Katze aus dem Sack! »Weißt du, wovon ich träume? Ich möchte … es jetzt machen.«
»Was?«, fragte sie und sah ihn misstrauisch von der Seite an.
»Mich selbstständig machen.«
Die Stille währte lediglich eine Sekunde. »Bist du übergeschnappt? Das kannst du doch nicht einfach so!«, platzte sie heraus. »Und wenn ich ehrlich bin, ich will es nicht. Ich will keinen Mann, der abends Rechnungen schreiben muss, während ich gemütlich vor dem Fernseher sitze. Ich will keinen Mann, der sich unruhig neben mir im Bett hin und her wälzt, weil er vor Sorgen nicht einschlafen kann, der sich ständig den Kopf darüber zerbricht, wie er die Kredite zurückzahlen soll, der auch samstags und sonntags schuftet, sich nie Ruhe gönnt, nur ans Arbeiten denkt. Ich will das alles nicht. Ich will leben. Geld ist nicht alles.«
Er schwieg und kaute auf seiner Unterlippe herum. Dass er bereits gekündigt hatte, behielt er vorerst besser für sich. Jedenfalls bis Anneke sich beruhigt hatte. »Ist ja alles noch nicht spruchreif«, sagte er niedergeschlagen.
»Und überhaupt: Wie hast du dir das vorgestellt?«, fuhr Anneke fort. »Du hast überhaupt kein Geld! Wir können im Moment nicht einen Cent zurücklegen.«
»Doch«, sagte er und sah ihr fest in die Augen. »Ich habe Geld. Mach dir keine Gedanken.« Erneut griff er nach seinem Sektglas und trank es in einem Zug leer. Er schüttelte sich. Bier wäre ihm lieber gewesen. Eigentlich hatte er seiner Frau erzählen wollen, dass er bereits vor Wochen das erste Beratungsgespräch bei der Industrie- und Handelskammer geführt und seitdem Schritt für Schritt an der Verwirklichung seines Traums gearbeitet hatte. Dass er sich wie ein Kind auf sein eigenes Firmenschild freute: Schreinerei Mario und Ronny Roggenkamp – Innenausbau, Fenster und Türen.
Den Mietvertrag für eine Scheune hatte er kürzlich unterschrieben. Ein Bekannter hatte bisher seinen Wohnwagen darin untergestellt. Fürs Erste würde das genügen. Sogar Strom gab es in dem Schuppen. Er wollte ihr erzählen, dass er in den nächsten Tagen beim Werkzeugverleih die Grundausstattung für seine eigene Schreinerei zusammenstellen würde. Doch er traute sich nicht. Sie würde es nicht verstehen, jedenfalls im Moment nicht.
»Von wem hast du es?«, fragte Anneke und fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
»Schatz, ich habe es noch nicht, aber ich bekomme es. In wenigen Tagen.«
»Was ist das für Geld?« Ihre Stimme nahm einen scharfen Unterton an.
Er wagte nicht, sie anzusehen. Alarmstufe rot. Er kannte sie: Sie war kurz davor zu explodieren.
»Hast du etwa …? Warst du bei so einem Heini, so einem … Kredithai? In was für einen Schlamassel hast du dich reingeritten?«
»Nein, nein, beruhige dich. Es ist mein Geld. Ich hatte es nur fest angelegt.«
»Woher hast du es?«
»Meine Mutter hat es mir vor ihrem Tod geschenkt.«
»Warum weiß ich nichts davon?«
»Es sollte eine Überraschung sein. Ich habe vor einigen Jahren Wertpapiere gekauft und sie für einen bestimmten Zeitraum fest angelegt, mit einer Rendite von zehn bis zwanzig Prozent pro Jahr, meine Liebe – pro Jahr! Mit Zinseszins! Ich wollte dir zeigen, wie so etwas funktioniert. Wie Geld für uns arbeiten kann, ohne dass wir einen Handschlag dafür tun müssen. Ich habe mir all die Jahre dein Gesicht vorgestellt, wenn ich es dir sage. Ich dachte, du freust dich!«
»Ich kann es nicht fassen. Wie viel ist es?«
Er griff seelenruhig nach der Champagnerflasche.
»Nein!«, schrie sie und hielt seinen Arm fest, »ich will jetzt nichts trinken. Verdammt noch mal, wie viel Geld?«
Seine Zunge wurde zwischen den Lippen sichtbar und seine Augen bekamen einen verklärten Ausdruck. »30.000 Euro«, sagte er genüsslich und betonte dabei jede Silbe. »So viel war es jedenfalls damals. Heute ist es viel, viel mehr. Ich habe heute Morgen einen Anruf von der Bank erhalten. Der Stichtag steht kurz bevor. Das heißt, die Wertpapiere sind zuteilungsreif. Verlängert werden können sie nicht, das sieht der Vertrag nicht vor. Nur noch wenige Tage, Schatz. Dann wissen wir mehr.«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. »30.000 Euro«, wiederholte sie. »Und … du hast nie ein Wort gesagt. Wir haben uns jahrelang krummgelegt, jeden Cent hin- und hergedreht, mussten den Jungs viele Wünsche abschlagen und uns selbst natürlich auch, haben geschuftet, was das Zeug hielt, und die ganze Zeit über hatten wir so viel Geld auf der Bank liegen? Wann … wann war das denn noch mit deiner Mutter?«
»Sie ist 2008 gestorben und hat mir ein Jahr vorher das Geld geschenkt. Sie hat es mir bar in die Hand gedrückt. Ich weiß noch, wie sie mich dabei angesehen und gesagt hat: ›Besser, ich gebe es dir jetzt mit warmen Händen als später mit kalten, und Vadder Staat hält auch noch seine Hand auf.‹«
Anneke nickte. Ihre Augen glänzten feucht. »Wahnsinn«, flüsterte sie kopfschüttelnd, »Wahnsinn.«
Auf diesen Moment hatte er gewartet; er hatte ihn herbeigesehnt. Er ging zur Stereoanlage und suchte eine CD heraus. Kurz darauf dröhnte Einmal um die Welt von CRO aus den Lautsprecherboxen – ein Lied, das gerade im Radio rauf und runter gespielt wurde. Er zog Anneke zu sich heran. »Na komm, lass uns tanzen.« Er wirbelte sie im Kreis herum und hielt sie schließlich fest im Arm, wiegte sie sanft hin und her. Ihre Anspannung löste sich allmählich und sie wurde weicher in seinen Armen.
»Baby, bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld,
Gib mir nur deine Hand,
ich kauf dir morgen die Welt«, schmachtete er sie an.
Und sie stimmte mit ein, zunächst leise und verhalten:
»Egal wohin du willst,
wir fliegen um die Welt.
Hau’n sofort wieder ab,
wenn es dir hier nicht gefällt.«
Sie ließen sich los und tanzten ausgelassen, wie sie es lange nicht mehr getan hatten, jeder für sich. Gemeinsam brüllten sie:
»Ost, West oder Nord,
hab den Jackpot an Bord.
Will von hier über London
direkt nach New York.«
»Willst du da immer noch hin?«, fragte er atemlos, als der Song vorbei war und er die Stereoanlage leiser gestellt hatte.
»Was meinst du?«
»Na, nach New York.«
Sie lächelte selig. Ihre Wangen waren leuchtend rot. »Das weißt du doch! Aber du versprichst mir, dass du das mit der Selbstständigkeit schnell wieder vergisst.«
Er zwinkerte ihr zu. »Schauen wir mal.«
Ihr Strahlen war entwaffnend. »Wann bekommen wir das Geld?« Sie fasste nach seinen Händen.
Er wusste, dass der Damm gebrochen war, dass er sie endgültig auf seiner Seite hatte. »Abwarten, Schatz. Fünf Jahre. So lange hat es gearbeitet, für uns, mein Herz, für uns beide und für Ronny und Luca. Jetzt ist Erntezeit. Wir sind an der Reihe, endlich wir!« Er tätschelte ihren Po und sie ließ ein lang gezogenes Gurren ertönen. Das hatte er seit Langem nicht mehr von ihr gehört.
»Was hast du gesagt? Wie lange sind die Jungs noch unterwegs?«, flüsterte er in ihr Ohr.
»Wollen wir nicht zuerst den Abwasch machen?«, fragte sie. Ihre Wangen hatten eine leuchtend rote Farbe angenommen und ihre Augen strahlten.
»Nein«, sagte er und hielt sie fest im Arm. »Das machen wir hinterher.«
*
Robert von Hagen lehnte sich entspannt zurück. »Mensch, war das gut«, sagte er atemlos. »Ich bin noch nie einer Frau begegnet mit so viel Feuer, Temperament und Leidenschaft. Erotik pur. Das war unglaublich heiß eben, weißt du das? Damit hätte ich nicht gerechnet, ehrlich!«
Helga Hedemann lächelte mit glühenden Wangen. »Robert, es war großartig, das finde ich auch. Ich bin fast 60 und habe erst jetzt den besten Sex meines Lebens. Es ist nicht fair, dass ich nicht früher einem Mann begegnet bin wie dir. An deiner Seite fühle ich mich jung und tatsächlich, wie du sagst, erotisch. Du gibst mir das Gefühl zurück, eine Frau zu sein, und dafür danke ich dir. Ich habe wieder Spaß am Leben, genieße jeden Augenblick.«
»Dein Alter spielt für mich keine Rolle. Du bist sexy – so wie du bist, ist es genau richtig. Du bist eine Klassefrau!«
Helga lachte verlegen. »Meinst du das ernst?«
Er blickte ihr verlangend ins Gesicht. »Und wie ernst ich das meine!« Er küsste sie auf den Hals.
»Ich kann es nicht fassen«, sagte sie. »So ein attraktiver Mann wie du nimmt sich ausgerechnet eine Frau wie mich. Du bist 15 Jahre jünger als ich und siehst unglaublich gut aus. Du kannst jede haben!«
»Na und?«, sagte er und streichelte ihren runden Bauch. »Ich will aber nur dich! Jetzt vergiss endlich, wie alt du bist. Du bist einfach eine tolle Frau!« Seine Hand glitt tiefer. »Möchtest du auch noch mal?«, flüsterte er.
Helgas Wangen färbten sich rot.
Er entführte sie erneut in seine Welt, eine Welt, die ihr bisher verschlossen geblieben war und die sie umso mehr in sich aufnahm und genoss.
Später lagen sie eng beieinander. Sie hielt die Augen geschlossen und fühlte mit klopfendem Herzen dem nach, was gerade zwischen ihnen passiert war. Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln.
Er starrte an die Decke und seufzte. »Ich muss dir etwas sagen«, begann er stockend. Sie antwortete nicht, erstarrte jedoch instinktiv.
»Ich bin in Schwierigkeiten. Nichts Schlimmes, mit dir hat es nichts zu tun. Aber gut ist es auch nicht.«
Jetzt sah sie ihn an. »Nun sag schon«, forderte sie unruhig. »Du kannst mir alles anvertrauen. Bei mir ist es gut aufgehoben.«
Er atmete tief durch. »Es ist so, dass ich ein wenig angespannt bin aktuell. Das sollte dich allerdings nicht berühren. Eigentlich möchte ich dich da raushalten, aber ich verstehe auch, dass du wissen möchtest, was mit mir los ist. Ich versuche es dir zu erklären. Vor ein paar Jahren habe ich durch eigene Dummheit ein Projekt in den Sand gesetzt und konnte es finanziell nicht mehr stemmen, konnte meine Rechnungen nicht länger bezahlen. Eine Weile habe ich, wahrscheinlich zu lange, versucht, alles aus eigener Kraft zu regeln, es aber nicht geschafft. Auf Anraten eines Freundes und schließlich eines Anwalts habe ich mich für die Insolvenz entschieden. Ein schwerer Schritt, du glaubst nicht, wie schwer. Ich habe lange mit mir gerungen. Doch ich habe es durchgezogen und mir einen neuen Job gesucht. Zum Glück habe ich recht bald einen gefunden, der mich ausfüllt und fordert. In meinen jetzigen Job habe ich sehr viel Zeit, Kraft und Nerven investiert. Letztes Jahr habe ich ein wenig Pech gehabt. Nichts Schlimmes, aber Dinge gehen kaputt und Reparaturen lohnen sich oft nicht mehr. Ich brauchte dringend ein neues Auto und einen neuen Gefrierschrank. Weil ich bei der Bank keinen Kredit bekomme, habe ich einen Privatier kontaktiert, der mir zwar zunächst geholfen, mich jedoch anschließend übers Ohr gehauen hat. Jetzt weist mein Konto ein Soll von ein paar Euro auf. Aber es darf nicht in den roten Zahlen stehen. Die Kreditabteilung hat Wind davon bekommen und ich muss das ausgleichen. Wenn ich es bis Ende der nächsten Woche schaffe, ist alles gut. Wenn nicht, erfährt das Insolvenzgericht davon. Dann kann ich einpacken.«
»Du meine Güte«, sagte Helga und wirkte ehrlich erschrocken. »Wie kann ich dir helfen?«
»Du musst mir nicht helfen«, sagte er und zog mit seinen Fingerspitzen Kreise auf ihrem Bauch. »Das erwarte ich gar nicht. Ich wollte es dir nur sagen, damit du weißt, was mich bedrückt. Damit du weißt, dass es nichts mit dir zu tun hat. Aber ich will nicht immerzu daran denken. Lass uns lieber die schönen Dinge des Lebens genießen.« Er küsste ihren Bauchnabel.
»Und was ist, wenn ich dir helfen will? Ich kann doch nicht mit ansehen, wie du leidest. Wie all deine Bemühungen den Bach runtergehen. Um wie viel geht es?«
Er druckste herum und machte Andeutungen in Richtung seiner Bank und Versprechungen, die nicht gehalten worden waren. Das kannte sie zur Genüge, denn sie war mit einem Banker verheiratet gewesen.
»Nun sag schon, wie viel ist es?«
Er wartete einen Moment mit der Antwort. »Es fehlen noch 5.000 Euro«, sagte er schließlich mit rauer Stimme.
Irritiert atmete sie durch gespitzte Lippen aus. »5.000 Euro. Das ist in der Tat nicht gerade ein Pappenstiel.«
»Es soll dich nicht berühren. Es ist allein mein Problem. Entstanden durch meine eigene Dummheit.«
Sie streichelte ihn mechanisch und dachte nach. Robert von Hagen war der erste Lichtblick seit Langem in ihrem Leben. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.
Hinter ihr lag eine unglückliche Ehe, die mit der Scheidung geendet hatte. Danach war sie jahrelang allein geblieben. Von ihrem Exmann, einem Banker, hatte sie keinen Cent gesehen. Der hatte sich inzwischen mit seiner Geliebten ein neues Leben aufgebaut. Melanie – sie könnte seine Tochter sein. Helga seufzte leise. Auf eine Festanstellung konnte sie in ihrem Alter nicht hoffen, deshalb blieben ihr nur diverse Putzstellen, um sich über Wasser zu halten. Besser als nichts.
Vor einigen Jahren hatte sie sich überreden lassen, Angespartes in Wertpapiere umzuwandeln. Der Tipp stammte von ihrem damaligen Mann. Wenigstens das hatte sie ihm zu verdanken. Die Bedingungen dafür hatten günstig gewirkt. Er hatte ihr eine Kurve vorgelegt, die stetig nach oben führte und sie restlos überzeugt hatte.
Ihr fiel das Schreiben von der Bank ein, das sie vor wenigen Tagen erhalten hatte. Die Wertpapiere seien zuteilungsreif, hieß es, sie könne gern telefonisch einen Termin ausmachen.
»Bevor du gehst«, sagte sie, »schreib mir bitte deine Bankverbindung auf.«
Er lächelte sie an. »Du willst mich auf den Arm nehmen!«
Sie lächelte zurück. »Nein, Robert«, sagte sie leise.
»Frau Hedemann, Sie sind ein Geschenk des Himmels. Ist das wirklich dein Ernst?«
»Das größte Geschenk bist du. Ich freue mich, dass ich etwas davon zurückgeben kann.« Nichts hätte sie in diesem Moment glücklicher machen können als das entwaffnende Strahlen in seinem Gesicht.
Marios Knie zitterten und sein Herz pochte, als er mit seiner schwarzen Aktentasche in der Hand die Bank betrat. Heute war es endlich so weit – der große Tag, den er seit Jahren herbeigesehnt hatte. Dafür hatte er sich extra den Vormittag freigenommen. Er war nun kein Bittsteller mehr, musste nicht wie sonst um einen Kredit betteln – er war Geschäftsmann. Ab heute gehörte er zur anderen Seite, zu den Besitzenden, ja durchaus schon zur Mittelschicht, dachte er zufrieden. Mit einem Lächeln im Gesicht steuerte er einen der Schalter an.
Eine Frau mit silbergrauem Pagenschnitt und dicker Hornbrille musterte ihn. Auf einem Schildchen an der Rüschenbluse stand ihr Name: Inge Kloß. »Sie wünschen, bitte?«
Mario beugte sich leicht vor. »Ich habe einen Termin bei Herrn Birklund. Um neun.«
Die Angestellte blickte auf die Digitaluhr an der gegenüberliegenden Wand. Mario wusste genau, wie spät es war. Vor drei Stunden war er aufgestanden, was gar nicht nötig gewesen wäre, er war jedoch viel zu aufgeregt gewesen, um liegen zu bleiben. Von da an hatte er alle fünf Minuten auf seine Armbanduhr geschaut. Jetzt war es 8.56 Uhr. Noch wenige Minuten, und er würde die Geldbündel in seiner großen Tasche verstauen können. Er wollte sich den Betrag unbedingt in bar auszahlen lassen. Nie zuvor hatte er so viel Geld besessen. Das wollte er nicht nur sehen, sondern auch fühlen, damit er es begreifen und Anneke zeigen konnte. Er sah die Dame mit der Hornbrille erwartungsvoll an.
»Wie ist Ihr Name?«
»Mario Roggenkamp«, sagte er mit klopfendem Herzen.
»Warten Sie bitte dort drüben.« Sie deutete auf die Sitzgruppe hinter ihm. »Herr Birklund wird gleich bei Ihnen sein.« Sie griff zum Telefon.
»Vielen Dank, Frau Kloß.«
Mit hochrotem Kopf setzte er sich auf einen der Besucherstühle und beobachtete die Kunden, die die Bank betraten. Sie hatten ernste Mienen und wirkten mehr oder weniger gestresst. Er glaubte, ihnen die Geldsorgen am Gesicht ablesen zu können. Mario kannte das zur Genüge, die meiste Zeit seines Lebens war es ihm genauso ergangen. Am Monatsende hatten sie oft nur noch Brot mit billigem Aufstrich und Spaghetti mit Ketchup zu essen sowie Leitungswasser zu trinken, weil das Geld nicht einmal mehr für den Lebensmitteleinkauf reichte. Das sollte nun der Vergangenheit angehören. Er konnte es nicht verhindern, dass er dümmlich vor sich hin grinste.
Hinter den Schaltern öffnete sich eine Tür, durch die eine ältere Frau trat, gefolgt von einem großen, stämmigen Mann, der sie leicht an der Schulter berührte. Die Frau weinte und schnäuzte sich in ein Taschentuch. Der Mann hatte eine leicht krumme Körperhaltung und warf ihr einen besorgten Blick zu. Jetzt erst erkannte Mario ihn wieder. Er hatte ihn damals beraten.
»Machen Sie es gut, Frau Hedemann«, sagte der Banker leicht verlegen. »Sie hören von mir.«
Mario griff nach seiner Aktentasche und erhob sich. Die Frau ging leise weinend an ihm vorbei zum Ausgang. Ihre Schultern bebten. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
Birklund kam auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. »Herr Roggenkamp?«, fragte er mit ernster Miene.
»Ja?«
»Folgen Sie mir bitte.«
*
Birthe Schöndorf rollte mit den Augen und hielt das Telefon von sich gestreckt, weil sie die schrille Stimme im Augenblick nicht ertragen konnte. Seit Wochen kannte ihre Mutter kein anderes Thema als die Schwangerschaft von Birthes jüngerer Schwester.
»Hörst du, Birthe? Ich habe Sophia regelrecht bearbeitet, nach Osnabrück zurückzukommen, das kannst du mir glauben. Was habe ich auf sie eingeredet, immer und immer wieder! Was soll deine Schwester in Berlin! So eine Stadt ist nichts für kleine Kinder. Viel zu unübersichtlich, zu viel Verkehr und schlechte Luft. Wie sollen sie da groß werden! Und ich kann sie noch nicht einmal oft genug sehen. Drei Stunden Zugfahrt, dann noch U- und S-Bahn. Bis ich da bin, sind fünf Stunden um.«
»Mama, Berlin ist cool und Carlotta findet das auch. Sie hat schon genauso viele Freunde wie in Osnabrück. Sie geht gern zur Schule und hat einen tollen Spielplatz direkt vor der Haustür. Was regst du dich auf!« Birthe überlegte fieberhaft, wie sie das Gespräch beenden konnte.
»Carlotta bleibt keine Wahl. Sie wurde schließlich nicht gefragt. Und in wenigen Tagen kommt mein zweites Enkelkind zur Welt, deine Nichte, und ich werde es nicht rechtzeitig schaffen.«
»Sie kommen auch ohne dich zurecht, Mama.«
»Und wer passt auf Carlotta auf?«
»Sophia hat eine nette Nachbarin. Die hat versprochen, sofort zur Stelle zu sein, wenn es losgeht. Zur Not ist ja auch noch Jörg da.«
Am anderen Ende der Leitung stöhnte Doris Schöndorf laut auf. »Sophia braucht Jörg bei der Geburt. Er muss ihr beistehen. Ach herrje, sie wird in der nächsten Zeit nicht nach Osnabrück kommen können«, lamentierte sie. »Sie ist mit zwei kleinen Kindern an die Wohnung gefesselt. Sie kann nicht weg, mit einem Säugling erst recht nicht.«
»Du kannst doch hinfahren, sooft du willst.«
»Nein, kann ich nicht, Papa will das nicht. Er will, dass ich bei ihm bleibe. Möglichst rund um die Uhr. Du kennst doch Papa.«
»Mama, ich habe gleich eine Vernehmung. Sag schnell, wie kann ich dir dabei helfen?«
Die Antwort kam prompt. »Du könntest mir endlich mal ein Enkelkind schenken.«
Birthe fuhr zusammen. War ja klar. Ihre Mutter war voll und ganz auf dem Oma-Trip. Ihre Freundinnen gaben alle mit ihren Enkeln an, je zahlreicher sie Fotos und Anekdötchen präsentieren konnten, desto besser.
»Mama!«, sagte Birthe genervt. »Du kennst meine Meinung dazu!«
»Du bist bald 32, wie lange willst du warten? Deine biologische Uhr tickt und tickt. Jünger wirst du nicht mehr. Wenn ich eines Tages einen Petersilienporsche habe, brauche ich das nicht mehr.« Doris bezog sich damit auf den Rollator ihrer Nachbarin.
Birthe holte tief Luft. »Ich denke im Moment nicht an Kinder. Und willst du den Grund dafür wissen? Weil ich glücklich bin, wie es ist. Weil ich meine abwechslungsreiche Arbeit liebe und mit nichts und niemandem tauschen möchte. Und was noch mal sein wird, irgendwann, eines Tages vielleicht, das juckt mich heute nicht. Und jetzt muss ich weitermachen!«
Sie war froh, als Carlo mit einer großen Bäckertüte hereinkam und ihr fröhlich zuwinkte. Ihr neuer Kollege stammte aus Lüneburg und ersetzte Daniel Brunner, der der Liebe wegen auf eine Dienststelle nach Hannover gewechselt war.
»Habe auch an dich gedacht, Birthe«, sagte er augenzwinkernd. »Zwei Springbrötchen, dazu ein Latte macchiato. Ist das nichts?«
Birthe nahm ihm dankbar Brötchentüte und Becher ab. Sie musste sich erst an ihren neuen Bürogenossen gewöhnen. Er war völlig anders als Daniel, mit dem sie drei Jahre lang zusammengearbeitet hatte. Daniel, der Bodybuilder und Frauenheld. Kriminaloberkommissar Carlo Oltmann war eher von der gemütlichen Sorte; er aß und trank gern, was ihm deutlich anzusehen war, wusste das Leben zu genießen. Birthe hatte schnell herausgefunden, dass er nicht nur gerne aß, sondern auch mit Vorliebe über Essen redete.
»Wie war es gestern, Carlo?«, fragte Birthe. »Hast du deine Frau schön ausgeführt?«
»Aber sicher«, sagte er kauend. »Wir waren im Parkhotel essen und hatten beide ein Börsentöpfchen, rustikal, deftig und gut.«
»Börsentöpfchen?«
»Hacksteaks mit grünen Bohnen auf Spiegelei«, sagte Carlo versonnen und rieb sich den Bauch. »Doppelte Portion für mich, einfache für Gudrun.«
»Aha – klingt gut. Hausmannskost mag ich sehr gerne. Hast du die Akte schon gesehen?« Sie schob ihm einen aktuellen Bericht zu. Darin ging es um ein minderjähriges Mädchen, das seit dem Wochenende als vermisst gemeldet war.
*
»Was soll das heißen: äußerst verlustreiche Anlage?« Die Farbe wich schlagartig aus Marios Gesicht. Seine Hände krampften sich um den Griff der Aktentasche. Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr atmen, nicht mehr hören und nicht mehr richtig sehen zu können. Das Büro von Simon Birklund verschwand in einem Nebel aus Grau und Weiß.
»Möchten Sie nicht doch einen Kaffee? Ich kann Ihnen gerne …«
»Nein!«, lehnte Mario unwirsch ab.
»Vielleicht ein Wasser?«
»Was bedeutet das jetzt? Wie viel Geld bekomme ich? Erhalte ich wenigstens meine Einlage zurück? Meine 30.000?« Er blickte den Banker hoffnungsvoll an, der schüttelte jedoch mit ernster Miene den Kopf. Mario spürte ein unangenehmes Kribbeln und leichte Taubheit in seinen Gliedmaßen. Als hätte das Blut in seinem Körper aufgehört zu fließen. Er schwitzte und fror gleichzeitig.
Birklund stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte mit gebrochener Stimme: »Leider nicht, Herr Roggenkamp.«
Mario riss ungläubig die Augen auf. »Was soll das heißen?« Seine Stimme glich einem Flüstern. Er hatte den Eindruck, dass alle Kraft aus ihm gewichen war.
Birklund drehte den Bildschirm seines Computers so, dass Mario ihn einsehen konnte. »Schauen Sie«, sagte er, »leider gab es enorme Kurseinbrüche, die weltweite Finanzkrise, Sie wissen schon. Wir alle haben darunter zu leiden. Glauben Sie mir, auch ich habe einiges verloren. Sie betrifft es leider in besonderem Maße. Wir haben wohl auf das falsche Pferd gesetzt. Sie haben immerhin noch ein Restguthaben. Augenblick, ich sag’s Ihnen gleich. Es sind genau … warten Sie … Hier haben wir’s. Es sind genau 143, 85 Euro. Ich habe eben veranlasst, den Betrag auf Ihr Konto zu überweisen. Es tut mir ausgesprochen leid.«
»Sie wollen mich ver… Sie wollen mich hochnehmen!«, platzte es aus Mario heraus. »Das ist nicht Ihr Ernst! Nicht einmal 200 Euro? Das kann nicht sein!« Das regungslose Gesicht von Simon Birklund sagte ihm, dass dieser die Wahrheit gesagt hatte.
»30.000 Euro«, rief Mario, »es waren 30.000 Euro!« Er starrte Birklund an, als hoffe er, doch noch etwas Positives erkennen zu können, so etwas wie ein Aufblitzen, gefolgt von dem Ausruf: »Scherz, Herr Roggenkamp, Sie fallen aber leicht herein!« – doch nichts geschah. Birklunds Miene blieb ernst, regungslos. Es heuchelte Mitleid, Mario erkannte keine echte Anteilnahme.
Seine Aktentasche war zu Boden gefallen. »Es sollte doch viel mehr daraus werden«, hörte er sich sagen, und er fühlte sich wie ein kleines Kind, dem Unrecht geschah. Am liebsten hätte er sich in die Arme seiner Eltern geworfen, aber die lebten beide nicht mehr.
»Ich weiß, Herr Roggenkamp. Es tut mir aufrichtig leid.«
»Ich wollte mich von dem Geld selbstständig machen. Eine eigene Schreinerei aufbauen.«
»Ich weiß. Ich habe es in meinen Unterlagen stehen.«
»Haben … haben Sie schon lange gewusst, dass daraus nichts wird?«
»Nein, Herr Roggenkamp. Ich weiß es selbst erst seit ein paar Tagen.«
»Ich verstehe das alles nicht. Sie haben mir damals zu der Wertanlage geraten! Auf Sie habe ich gehört! Ihnen habe ich vertraut! Sie haben mir eine Rendite versprochen, mir hoch und heilig geschworen, dass sich mein Geld vervielfachen würde!«
»Herr Roggenkamp, ich weiß, es ist schwer zu verstehen, aber hören Sie mir bitte zu. Niemand konnte die Finanzkrise in den USA vorhersehen. Auch wir nicht. Wir haben alle herbe Verluste einstecken müssen. Die Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers hat die weltweite Krise ausgelöst. Im Zuge dessen hat die Commerzbank mit der Dresdner Bank fusioniert. Es folgte im Oktober 2008 ein Kursverfall von 94 Prozent. Und da Sie hauptsächlich Aktien der Commerzbank hatten, die mittlerweile verstaatlicht wurde, haben Sie leider einen fast gänzlichen Verlust erlitten. Diese Aktien haben alles zum Einsturz gebracht.«
»Aber Sie sagten doch, die seien sicher.«
»Waren sie ja auch. Bis 2008. Leider waren es hochspekulative Produkte, wie sich in der Zwischenzeit herausgestellt hat.«
»Das wusste ich nicht.«
»Nein, das war nicht abzusehen. Sonst hätte ich Ihnen nicht dazu geraten.«
»Sie sind schuld!«
»Ich kann es nicht ändern, tut mir leid.«
»Ich brauche das Geld«, rief Mario verzweifelt. »Sie geben mir mein Geld zurück!«
»Ich kann Ihnen gerne eine Verlustbescheinigung für die Steuer ausstellen. Dann bekommen Sie beim Lohnsteuerjahresausgleich wenigstens einen kleinen Betrag zurückerstattet.«
Mario sah ihn entgeistert an.
»Alternativ rate ich Ihnen zu einer Lebensversicherung. Oder Sie schließen noch heute einen europäischen Immobilienfonds ab, der ist zurzeit sicherer als Aktien. Es ist ein günstiger Tag zum Kauf. Ich kann Ihnen guten Gewissens dazu raten. Eine rein konservative Anlage, Herr Roggenkamp. Da gehen Sie auf Nummer sicher. Glauben Sie mir. Oder Sie kaufen ein konservatives Aktienpaket. Damit können Sie nichts falsch machen. Oder möchten Sie einen Bausparvertrag abschließen? Betongold ist immer noch die sicherste Variante.«
Mario versuchte, auf seinem Stuhl das Gleichgewicht zu halten. Alles drehte sich vor seinen Augen. Sein Magen krampfte sich zusammen und ihm wurde übel.
»Sie müssen nicht sofort zusagen. Überlegen Sie es sich in Ruhe zu Hause und rufen Sie mich in den nächsten Tagen an. Herr Roggenkamp, kann ich Ihnen denn etwas Gutes tun? Warten Sie, ich gebe Ihnen noch einen Ordner mit für Ihre Unterlagen. Und einen Kugelschreiber habe ich sicher auch noch für Sie. Einen Moment.«
Mario sprang auf. Er drehte sich torkelnd um und wandte sich zur Tür, riss sie auf und stolperte den Gang entlang. Er wollte keinen Ordner – und einen Kugelschreiber erst recht nicht. Ihm war schwarz vor Augen und sein Gehirn ließ nur einen einzigen Gedanken zu: Nicht fallen, jetzt bloß nicht hinfallen.
Draußen setzte er sich auf eine Bank und schrieb mit zittriger Hand eine SMS an Anneke. Schlechte Nachrichten: kein Geld. Die Frist ist verlängert worden, noch 4 Wochen.
Er hoffte bis dahin auf ein Wunder.
Der Hausarzt setzte seine Unterschrift unter den Totenschein. Über seine Lesebrille hinweg betrachtete er die Frau, die ihm gegenüber in einem Sessel saß. Sie hatte Schatten unter den Augen und wirkte sehr angespannt. Er hätte sie gern unter anderen Umständen wiedergetroffen. »Seien Sie unbesorgt, Frau Birklund, ich glaube nicht, dass Sie mit Problemen rechnen müssen. Bei der Vorgeschichte! Ich sehe keinen Grund, die Kriminalpolizei einzuschalten. Warum sollte ich? Ihr Mann war jahrelang bei mir in Behandlung.«
Iris Birklund setzte sich aufrecht hin und versuchte den Gesichtsausdruck des Arztes zu deuten. »Sind Sie sicher? Keine Obduktion? Ich habe von einer ähnlichen Geschichte gehört, da kam der Mann in die Gerichtsmedizin, obwohl der Hausarzt einen natürlichen Tod bescheinigt hatte. Das wäre eine Horrorvorstellung für mich. Der Schock von heute Morgen steckt mir noch in den Gliedern.« Sie streichelte gedankenverloren ihren kleinen Hund, der auf ihrem Schoß zusammengerollt lag.
»Warum glauben Sie denn, dass Ihr Mann obduziert werden muss?«
Iris Birklund blickte den Arzt verwirrt an. »Ich weiß nicht, könnte nicht auch Selbstmord infrage kommen?«, wollte sie leise wissen.
»Ausgeschlossen! Doch nicht bei Ihrem Mann! Wie kommen Sie denn darauf? Ich habe nicht die geringste Veranlassung zu glauben, es könnte sich unter Umständen um einen nicht natürlichen Todesfall handeln.«
»Gut«, sagte die Witwe und wurde rot.
Der Mediziner notierte etwas in sein Protokoll. »Nein, nein«, murmelte er, während er schrieb, »gewiss nicht.«
Iris Birklund wischte sich mit den Fingern vorsichtig die zerlaufene Wimperntusche unter den Augen weg. »Ich kann es nicht fassen. Ich habe kurz bei ihm reingeschaut, bevor ich das Haus verlassen habe. Simon saß an seinem Laptop und hat sich nicht einmal umgedreht.«
Dr. Rolf Olsen nickte und faltete die Hände über seinem ausladenden Bauch. »Und gestern Abend? Wie war er da? Hatten Sie den Eindruck, dass es ihm irgendwie … schlecht ging?«
»Hm, richtig wohl hat er sich nicht gefühlt«, sagte sie. »Er hat über Brustschmerzen geklagt. Ein bisschen Atemnot hatte er auch, ich habe es ihm angesehen, aber er hat es heruntergespielt. Er wollte keinen Arzt. Nach einer halben Stunde ging es wieder. Wir haben noch ein Glas Wein zusammen getrunken, dann hat er sich für seine Verhältnisse früh zurückgezogen. Es war kurz vor 22 Uhr. Ich weiß das zufällig, weil ich auf die Uhr geschaut habe. Ich war noch nicht müde und habe ein bisschen ferngesehen. Als ich zu Bett gegangen bin, schlief er bereits. Und wenn ich ehrlich bin … da habe ich nicht mehr daran gedacht, dass es ihm ein paar Stunden vorher noch so schlecht ging.«
»Also hat es doch Anzeichen gegeben. Ihr Mann hätte mich anrufen sollen. Ich wäre sofort gekommen.«
Iris Birklund lächelte unsicher. »Ich weiß, Herr Dr. Olsen.«
»Ihr Mann hat zu viel gearbeitet, Frau Birklund. Er lebte für die Bank.«
»Sie sagen es. Ich habe Simon angefleht, Sie anzurufen, aber er sagte, es sei nicht der Rede wert, ich solle mich nicht so anstellen. Schließlich sei er kein Weichei. Mein Mann war einfach besessen von seiner Arbeit. Wir haben uns lange keinen gemeinsamen Urlaub mehr gegönnt. Erst vor Kurzem ist er zum besten Mitarbeiter des Jahres gekürt worden. Das war ihm wichtig, darauf war er stolz, alles andere musste hintenanstehen. Manchmal hat er auch von zu Hause aus gearbeitet. So wie heute. Ich habe trotzdem nichts von ihm gehabt. Er wollte nicht gestört werden. Nie wollte er das. Ich hätte ihn trotzdem gelegentlich unterbrechen sollen, heute Morgen zum Beispiel. Dann hätten wir uns wenigstens voneinander verabschieden können.«
»Er konnte ja nicht ahnen, dass er Sie nicht wiedersehen würde. Und Sie waren nicht zu Hause, als es passierte?«
»Nein, leider nicht. Ich mache mir deshalb Vorwürfe, das können Sie mir glauben. Ich hätte ihm vielleicht helfen können. Und wenn es nur der Griff nach dem Telefon gewesen wäre.« Ihr kleiner Hund war aufgewacht, fixierte den fremden Mann mit wütendem Blick und stieß ein warnendes Knurren aus. »Scht, Otto-Egon!« Iris Birklund beförderte ihn unsanft von ihrem Schoß und strich die hellen Hundehaare von der Hose. »Ich wage es kaum zu sagen, aber ich hatte einen Friseurtermin. Ich war ohnehin spät dran, musste mich beeilen. Da blieb keine Zeit mehr. Kein Wort des Abschieds, kein Kuss, und eine Umarmung schon gar nicht.« Sie fuhr sich mit ihren manikürten Händen fahrig durch das Gesicht. Ihre Schminke war mittlerweile zerlaufen.
»So etwas lässt sich nicht vorhersagen, Frau Birklund. Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe! Niemand konnte damit rechnen, dass er so schnell einen zweiten Infarkt bekommt, auch wenn Ihr Mann nicht die beste Prognose hatte.«
»Aus heiterem Himmel«, sagte sie mit verwässertem Blick, »ganz plötzlich, beim Aufstehen noch Ehefrau, jetzt Witwe. Verdammt noch mal, womit habe ich das verdient! Dafür bin ich noch viel zu jung.«
»Ja, das ist bitter«, gab Rolf Olsen ihr recht. »Es tut mir aufrichtig leid. Ich hoffe, Ihr Mann hat sie nicht unversorgt zurückgelassen.«
»Ehrlich gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung. Mit diesen Dingen habe ich mich nie beschäftigt. Ich weiß nicht einmal, was alles in seinen Unterlagen drinsteht. Das war seine Sache, ich musste mich nicht darum kümmern.«
»Im Moment müssen Sie das auch nicht, andere Dinge sind wichtiger«, sagte Dr. Olsen und blickte sich verstohlen um. Dem penibel aufgeräumten Wohnzimmer des Einfamilienhauses in bester Wohnlage war anzusehen, dass hier keine Kinder lebten. Alles hatte seinen Platz, selbst die Kunstbücher auf dem niedrigen Couchtisch lagen nicht zufällig dort, sie waren bewusst arrangiert, nach Größe und Farbe sortiert. Der Kamin vor der grau gemauerten Wand war sauber ausgefegt, der Schieferboden glänzte. Im ganzen Raum dominierten dunkle Farbtöne und wurden hier und da von wenigen sorgfältig akzentuierten Farbtupfern aufgelockert.
Dr. Olsen legte ein Bein über das andere und räusperte sich. »Nun, wir waren eben noch in seinem Arbeitszimmer, wo Sie ihn gefunden haben. Ich gehe davon aus, die entsprechenden Akten sind dort? Nehmen Sie sich Zeit und schauen Sie alles in Ruhe durch. Das muss nicht heute sein. Sie stehen unter Schock. Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas zur Beruhigung gebe?«
Iris Birklund schüttelte den Kopf. »Nein, so schlimm ist es nicht, Herr Doktor, wirklich nicht. Ich bin mir sicher, es geht ohne Medikamente. Ich habe alles im Griff.« Sie bemühte sich um ein Lächeln.
Der Allgemeinmediziner schaute der Witwe einen Moment zu lange in die Augen. Auch wenn er es nicht zugegeben hätte – ihm gefiel, was er sah. Lange, hellblonde Haare, volle Lippen, eng anliegende Kleidung, unter der sich eine kurvige Figur abzeichnete. Selbst jetzt, mit den verweinten Augen, sah Iris Birklund attraktiv, selbstbewusst und gleichzeitig schutzbedürftig aus – eine Mischung, die ihn ungemein anzog. »Tapfer sind Sie«, sagte er anerkennend und verlieh seiner Stimme einen warmen Klang. »Ich bin beeindruckt, wie gefasst Sie sind.«
»Das scheint nur so«, sagte Iris und warf einen kurzen Blick in Richtung Nebenzimmer. Sie schauderte. »Ich kann meine Trauer nicht so zeigen. Das verstehen Sie sicher. Was geschieht nun mit meinem Mann?«
»Nun, wenn Sie möchten, rufe ich den Bestatter an. Er wird Sie eingehend beraten und sich, wenn Sie das wünschen, um die Formalitäten kümmern. Er wird Ihren Mann … den Leichnam … dann mitnehmen.«
»Wo kommt er hin?«
»Nun, ich nehme an, in den Kühlraum des Bestattungsinstituts. Dort wird er entsprechend …«, er räusperte sich, »vorbereitet.«
»Mein Mann hat mir einmal anvertraut, er wolle nach seinem Tod eine Feuerbestattung. Er fand die Vorstellung grässlich, langsam von Maden zerfressen zu werden.«
»Dann würde ich dem Wunsch Ihres Gatten nachkommen. Sie können das in Ruhe mit dem Bestatter besprechen. Er wird alle Formalitäten für Sie regeln. Vertrauen Sie ihm ruhig Ihre Sorgen und Wünsche an. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Brauchen Sie einen Seelsorger?« Dr. Olsen holte sein Mobiltelefon aus seiner Arzttasche und wählte auswendig eine Nummer. Dabei ließ er die Witwe nicht aus den Augen.
Nach dem kurzen Telefonat erhob sich Iris Birklund. »Ich komme zurecht. Schön, dass ich Sie erreichen konnte, Doktor, und dass Sie sich gleich Zeit genommen haben. Mich in dieser Situation mit einem wildfremden Notarzt auseinandersetzen zu müssen, wäre mir offen gestanden zuwider gewesen.«
Ihre Augen waren rot gerändert, aber ihr Blick schon wieder klarer.
»Das ist doch selbstverständlich, Frau Birklund. Für Sie bin ich jederzeit erreichbar, unter meiner Dienst- und Privatnummer und natürlich auch nachts.« Er erhob sich nun ebenfalls, sah sie flüchtig an und reichte ihr seine Visitenkarte. »Darauf steht auch meine Mobilfunknummer. Scheuen Sie sich bitte nicht, davon Gebrauch zu machen.«
Iris nahm ihre Lesebrille ab, die sie wie einen Haarreif auf dem Kopf getragen hatte, und studierte die Karte ausführlich, bevor sie sie auf dem Tisch ablegte.
Dr. Olsen verabschiedete sich und drückte ihre Hände lange. »Ich denke an Sie. Nächste Woche würde ich Sie gerne noch einmal sehen. Machen Sie bitte einen Termin in der Praxis aus.«
»Das werde ich tun, Herr Dr. Olsen. Und – danke!«
»Wofür?«
»Für alles.« Sie entzog ihm ihre Hände und begleitete ihn noch bis zum Vorgarten, wo sie beobachtete, wie er in seinen Ford Mondeo stieg und kurz darauf in die Gutenbergstraße abbog. Sie hob die Hand wie zum Abschiedsgruß, obwohl er sie längst nicht mehr sehen konnte, und ging ins Haus zurück.
Arthur Schlicker hatte sein Frühstück nicht angerührt. Er saß in vorgebeugter Haltung an seinem kleinen Tisch und starrte durch das Fenster auf die Straße hinunter. Schon von Weitem sah er sie. Zwei Polizeiwagen fuhren in langsamem Tempo die Möserstraße entlang. Alarmiert setzte er sich aufrecht hin und reckte seinen Hals. Sein Puls beschleunigte sich und er vergaß fast zu atmen. Sie suchten nach jemandem, es konnte nicht anders sein. Sie suchten ihn. Ihm war, als würde eisige Kälte ihn umhüllen. Er begann, am ganzen Körper zu zittern, und stellte den Kaffeebecher, den er gerade zum Mund führen wollte, ab. Dabei verschüttete er ein paar Tropfen von dem inzwischen lauwarmen Getränk auf seine Hose und fluchte leise. Sie wussten es also. Er hatte es die ganze Zeit über gespürt. Aber was genau? Wenn er nur in Erfahrung bringen könnte, welche Informationen sie bereits hatten! Was war mit dem Banker passiert? Als Arthur dessen Haus verlassen hatte, war er sich nicht sicher gewesen, ob er tot war. Und die Zeit, das zu überprüfen, hatte er nicht gehabt. Er hatte so schnell wie möglich verschwinden müssen. Im Radio, das seit Donnerstag ununterbrochen lief, war Simon Birklund bislang kein Thema. Im Fernsehen hatten sie ebenfalls nichts über ihn gebracht, nicht einmal in den Regionalnachrichten. Das machte Arthur stutzig. Vielleicht stand heute ein Artikel in der Zeitung.
Er öffnete leise die Wohnungstür und schlich die ausgetretenen Holzstufen hinunter. Im Erdgeschoss waren rostige Briefkästen angebracht, einer neben dem anderen. In einigen steckte noch die Neue Osnabrücker Zeitung. Arthur war in wenigen Schritten an der Eingangstür, öffnete sie und spähte hinaus. Niemand war zu sehen. Erleichtert drückte er den Schnappverschluss der Eisentür zurück, ließ sie los, sodass sie schwer ins Schloss fiel, und griff sich im Vorbeigehen eine der Zeitungen.
Zurück in seiner Wohnung, begab er sich sofort wieder ans Fenster und schaute hinunter auf die Straße. Alles war ruhig. Vielleicht war es einfach ein Fehlalarm gewesen und sie waren nur Streife gefahren. Das kam in der Bahnhofsgegend öfter vor, allein wegen der Fußballveranstaltungen am Wochenende. Arthur konnte wieder freier atmen und sein Herzschlag beruhigte sich. Er setzte sich an den kleinen Esstisch vor dem Fenster, schlug die Zeitung auf, wühlte sich durch die Seiten und suchte fieberhaft nach einem Foto von Simon Birklund, einer fetten Überschrift, einem Aufhänger, irgendeinem Hinweis auf eine Straftat. Nichts. Als er die Zeitung von Anfang bis Ende durchgeblättert hatte, begann er noch einmal von vorn. Schließlich landete er bei den Todesanzeigen. Und plötzlich machte sein Herz einen Satz. Genau in der Mitte der Seite prangte der Name des Gesuchten: SIMON BIRKLUND. Arthurs Blick flog über die Zeilen. Plötzlich und unerwartet … unfassbar traurig … Im Namen aller Angehörigen: Iris Birklund.