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In der katholischen Kirche wird intensiv diskutiert über die Aufhebung des Zölibats und die Einführung des Frauenpriestertums. Dabei wird eine entscheidende, aber grundsätzliche Frage jedoch kaum gestellt: Braucht die Kirche überhaupt Priester? Martin Ebner sucht Antworten auf diese Frage im Neuen Testament. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass dort keine Hinweise auf ein Priestertum, wie wir es kennen, zu finden sind. Stattdessen stößt man dort auf ein Gemeindeverständnis abseits von Hierarchien und Machtstrukturen, das wegweisend sein könnte für einen wirklichen Neuaufbruch der Kirche im Geiste Jesu. → Wollte Jesus Priester?
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Seitenzahl: 91
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MARTIN EBNER
Braucht die katholische Kirche Priester?
MARTIN EBNER
Eine Vergewisserung aus dem Neuen Testament
Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei diesem Buch auf die Folienverpackung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2022
© 2022 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
Coverfoto: Shutterstock / F. J. Carneros
Innengestaltung: Crossmediabureau
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05768-8 (Print)
978-3-429-05220-1 (PDF)
978-3-429-06576-8 (ePub)
1.„Der Pfarrer muss abgeschafft werden!“
2.Keine Priester in frühchristlichen Gemeinden
3.Priester in der Alten Welt sind Kultmanager
4.Was nur Priester am Jerusalemer Tempel erwirken konnten: Sündenvergebung durch Tieropfer
5.Reinheitsvorstellungen führen zu Grenzziehungen zwischen Menschen
6.Die frühchristliche Verweigerung: Getaufte treten in einen barrierefreien Sozialraum ein
7.Sündenvergebung geschieht auch unter Christen, aber ohne die Vermittlung von Priestern
8.Jesus agiert als außerplanmäßiger Priester
9.Alle Glaubenden leben das gemeinsame Priestertum
10.Die zukünftige Gottesstadt ist ohne Tempel, aber voller priesterlicher Menschen
11.Die Wurzeln beim historischen Jesus
12.„Zu meinem Gedächtnis“: kein Opfer, sondern ein Mahl
13.Wie es dann doch zu „Priestern“ im Christentum kommt
14.Fazit
15.Ausblick: Wie es weitergehen könnte
Hinweise zum Weiterlesen
Dank
Anmerkungen
So lautet die prophetische Forderung eines fränkischen Pfarrers aus dem Jahr 1984 – als Erkenntnis-Frucht eines engagierten und zugleich ehrlich reflektierten Seelsorger-Lebens. Es ging ihm um eine lebendige Kirche der Zukunft. Angesichts des Priesternotstands und des Missbrauchsskandals hat die Forderung erheblich an Gewicht zugenommen.
Keinesfalls möchte ich Sie, liebe Leserin, lieber Leser, erschrecken oder verunsichern. Weder mit dem Titel des Buches noch mit der ersten Kapitelüberschrift. Gleich zur Beruhigung: Die Forderung „Der Pfarrer muss abgeschafft werden!“ stammt aus der Feder eines tiefgläubigen fränkischen Landpfarrers aus der Diözese Würzburg; von seiner spirituellen Einstellung her der Schönstatt-Bewegung zugehörig, ein frommer Mann und engagierter Seelsorger, hoch sensibel für das, was er in seinen Gemeinden und unter seinen Amtskollegen erlebt hat. Und einer, der theologische Literatur studiert hat, um das alles zu verarbeiten.
Seine Überlegungen hat er im Jahr 1984 in einem Dossier zusammengefasst, das er in seinem Dekanat unter den Mitbrüdern verteilt hat. Ein guter Freund von mir ist bei einem Umzug in seinen Unterlagen wieder darauf gestoßen – und hat es mir gegeben. Es trägt den Titel: „Der ‚Pfarrer‘ in der Gemeinde. Überlegungen eines Dorfpfarrers“. Folgende Thesen stellt er ganz an den Anfang:
Der Pfarrer muss abgeschafft werden. Warum? 1. Er ist nicht biblisch und auch nicht Christus-konform. 2. Er ist eine überholte, nicht mehr zeitgemäße Struktur. 3. Er ist nicht nur hinderlich, sondern er verhindert die notwendige kirchliche Erneuerung hin zu einer lebendigen Kirche, wie sie die Zukunft braucht.
Diese Aussagen sind verfasst, lange bevor es zum heutigen Priesternotstand gekommen ist – und infolgedessen zur Bildung von Mammutpfarreien. Es ging also nicht um die Suche nach Notlösungen angesichts immer drastischer sinkender Zahlen von Neupriestern, sondern um generelle Überlegungen im Blick auf eine lebendige Kirche der Zukunft.
In den Vorbemerkungen schreibt der fränkische Pfarrer, er habe diese Überlegungen bereits in den 60er Jahren in mitbrüderlichen Kreisen vorgetragen, sei dort aber nur auf mitleidig lächelndes Unverständnis und auf Ablehnung gestoßen. Und er fragt im Jahr 1984: „Ist es heute anders?“
Und ich frage genauso: Ist es heute, im Jahr 2022, anders? Vielleicht empfinden viele die Thesen dieses Pfarrers genauso wie den Titel dieses Buchs „Braucht die katholische Kirche Priester?“ als Frechheit, als Anmaßung, ja als Angriff auf eine geradezu heilige Tradition, die schließlich „das Katholische“ ausmacht: nämlich der geweihte, zum Zölibat verpflichtete Priester. Tatsächlich ist die innere Struktur der katholischen Kirche ganz auf ihn zugeschnitten. Dem Priester ist die zentrale Position der Leitung vorbehalten: sowohl in der Liturgie (nur er darf der Eucharistiefeier vorstehen), in der Lehre (nur er darf im Rahmen einer Eucharistiefeier nach dem Evangelium predigen) und in der Verwaltung (nur ihm kann die Letztverantwortung übertragen werden).
Und damit beginnt das Dilemma: Es gibt im westeuropäischen Raum immer weniger einsetzbare Priester. Die Folge: Der Zuschnitt der Pfarreien wird immer größer. Viele kleinere Gemeinden haben keine sonntägliche Eucharistiefeier mehr, obwohl doch nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen kirchlichen Lebens“ (LG 11) sein soll. Die noch einmal größeren sogenannten pastoralen Räume sollen zwar zu einer sicher sinnvollen Vernetzung der Einzelgemeinden führen und verbindende Aufgaben wie Tauf-, Kommunion- und Firmkatechese oder zielgruppenorientierte Gottesdienste leichter schultern lassen. Aber die Leitung eines solchen Großbezirks wird nur einem Priester anvertraut. Er muss schauen, wie er seine priesterlichen Teampfarrer und Pfarrvikare so einsetzt, dass die Sakramentenspendung einigermaßen sichergestellt wird, von den vermehrten Sitzungen, Teamabsprachen und dem entsprechend ansteigenden Verwaltungsaufwand gar nicht zu reden.
Dass derartige Großraumstrukturen zu Überforderungen führen, viele Priester sich innerlich zurückziehen, resignieren oder einfach während ihrer letzten Dienstjahre in Ruhe gelassen werden wollen, ist verständlich. Aber als Priester sind sie absolut systemrelevant. Viele Amtsträger und viele Gläubige gehen davon aus: Dieser geweihte, zölibatär lebende Mann ist Vermittlungsperson göttlicher Heilszuwendung in den Sakramenten. Nur durch ihn, der Christus repräsentiert, können sie – Ausnahmen sind die Trauung und im Notfall die Taufe1 – gültig gespendet werden. Sie wirken ex opere operato, „auf Grund der vollzogenen Handlung“, d. h. die Gläubigen können darauf vertrauen, dass sie das Sakrament gültig empfangen, ganz unabhängig von den menschlichen Qualitäten des Spenders. Auch wenn der Priester hinter den moralischen Ansprüchen seines Amtes zurückbleibt, eben ein fehlerhafter Mensch ist, werden durch seine Worte und seine Hände die Sakramente gültig gespendet.
Angesichts des Missbrauchsskandals stellt sich jedoch die Frage, ob Gläubige das überhaupt wünschen: die Sicherheit der Gültigkeit der Sakramentenspendung, auch wenn der Spender sich schwer verfehlt hat. Wer möchte schon die Kommunion aus der Hand eines Priesters empfangen, von dem man weiß, dass er sich an Kindern vergangen hat? Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: sich zu verfehlen, ist menschlich. Aber wer in die Rolle des Vermittlers zwischen Gott und den Menschen gehoben wird, sollte der dann nicht lieber sein Amt ruhen lassen?
Wenn jetzt in immer größerem und geradezu erschütterndem Ausmaß zutage tritt, dass Priester trotz ihres strafbaren Fehlverhaltens einfach an eine andere Stelle oder in eine andere Diözese versetzt worden sind, wo sie erneut – als wäre nichts geschehen – als Priester wirken durften, oft wiederum in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, dann ist das zwar völlig unverständlich und unentschuldbar, liegt aber in der Logik der vorhin skizzierten Theologie der Sakramente und des kirchlichen Amtes: Der Priester ist und bleibt ein verlässliches Instrument der Übermittlung der göttlichen Gnade – unabhängig von seinen persönlichen Qualitäten oder Verfehlungen. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang von der „sakramentalen Struktur“ der Kirche gesprochen – obwohl „Sakramentalität“ der Kirche im Grunde etwas ganz anderes bedeutet.2 So hart es klingen mag: Die Rede von einer – in diesem Sinn missverstandenen – „sakramentalen Struktur“ der Kirche hat sich – im Rückblick auf den Extremfall des Missbrauchs – als im theologischen System verankerter Täterschutz erwiesen!
Der spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar hat diesen sakramentalen Täterschutz in seinem Film „Schlechte Erziehung“3 schon vor fast 20 Jahren auf erschreckende Weise ins Bild gesetzt: Ein Pater, der ein Jungeninternat leitet, feiert mitten in der Nacht die heilige Messe mit demjenigen Buben als Ministranten, den er gerade missbraucht hat: Er spricht die Wandlungsworte und reicht ihm dann die Kommunion. Als ich diese Szene zum ersten Mal gesehen habe, wurde mir beinahe schlecht. Dass damit ein Extremfall und das äußerste Risiko eines sakramental verstandenen Priesteramts hellsichtig auf den Punkt gebracht wurde, war mir damals noch nicht klar.
Wir stecken in einem großen Dilemma. Es kann nur bewältigt werden, wenn alle Fragen offen auf den Tisch kommen und es keine Tabuzonen mehr gibt. Völlig zu Recht wurde m. E. auf der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges im Herbst 2021 in Frankfurt der Antrag gestellt, dass im Forum „Priesterliche Existenz heute“ die Frage diskutiert und beraten werden soll: „Braucht es überhaupt Priester?“ Das Abstimmungsergebnis hat gezeigt, dass sich an dieser Frage tatsächlich die Geister scheiden, weil ein denkbar empfindlicher Punkt berührt wird. Mit einer einzigen Stimme Mehrheit, mit 95:94 Stimmen, wurde der Antrag angenommen.
Mit dem vorliegenden Buch möchte ich allen, die ähnlich denken und der Frage auf den Grund gehen möchten: „Braucht die katholische Kirche Priester?“, Argumentationsstoff liefern, und zwar aus den Urdokumenten unseres christlichen Glaubens, die im Neuen Testament als Kanon zusammengestellt wurden.
Da kann es dann zu sehr grundsätzlichen Fragen kommen: Was machen wir, wenn das, was wir für typisch katholisch halten, gar nicht typisch christlich ist, also durch die neutestamentlichen Zeugnisse gar nicht gedeckt ist, ihnen vielleicht sogar widerspricht? Anders gesagt: Gelten die Schriften des Neuen Testaments, in denen sich „Christentum“ zum ersten Mal in seinen Grundzügen präsentiert, der katholischen Kirche wirklich als maßgebliche Orientierung, als Korrektiv, an dem sich ihre konkrete Gestalt immer wieder messen lassen muss, besser: an dem sich der in Gang gesetzte Reformprozess ausrichten muss? Wer weiß, vielleicht würde eine größere Deckungsgleichheit mit dem Neuen Testament zugleich den Anschluss an die Moderne befördern. Bei einer Tagung hat mir ein österreichischer Bibelwerksleiter gesagt: Wer in die uralten Schriften des Neuen Testaments schaut, dem geht es wie einem, der rückwärts in den Spiegel blickt: Er sieht den Weg, der vor ihm liegt.
Das deutsche Wort „Priester“ leitet sich vom griechischen Wort presbyteros ab, das auf Deutsch „Ältester“ bedeutet. Sachlich hat es mit „Priester“ überhaupt nichts zu tun. Frühchristliche Gemeinden kennen zwar ein Team von Ältesten als Gemeindeleitung, aber keine Priester.
Es ist ein verblüffendes, aber kaum wahrgenommenes und schon gar nicht ernstgenommenes Faktum, dass in frühchristlichen Gemeinden Priester überhaupt nicht vorgesehen sind. Da gibt es keinen Stand mit bestimmten Vorrechten, der sich als Klerus bezeichnet und der Gruppe der anderen Gläubigen, den Laien, gegenübersteht. Zwar bekehren sich laut Apg 6,7 auch viele (jüdische) Priester zum Christusglauben, aber eine Funktion, gar eine Sonderrolle in den christusgläubigen Gemeinden haben sie nicht. Ganz anders als in jüdischen Synagogengemeinden, wo sie auch nach der Zerstörung des Tempels (und bis heute) eine Sonderstellung einnehmen und jeweils zum Segnen aufgerufen werden.
Jetzt könnte jemand aufstehen und sagen: „Aber es gibt doch die Presbyter im Neuen Testament. In der Apostelgeschichte und in den Katholischen Briefen ist von ihnen oft die Rede. Und vom griechischen Wort presbyteros leitet sich doch unser deutsches Wort ‚Priester‘ ab. Also gab es doch von Anfang an Priester in christlichen Gemeinden!“
Richtig daran ist, dass sich das deutsche Wort „Priester“ etymologisch, also sprachgeschichtlich, den Buchstaben und dem Klang nach vom griechischen Wort presbyteros