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m Jahr 2017, nach der Beerdigung meiner Mutter in Bad Sobernheim, entdeckte ich in ihrem Nachlass viele Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg meines schon zuvor im Jahr 1989 verstorbenen Vaters Arnold. Nachdem ich die Briefe gelesen hatte kam mir die Idee, aus diesen ca. dreihundert Briefen ein Buch zu erstellen und mit vorhandenen Originalbildern zu ergänzen. Das sollte für mich eine Reise in die Vergangenheit zu meinem Vater werden. Sein teils humorvoller aber auch nachdenklicher Schreibstil war mir irgendwie vertraut, denn er schrieb mir zwar nie einen Brief, aber er erklärte mir in meiner Jugend auf Spaziergängen nicht nur die Welt und die Natur, sondern erzählte auch aus seiner Zeit als Soldat und von seinen Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges als fliegender Beobachter in einer Ju 88.
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Seitenzahl: 456
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Berthold von der EltzBarmstedt
© Berthold von der Eltz
Alle Rechte vorbehalten.Kein Teil dieses Buches darf reproduziert,gescannt oder in gedruckteroder elektronischer Form verbreitet werden.Das gedruckte Buch wird über dasSelf-Publishing-AutorenportalBookmundo vertriebenund ist im Buchhandel erhältlich.Die eBook-Version wird über verschiedenePortale veröffentlicht und ist im Internetüber den Titel des Buches zu finden.Vertragspartner für AutorenBookmundo.de Delftsestraat 33 3013AE, Niederlande.Veröffentlicht 20211. Auflage
Erfasst vonBerthold von der Eltz
Dokumentation / Erinnerungen
Wort für Wort, Zeile für Zeile und Brief für Brief, habe ich im Herbst des Jahres 2020, während der Corona-Pandemie, an meinem Apple Macintosh (iMac) die Briefe in Adobe InDesign erfasst, den Text formatiert, mit einem Inhalts- sowie Stichwortverzeichnis ergänzt, Originalbilder gescannt, sie im Text platziert, einen Umschlag gestaltet und als Buch gespeichert.Besonderer Dank gilt meinem lieben Schatz Katharina, die sich im Juni 2020 an den Gartentisch setzte und die Briefe nach Datum sortierte. Während der Produktion hielt sie mir immer liebevoll die Satz- und Gestaltungsfehler vor die Nase – hoffentlich wurden alle gefunden und korrigiert! Herzlichen Dank auch an Emil und Irene, die mir bei Erinnerungslücken, was Namen und Orte betraf, geholfen haben.
Arnold von der Eltz,geboren in Sobernheim am 19.05.1923,gestorben in Mainz am 04.03.1989,schrieb von 1941 bis 1944/1945,während seiner Zeit als »Kampfbeobachter«bei der deutschen Luftwaffe,viele Briefe in seine Heimat.
Arnolds Stationierungen von 1941 bis 1945Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetenland
Im Mai 1923 geboren, meldet sich Arnold von der Eltz mit achtzehn Jahren als begeisterter Segelflieger zur Deutschen Luftwaffe, um sich seinen Wunsch einmal in großen Maschinen fliegen zu können, zu erfüllen. Doch die anfängliche Begeisterung, auch damit seine Heimat zu verteidigen, änderte sich mit der Zeit durch eine gewisse Erkenntnis und Ernüchterung.
Vorwort von Berthold von der Eltz.
Im Jahr 2017, nach der Beerdigung meiner Mutter in Bad Sobernheim, entdeckte ich in ihrem Nachlass viele Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg meines schon zuvor im Jahr 1989 verstorbenen Vaters Arnold. Nachdem ich die Briefe gelesen hatte kam mir die Idee, aus diesen ca. dreihundert Briefen ein Buch zu erstellen und mit vorhandenen Originalbildern zu ergänzen. Das sollte für mich eine Reise in die Vergangenheit zu meinem Vater werden. Sein teils humorvoller aber auch nachdenklicher Schreibstil war mir irgendwie vertraut, denn er schrieb mir zwar nie einen Brief, aber er erklärte mir in meiner Jugend auf Spaziergängen nicht nur die Welt und die Natur, sondern erzählte auch aus seiner Zeit als Soldat und von seinen Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges als fliegender Beobachter in einer Ju 88. Arnold schenkt uns Einblicke in die Zeit als Soldat bei der deutschen Luftwaffe von 1941 bis 1944/45 auf recht unterhaltsame Art und Weise. Ich beschloss das Buch »Briefe in die Heimat von 1941 bis 1944/45« zu nennen. Vieles von dem, was mir mein Vater in meiner Jugend erzählte, stimmt mit dem Inhalt seiner Briefe überein, außer der Tatsache, dass er nicht mit der von ihm geschriebenen Meinung über den Krieg und dem sogenannten Endsieg übereinstimmte. Er wusste, während er damals schrieb, dass die Briefe vom Staat kontrolliert werden. Der anfänglichen Begeisterung sich freiwillig zur Deutschen Luftwaffe zu melden, kam mit der Zeit eine ernüchternde Erkenntnis über den Krieg. Durch die Zensur durfte er leider seine Gedanken darüber in den Briefen nicht zum Ausdruck bringen. Sehr zum Ärger seines blinden Vaters Paul, wie ich weiß, der den Nationalsozialismus verachtete. Er hatte sehr viel Glück in diesen dreieinhalb Jahren, als sich der begeisterte Segelflieger Ende 1941 freiwillig zur deutschen Luftwaffe meldete, um sich seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, einmal in großen Maschinen zu fliegen. Seine ganze Militärzeit betrachtete er sportlich, abenteuerlich und als erlebnisreiches Fliegen, musste aber auch einige Unfälle überstehen und einen schmerzlichen Verlust verkraften. Dieses Glück blieb ihm treu, als er eine Bruchlandung in einer Ju 88 leicht verletzt überlebte, den Fallschirmabsprung aus einer brennenden Ju 88-Kanzel ebenso und schließlich durch die Verletzung am Bein von einem Fußballspiel, nicht an einem Flugeinsatz als Beobachter in »seiner Ju 88« teilnehmen konnte. Diese Ju 88 wurde abgeschossen und seine Kameraden kamen alle ums Leben – den Verlust seiner Kameraden machte ihn fassungslos und hatte ihn tief erschüttert.Lassen Sie sich also von Arnolds Briefinhalten, die seine ganz persönliche Auffassung des Erlebten sind, einmal in die Zeit von 1941 bis 1945 versetzen und folgen Sie seinen Standorten quer durch das damalige Deutschland.Hinzufügend möchte ich klarstellen, dass ich jegliche Art von Krieg, Waffengewalt, Misshandlungen und Diskriminierung von Menschen, das Verherrlichen des Dritten Reiches, des Nationalsozialismus und Neo-Nationalsozialismus strikt ablehne.
Die Standorte der jeweiligen Geschwader denen Arnold von der Eltz angehörte, mit dem Beginn seiner Ausbildung in Detmold bis hin zum Ende in Kopenhagen, sind in seinem ehemaligen Wehrpass eingetragen. Dieser Wehrpass, die Bilder und sämtliche Briefe existieren noch.
Kapitel 1: 1941 – Detmold
Kapitel 2: 1942 – Detmold
Kapitel 3: 1942 – Finsterwalde
Kapitel 4: 1942 – Senftenberg
Kapitel 5: 1942/43 – Bug auf Rügen
Kapitel 6: 1943 – Crailsheim
Kapitel 7: 1943 – Hörsching
Kapitel 8: 1943 – Heiligenbeil, Warschau, Krakau …
Kapitel 9: 1944 – Hopsten, Celle, Rheine, O. U. (Dänemark)
Detmold, Freitag, den 5.12.1941:
»Die ersten Soldatengrüße in die Heimat«
Detmold, Donnerstag, den 11.12.1941:
»Aller Anfang ist schwer und eine Bestellung in die Heimat«
Detmold, Sonntag, den 14.12.1941:
»Päckchen – Infanterist – Weihnachtsfeier«
Detmold, Donnerstag, den 18.12.1941:
»Kann leider kein Flugzeugführer werden und keine Weihnachtspäckchen«
Detmold, Sonntag, den 21.12.1941:
»Weihnachtsfeier – Besuch von meiner Schwester Erna – im Dreck liegen«
Detmold, Donnerstag, den 25.12.1941:
»Heimweh nach der Familie und Wanderung zum Hermannsdenkmal«
Detmold, Sonntag, den 28.12.1941:
»Ins Kino gehen, Päckchen öffnen und noch einmal vielen Dank Fritz«
Der erste Originalbrief von Arnold mit »ersten Soldatengrüßen« aus Detmold.
Detmold, Freitag, den 5.12.1941Liebe Eltern und Bringfriede!Die ersten Soldatengrüße sendet Euch von Detmold, Arnold. Will Euch mal jetzt einen kurzen Überblick geben über die Fahrt nach hier und die ersten Tage in der Kaserne, soweit dies gestattet ist. Also ungefähr um zwei Uhr nachmittags, kamen wir in Bad Kreuznach an, und von dort aus ging es um halb fünf im Sammeltransport weiter. Ich kann Euch sagen, bis Detmold war eine bummelige Fahrt. Vierzehn Stunden Bahnfahrt sind doch was furchtbar Langweiliges. In Detmold angekommen, ging es sofort in die Kaserne und hier hat es mir bisher gut gefallen. Ist ja bestimmt auch nur zu unserem Vorteil, wenn man mal soldatische Ordnung und Disziplin beigebracht und ab und zu mal hin und her gejagt wird. Doch das Hin und Her jagen und der richtige Drill beginnt ja doch erst bei der infanteristischen Ausbildung, die noch nicht begonnen hat. Die Verpflegung ist hier sehr gut, die Butter- und Fleischportionen sind bestimmt viel größer als daheim. Gestern Morgen waren wir zu einer Sportprüfung gewesen, bei der ich in einer Gruppe der Besten war. Es ist doch eigentlich schade, dass Ihr mich nicht besuchen könnt, wo Ihr doch so nahe seid.
Es ist auch schön, dass meine Schwester Erna so nahe bei mir ist, und ich freue mich heute schon auf meinen ersten Sonntagsurlaub, wenn ich dann nach Herford zu Erna fahren kann. Leider muss ich jetzt Schluss machen, denn es ist Zeit zum Zubettgehen. Bitte schreibt mir bald was von daheim und ob Hermann als Sanitäter von der Ostfront geschrieben hat und wie es ihm geht.
Für heute seid nun recht herzlich gegrüßt vonArnold
Flieger A. v. d. E.5. / Fl. Ausb. Reg. 33Detmold / LippeFliegerhorst
Detmold, Donnerstag, den 11.12.1941Liebe Eltern und Bringfriede!Will die paar freien Minuten ausnutzen und Euch wieder mal ein paar Zeilen schreiben. Nun, nachdem wir eingekleidet sind und uns eingerichtet haben, ging in dieser Woche das Exerzieren los. Schön ist das gerade nicht in diesem Sauwetter, das wir hier haben. Draußen herum zu rasen und sich in den Dreck zu legen; doch schlimm ist das gerade nicht, denn auch das muss man mal mitgemacht haben, sonst wäre man ja auch kein richtiger Soldat.
In dieser Woche üben wir eifrig für die Weihnachtsfeier der Kompanie. Es ist dies eine schöne Unterhaltung in der Freizeit zu musizieren und zu singen. Heute schrieb mir Erna, dass Ihr in Herford gewesen seid und kräftig Verlobung gefeiert habt. Den ganzen Sonntag war ich in Gedanken bei Euch und dachte immer, wenn ich doch nur dabei sein könnte. Denn wo Ihr seid, ist doch immer Stimmung und Leben und da mache ich doch jedes Mal gerne mit. Erna schrieb mir noch, dass sie mich vor Weihnachten besuchen will. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, wie diese Nachricht mich erfreut hat.
Liebe Eltern, jetzt komme ich noch mit einer Bitte, oder besser gesagt, mit mehreren. Schickt mir bitte so schnell wie möglich folgende Sachen:
1. Meine Turnschuhe, 2. Ein Messer, 3. Seife(auch Rasierseife, wenn das möglich ist).
4. Ein Glas Gelee, Stopfwolle grau, Nadel, mein Stoff-A.-Abzeichen im Schrank im Schlafzimmer und mein Haaröl.
Nun muss ich wieder Schluss machen, denn der U. v. D. versteht keinen Spaß, wenn man beim Stubendurchgang nicht im Bett liegt. Bitte, schreibt mir auch bald was aus der Heimat, denn Ihr wisst gar nicht, wie ich mich darauf freue.
Viele Grüße an Euch und Bringfriede sendetArnold
Detmold, Sonntag, den 14.12.1941Liebe Eltern und Bringfriede!Während ich diesen Brief schreibe, steht neben mir Euer Päckchen, das heute angekommen ist. Was das eine Freude für mich war, ein Päckchen aus der Heimat zu empfangen, könnt Ihr Euch vorstellen. Am liebsten möchte ich Euch einen Dauerauftrag geben mir alle paar Tage was zu schicken. Schade, dass Ihr mir keine größeren Pakete schicken dürft, ob das nur wieder mal in Sobernheim so ist, die anderen Kameraden bekommen jedenfalls Pakete. Somit könnt Ihr mir auch den größten Teil der Sachen nicht schicken, die ich haben möchte, ich brauche sie doch aber so dringend. Erna schrieb mir auch diese Woche, dass es Euch so gut in Herford gefallen hat, und dass sie mich noch vor Weihnachten besuchen will. Hoffentlich klappt‘s mit dem Besuch, denn es wäre doch mal eine erfreuliche Abwechslung in dem ewig gleichen Tageslauf. Vielleicht haben wir Weihnachten zum ersten Mal Sonntagsurlaub, je nach dem wir uns in der Zwischenzeit im Dienst verhalten. Wäre Erna dann in Herford, würde ich versuchen sie zu besuchen.
Der Dienst beginnt nun so allmählich immer strenger zu werden, denn wir müssen in dieser kurzen Ausbildungszeit alles lernen, was ein Infanterist so können muss. Mir macht der Dienst jedenfalls nicht viel aus, denn ich habe ihn mir immer so vorgestellt, vielleicht noch schlimmer. Diese Woche findet nun unsere Vereidigung statt und danach gehen wir vielleicht zum ersten Mal gemeinsam aus. Ebenfalls ist diese Woche unsere Weihnachtsfeier – meine erste Soldatenweihnacht, die ich erlebe. Unsere Freizeit war nun meistens für Proben der Feier ausgefüllt, daher ist auch wenig Zeit zum Briefeschreiben.
Unsere Zivilbrocken haben wir noch nicht abgeschickt, es ist auch nicht bestimmt, wann diese weggeschickt werden. Die Kleidung wird ja »schön« aussehen, wenn sie endlich daheim ankommt …
Nun ist es schon wieder Zeit aufzuhören, denn wir wollen mal zur Kantine gehen, um einiges einzukaufen und mal ein Glas Bier zu trinken. Eben habe ich von Stubenkameraden gehört, dass keine Feldpostpäckchen, aber Pakete geschickt werden dürfen. (Merkt Ihr was?) Wenn Ihr Briefpapier habt, schickt mir bitte so viel, wie Ihr könnt, hier ist keins zu kriegen.
Also, für heute grüßt Euch herzlichArnold
Detmold, Donnerstag, den 18.12.1941Liebe Eltern, Bringfriede und Kinder!Während meine Kameraden musizieren, singen und für die morgige Weihnachtsfeier üben, schreibe ich Euch diesen Brief. Ich nehme auch an der Feier teil und werde Hawaiigitter spielen – mit der Nase natürlich.
Die Nasenflöte ist ein einfaches Musikinstrument, bei dem der aus der Nase kommende Luftstrom in den Mundraum umgelenkt wird. Die Tonhöhe wird, wie beim Pfeifen und bei der Maultrommel durch die Veränderung der Größe des Mundraumes erzeugt.
Heute war unsere Vereidigung und nun sind wir somit die jüngsten Soldaten Deutschlands. Diese Woche war auch die Eignungsprüfung zum fliegenden Personal und ich soll nun Bombenschütze werden. Flugzeugführer werde ich nicht, wegen meiner Hand. Es ist ja auch gleich, als was man seine Pflicht tut und schließlich ist ja Bombenschütze nicht der schlechteste Posten im Bomber. In den letzten Tagen war der Dienst mal ziemlich streng als Strafe, weil sich manche zum Dienst nicht rasiert hatten. Der Schweiß lief mir nur so unter dem Stahlhelm, und wir waren fix und fertig bis auf die Knochen. Lieber Papa, Du kennst ja auch sicher die bekannten Übungen mit dem Gewehr. Am anderen Tage hatten wir Muskelkater, wie man ihn selbst beim Turnen noch nicht kriegt. Doch ist der Dienst um, dann ist das alles schnell vergessen und man macht wieder Witze und ist guter Laune.
Liebe Eltern, wie schade ist es, dass Ihr kein Weihnachtspäckchen schicken könnt mit Plätzchen und Kuchen oder Äpfel. Denn nach so was sehnt man sich als Soldat besonders. Ich glaube, Sobernheim hat da mal wieder seine eigenen Gesetze, denn meine Kameraden bekommen fast alle Päckchen. Doch wir wollen erst mal unsere Weihnachtsfeier abwarten, wir wissen ja noch nicht, was wir da bekommen. Am Heiligen Abend werden wir dann noch in der Stube Weihnachten feiern.
Nun möchte ich mich noch für die beiden Päckchen bedanken, ebenso Dir Bringfriede für das Geld. Nur um eins muss ich Euch bitten, mir kein Geld mehr zu schicken, denn wir dürfen nicht mehr als 20 Mark haben. Wenn ich welches brauche, schreibe ich Euch. Vor acht Tagen haben wir erst 23 Mark Löhnung erhalten und ich konnte gleich 14,- Mark zur Bank schicken.
Liebe Mama, mein Segelflieger A-Prüfung-Abzeichen brauchst Du nicht weiter zu suchen. Wenn Ihr könnt, schickt mir bitte Briefpapier und Umschläge, denn ich muss mir das Briefpapier schon bei meinen Kameraden leihen. Wie geht es Hermann, hat er mal wieder geschrieben? Wie geht es sonst so in der Heimat? Ihr könnt mir ja mal ab und zu eine Zeitung schicken und vergesst nicht, mir ein Glas Gelee bei Gelegenheit zu schicken. Die leeren Gläser schicke ich Euch in einem der Kartons zurück. So eine Nebenkost ist immer willkommen.
Seid nun nochmals alle recht herzlich gegrüßt und recht frohe Weihnachten wünscht EuchArnold
Detmold, Sonntag, den 21.12.1941Liebe Eltern und Bringfriede!Ich möchte Euch die Antwort auf Euren heute erhaltenen Brief nicht länger schuldig bleiben. Heute Mittag, nach Stubendurchgang und Spind-Appell des Zugführers, haben wir den ganzen Nachmittag frei und ich kann nun ungestört meine Korrespondenz erledigen. Ich will heute noch nach Völklingen, der Tante Manda und Onkel Kurt, der schon Gefreiter wie Hermann ist, schreiben.
Liebe Mama, ganz so trostlos ist es nun doch nicht bei uns zu Weihnachten. Wir hatten vorige Woche Freitag, ein Tag nach unserer Vereidigung, eine Kompanie-Weihnachtsfeier, da war bestimmt alles dran. Zuerst kam der feierliche Teil mit Weihnachtsliedern und Vorträgen, dann der lustige Teil. Unser Kompaniechef war ganz begeistert und auch der Regimentskommandeur, der anwesend war, sprach seine Anerkennung aus. Ich wirkte bei der Feier im lustigen Teil auch mit, und zwar spielte ich, wie im vorigen Brief erwähnt, Hawaiigitter mit der Nase. Ich kann Euch sagen, alles hat gelacht. Als Getränk bekamen wir Glühwein und zum Futtern eine Unmenge Gebäck und Äpfel, ganz wie daheim. An diesem Abend gab es auch noch ein prima Essen. Kotelett, Kartoffeln und Gemüse, also, es fehlte uns an nichts. Heiligenabend wird natürlich auf der Stube auch noch mal gefeiert. Kuchen, Gebäck usw. haben wir genug dazu und Nahewein haben wir auch schon bestellt. Es wird bestimmt schön. Meine Kameraden, die mit mir auf einer Stube liegen, sind zum größten Teil aus dem Saargebiet und aus der Bad Kreuznacher Gegend. Da ja wir fast alle ein und dieselbe Sprache oder denselben Dialekt sprechen, verstehen wir uns prima. Auf meiner Stube liegt auch ein Sohn eines Druckereibesitzers, Rubel mit Namen aus Lebach, bei dem Onkel August einmal gearbeitet hat. Gestern, nach der Parole, ruft mich der U. v. D! Na, dachte ich, was habe ich denn jetzt verbrochen, doch so nebenbei dachte ich weiter, Erna ist bestimmt da und tatsächlich – so war es auch. Ich rannte nun auf dem schnellsten Wege zur Wache, daraus konnte man allein schon sehen, wie ich mich auf diesen Besuch freute. Leider hatte ich ja nur eine Viertelstunde Zeit, doch ich tröstete mich damit, dass Erna nicht das letzte Mal hier war. Gell, so ist es doch, Erna! Und ein Paket hatte sie auch mitgebracht. Da ich den Inhalt jetzt gesehen habe, liebe Erna, möchte ich mich nochmals recht herzlich bedanken, besonders für den Rasierapparat. Ihr wisst gar nicht, was so ein Paket für Wunder wirkt. Denn war der Dienst einmal ziemlich streng und hart, und es haftet einem noch etwas davon an, dann ist Post oder ein Paket immer das Richtige, was wieder alles vergessen lässt. Deshalb kannst Du Dir denken, liebe Mama, wie mich das freut, dass ein Paket für mich unterwegs ist.
Unsere Ausbildung läuft jetzt auf vollen Touren, und es gibt manchmal Tage, an denen wir mehr im Dreck liegen als wir stehen. In dieser kurzen Zeit von zwölf Wochen, muss ja auch der Dienst so hart sein, denn bis dahin haben wir ja auch noch viel zu lernen, und dann ist es ja bei uns so wie überall. Jede Kompanie, jeder Zug und jede Gruppe wollen natürlich die Beste sein, und da kommt es auch wieder in erster Linie auf die Vorgesetzten und letzten Endes auf die Kameraden an. Unsere Vorgesetzten sind fast alle so in Ordnung, nur haben wir in unserer Gruppe so blöde Kerle, die einfach das nicht können, was von uns verlangt wird und beim Kommiss heißt es ja immer: »Alle für Einen und Einer für alle«, sonst wäre der Dienst bestimmt halb so wild. Aber wie ich immer denke, es schadet uns bestimmt nicht und mir macht das alles nichts aus. Schließlich bin ich ja vom Sport aus daran gewöhnt.
Nun schreibst Du noch, liebe Mama, das Fritz auf Urlaub ist. Lieber Fritz, wäre das schön, wenn ich jetzt bei Euch wäre? Dann säßen sich wieder zwei verbissene Schachspieler gegenüber oder die Zeit ging dahin beim Billard spielen. Na, hoffen wir auf den nächsten gemeinsamen Urlaub! Schreibe mir doch bitte auch mal etwas von Dir, es würde mich bestimmt sehr freuen. Also, ich rechne fest damit.
Zum Schluss möchte ich Euch allen nochmals ein recht frohes Weihnachtsfest wünschen und hoffen, dass Erna und ihr Freund Ewald mich sobald wie möglich nach ihrer Rückkehr besuchen und etwas aus der Heimat erzählen.
Seid nun alle recht herzlich gegrüßtArnold
PS: Während ich den Brief schreibe, wird wieder auf der Stube musiziert.
Arnolds »Schachlehrer« Onkel Fritz bei seinem Lieblingsspiel.
Detmold, Donnerstag, den 25.12.1941Liebe Eltern und Geschwister!Nun habe ich zum ersten Mal Weihnachten fern von daheim erlebt und gefeiert. Und ich will ehrlich sagen, wenn ich an daheim denke, will mir das Heimwehgefühl aufkommen. Im Geiste sah ich Jürgen vorm Tannenbaum stehen und die Lichterpracht anstaunen, und wie er seine Eisenbahn fest in den Händen hält. Am Abend wart Ihr alle in der gemütlich eingerichteten Wohnstube bei einem Glas Wein versammelt, Fritz war doch sicher auch dabei. Doch ich muss sagen, Weihnachten im Kameradenkreise feiern ist fast ebenso schön wie daheim. Gestern Abend saßen wir auch gemütlich in unserer Stube, in der Mitte der Tische stand ein auf Solddatenart organisierter Tannenbaum, und als Getränk hatten wir – Nahewein. Gelt, da staunt Ihr, für jeden standen zwei Flaschen zur Verfügung – eine habe ich für Neujahr aufgehoben. (Allerdings ist schon wieder Wein nach hier unterwegs). Und dann hatte jeder etwas spendiert. Sei es Gebäck, Kuchen, Äpfel usw. Und so konnte für jeden ein schöner Teller zurechtgemacht werden. Also ich kann Euch sagen, fast wie daheim. Natürlich saß auch in unserer Mitte unser Gruppenführer, ein Unteroffizier. Einen besseren Vorgesetzten könnten wir uns nicht wünschen. Eben kam mit der Post ein Schifferklavier an und nun schreibe ich meinen Brief mit Musikbegleitung weiter. So wird uns Soldaten in unserem Dienst viel Abwechslung geboten. So waren wir vorgestern im Kino. Es lief der Film »Männerwirtschaft« und die Wochenschau und morgen am zweiten Feiertag sehen wir den Film »Carl Peters«. Meinen Brief musste ich heute Mittag unterbrechen, denn wir wurden zum ersten Mal gemeinsam ausgeführt. Allen Kameraden konnte man die Freude darüber im Gesicht ablesen. Denn das ist doch klar, nach vierundzwanzig Tagen Kasernendienst, ist so ein Spaziergang eine schöne Abwechslung und Erholung. Unser Marschziel lautete: »Hermannsdenkmal«. Vorher besichtigten wir noch die schöne Stadt Detmold und dann begann der mühsame Aufstieg zum Denkmal. Wir mussten uns ja beeilen, denn unsere Zeit war knapp bemessen. Unterwegs begann es auf einmal furchtbar an zu schneien und die Wolken hatten das Denkmal ganz verhüllt. Na, das kann ja gut werden da oben, dachten wir, denn wir wollten doch mal die ganze Umgebung ansehen. Doch oben angekommen, war das Wetter plötzlich wie umgewandelt und wir hatten vom Denkmal aus, die schönste Aussicht, die man sich nur denken kann. Zur weiteren Verschönerung des Tages tranken wir noch in dem auf dem Berg stehenden Lokal ordentlich Kaffee und zum Kaffee wird natürlich Kuchen gegessen. Doch zu schnell vergehen diese schönen Stunden und im Sturmschritt ging es wieder der Kaserne zu.
Liebe Eltern, wie ich ja kurz in den paar Zeilen erwähnt hatte, ist Euer Paket rechtzeitig angekommen, und da ich Euch ja aus Dankbarkeit nichts schenken oder sonst was für Euch tun kann, so schreibe ich, als kleine Gegenleistung so oft ich kann. Ihr freut Euch doch ganz bestimmt, wenn von mir Post kommt, und die Freude möchte ich Euch so oft wie möglich geben – leider war das Geleeglas total zerbrochen und somit der Gelee ungenießbar. Nun zum Schluss noch etwas vom Dienst. Allmählich beginnt man schon einen Erfolg unserer Ausbildung zu spüren, denn jetzt können wir doch einigermaßen gehen und strammstehen. Doch unsere Gang- oder Laufart ist unseren Ausbildern noch viel zu langsam. Die langsamste Gangart in der Kurve beim Militär ist folgende: »Das Ohrläppchen berührt den Boden, das Seitengewehr steht waagerecht und die Socken fangen an zu qualmen«.
Also wenn unsere Ausbildung vorbei ist, sind wir alle erstklassige 100-Meter-Läufer. Wir Sportler wollen ja sowieso den Dienst mit unserem Wintertraining vergleichen, ein besseres Training könnten wir uns ohnehin nicht wünschen. Doch nun komme ich zum Schluss, denn jetzt musizieren wir noch etwas auf der Stube.
Viele Grüße sendet Euch, liebe Eltern und Geschwister, lieber Ewald und Onkel FritzEuer Arnold
Detmold, Sonntag, den 28.12.1941Liebe Eltern und Geschwister!Ihr seid nun wohl bestimmt erstaunt, schon wieder einen Brief von mir zu erhalten. Ich hätte ja früher nie geglaubt, dass ich so oft schreiben würde. Aber Ihr wisst gar nicht, wie gerne ich diese Pflicht erfülle. Denn als das kann ich es ruhig bezeichnen und ich weiß auch, dass Ihr Euch auf jeden meiner Briefe freut.
Wie ich Heiligabend und ersten Feiertag verbracht und erlebt habe, schilderte ich bereits und will nun meine Schilderung fortsetzen. Am zweiten Feiertag war zu unserer gemeinsamen Freude, wieder geschlossen Ausgang. Der Tag war winterlich klar und so recht geschaffen zu einem ausgedehnten Marsch in die weitere Umgebung Detmolds. Nachdem wir uns hungrig und durstig gelaufen hatten, kehrten wir in ein im Wald versteckt liegendes Café ein und tranken dort erst mal ordentlich Kaffee – Kuchen war natürlich auch wieder dabei. Doch zu Hause angekommen, wartete wieder ein neues Vergnügen auf uns. Wir sahen den Film »Carl Peters«. Am Abend zuvor sahen wir den Film »Das Verlegenheitskind« und gestern »Auf Wiedersehen Franziska«. Doch diese Kette reißt nicht ab, denn heute gehts wieder ins Kino zum Film »Links der Isar, rechts der Spree«. Also, Ihr seht, was uns hier für eine Abwechslung geboten wird. Fünfmal in der Woche ins Kino und wahrscheinlich sehen wir diese Woche noch mehr Filme. So oft hatte ich daheim nicht das Vergnügen – höchstens alle zwei Monate einmal. Ich glaube, dass diese schönen Abwechslungen in unserem harten Dienst ihren Zweck erfüllen und etwaige auftauchende trübe Gedanken verscheuchen helfen. Die Zeit geht ja wie im Fluge dahin, nun ist schon bald ein Drittel unserer Ausbildungszeit herum, noch zwei Mal dieselbe Zeit und wir werden wieder auseinandergerissen. Der eine kommt auf eine Flugzeugführerschule, der andere wird Bombenschütze usw. Wir Kameraden müssen uns wieder trennen, um uns vielleicht nicht mehr wiederzusehen. Doch an ihre Stelle treten wieder andere und die Kameradschaft wird genau dieselbe werden, wie sie in unserer ersten Soldatenzeit war.
Mir kommt es manchmal vor, als wäre ich zeitlebens Soldat gewesen und nie Zivilist. Das kommt mir öfters wie ein Traum vor, doch der Gedanke an die Heimat, bleibt immer wach. Bis dahin wird wohl noch eine schöne Zeit vergehen und wenn ich dann mal nach Hause komme, werdet Ihr einen anderen Sohn vor Euch haben, der die Menschen kennengelernt, der eine harte aber lehrreiche Schule hinter sich und viel erlebt hat. Am 2. Weihnachtstag begann bei uns der Winter, auf den wir uns alle gefreut hatten. Denn die ganze Zeit hatte es unaufhörlich geregnet, und es war nicht gerade ein Vergnügen durch den Schlamm gezogen zu werden. Jetzt, da es tüchtig geschneit und gefroren hat, fällt nun das flach, doch dafür geht‘s jetzt rein in den Schnee, sodass wir von einem echten Schneemann kaum zu unterscheiden sind. Man glaubt kaum, auf welche Ideen die Ausbilder kommen, um uns so richtig durch den Schnee zu ziehen. Doch das macht jedem Spaß und jeder fasst es von der heiteren Seite auf. Nur werden die Hände verflucht kalt, besonders wenn mit Gewehr exerziert wird. Also, die Vorteile des Winters werden durch die Nachteile ausgeglichen. Hat bei Euch der Winter auch angefangen und ist dort so klares Wetter mit Sonnenschein? Jetzt müsste ich daheim sein und dann ging es wieder hinaus in den Schnee, in die Natur, um die herrliche Winterpracht zu genießen. Eben gab es eine angenehme Unterbrechung, die Post ist da! Ich erhielt Eure Karte aus Monzingen und ein Weihnachtspäckchen von Tante Manda. Also hatte die Post mich reich beschert. Das konnte ich mir doch denken, dass Ihr über Weihnachten einen heben geht, aber gleich 3 Liter Nahewein? Ja, wenn ich da dabei gewesen wäre … Den Heimweg kann ich mir ja so gut vorstellen! Lieber Papa, darauf kannst Du Dich verlassen, dass wir beide zusammen eine 3-Liter-Flasche knacken werden auf meinen ersten Urlaub, ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz so trocken sitzen wir hier auch nicht. Ich habe zum Beispiel zwei Flaschen Nahewein im Spind liegen, sodass ich doch etwas im Training bleibe.
Liebe Erna, wenn ich nach dem Inhalt der Karte urteilen soll, dann sehen wir uns vielleicht heute in acht Tagen wieder. Ewald kommt doch sicher auch mit. Wenn Ihr also kommt, dann schreibt mir bitte vorher wann und zu welcher Zeit, denn sonst sitze ich vielleicht in der Kantine oder im Kino, oder wir werden ausgeführt und Ihr seid umsonst hier gewesen – das darf auf keinen Fall passieren.
Lieber Fritz, hast Du einen Billardpartner gefunden oder spielst Du solo? Was meinst Du, wenn ich jetzt daheim wäre, ich garantiere Dir, den ganzen Tag ging uns das Billard spielen nicht aus dem Kopf und abends würden wir unseren bisschen Geist beim Schach spielen anstrengen. Hier kann ja doch keiner spielen. Ich bin Dir heute noch dankbar dafür, dass Du mir das Schachspielen so gut beigebracht hast. So, nun muss ich Schluss machen, denn jetzt geht es hinein ins Kino zu zwei Stunden lachen und Frohsinn.
Viele Grüße und ein frohes gesundes neues Jahr sendet Euch allenEuer Arnold
PS: Liebe Eltern, nun kommt noch eine Bitte, wenn Ihr Seife und Zahnpasta übrighabt, dann schickt mir bitte die Sachen, wir bekommen ja keine Seife oder nur wenn, sehr wenig.
Detmold, Samstag, den 10.1.1942:
»Griffe kloppen, Sportstunden und Besuch von Erna«
Sobernheim(1):
»Die Blinden-Schreibmaschine vom Papa Paul von der Eltz«
Sobernheim(2):
»Brief vom blinden Papa Paul zu seiner Erblindung«
Detmold, Donnerstag, den 15.1.1952:
»Päckchen, Gelee, Gebäck, Kaffee, Kuchen …«
Detmold, Samstag, den 24.1.1942:
»Hermann wieder zu Hause und ich habe einen guten Appetit«
Detmold, Montag, den 26.1.1942:
»Heimweh und die anstrengend lustige Soldatenausbildung«
Detmold, Sonntag, den 1.2.1942:
»Nach Rügen und endlich zum fliegenden Personal, aber wann?«
Detmold, Samstag, den 7.2.1942:
»Langeweile vor der Versetzung, die Besichtigung und alles Gute für Hermann«
Detmold, Samstag, den 14.2.1942:
»Erna besucht mich, Horstsperre wegen Scharlach und Zigaretten gegen Brot«
Detmold, Donnerstag, den 19.2.1942:
Hunger auf Schinken, eine Besichtigung und Versetzung verschoben wegen Scharlach«
Detmold, Sonntag, den 22.2.1942:
»Immer noch Horstsperre und ich bin sehr dankbar für jedes Paket liebe Eltern!«
Detmold, Dienstag, den 24.2.1942:
»Endlich nacht die Versetzung und dann nichts wie weg von hier!«
Detmold, Sonntag, den 1.3.1942:
»Sitze immer noch in Detmold fest, habe Lust auf Wein und wie geht es Familie Schaaf?«
Detmold, Donnerstag, den 5.3.1942:
»Bin ich eigentlich ein richtiger Soldat? Bitte einen Koffer schicken!«
Detmold, Samstag, den 10.1.1942Liebe Eltern und liebe Bringfriede!Zunächst mal, lieber Papa, recht herzlichen Dank für deinen lieben Brief. Heute, am Samstag, haben wir nach glücklich überstandenen Stubendurchgang und Spindapell, den Nachmittag frei und das bedeutet für mich so viel wie, schreiben. Diese Woche kam zu meiner Freude und unerwartet Eure Päckchen an und mein Wunsch war ja schneller in Erfüllung gegangen, als ich dachte. Leider ist ja so ein Kuchen für einen hungrigen Soldaten viel zu klein, denn nach kaum zwei Tagen war der Inhalt des Päckchens schon aufgegessen und nun warte ich sehnsüchtig auf eine neue Ladung, die mir Tante Lotte in ihrem Brief angekündigt hatte. Allerdings möchte ich meinen bescheidenen Auftrag nicht zurücknehmen und Euch bitten, ihn zu erfüllen, wann ist ja gleich.
Morgen beginnt die siebte Woche unserer Ausbildung und jetzt geht es langsam bergab. Wir haben in den ersten sechs Wochen schon allerhand gelernt und sind so halbwegs Soldaten geworden. Diese Woche haben wir mit »Griffe kloppen« angefangen. In dieser Zeit haben wir schon geschwitzt wie die Bären, besonders bei »Tempo 3«, Du weißt ja Bescheid, lieber Papa, wie lange da geübt werden muss, bis der Griff sitzt und man den Schlag richtig drauf hat. Sonst hat der Dienst auch noch manches Neue gebracht und wenn man sich für den Dienst interessiert, ihn nicht als notwendiges Übel empfindet, ist ja alles halb so wild. Man muss auch seinen Sachen immer in Ordnung halten, dass man nicht auffällt denn wehe dem, der das nicht tut! Mein Lieblingsdienst ist natürlich unsere wöchentlichen Sportstunden und da sieht man, wie viele überhaupt früher Sport getrieben haben. Es sind verschwindend wenig. So wurden zum Beispiel Geräteturner, Leichtathleten, Fußball- und Handballspieler aus der Kompanie ausgesucht und es traten nur insgesamt sieben Turner und Leichtathleten vor. Fußballer waren es natürlich mehr. Wir haben nun jeden Montag und Donnerstag am Abend Training, das freut mich ganz besonders, denn für den Sommer ist man doch einigermaßen in Schwung und diese Übungsstunden stehen unter fachmännischer Aufsicht.
Morgen wollte mich Erna besuchen kommen, hoffentlich enttäuscht sie mich diesmal nicht, denn ich hatte mit ihrem Besuch schon vorigen Sonntag gerechnet. Wenn sie morgen kommen sollte, gehen wir mit unseren Stubenkameraden in die Kantine und dort werden wir mal ordentlich musizieren und Ihr zeigen, wie lustig es bei uns jungen Soldaten zugeht. Es wird Ihr bestimmt unter uns zu sein gefallen. Ausgang gibt es morgen noch nicht, es ist ja auch gleich, wir werden uns auch so prima unterhalten. Hoffen wir für morgen das Beste. Hermann schreibt ja noch gut aus Russland, ich denke manchmal, die müssen doch harte Abwehrkämpfe zu bestehen haben wie der OKW-Bericht schildert. Vor Moskau wird es nicht so hart hergehen wie an anderen Fronten. Für heute habe ich mal wieder genug geschrieben, da ich mal früher in die Falle gehen und mich gründlich ausschlafen möchte.
Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern, Bringfriede und KinderEuer Arnold
Sobernheim(1)Die Blinden-Schreibmaschine von Arnolds Papa Paul von der Eltz!Arnolds Papa Paul von der Eltz, erfand als blinder Mensch eine »Blinden-Schreibmaschine«. Die Schreibhand wurde an einem dünnen Faden geführt, und wenn man rechts am Rand angekommen war, wurde ein Mechanismus ausgelöst, der die Seite um eine »Zeile« weiterschob. Dann konnte man von links weiterschreiben. Er versuchte sie beim Deutschen Patentamt anzumelden, was aber leider, trotz einem Einspruch, abgelehnt wurde. Paul schrieb darauf zahllose Briefe. Ich selbst habe sie noch in Aktion gesehen.
So sah, mit Bezeichnungen für das Patentamt, die Blinden-Schreibmaschine von Paul von der Eltz aus. Das Patent wurde abgelehnt.
Paul schreibt einen Brief auf seiner Blinden-Schreibmaschine.
Es folgt der Brief vom blinden Papa Paul. Geschrieben auf seiner von ihm erfundenen Blinden-Schreibmaschine:
Sobernheim(2)Erblindet!Vor zwanzig Jahren hat mein Augenleiden begonnen. Ich stand damals an der Westfront beim AK. Inf. Reg. 60. Im Februar 1915, musste ich mich wegen einer beidseitigen Augenentzündung in ärztliche Behandlung begeben. Doch bald stellte sich das alte Leiden mit erneuter Heftigkeit wieder ein und ist trotz Behandlung in einer Augenklinik, wenn auch mit einer vorübergehenden leichten Besserung, nicht mehr verschwunden. Das auch nach dem Krieg fortdauernde Augenleiden war mir so zur Gewohnheit geworden, sodass ich irgendwelche Folgen nicht befürchtete, auch dann nicht, als sich vorübergehende Trübungen einstellten. Erst als der Arzt mir den weiteren Verlauf der Krankheit andeutete, erkannte ich die Schwere des Leidens. War es denn möglich? Sollte ich wirklich …? Ich konnte das Wort »Blind« nicht denken und so sehr ich nicht auch an die letzte Hoffnung klammerte, nahm das Schicksal doch seinen Lauf.
Im Februar 1929 war ich völlig erblindet. Die nun plötzlich eingetretene Hilflosigkeit und die Erkenntnis der unabwendbaren Tatsache, brachte eine derart niederschmetternde Gemütsbewegung mit sich, dass ich, als nun auch noch die Ablehnung meines Versorgungsantrages als Kriegsgeschädigter eintraf, durch eine heftige Nervenentzündung wochenlang ans Bett gefesselt wurde. Es dauerte jahrelang, bis ich mit wiederkehrender Beruhigung der Nerven auch das seelische Gleichgewicht wieder fand. Damit erwachte aber auch gleich neuer Lebensmut in mir und der Wille zur Arbeit. Das war allerdings kein leichtes Beginnen, denn das Konzentrieren meiner Gedanken auf einen bestimmten Gegenstand verursachte mir immer wieder, wenn auch vorübergehend, heftige Kopfschmerzen. Doch mit der Zeit trat auch hier eine leichte Besserung ein und es war mit stets eine große Freude, wenn ich wieder so eine kleine Arbeit zuwege brachte. Das war natürlich nicht so einfach und manch blauer Fingernagel war Zeuge davon, dass aller Anfang schwer ist.
Mehr als einmal habe ich die Zähne zusammengebissen, mit einem Seufzer den Schmerz fortgewischt und mit der Zeit den Nagel auf den Kopf zu treffen gelernt. Was ich früher in meinen Feierabendstunden bastelte, das wollte ich jetzt noch fertigbringen. Dabei erwies sich natürlich die Beschaffung einzelner Hilfswerkzeuge als unbedingt notwendig, die ich mir erst selbst ersinnen und anfertigen musste.
Wo ein Wille ist – findet sich auch ein Weg! Trotzdem schien es sehr gewagt, als ich, als früherer Buchhalter, den kühnen Plan zu dem auf den Fotografien gezeigten Anbau (Vorbau) am Haus, fasste. Das war für mich eine ebenso interessante wie schwierige Aufgabe, denn den Entwurf wie auch die Berechnung der einzelnen Teile, konnte ich natürlich nicht zu Papier bringen, sondern ich musste mir die einzelnen Maße und Teile im Kopf zurechtlegen und ins Gedächtnis einprägen. Dann aber ging es unverzüglich mit Eifer an die Arbeit. Der Bau des Betonsockels verursachte mir einige Schwierigkeiten, da durch das fortwährende Abtasten des Betons, meine Fingerspitzen blutig und wund geworden waren und diese Arbeit infolgedessen nur langsam vor sich ging. Die Zurichtung des Holzgerüsts ging unter Benutzung meiner Hilfsvorrichtungen sicher vorwärts und es war für mich eine ungemein große Freude, als beim Zusammensetzen die einzelnen Teile fast auf den Millimeter genau zueinander passten.
Wenn ich das Herumhantieren und Balancieren auf den Balken mit einer gewissen Sicherheit und Ruhe ausführte, so muss ich das neben äußerster Vorsicht wohl in erster Linie meiner frühen turnerischen und sportlichen Betätigung zuschreiben. Hinzu kommt noch die Schwindelfreiheit, da ich als Blinder die Höhenunterschiede nicht empfinde. Ohne irgendwelchen Zwischenfall, wuchs der Bau empor und ich hatte das bestimmte Gefühl, als würde ich durch eine unsichtbare Hand geführt. Auch die selbst gefertigten Fenster und Türen, passten genau und in etwa fünf Monaten hatte ich den Bau ohne fremde Hilfe vollendet.
Vielleicht wäre ich noch schneller damit fertig geworden, wenn nicht die immer wiederkehrenden Nervenkopfschmerzen und die damit auftretenden Entzündungen der Augen, ab und zu eine Unterbrechung der Arbeit gefordert hätten. Solange ich mich jedoch auf die eine oder andere Weise noch nützlich machen kann, werde ich mein Schicksal auch fernerhin lebensmutig zu tragen wissen.
Paul
Papa Paul baute trotz völliger Erblindung einen geschlossenen Vorbau ans Haus.
Detmold, Donnerstag, den 15.1.1942Liebe Eltern und Bringfriede,soeben habe ich Euren Brief erhalten und möcht ihn auch sofort beantworten. Zunächst im Voraus meinen besten Dank für das Päckchen. Hoffentlich lässt es nicht lange auf sich warten, denn so eine Nebenkost ist doch immer sehr willkommen. Gestern zum Beispiel bekam ich ein Päckchen von Tante Lotte und am Abend war der Inhalt des Päckchens schon vertilgt. Auf das Gebäck und die Süßigkeiten ist man ja sozusagen wie versessen, da uns ja beim Militär solche Abwechslungen in der Kost nicht geboten werden. Bis jetzt hatten wir noch keinen Ausgang gehabt, und die Sonntage in der Kaserne verbraucht. Doch nächsten Sonntag, geht die Kompanie geschlossen zum Hermannsdenkmal, wo von der gesamten Kompanie eine Aufnahme als stete Erinnerung an unsere Rekrutenzeit gemacht wird. Der Tag wird noch verschönert, indem wir in ein Café einkehren und dort Kaffee und Kuchen erhalten. Dazu spielt natürlich unsere Hauskapelle und wo die erscheint, gibt es immer Stimmung. Heute erhielt ich ebenfalls noch eine erfreuliche Nachricht, dass Erna und Ewald mich am Sonntag besuchen wollen und ich will versuchen, an diesem Tag auch Ausgang zu bekommen. Wir können dann allein zum Denkmal hinauf gehen und sie werden dann auch mal meine Kameraden kennenlernen. Bei uns ist es zurzeit saukalt, die Temperatur ist ganz und gar nicht zum Exerzieren geeignet. Doch wenn es gar zu kalt ist, gehen wir auf die Stube oder Unterrichtsraum und kloppen dort unserer Griffe. Bei »Tempo 3« weicht sogar die grimmigste Kälte und wir beginnen dann so allmählich zu schwitzen wie die Affen. Bis der Griff endlich mal in der Einigkeit klappt, fließt noch mancher Schweißtropfen. Lieber Papa, Du weißt ja auch Lieder davon zu singen. Nun noch was Geschäftliches. Am 13.12.1941 hatte ich 14,- RM an die Bank abgeschickt, doch noch keinen Auszug darüber bekommen. Habt Ihr ihn vielleicht zu Hause? Wenn ja, dann schickt mir bitte ihn und den Jahresabschluss.
Seid nun alle recht herzlich gegrüßtArnold
PS: Ich habe kein Briefpapier mehr, deshalb kann ich nicht mehr schreiben.
Abmarsch vom Hermannsdenkmal am 18.01.1942 (2. Zug). Der Dritte von rechts ist Arnold.
Detmold, Samstag, den 24.1.1942Liebe Eltern und Bringfriede!Soeben erhielt ich Euren lieben Brief und möchte ihn gleich beantworten. Also, Hermann ist in Deutschland und welch eine Freude muss das doch für Bringfriede und Euch gewesen sein, als diese Nachricht ankam. Wie oft habe ich schon während meiner Soldatenzeit an Hermann gedacht und habe ihm oft gewünscht, aus diesem Russland rauszukommen, da ihm bestimmt die körperlichen Strapazen nicht leichtgefallen sind. Und, als ich den Brief gelesen hatte, kam mir unwillkürlich der Gedanke, ob ich ihn nicht mal besuchen kann, denn soweit wird das ja von hier nicht sein. Was wäre das eine Freude für Hermann und mich, wenn ich tatsächlich eines Tages zu ihm fahren könnte. Ihr glaubt ja gar nicht, wie auch ich mich freue, dass Hermann nicht mehr in Russland sein muss.
Liebe Eltern, nun möchte ich mich noch über das reichhaltige Päckchen bedanken, dass diese Woche angekommen ist, besonders der Kuchen hat mir viel Freude bereitet. Doch für einen hungrigen Soldaten ist ja so ein Kuchen viel zu klein und wenn man mich da nicht bremsen würde, wäre vom Kuchen in fünf Minuten nichts mehr da. Liebe Mutter, Du hast Dich daheim so oft über meinen guten Appetit gewundert, doch wenn Du mich hier essen sehen würdest, ständen Dir die Haare zu Berge. Vier Teller beim Mittag- und Abendessen sind an der Tagesordnung und diese Menge reicht oft doch noch nicht aus, um mich sattzubekommen. Na ja, nach dem einen Monat Ausbildung, beginnt ja der ruhigere Dienst und der Appetit wird dann doch etwas nachlassen.
Arnold freut sich über den Inhalt eines Pakets von zu Hause – endlich Kuchen!
Heute hat es bei uns angefangen, zu schneien, und ein eisiger Wind fegt von Osten her, doch der wird uns heute nicht auf der Bude festhalten, denn heute haben wir Ausgang und wir werden uns mal Detmold ansehen. Schade, dass heute Erna nicht kommt. Diesmal wäre unsere Zeit nicht so knapp bemessen als vor acht Tagen und wir wären an niemanden gebunden. Ich werde jedenfalls versuchen, sobald als möglich nach Herford zu kommen. Vielleicht wenn Erna Hochzeit hat? So, jetzt ist es Zeit in die Stadt zu gehen, denn wir wollen uns noch viel von Detmold ansehen.
Herzliche Grüße sendet EuchArnold
PS: Schickt mir bitte im nächsten Brief etwas Stopfwolle mit, ich kann sie gut gebrauchen. Schreibt mir bitte auch etwas Genaueres über Hermann.
Detmold, Montag, den 26.1.1942Liebe Eltern und Bringfriede!Heute steht mir etwas mehr Zeit zur Verfügung, um Euch etwas ausführlicher zu schreiben. Um nochmals auf das Päckchen zurückzukommen, der Speck hat mir ganz prima geschmeckt. Doch möchte ich Euch bitten, mir so etwas nicht mehr zu schicken. Denn Ihr müsst Euch ja das Essen vom Mund absparen und das möchte ich ganz bestimmt nicht haben. Wir bekommen ja hier auch unsere Verpflegung. Ihr habt mich doch sicher richtig verstanden? In Eurem Brief schreibt Ihr auch, dass Erna nun bald heiraten will und wir uns bei dieser Gelegenheit vielleicht sehen werden. Eins kann ich Euch sagen, dass ich mir ein Wiedersehen schon oft im Stillen gewünscht habe, und auch sehr oft mit den Gedanken bei Euch verweile. Fast jede Nacht träume ich davon und oft meinte ich im Halbschlaf, wenn irgendein Kamerad im Dunkeln sich durchs Zimmer tastet, die Schritte von Papa zu hören.
Lieber Papa, wie gerne würde ich mich jetzt mal wieder mit Dir unterhalten und uns gegenseitig von Deiner und meiner Soldatenzeit erzählen. Auf diese Stunde freue ich mich schon heute ganz besonders. Vielleicht liegt diese Stunde nicht mehr fern, wenn Ihr zu Ernas Hochzeit kommt. Vorausgesetzt, dass diese noch vor dem 25. Februar ist, denn bis dahin ist unsere Ausbildungszeit zu Ende und wir werden dann sicher versetzt werden. Wie schnell wird auch dieser Monat vorüber sein, und wir Kameraden müssen wieder voneinander Abschied nehmen. Das wird uns alle bestimmt nicht leichtfallen, denn bei uns auf der Stube herrscht eine prima Kameradschaft. Das kommt ja auch daher, dass wir fast alle aus einer Gegend sind und denselben Dialekt sprechen. Saarländer und wir von der Nahe haben uns ja schon immer gut verstanden. Bei uns zeigt sich jetzt der Winter von seiner strengsten Seite mit Schneegestöber und einer saumäßigen Kälte und bei dieser Witterung ist es nicht gerade angenehm zu exerzieren. Doch unsere Vorgesetzten haben genug Mittel, um uns warm zu machen, bei –24 Grad Kälte ist ja so etwas auch unbedingt notwendig und es ist keine Seltenheit, dass wir trotz dieser Kälte anfangen zu schwitzen. Damit verbunden ist es ja auch Wunder, dass mein Appetit, wie schon im vorigen Brief erwähnt, so ungeheuer groß ist und manchmal die Brotration einfach nicht reicht. Dann beginnt meistens der Handel, dass die Zigarettenmarke gegen Brot oder Butter getauscht wird oder man verschafft es sich auf eine andere Art, aber keine Bange, ich rauche natürlich nicht. Jedenfalls lernt man beim Militär, sich in jeder Lage zu helfen.
Gestern waren wir zum ersten Mal allein in der Stadt. Doch die Kälte nahm uns die Lust, die Stadt anzusehen. So saßen wir denn auch bald in einem gemütlichen Café und ließen es uns bei Kaffee und Kuchen gut schmecken. Ist nächsten Sonntag wieder Ausgang, dann werde ich Erna frühzeitig in Kenntnis setzen, denn auf Sonntagsurlaub für Herford ist doch noch nicht zu rechnen.
Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern und BringfriedeEuer Arnold
Detmold, Sonntag, den 1.2.1942Liebe Eltern und Bringfriede!Schon wieder sind nun acht Tage vergangen, seit ich Euch das letzte Mal schrieb, und in ungefähr drei Wochen wird unsere Ausbildung zu Ende sein. Jeder ist nun gespannt, wohin er versetzt wird. Ich habe gehört, dass die Bombenschützen auf der Insel Rügen ausgebildet werden. Die Entfernung zwischen mir und Euch wäre dann noch größer. Doch damit wäre die Freude auf den ersten Urlaub umso größer. Durch diese Versetzungen lernen wir ja auch unser Heimatland kennen, und als junger Mensch wünscht man sich ja gerade weit in der Welt herumzukommen.
Es steht als nun endgültig fest, dass ich als Bombenschütze zum fliegenden Personal komme und meine Freude hierüber stieg um so mehr als ich hörte, dass nun ungefähr ein Fünftel der gesamten Kompanie zum fliegenden Personal kommen. Ein Stubenkamerad von mir, ein Saarländer aus Neunkirchen, wird auch Bombenschütze und wir freuen uns nun schon darauf, zusammen auf eine Schule versetzt zu werden, da gerade wir beide uns gut verstehen. Ich kann es manchmal gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht und dass unsere Rekrutenzeit nun bald zu Ende sein soll. Das rührt ja auch zum größten Teil daher, dass die Tage fast ganz mit Dienst ausgefüllt sind und die Zeit dadurch wie im Fluge vergeht. Ich glaube, dass auch niemand der verflossenen Zeit nachtrauern wird, wohl aber gern an seine Rekrutenzeit denken wird, da doch jeder wehrfähige junge Deutsche mitmachen muss. Wenn ich das erste Mal auf Urlaub komme, werde ich Euch viel zu erzählen haben und gerade mit Dir, lieber Papa, möchte ich mich dann gern unterhalten.
Liebe Mutter, nun hätte ich noch eine »kleine« Bitte an Dich. Wenn Du Zeit hast, schicke mir doch bitte mal wieder einen Kuchen oder Brot, denn der Dienst entwickelt ja immer so einen guten Appetit, sodass meine Brotration fast nie ausreicht. Also sei doch bitte so gut, und erfülle mir diesen Wunsch. Das Päckchen mit dem Gelee habe ich mit vielen Dank erhalten. Allerdings war es vierzehn Tage unterwegs, doch ist es samt Inhalt heil angekommen. Heute Mittag gehen wir wieder in die Stadt und werden dann versuchen, zu einem Fotografen zu gehen.
In der Hoffnung, bald wieder etwas von Euch zu hören, grüßt Euch vielmalsArnold
Detmold, Samstag, den 7.2.1942Liebe Eltern, liebe Bringfriede!Nach glücklich überstandenem Stubendurchgang beginnt nun unser freier Samstagnachmittag, den ich dazu ausnutze, Briefe zu schreiben, während andere Kameraden ausgehen und sich Detmold bis halb neun abends ansehen können. Der Nachmittag brachte für mich während des Revierreinigens, eine freudige Nachricht. Ich wurde plötzlich ans Telefon gerufen. Das kann ja nur Erna sein, dachte ich und stürzte im schnellsten Tempo zur Schreibstube. Endergebnis: Erna und Ewald kommen mich morgen besuchen. Das wird ja ein schöner Ausgang morgen für mich werden. Für nächsten Sonntag will ich noch mal versuchen, Sonntagsurlaub nach Herford zu bekommen. Hoffentlich stellen sich mir keine Schwierigkeiten in den Weg, denn Mittwoch in acht Tagen, als am 18. Februar, ist unserer Besichtigung und bis dahin haben wir noch viel zu lernen. Was nach der Besichtigung kommt, wissen wir noch nicht. Ich jedoch werde jedenfalls auf eine Bombenschützenschule versetzt werden und wenn es gut geht, kommen Walter Schmitz und ich auf eine Schule. Denn, er hat sich nun auch als Bombenschütze gemeldet. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit einem Sobernheimer zusammenkäme, besonders noch mit Walter Schmitz, der mir immer ein guter Freund war.
Hier bei uns herrscht nach wie vor strenger Winter, wie ich ihn mir früher daheim immer gewünscht hatte, mit viel Eis und Schnee. Doch hier wünsche ich ihn zum Teufel, denn bei diesem Wetter ist es bestimmt nicht angenehm Dienst zu machen, besonders dann, wenn es ins Gelände geht und der Schnee durch sämtliche Knopflöcher dringt. Doch wir wären ja keine Soldaten, wenn uns ein Angriff mit MG und Platzpatronen keinen Spaß machen würde, besonders das Hinlegen klappt ja bei dem hohen Schnee wunderbar.
Heute habe ich mal leere Pakete nach Hause geschickt und ein Geleeglas, damit Ihr wieder mal etwas Verpackung habt. Ebenso habe ich RM 20,-, heute auf mein Bankkonto eingezahlt, also sogar beim Militär kann man mit einer Mark pro Tag sparen. Das hat natürlich von der Stubenbelegschaft bisher nur einer fertig gebraucht, und das war ich. Na ja, das hängt natürlich mit der guten Erziehung von zu Hause zusammen. Ich sage Euch, beim Militär kann man feststellen, wer eine gute Kinderstube hatte oder nicht und wer von zu Hause an Ordnung gewöhnt war. In dieser Beziehung bin ich bis heute noch nicht aufgefallen.
Liebe Eltern, mit viel Freude habe ich natürlich die Nachricht aufgenommen, dass ein Kuchen für mich unterwegs ist und hoffentlich keine vierzehn Tage wie der andere braucht. Meine Dankbarkeit kann ich ja leider immer nur dadurch ausdrücken, dass ich Euch regelmäßig einen Brief schreibe, auf den Ihr Euch bestimmt immer freut.
Nun, liebe Bringfriede, möchte ich Dir noch recht herzlich für Deinen lieben Brief danken und glaube mir, wenn Du mir den kleinen Jürgen so drollig schilderst, dann habe ich direkt Sehnsucht ihn mal wieder zu sehen. Seine Schwester Gisela und er, werden wohl gewachsen sein und ich sie kaum wieder erkennen werde, wenn ich zum ersten Mal auf Urlaub komme. Du schreibst, dass Du Hermann mal besuchen willst und bei dieser Gelegenheit auch zu mir kommst – nur glaube ich, Du wirst mich hier nicht mehr antreffen, denn bis dahin wurde ich sicher versetzt. Ich wünsche Dir nur noch von Herzen, dass Du Hermann sehr bald besuchen kannst, denn das wird doch Dein brennender Wunsch sein. Glaube mir, an diese Spielereien mit Hermann, die Du in deinem Brief erwähnst, habe ich auch schon sehr oft gedacht und mir ebenso gewünscht, dass sich diese Stunden nicht noch mal wiederholen werden, doch das wird wohl leider nur ein Wunschtraum bleiben.
In der Hoffnung, bald wieder von Euch etwas zu hören, grüßt Euch herzlichstEuer Arnold
Detmold, Samstag, den 14.2.1942Liebe Eltern und Bringfriede,zunächst recht herzlichen Dank für das Päckchen, das diesmal nur eine Woche unterwegs war. Der Kuchen, liebe Mutter, hat ja wieder ganz prima geschmeckt. Übrigens, es schmeckt ja alles doppelt so gut, was von daheim kommt.
Letzten Sonntag habe ich mit Erna und Ewald einen schönen Tab verlebt. Um zwei Uhr nachmittags holte ich beide vom Bahnhof ab. Anschließend gingen wir in ein gemütliches Lokal um dort ungestört bei Kaffee und Kuchen, den Erna mitgebracht hatte, zu unterhalten. Zum Abschluss des Tages gingen wir in ein Kino. Doch allzu schnell verging die Zeit und wir mussten bald wieder voneinander Abschied nehmen, ohne ihnen zu versprechen, sie nächsten Sonntag zu besuchen. Doch kaum zurück im Horst, erwartete mich eine teils freudige, teils traurige Nachricht. Kurz nachdem ich den Horst verlassen hatte, wurde wegen »Scharlach« Horstsperre angeordnet. So werde ich Erna und Ewald am Sonntag zum letzten Mal gesprochen haben, denn wenn die Horstsperre aufgehoben wird, wann kann ja niemand wissen, wird sich auch unsere Versetzung zur Schule verschieben, wie uns schon angekündigt wurde. Wir aber hoffen alle, dass diese Krankheit bald überstanden ist.
Nun sind es nur noch vier Tage bis zur Besichtigung, und dass bedeutet, das unsere Rekrutenzeit nun bald zu Ende ist. Ich kann Euch sagen, dass ihr keiner hier nachtrauern wird. Denn es waren manchmal Tage darunter, an denen uns »das Wasser im Arsch kochte« auf Soldatenart ausgedrückt. Doch gerade diese Stunden haben uns hart gegen uns selbst und uns so halbwegs zu Soldaten gemacht. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, hat mir auch das nicht viel ausgemacht, solange man nicht vor Müdigkeit umfällt – ist ja alles halb so schlimm. Auf der Schule später, werden wir diesen Dienst ja nicht mehr haben, doch dafür wird unser Geist etwas mehr in Anspruch genommen werden. Bis zum fertigen Bombenschützen ist es immer noch ein weiter Weg.
Liebe Eltern, heute komme ich mal wieder mit einer Bitte. Wenn Ihr Zigaretten bekommen könnt oder Tabak, so wäre ich Euch sehr dankbar. Wenn Ihr mir das schicken würdet, die Kosten könnt Ihr ja von den RM 50.- abziehen, die Ihr noch von mir habt. Und nun zur Aufklärung weshalb. Meine Kameraden sind fast alle starke Raucher und ich könnte ihnen mit den Zigaretten viel Freude. Die Hauptsache ist natürlich, dass ich als Gegenleistung von ihnen Brot bekomme, das mir lieber ist wie vieles andere. Ebenso könntest Du, liebe Mutter, mir mal wieder blaue und graue Stopfwolle für Pullover und Strümpfe schicken, den Kuchen möchte ich nur so nebenbei erwähnen. Zum Schluss möchte ich Euch noch bitten, mir zur Besichtigung am Mittwoch beide Daumen zu drücken.
In der Hoffnung, bald wieder etwas von Euch zu hören (und zu bekommen), grüßt Euch vielmalsArnold
Detmold, Donnerstag, den 19.2.1942Liebe Eltern, liebe Bringfriede!Gestern, am Tage unserer Besichtigung, erhielt ich Euer reichhaltiges Paket und heute Euren lieben Brief mit der Ankündigung von neuen Paketen. Ja, liebe Eltern, wenn das so weiter geht, hole ich meinen Kameraden in dieser Beziehung auch noch ein, denn ich habe manchmal gestaunt, was diese an Paketen so bekommen. Doch das hängt natürlich damit zusammen, dass es Bauern sind oder wenigstens Beziehungen haben. Liebe Mutter, wenn das mit dem Schinken klappen würde, würdest Du mir eine große Freude bereiten, denn die seltenen Dinge sind ja heutzutage am meisten begehrt. Hoffentlich bleibt der Kuchen nicht so lange unterwegs, denn ich habe nämlich schon mächtigen Hunger!