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Alessandro Acht lange Jahre habe ich gewartet und geduldig meine Rache geplant. Jetzt, wo ich ihn gefunden habe, werde ich ihn endlich bezahlen lassen. Er hat mich engagiert, um seine Frau zu beschützen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Und ich habe vor, genau diese Frau, die ich beschützen soll, zu töten. Er soll genauso leiden wie ich, und wenn ich mit ihm fertig bin, wird er um Gnade winseln. Doch die werde ich ihm nicht gewähren. Ravenna In seinem düsteren Blick liegt so viel Hass. Seine Augen sind schwarz wie die tiefsten Abgründe. Und er verfolgt jede meiner Bewegungen. Diese Augen sehen einfach alles; ich kann seinem stummen Blick nicht entkommen, aber ich kann auch die Wunden auf meinem Körper nicht vor ihm verbergen. Jede einzelne davon ist ein Beweis für meine verbrannten Träume. Ebenso wenig verbergen kann ich mein Verlangen nach einem Mann, der niemals der meine sein wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Neva Altaj
BURNED dreams
Der Bodyguard
(Perfectly Imperfect Serie)
BURNED dreams – der Bodyguard
© 2025 VAJONA Verlag GmbH
Übersetzung: Alexandra Gentara
Lektorat der Übersetzung: Anne Masur
Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Burned Dreams«.
Umschlaggestaltung: Deranged Doctor mit Anpassungen durch den VAJONA Verlag
Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz unter Verwendung von Motiven von Canva
VAJONA Verlag GmbH
Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3
08606 Oelsnitz
Für meine Leserinnen, die Az’ Geschichte lesen wollten
(und nach einem Wiedersehen mit Sergei gefragt haben).
Hinweis
Bitte beachtet, dass einige Inhalte dieses Romans auf manche Leser und Leserinnen verstörend wirken könnten. Diese beinhalten Dinge wie das Erwähnen eines verstorbenen Ehepartners, häusliche Gewalt und Missbrauch, grafische Schilderungen von Gewalt und Folter, Brutalität.
Alessandro, 18 Jahre alt
Neunzehn Jahre zuvor
Beim Öffnen von Schlössern gibt es zwei Regeln.
Erstens: Alle Schlösser haben Schwachstellen.
Zweitens: Einige Schwachstellen lassen sich leichter ausnutzen als andere.
Das war das Erste, was mir mein Vater beibrachte, als er mich zu einem Job mitgenommen hatte. Leider ist das schon fast zehn Jahre her, und einige seiner Lehren gelten heutzutage nicht mehr.
Ich stecke die Taschenlampe in den Mund und nehme den Dietrich und den Spannschlüssel, dann richte ich den Lichtstrahl auf das Schloss vor mir. Das verdammte Ding hat keine offensichtlichen Schwachstellen, die man ausnutzen könnte, daher muss ich es allein mit Geschick und eisernem Willen auseinandernehmen.
Irgendwo auf der Straße bellt ein Hund. Ich halte inne und lausche. Kühler Herbstwind bläst um mich herum und wirbelt vertrocknete Blätter durch die Luft. Die Kälte dringt durch den dünnen Kapuzenpullover bis in meine Knochen. Ich habe meine Jacke bei Natalie gelassen, weil die Heizung nicht funktioniert und es im Haus zu kühl ist. Sie hat sich erst letzten Monat eine Lungenentzündung zugezogen, und ich wollte nicht riskieren, dass sie schon wieder krank wird.
Erneut bellt ein Hund, kurz darauf kehrt Stille in der Nachbarschaft ein. Ich werfe einen Blick um mich, um sicherzustellen, dass keine neugierigen Nachbarn in der Nähe sind, und konzentriere mich wieder auf das Schloss. Diese verfluchten Bolzensysteme! Als wäre es nicht schon schwierig genug gewesen, die Alarmanlage zu deaktivieren, muss ich mich jetzt auch noch mit diesem neumodischen Scheiß herumschlagen.
Ich bin fast fertig, als ich plötzlich kaltes Metall in meinem Nacken spüre.
»Hände hoch. So, dass ich sie sehen kann«, sagt eine männliche Stimme hinter mir. »Und dann ganz langsam umdrehen.«
Verdammte Scheiße.
Ich lasse meine Werkzeuge zu Boden fallen und hebe die Hände, während ich mich aufrichte und wie gewünscht umdrehe. Ein Mann in Jeans und Lederjacke steht vor mir und richtet seine Waffe direkt auf mein Gesicht. Was zur Hölle? Ich habe drei Nächte damit verbracht, den Laden und dessen Nachbarschaft auszukundschaften, und habe keine Sicherheitskräfte bemerkt. Dieser Typ hält die Waffe, als wüsste er genau, was er tut. Vielleicht ein ehemaliger Cop?
»Mitkommen«, sagt er.
Ja, genau. Auf gar keinen Fall.
Der Typ scheint ziemlich fit zu sein, und die Waffe verschafft ihm einen zusätzlichen Vorteil. Aber ich riskiere lieber, zu sterben, als im Gefängnis zu landen wie mein alter Herr, der dort gerade eine dreizehnjährige Haftstrafe verbüßt. Ich entspanne meinen Kiefer und lasse die Taschenlampe aus dem Mund fallen. Die Bewegung lenkt den Kerl ab, sodass ich rasch meine Position wechseln und mir den gewünschten und nötigen Vorteil verschaffen kann. Mit beiden Händen greife ich nach dem Handgelenk des Wichsers, verdrehe ihm den Arm und ramme ihm anschließend mein Knie in den Bauch. Hustend beugt er sich vor. Ich trete ihm ins Gesicht und versuche, seine Finger von der Waffe zu lösen. Ein Schuss ertönt, durchdringt die Stille. Die Kugel schlägt in der Tür hinter mir ein.
Ich versuche immer noch, ihm die Waffe zu entreißen, da höre ich auf einmal Schritte hinter mir. Als ich einen Blick über meine Schulter werfe, sehe ich gerade noch rechtzeitig, wie eine Faust auf mein Gesicht zuschnellt.
»Wie heißt du, Kleiner?«
Ich spucke Blut und blicke in die Augen eines Mannes mittleren Alters in Tarnklamotten, der sich vor mir aufgebaut hat. Das schwache Licht der nackten Glühbirne, die hinter ihm von der Decke hängt, lässt die Schatten auf seinem Gesicht dunkler erscheinen und betont die Konturen seines fest zusammengepressten Kiefers.
»Az«, knurre ich und werfe einen kurzen Blick in den Raum.
Als die Mistkerle mich hierher gebracht haben, dachte ich erst, sie würden mich zur Polizeistation bringen. Doch das war nicht der Fall, wie mir jetzt klar ist. Ich habe keine Ahnung, wohin sie mich geschleppt haben oder was für eine Einrichtung das hier ist, aber ganz sicher keine Polizeistation. Die Wände sind kahl, es gibt keine Fenster und die Luft wirkt abgestanden, beinahe so, als befänden wir uns unter der Erde. Von meiner knienden Position in der Mitte des Raumes aus ist der einzige Ausgang, den ich sehen kann, die Tür an der gegenüberliegenden Wand.
Der Mann in den Militärklamotten flucht, offenbar nicht glücklich über meine Antwort. Er scheint hier der Verantwortliche zu sein.
»Ich will deinen vollständigen Namen wissen, nicht irgendeinen beschissenen dämlichen Straßennamen!«, brüllt er.
Auf gar keinen Fall werde ich ihm meinen Namen nennen. Ich habe immer akribisch dafür gesorgt, nicht auf dem Radar der Polizei zu landen, und es gibt keinerlei Aufzeichnungen über mich im System. Selbst wenn jemand meine Fingerabdrücke überprüfen sollte, würde er nichts finden. Natürlich trage ich auch nie einen Ausweis bei mir, wenn ich einen Auftrag ausführe.
Als ich nicht antworte, nickt er dem Typen zu meiner Rechten zu. Ein weiterer Schlag trifft mein Kinn, wodurch mein Kopf zur Seite schnellt und ich auf dem Betonboden kniend fast das Gleichgewicht verliere. Dieser Typ scheint wild entschlossen zu sein, mir den Kiefer auszurenken. Ich schüttle den Kopf, um den Nebel in meinem Gehirn ein wenig zu vertreiben.
Dann erblicke ich ein Paar schwarze, auf Hochglanz polierte Schuhe. Ich hebe den Kopf und sehe, dass der ältere Mann mit Brille jetzt direkt neben dem Anführer steht. Ich habe ihn schon bemerkt, als er den Raum betrat, kurz nachdem die Arschlöcher angefangen hatten, die Scheiße aus mir herauszuprügeln. Bis jetzt stand er aber etwas abseits am Rand. Die bescheidene Tweedjacke des Mannes mit Ellbogenflicken und das karierte Hemd wirken völlig fehl am Platz. Irgendwie erinnert er mich an meinen Geschichtslehrer.
»Er wird nicht kooperieren, Kruger«, sagt der Mann im Tweedjackett. »Außerdem ist der Junge sowieso zu alt für dein Projekt. Und zu stur. Lasst ihn uns doch einfach dahin zurückbringen, wo du ihn gefunden hast.«
»Willst du mir jetzt auch noch erklären, wie ich meine Einheit zu führen habe, Felix?«, knurrt der Anführer. »Erinner dich verdammt noch mal, wo dein Platz hier ist.«
»Der Junge ist doch nur ein kleiner Ganove. Wozu also die ganze Mühe?«
»Weil es ihm in den zwei Monaten, in denen meine Männer ihn beschattet haben, gelungen ist, in elf Häuser mit erstklassiger Sicherheitstechnik einzubrechen, ohne auch nur einen Alarm auszulösen – eine Fähigkeit, die äußerst wertvoll für uns sein könnte«, sagt Kruger und dreht sich zu mir um. »Wo hast du gelernt, so mit Sicherheitssystemen umzugehen, Junge?«
Ich spucke etwas Blut aus. »Du kannst mir mal den Schwanz lutschen.«
»Ts, ts, ts …« Er schüttelt den Kopf. »Sieht aus, als bräuchtest du einen kleinen Anreiz, um mit uns zu kooperieren. Wie wäre es, wenn ich einen meiner Männer losschicke, um deine Freundin zu holen und hierher zu bringen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie die Prügel nicht so gut wegstecken wird wie du.«
Mein Körper erstarrt. Woher zum Teufel weiß er von Natalie?
»Oh, damit habe ich wohl deine Aufmerksamkeit erregt, wie ich sehe.« Er lächelt. »Ich sorge immer dafür, dass ich die Person, die ich rekrutieren möchte, sehr gut kenne. Ihre Stärken. Vor allem aber ihre Schwächen.«
»Wagt es nicht, sie anzurühren«, sage ich drohend.
»Ach, nein? Tja, das hängt ganz von dir ab, Az. Wenn du tust, was ich dir sage, wird tatsächlich niemand dein Mädchen anrühren. Aber dafür wirst du bald jede Menge Geld verdienen. Mehr als genug jedenfalls, um sie endlich aus diesem Loch herauszuholen, in dem ihr beide bisher gelebt habt.«
Das Blut aus der Platzwunde an meiner Stirn tropft in meine Augen, sodass ich kaum noch etwas erkennen kann. Meine Hände sind auf meinem Rücken gefesselt, daher versuche ich, es wegzublinzeln, doch das hilft leider nicht viel.
»Und was soll ich dafür tun?«, frage ich.
»Für die Regierung arbeiten. Genauer gesagt, für mich.«
Ich lasse meinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen und versuche, einen möglichen Fluchtweg zu finden. Um die Tür an der gegenüberliegenden Wand zu erreichen, müsste ich die Männer, die mich festhalten, sowie diesen Kruger überwältigen. Sie sind zwar alle bewaffnet, trotzdem scheint es nicht unmöglich zu sein. Der alte Mann in der Tweedjacke sollte jedenfalls kein Problem darstellen. Er sieht eher aus wie ein Buchhalter oder so was. Was sollte er schon machen? Mich mit einem Taschenrechner bewerfen?
»Und wenn ich Nein sage?«, frage ich.
Krugers Lippen verziehen sich zu einem bösartigen Grinsen. Er greift in eine Tasche seiner Cargohose, holt ein Foto heraus und wirft es vor mir auf den Boden. Das Bild dreht sich zweimal in der Luft, bevor es mit der Vorderseite nach oben vor mir landet. Ich starre auf das leicht verschwommene Gesicht meiner Freundin. Auf dem Foto verlässt Natalie gerade den Lebensmittelladen, in dem sie arbeitet.
»Ich zeige dir gern, was passiert, wenn du nicht kooperierst.« Er zieht ein Messer aus der Scheide an seinem Gürtel, geht in die Hocke und stößt die Klingenspitze mitten in Natalies Gesicht. »Habe ich mich damit klar genug ausgedrückt?«
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer diese Schwachköpfe sind oder was sie von mir wollen. Von wegen Regierung. Welches Interesse sollte die denn an jemandem wie mir haben? Aber dieser Wichser weiß, wo wir wohnen. Und ich werde nicht riskieren, dass sie meinem Mädchen etwas antun. Daher löse ich meinen Blick von dem Foto und begegne den finsteren Augen des Anführers. »Ja.«
Ein Grinsen umspielt seine Lippen. »Siehst du, Felix? Er ist doch gar nicht so stur. Und nach der richtigen Ausbildung wird er ein perfekter Soldat sein.« Das Arschloch lacht. »Nicht wahr, Az?«
Kapitel 1
Alessandro
Acht Jahre zuvor
»Az.«
Ich nehme meine Pistole heraus und schaue zu Felix hoch, der neben meinem Spind steht.
»Kruger will mit dir reden«, sagt er. »Es ist dringend.«
Ich nicke und ziehe die kugelsichere Weste aus, wobei ich zusammenzucke, als der Schmerz von dem Treffer, den ich einstecken musste, sich weiter in meiner Brust ausbreitet.
Eigentlich sollte es nur eine simple Aufklärungsmission werden, aber zwanzig Minuten später wurden wir vom Sicherheitsteam in einen Hinterhalt gelockt. Belov wurde von einer Klinge am Arm getroffen, aber wenn man bedenkt, dass wir nur zu zweit gegen vierzehn Wachen angehen mussten, haben wir uns ganz tapfer geschlagen.
Ich schließe den Spind und werfe einen Blick auf den blonden Mann, der auf einer Bank an der Wand sitzt. Sergei Belov starrt mit leeren Augen vor sich hin, und wenn sich seine Brust nicht bewegen würde, würde ich ihn für tot halten.
Von allen Typen, die in dieses verdammte Programm hineingezogen wurden, schien er mir immer der normalste zu sein. Bis er vor ein paar Jahren durchgedreht ist. Wahrscheinlich hatte er noch nie jemandem etwas zuleide getan, bevor Kruger ihn rekrutiert und zu einem kaltblütigen Killer ausgebildet hat. Wie alle anderen Jungs, die in dieser Z.E.R.O.-Einheit gelandet sind.
»Du musst Belov hier rausbringen«, sage ich.
»Ich weiß.« Felix seufzt und massiert seine Nasenwurzel. »Ich arbeite daran.«
Ich werfe dem alten Mann einen prüfenden Blick zu. Die Beziehung zwischen den Agenten und ihren Führungsoffizieren in unserer Einheit sollte streng geschäftsmäßig sein. In der Regel unterstützen die Führungsoffiziere die Agenten von einer festen Operationsbasis aus – hauptsächlich durch Datenerfassung und Überwachung während der Mission –, aber die Beziehung zwischen Felix und Sergei war schon immer eine andere.
Ich bezweifle, dass es außer mir jemandem aufgefallen ist, weil der alte Mann zu vorsichtig ist, um sich eine Art Bevorzugung anmerken zu lassen. Aber Sergei liegt Felix am Herzen, und das nicht nur als Aktivposten. Er kümmert sich um ihn, als wäre er sein eigenes Kind, und sorgt auch immer dafür, dass Belov nicht komplett ausrastet und wahllos Leute umbringt, wenn ihn mal wieder einer seiner beschissenen Anfälle überkommt.
»Dann solltest du härter arbeiten.« Ich greife nach meiner Jacke und verlasse die Umkleidekabine.
Flackernde Lichter werfen lange Schatten auf die kahlen Betonwände, während ich den Flur entlanggehe, der zu Captain Krugers Büro führt. Man sollte erwarten, dass die Zentrale einer geheimen Militärbasis – die seit über einem Jahrzehnt in Betrieb ist – etwas schicker wäre, aber es gibt nur kahle Betonwände, elektrische Leitungen, die mit Plastikhaken an den Wänden befestigt sind, und den allgegenwärtigen Geruch von Schimmel.
In den oberen Stockwerken ist es etwas besser. Die wurden zu Beginn des Programms noch als Schlafräume für die neuen Rekruten genutzt, sind aber jetzt schon seit Jahren nicht mehr in Gebrauch.
Die Z.E.R.O.-Einheit ist ein streng geheimes Projekt, das nur einem einzigen Zweck dient: der Beseitigung von Menschen, die von der Regierung oder von Captain Kruger als unerwünscht eingestuft wurden. Schnell, effizient und ohne lästigen Papierkram. Es begann mit einer elfköpfigen Einheit – fünf Agenten, fünf Betreuer und der Captain. Jetzt sind wir nur noch zu sechst. Drei Agenten, zwei Betreuer und Kruger. Es sieht nicht so aus, als würden sie neue Rekruten aufnehmen wollen, daher wird das Programm wahrscheinlich eingestellt, sobald Sergei, Kai und ich tot sind.
Ich bin schon auf halbem Weg zu Krugers Büro, als sich die Fahrstuhltüren am Ende des Flurs öffnen und ein Mann aussteigt. Sein Mantel ist aufgeknöpft und gibt den Blick auf ein weißes Hemd frei, das mit Blutflecken übersät ist. Kai Mazur. Der Dritte in unserem Agenten-Trio.
Er biegt nach links ab und geht ebenfalls auf Krugers Büro zu, wobei sein langer, pechschwarzer Zopf wie ein Schweif über seinen Rücken schwingt. Ich habe mich immer gefragt, warum Kruger ihm erlaubt, sein Haar so lang zu tragen. Der Erfolg unserer Missionen hängt davon ab, dass wir verdeckt vorgehen, und es ist wirklich schwer, einen fast zwei Meter großen Mann mit einem Zopf, der ihm beinahe bis zur Taille reicht, nicht zu bemerken.
Während er den Korridor entlanggeht, tropft Blut aus der braunen Papiertüte in Kais rechter Hand auf den Boden und hinterlässt rote Flecken auf dem Beton. Anscheinend wollte der Captain mal wieder ein Souvenir haben, und der Größe der Tüte nach zu urteilen, handelt es sich vermutlich um eine Hand oder so was. Als Kai die Bürotür erreicht, lässt er die Tüte fallen, und es gibt ein ekelhaftes, groteskes Geräusch, als sie auf dem Boden aufschlägt. Vielleicht ist es doch nicht nur eine Hand.
Kai nickt mir zu, als wir aneinander vorbeigehen, und ich bemerke eine schlecht vernähte Schnittwunde an seinem Kinn, aus der Blut sickert. Wahrscheinlich hat er sich selbst wieder zusammengeflickt. Seit er seinen Aufseher getötet hat, weigert sich das medizinische Personal, ihn ohne Narkose zu behandeln.
Ich greife nach der Türklinke, steige über die blutige Tüte auf dem Boden und betrete das Büro des Captains. Kruger sitzt hinter dem Schreibtisch, beobachtet den Monitor vor sich und überprüft Einsatzberichte. Ich frage mich, was er tun wird, wenn er morgen feststellt, dass ich nicht mehr erreichbar bin.
Wahrscheinlich schickt er jemanden los, um mich zu beseitigen. Vermutlich Kai. Aber Natalie und ich werden zu diesem Zeitpunkt schon lange weg sein. Ich hatte längst beschlossen, dass dies meine letzte Mission sein würde, und vor meiner Abreise habe ich meine Frau angewiesen, alles zu packen und sich bereitzuhalten, sobald ich nach Hause komme.
Auf dem Weg zurück zur Basis habe ich zweimal versucht, sie anzurufen, doch der Anruf landete immer auf der Mailbox.
»Setz dich, Az.« Kruger deutet auf den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtisches.
»Ich bleibe lieber stehen.«
»Wie du willst.« Er greift nach seinem Kaffee und trinkt einen Schluck. »Deine Frau hatte heute Morgen einen Verkehrsunfall.«
Meine Sicht verschwimmt, während ich seine Worte verarbeite. Ich greife nach der Stuhllehne. »Was?«
»Das Krankenhauspersonal hat angedeutet, dass sie die heutige Nacht vielleicht nicht übersteht, daher solltest du lieber mal nach ihr sehen«, sagt er lässig und schaut wieder auf den Bildschirm, als würde er gerade über das Wetter sprechen.
Ich mache auf dem Absatz kehrt und stürme hinaus, während mir das Herz bis zum Hals schlägt.
Ich starre auf die Lippen des Arztes, während er mit mir spricht. Als ob seine Worte dadurch besser in mein Gehirn eindringen könnten.
»… mehrere Frakturen, die zu massiven inneren Blutungen geführt haben …«
Ich verstehe nicht, was er sagt. Mein Verstand will es einfach nicht akzeptieren.
»… sie zweimal wiederbelebt …«
Ich packe ihn an der Vorderseite seines weißen Kittels und drücke ihn gegen die Wand. Die Worte strömen weiter aus seinem Mund, und mit jeder Silbe brodeln Wut und Verzweiflung stärker in meiner Brust. Dieser Mistkerl soll endlich aufhören zu reden!
»… wir haben alles versucht. Es tut mir so leid.«
Mein Griff um seinen Kittel verstärkt sich. Ich möchte seinen Kopf gegen die Wand rammen, bis er alles, was er gesagt hat, wieder zurücknimmt, aber meine Hände scheinen plötzlich taub zu sein.
»Ich will sie sehen!«, brülle ich ihm ins Gesicht. »Sofort.«
Der Arzt nickt und tritt aus meiner Reichweite. Meine Ohren klingeln, als ich ihm den Flur entlang folge, bis er vor einer Tür auf der rechten Seite stehen bleibt.
»Verschwinden Sie«, sage ich und greife nach dem Türknauf.
Ich höre, wie seine Schritte sich entfernen, starre aber nur auf die Tür vor mir. Es ist ein schlichtes, hellblaues Stück Holz, aber für mich fühlt es sich an, als stünde ich gerade am Tor zur Hölle. Die Wut, die mich zuvor überwältigt hat, ist verflogen. Jetzt spüre ich nur noch einen Schmerz in meiner Brust, der meine gesamte Seele zu vernichten droht.
Ich verstärke meinen Griff um die Türklinke, kann mich aber nicht dazu durchringen, hineinzugehen. Es gibt noch einen Funken Hoffnung, einen verzweifelten Gedanken im Hinterkopf, dass dies alles nur ein großes Missverständnis ist. Da drin liegt sicher eine ganz andere Frau. Meine Natalie ist zu Hause, sitzt in ihrem Lieblingssessel in unserem Wohnzimmer und wartet darauf, dass ich zurückkomme, damit wir endlich abhauen können.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem wir uns kennengelernt haben. Als wäre es gestern gewesen. Sie hat versucht, einem Mann am Snackregal einer Tankstelle vor den Augen der Überwachungskamera seine Brieftasche zu stehlen.
Ich zerrte sie nach draußen und schimpfte mit ihr, was für eine miserable Taschendiebin sie doch sei. Wir waren damals beide siebzehn und lebten auf der Straße, aber es war offensichtlich, dass sie für dieses Leben nicht geschaffen war.
Normalerweise war es mir egal, was andere Leute von mir dachten, aber an diesem Tag hatte ich wohl einen Teil von mir selbst in ihr wiedererkannt.
Also nahm ich sie mit zu dem verlassenen Haus, in dem ich immer übernachtete, nachdem mein Vater zwei Jahre zuvor im Gefängnis gelandet war. Eigentlich wollte sie nur ein paar Tage bleiben, ist aber nie wieder gegangen.
Ich brachte ihr bei, wie man mit Geschick Taschendiebstähle begeht, und nahm sie sogar zu ein paar kleineren Aufträgen mit. Es tat gut, jemanden zu haben, zu dem ich nach Hause kommen konnte. Mit dem ich die guten und die schlechten Zeiten teilen konnte.
Und wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen wir damals lebten, gab es mehr schlechte als gute Zeiten. Ich weiß nicht genau, wann sich unsere Kameradschaft in Liebe verwandelt hat. Sie hat sich einfach an mich herangeschlichen, ohne dass ich es bemerkt hätte. Wie ein Fluss, der im Laufe der Zeit einen Kieselstein glattschleift.
Wir waren beide jung, keiner von uns hatte Familie oder sonst jemanden auf der Welt, daher mussten wir uns nur um uns selbst kümmern. Wir beide gegen alle anderen in dieser beschissenen Stadt. Aus Freundschaft wurde Zuneigung, die sich dann zu etwas Tieferem entwickelte. Und irgendwann wurde sie zu dem einzig Guten in meinem miserablen Leben.
Als Kruger mich schnappte und dazu zwang, seinem abgefuckten Killerkommando beizutreten, schwor ich mir, so lange nach seiner Pfeife zu tanzen, bis ich genug Geld gespart hatte, um mit Natalie zusammen weit wegzuziehen. An einen Ort, an dem er uns nicht finden konnte. Ich dachte, ich würde ein oder zwei Jahre brauchen, um genug Geld zu sparen, damit wir verschwinden konnten.
Doch ich hatte mich geirrt.
Um von Krugers Radar zu verschwinden, konnte ich keinen der Ausweise verwenden, die ich bereits besaß, da er diese hätte zurückverfolgen können. Also brauchte ich neue Papiere für Natalie und mich, und Kruger hatte überall hin Verbindungen – zur Regierung, zur Polizei, zum Untergrund, einfach zu jedem verdammten Ort. Es war nahezu unmöglich, an neue Identitäten zu kommen, ohne dass er davon etwas mitbekommen hätte.
Ich wusste viel zu viel, um einfach so abhauen zu können, daher musste ich sicherstellen, keinen Verdacht zu erregen. Wenn das passiert wäre, hätten sowohl Natalie als auch ich sterben müssen. Es dauerte also Jahre, kostete mich mehrere hunderttausend Dollar und vier Leichen, bis ich endlich Kanäle gefunden hatte, die Kruger nicht aufspüren konnte. Eine Woche vor dieser letzten Mission habe ich endlich die verfluchten Papiere bekommen.
Und jetzt ist sie tot. Irgendein Arschloch hat mir die einzige Familie genommen, die ich jemals hatte.
Ich schließe die Augen, öffne die Tür und betrete das Zimmer.
Ich werfe den letzten leeren Kanister zur Seite und betrachte mein Spiegelbild im vorderen Panoramafenster, die untergehende Sonne im Rücken. Die Fensterflügel auf beiden Seiten der großen Scheibe sind geöffnet, Benzindämpfe durchdringen die Luft.
Ich habe dieses Haus drei Jahre nach meinem Eintritt in die Z.E.R.O.-Einheit gekauft, weil ich es hasste, zur Miete zu wohnen. Kurz bevor ich Natalie einen Heiratsantrag gemacht habe. Es war nur ein langweiliges Backsteinhaus, aber es war der einzige Ort, an dem ich mich nach sehr langer Zeit wieder wie zu Hause fühlte. Und jetzt ist es wieder nichts weiter als ein belangloser Haufen Backsteine.
Ich hole das Feuerzeug aus meiner Tasche, drehe am Rädchen, bis die Flamme entfacht ist, und werfe es durchs offene Fenster. Das Feuerzeug landet auf den mit Benzin getränkten Möbeln und setzt sie sofort in Brand. Als ich mein Auto erreiche, hat das Feuer bereits die Vorhänge erfasst.
Sobald ich mich hinter das Steuer gesetzt habe, greife ich nach der alten Metallkiste auf dem Beifahrersitz. Auf dem Stapel von Pässen und anderen Ausweisen liegt ein silberner Teddybär-Anhänger mit einer rosa Schleife, den ich Natalie vor Jahren von dem Geld gekauft habe, das ich bei einem meiner Jobs gestohlen hatte. Sie war besessen von Bären jeglicher Art, wahrscheinlich, weil sie sie an ihre unbeschwerte Kindheit erinnerten, bevor sie auf der Straße landete.
Ich glaube nicht, dass ich sie jemals ohne diesen albernen Bärchenanhänger gesehen habe. Das Krankenhauspersonal hatte das Armband vor der Operation entfernt und das Kettchen war verloren gegangen. Nur der Teddybär-Anhänger befand sich noch unter ihren Sachen, die man mir zurückgegeben hat.
Mein Blick wandert zu dem Schlüsselanhänger, der am Rückspiegel hängt. Ein glänzender Anhänger in Form eines Pokerblatts – ein Royal Flush, um genau zu sein. Der Metallring, mit dem man den Schlüssel eigentlich am Anhänger befestigt, ist schon vor langer Zeit verloren gegangen, er hängt nur noch an einer Lederschnur. Mein Vater hat mir das Ding geschenkt, nachdem ich ihn zum ersten Mal beim Pokern geschlagen hatte. Ich habe es all die Jahre aufbewahrt, um mich an ihn und eine seiner anderen Lektionen zu erinnern: Akzeptier nicht einfach das Blatt, das dir das Leben austeilt. Manchmal musst du selbst der Dealer sein.
Ich nehme den Schlüsselanhänger vom Spiegel, entferne den Anhänger und werfe ihn in die Metallbox. Dann nehme ich den Teddybäranhänger, fädle das Leder durch die kleine Öse und binde die Schnur um mein Handgelenk.
Als ich zum Haus schaue, frisst das Feuer bereits an dessen Seitenwänden. Ich lehne mich in den Fahrersitz zurück und sehe zu, wie die Flammen das, was einmal mein Zuhause war, und damit auch die letzten Fragmente meiner Seele vernichten.
Ich war noch nie ein guter Mensch. Als ich zum ersten Mal jemanden getötet habe, war ich gerade erst sechzehn. Es war Notwehr, das ändert jedoch nichts an der Tatsache. Wenn man auf der Straße lebt, im schlimmsten Teil der Stadt, muss man töten, um nicht selbst getötet zu werden. Und ich wollte überleben.
Als ich Natalie kennenlernte, steckte bereits nicht mehr viel Menschlichkeit in mir. Aber sie an meiner Seite zu haben, half mir, diese kläglichen Überreste irgendwie zu retten. Sie wurde mein Lebensinhalt. Das Einzige, was mein Herz davor bewahrte, endgültig zu einem unberührbaren, eiskalten Stein zu werden.
Ich habe ihr nie die Wahrheit über meine »Arbeit« erzählt, aus Sorge, dass sie sonst Angst vor mir bekommen würde. Natalie glaubte, ich wäre Securitymitarbeiter in einer militärischen Einrichtung und wusste nicht, dass sie mit einem Mörder zusammenlebte. Manchmal wollte ich mich ihr anvertrauen, ihr von meinen Aufträgen erzählen, aber ich glaubte nicht daran, dass sie damit umgehen könnte, daher hielt ich den Mund. Sie bei mir zu haben, genügte mir.
Doch jetzt ist sie fort und hat alles Gute mitgenommen. Hoffnung. Träume. Liebe. Zurück bleiben nur Schmerz und Wut. Und aus dieser Wut erhebt sich in mir eine blutrünstige, wilde Bestie, die nach Vergeltung schreit. Blut. Tod.
Es ist mir scheißegal, ob das, was meiner Frau zugestoßen ist, ein Unfall war. Es ist mir egal, ob ein total zugedröhntes Kind oder der Großvater von irgendjemandem mit nachlassender Sehkraft das Auto gefahren hat. Ich werde denjenigen finden. Und er wird dafür bezahlen.
Ich nehme den Stapel mit den Papieren aus der Metallbox und blättere ihn durch, wobei ich mir die verschiedenen Namen genau ansehe.
Mehrere Identitäten sind eine Notwendigkeit, wenn man sein Geld damit verdient, Menschen zu töten. Beim letzten Ausweis verharrt meine Hand. Bei einem Namen, den ich seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr verwendet habe.
Alessandro Zanetti.
Monatelang hat Kruger mich mit Fragen zu meinem richtigen Namen belästigt, aber ich habe nie nachgegeben. Nicht einmal dann, nachdem er mir von seinen Männern den Arm hat brechen lassen.
Irgendwann hat er das Thema schließlich fallen gelassen. Er hatte keine Verwendung für einen Soldaten, der nicht auf Missionen gehen konnte, weil er körperlich zu sehr beeinträchtigt war. Außerdem benutzten ohnehin alle Rekruten falsche Namen und Papiere.
Ich bin mir nicht sicher, warum ich so stur damit war. Vielleicht, weil mein Name das Einzige war, was ich zu dieser Zeit überhaupt noch besaß. Vielleicht habe ich es aber auch einfach zu sehr genossen, Kruger zu verärgern.
Ich schnappe mir den Stapel gefälschter Ausweise und Pässe, einschließlich der Dokumente, die ich letzte Woche erhalten habe, und werfe sie aus dem Fenster. Es erscheint mir angebracht, meinen richtigen Namen zu verwenden, wenn ich den Bastard umlege, der für den Tod meiner Frau verantwortlich ist.
Als ich den Rückwärtsgang einlege und aus der Einfahrt fahre, haben die Flammen bereits das Dach erreicht und mein Haus in Schutt und Asche gelegt.
Ravenna
4 Monate zuvor
Der Regen ist unerbittlich, durchnässt meine ohnehin schon nasse Jacke komplett und lässt meine Haare im Gesicht kleben. Ich habe meinen Regenschirm in dem Restaurant, in dem ich arbeite, vergessen. Vor lauter Schock über die Nachricht, dass es nächste Woche schließen wird. Damit bleibt mir nur mein Teilzeitjob in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der leider nicht ausreicht, und ich muss mich sofort nach etwas anderem umsehen.
Ich versuche gerade, mir eine nasse Strähne aus den Augen zu streichen, als links von mir ein Lastwagen vorbeirauscht, die leere, aber dafür mit Pfützen übersäte Straße entlangfährt und mich mit Schmutzwasser bespritzt. Ein ergebenes Seufzen entringt sich meinen Lippen, als ich mitten auf dem verlassenen Bürgersteig stehen bleibe und meine neuen weißen Turnschuhe betrachte, die jetzt komplett durchnässt und mit Dreck bespritzt sind.
Trotz des strömenden Regens kann ich meinen Blick nicht von meinen Schuhen abwenden. Gestern hatte ich noch ein schlechtes Gewissen, weil das Geld diesen Monat so knapp ist. Aber ich war so glücklich aus dem Laden gegangen, nachdem ich mir die neuen Turnschuhe gekauft hatte. Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute meinen Job verlieren würde, hätte ich sie mir ganz sicher nicht gegönnt.
Ein Hupen reißt mich aus meinen Gedanken. Als ich aufsehe, entdecke ich Melania, meine beste Freundin seit der Highschool, die mir durchs Fahrerfenster ihres Autos zuwinkt.
»Du liebe Zeit, Ravi!«, ruft sie. »Steig ein!«
Ich eile zu ihrem Fahrzeug und öffne die Beifahrertür, doch als mein Blick auf die schöne Innenausstattung und den noch trockenen, sauberen Sitz fällt, schüttle ich den Kopf. »Ich bin total dreckig.«
»Ach, um Himmels willen. Steig einfach ein, Ravenna.« Melania beugt sich über den Sitz, ergreift meine Hand und zieht mich hinein.
»Spätschicht?«, frage ich, während ich mich anschnalle. Melania arbeitet in einer Apotheke gleich die Straße runter.
»Ja. Eigentlich hätte ich um Mitternacht Feierabend machen sollen, aber ein paar Lieferungen sind zu spät gekommen und das musste ich noch regeln. Wir haben jetzt auch diese Salbe gegen Schmerzen da, nach der du für Mamma Lola gefragt hast.«
Ich nicke. Angesichts der Situation bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir uns die im Moment überhaupt noch leisten können.
»Ich habe Vitto gesehen, als ich heute Nachmittag zur Arbeit gefahren bin«, erzählt sie weiter, während sie wieder auf die Straße fährt. »Zusammen mit Ugo.«
»Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mit diesem Jungen rumhängen soll, aber er hört einfach nicht auf mich. Der Typ hat einen ganz schlechten Einfluss auf ihn.«
»Klauen sie wieder?«
Ich lehne mich gegen die Kopfstütze und schließe die Augen. Mein Bruder war im letzten Jahr extrem schwierig. »Ich hoffe nicht. Der Filialleiter vom Supermarkt hat gesagt, dass er Anzeige bei der Polizei erstattet, wenn er sie noch einmal erwischt.«
»Vielleicht könntest du versuchen, ihm für die Ferien einen Job zu besorgen? Ich kann mich mal umhören, wenn du willst?«
»Ja, das wäre toll«, sage ich, obwohl ich weiß, dass daraus nichts werden wird.
Seit unser Vater vor einem Jahr gestorben ist, hält sich Vitto an Orten auf, an denen sich auch die Mitglieder der Cosa Nostra versammeln. Gelegentlich erledigt er kleine Aufträge für sie, in der Hoffnung, dass ihm irgendwann eine Stelle als Söldner angeboten wird. Und zwar die, die auch unser Vater innehatte. Meine Mutter und ich haben unser Bestes gegeben, um ihm diese bescheuerte Idee auszureden, aber leider erfolglos. Ich habe ihm verboten, diese Orte aufzusuchen, bin mir allerdings sicher, dass er es heimlich trotzdem tut.
»Er wird sich schon wieder einkriegen, Ravi. Du wirst schon sehen.« Melania parkt das Auto vor meinem Haus und nimmt meine Hand.
»Das hoffe ich.« Ich drücke ihre Finger und öffne die Tür. »Es war doch nur ein Häuserblock. Du hättest mich nicht extra herfahren müssen.«
»Ich schulde dir noch was für die ganzen Mathe-Hausaufgaben, die du in der Highschool immer für mich gemacht hast.« Sie lacht. »Grüß Mamma Lola von mir.«
»Mach ich.«
Meine nassen Turnschuhe erzeugen schmatzende Geräusche, als ich auf das Gebäude zulaufe und dann die vier Treppen hinaufsteige. So leise wie möglich betrete ich die Wohnung und gehe direkt ins Badezimmer, um mich umzuziehen, als die zittrige Stimme meiner Mutter hinter mir ertönt.
»Vitto ist noch nicht zu Hause.«
Ich drehe mich um und starre meine Mutter entsetzt an. Es ist fast drei Uhr morgens. Mein Bruder ist zwar sowieso problematisch, aber die ganze Nacht ist er noch nie weggeblieben, ohne mir oder meiner Mutter Bescheid zu sagen.
»Was meinst du damit?«
»Er ist mit seinen Freunden ausgegangen und meinte, dass er um elf zurück ist«, stößt meine Mutter hervor. »Sein Handy ist ausgeschaltet.«
»Warum hast du mich denn nicht angerufen?«
»Du hast noch gearbeitet. Ich dachte, er käme nur ein bisschen später, daher habe ich mich auf die Couch gelegt und wollte auf ihn warten. Aber dann bin ich eingeschlafen.« Sie bricht in Tränen aus. »Ich habe alle seine Freunde angerufen, aber niemand hat ihn gesehen.«
»Mist. Es tut mir so leid, Mamma.« Ich schlinge meine Arme um sie und versuche, ruhig zu klingen. »Wahrscheinlich schläft er bei Ugo und hat nur vergessen, dir Bescheid zu sagen.«
»Vielleicht sollten wir die Polizei rufen, Ravi.«
Ich schließe die Augen. »Du weißt, dass wir das nicht tun können.«
Auch wenn wir selbst keine aktiven Mitglieder der Cosa Nostra sind, aber mein Vater war es. Wir können es uns nicht leisten, die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns zu ziehen, sofern es nicht absolut notwendig ist.
»Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?«
»Es geht ihm sicher gut. Ich rufe Ugo an, dann werden wir ihn schon finden.« Ich greife gerade nach meinem Handy, als ein festes, lautes Klopfen an der Tür ertönt.
Die Augen meiner Mutter weiten sich vor Angst und eine Träne rollt über ihre Wange. Wenn jemand um drei Uhr morgens anklopft, bedeutet das selten etwas Gutes. Hastig stürze ich durch den Raum und reiße die Tür auf.
Auf der anderen Seite steht ein Mann in einem dunklen Anzug. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen, aber ein Blick auf seine Haltung und das unter seiner aufgeknöpften Jacke sichtbare Holster ist aussagekräftig genug. Cosa Nostra.
»Ravenna Cattaneo?«, fragt er und mustert mich von oben bis unten.
»Ja«, stoße ich aus.
»Sie müssen mit mir kommen.«
»Geht es um meinen Bruder? Geht es ihm gut?«
»Noch, ja.« Der Cosa-Nostra-Soldat packt mich am Arm und führt mich durch den Flur. Er wartet nicht einmal, bis ich meine Handtasche oder Jacke an mich nehmen konnte.
»Alles wird gut, Mamma!«, rufe ich ihr über meine Schulter zu, während ich versuche, mit dem Mann Schritt zu halten.
Meine Mutter steht in der Tür, eine Hand am Türrahmen und die andere vor den Mund gepresst, während sie uns hinterher schaut.
Als wir das Gebäude verlassen und der Mann auf ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben zugeht, steige ich ein, ohne Fragen zu stellen. Während der Fahrt halte ich meine Hände im Schoß verschränkt und versuche, mich zusammenzureißen. Dieses Mal muss Vitto einen gewaltigen Fehler begangen haben, wenn die Cosa Nostra mitten in der Nacht in unserer Wohnung auftaucht.
Wurde mein Bruder wieder beim Stehlen erwischt? Oder hat er etwas gesagt, das er nicht hätte sagen sollen? Großer Gott, falls er jemanden verpetzt hat, ist er so gut wie tot.
Das Auto biegt in eine schmale Gasse ein und hält vor einem Restaurant mit rot-weiß karierten Vorhängen. Ich erkenne den Ort nicht sofort wieder, weil ich nur einmal hier war. Da musste ich meinem Vater seine Brieftasche bringen, die er zu Hause vergessen hatte. Er hatte im Hinterzimmer Wachdienst.
Ich steige aus dem Auto und blicke auf das Holzschild über der Tür. Luigi’s. Der Ort, an dem sich die Söldner der Cosa Nostra gern zum Kartenspielen treffen.
Wortlos führt mich der Fahrer zwischen den leeren Tischen hindurch zu einem Durchgang am anderen Ende des Raums. Eine Frau mit einer fleckigen weißen Schürze spült gerade Geschirr und starrt uns an, während wir durch die Küche gehen. Der Mann öffnet eine Tür, die sich hinter einem Vorhang neben den Weinkisten verbirgt, und schiebt mich in das geheime Hinterzimmer. Die Tür fällt hinter uns ins Schloss.
Drinnen ist die Luft so schwer mit Zigarrenrauch gefüllt, dass man kaum atmen kann. Die Lampe über dem großen runden Tisch beleuchtet die Umrisse von vier Männern, die darum herum sitzen und Poker spielen. Ich gehe ein paar Schritte in den Raum hinein, und der Mann, der in meine Richtung blickt, schaut von seinen Karten hoch und lehnt sich dann mit einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen zurück. Unwillkürlich trete ich einen Schritt nach hinten. Es ist einer der Capos. Rocco Pisano.
»Wir machen Schluss für heute«, sagt er und wirft seine Karten in die Tischmitte.
Die anderen drei Männer stehen auf, wobei ihre Stuhlbeine über den Boden schaben, und sammeln ihre Habseligkeiten ein. Keiner von ihnen sieht mich an, als sie an mir vorbeigehen und den Raum verlassen. Die Tür fällt mit einem leisen Klicken hinter ihnen zu, aber ich zucke zusammen, weil sich selbst dieses kaum hörbare Geräusch bedrohlich anfühlt.
»Sie haben nach mir verlangt, Mr. Pisano?« Ich ringe nach Worten und versuche, Augenkontakt zu halten, ohne mich dabei zu ducken. Mir gefällt nicht, wie er mich ansieht – wie eine Katze, die gerade eine unerwartete Belohnung bekommen hat.
»Das habe ich.« Rocco greift nach seinem Drink und lehnt sich in seinen Stuhl zurück, während er meine durchnässten Kleider betrachtet. »Es gibt eine Schuld zu begleichen.«
Ein flaues Gefühl breitet sich in meiner Magengrube aus. »Eine Schuld?«
»Ja.« Lächelnd richtet er seinen Blick auf etwas hinter mir. »Nicht wahr, Vitto?«
Ich drehe mich um und ein erstickter Schrei entringt sich meinen Lippen, als mein Blick auf den gekrümmten Körper in der Ecke fällt. Mein Bruder schaut auf, sein Gesicht ist blutverschmiert und ein Auge ist komplett zugeschwollen.
»O mein Gott!« Ich mache einen Schritt auf ihn zu, aber das Geräusch einer flachen Hand, die auf den Tisch donnert, lässt mich mitten im Schritt innehalten.
»Komm wieder her, sonst beende ich sofort, was ich angefangen habe!«, brüllt Rocco.
Ich schlucke die aufsteigende Galle hinunter und drehe mich wieder um, dann schaue ich dem Capo ins Gesicht. Rocco nickt zu dem Stuhl gegenüber von sich und beobachtet, wie ich mich ihm auf wackeligen Beinen nähere.
»Hinsetzen«, schnauzt er.
Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und falte die Hände im Schoß. Ich weiß nicht, was los ist oder was zum Teufel mein Bruder überhaupt hier macht, aber ich weiß, dass es schlimm sein muss.
Rocco nimmt einen Zug von seiner Zigarre und bläst mir den Rauch ins Gesicht. »Unser Vitto dachte, er könnte mit den großen Fischen Poker spielen. Er kam heute Abend hier rein, wedelte mit einem Stapel Geldscheine und bat darum, am Spiel teilnehmen zu dürfen.«
Ich schließe für einen Moment die Augen und versuche, die Tränen zurückzuhalten. Der Tod meines Vaters hat meinen Bruder schwer getroffen, seitdem macht Vitto ständig Ärger. Gerät in schlechte Gesellschaft. Stiehlt. Er verkauft sogar Marihuana. Aber niemals hätte ich damit gerechnet, dass er dumm genug sein könnte, in ein Lokal der Cosa Nostra zu gehen und dort zu zocken.
»Er ist doch erst fünfzehn«, flüstere ich.
»Der Junge braucht eine Lektion. Er ist alt genug, um für seine Worte und Taten verantwortlich gemacht zu werden.« Rocco grinst. »Und auch alt genug, um zu bezahlen.«
»Wie viel schuldet er Ihnen?«
»Die vier Riesen, die er mitgebracht hat, reichten gerade mal für den ersten Einsatz.«
Viertausend Dollar. Ich ringe die Hände. Es gibt nur einen Ort, an dem mein Bruder an das Geld gekommen sein kann: die alte Keksdose unter meinem Bett. Seit der Highschool arbeite ich schon, um Geld fürs College zu sparen. Das meiste davon ging für die Medikamente drauf, als mein Vater krank wurde, aber im letzten Jahr habe ich es geschafft, etwa viertausend Dollar zu sparen.
»Ich gehe zur Bank und sehe, ob ich einen Kredit bekommen kann«, sage ich. »Wir werden jeden Cent zurückzahlen, den Vitto Ihnen schuldet, aber bitte lassen Sie meinen Bruder gehen.«
»Ich bezweifle, dass eine Bank dir einen so hohen Kredit gewähren würde, um den Betrag zu decken, den dein Bruder mir schuldet. Also haben Vitto und ich eine Vereinbarung getroffen, die für uns beide nur Vorteile bringt. Ich vergesse das Geld und werde ihn auch nicht umbringen.« Er bläst mir erneut Rauch ins Gesicht. »Dafür bekomme ich dich als Entschädigung.«
Kapitel 2
Alessandro
Gegenwart
Der Schnee knirscht unter den Reifen, als ich mein Auto in der Einfahrt eines grauen Herrenhauses parke. Es ist fast sechs Uhr abends und die Zeit, zu der ich mich zum Dienst melden sollte. Ich schalte die Zündung aus und lehne mich in meinem Sitz zurück, während ich das Haus durch die Windschutzscheibe betrachte. Angesichts der Lage und der Größe des umliegenden Grundstücks ist es wahrscheinlich fünf oder sechs Millionen wert, aber es ist kleiner, als ich erwartet hatte. Nur zwei Stockwerke.
Es ist ein wunderschönes Haus.
Und es wird ganz hervorragend abbrennen.
Ich steige aus dem Auto und gehe auf die breite Steintreppe zu, die zu der zweiflügeligen Eingangstür aus dunkel gebeiztem Holz führt. Vorhin bei meiner Ankunft sind mir zwei Wachen am Tor aufgefallen. Mindestens drei weitere sind an der Außenseite der hohen Mauer um das Grundstück herum positioniert, aber am Haupteingang oder in der Nähe des Hauses entdecke ich keine. Soweit ich weiß, erlaubt mein neuer Auftraggeber niemandem aus seinem Sicherheitsteam, sich dem Haus zu nähern. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum jeder Zentimeter des Grundstücks um das Haus herum von Kameras überwacht wird.
Als ich die erste Treppenstufe betrete, geht die Eingangstür auf und gibt den Blick auf einen Mann in einem hellgrauen dreiteiligen Anzug frei. Das gelbliche Licht aus dem dahinter liegenden Flur beleuchtet seine große, schlaksige Gestalt, die mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck vor mir steht. Rocco Pisano. Ein Capo der New Yorker Familie.
»Zanetti«, sagt er und bedeutet mir, ihm zu folgen. »Ich werde dich in meinem Büro einweisen. Es muss aber schnell gehen. Wir müssen in zwei Stunden im Theater sein.«
Ich gehe ein paar Schritte hinter ihm her, als er nach links abbiegt und mich durch das geräumige Marmorfoyer zu einer Schiebetür aus Holz auf der anderen Seite führt. Das Innere der Villa strahlt Opulenz aus, und meine Schritte hallen von den Wänden und der hohen Decke mit Stuckverzierungen wider.
Fresken an der Decke zeigen Engel in leuchtenden Farben, die auf uns herabblicken. In den Ecken stehen barocke dunkle Holzmöbel, die auf Hochglanz poliert wurden. Eine breite Treppe führt ins Obergeschoss, in das kunstvoll geschnitzte Holzgeländer sind Blumen, Ranken und andere dekorative Elemente eingearbeitet.
Pisanos Büro ist riesig. Ein massiver Schreibtisch aus Kirschholz bildet den Mittelpunkt. Auf der Tischplatte, nahe am Rand, steht ein großes, geschnitztes Namensschild, das perfekt zum Furnier des Schreibtisches passt.
Der Rest des Zimmers ist ähnlich prunkvoll. Es gibt einen riesigen Kristalllüster, der eher in ein Esszimmer als in ein Büro passen würde. Rechts und links von seinem Schreibtisch stehen zwei lebensgroße goldene Skulpturen von hockenden Löwen, die Wache halten, und hinter dem Schreibtisch säumen massive Bücherregale die Wand. Die Bücher werden durch Glastüren mit vergoldeten Rahmen vor Staub geschützt.
Rocco nimmt hinter seinem Schreibtisch Platz und greift nach einer Holzkiste mit hochwertigen Zigarren. Als er eine Puro in die Hand nimmt, reflektiert ein dicker goldener Ring mit einem massiven Rubin an seinem hageren Zeigefinger das Licht des Kronleuchters.
Acht Jahre. Acht verdammte Jahre habe ich nach diesem Mann gesucht, und nun sitzt er endlich vor mir. Ich kann den Drang, meine Hände um seinen Hals zu legen und ihm auf der Stelle das Genick zu brechen, kaum unterdrücken.
Aber ich habe nicht so lange gewartet, um ihn jetzt mit einem einfachen, schnellen Tod davonkommen zu lassen. Nein. Ich werde ihn Stück für Stück vernichten, und er wird dabei zusehen. Erst wenn von seinem goldenen Leben nichts mehr übrig ist, wird er seinem Schöpfer gegenübertreten dürfen. Und ich werde dafür sorgen, dass die Reise zu seinem endgültigen Ziel sehr, sehr lang sein wird. Und äußerst qualvoll.
Rocco löst seinen Blick nicht von mir, während er das Ende der Zigarre abschneidet und sie in den Mund steckt, als wollte er damit Eindruck bei mir schinden. Er bietet mir auch keinen Sitzplatz auf einem der Stühle vor seinem Schreibtisch an.
»Ich habe gehört, dass du nicht auf Frauen stehst«, sagt er und zündet die Zigarre an. »Stimmt das?«
Mit der Frage habe ich gerechnet. Der Boss hat mir bereits erzählt, dass Rocco krankhaft eifersüchtig ist und die letzten drei Bodyguards seiner Frau umgebracht hat. Den Job hier bekomme ich nur, weil Rocco glaubt, dass ich schwul bin. Ich bin mir nicht ganz sicher, woher diese Idee kam, aber Ajello erwähnte schon, dass Rocco genau das von mir denkt.
Vielleicht hat er gehört, dass ich nie in den Stripclub gehe, den die anderen Cosa-Nostra-Söldner jeden Donnerstagabend besuchen. Oder vielleicht glaubt er, dass ich schwul wäre, weil ich die Mädchen abgewiesen habe, die der Idiot Carmelo mir zum fünften Jahrestag meines Beitritts in die Familie als Geschenk geschickt hat. Im Grunde ist es mir auch egal, wie er auf die Idee gekommen ist. Ich halte seinem Blick stand und nicke.
»Dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Roccos Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Kommen wir zum Geschäftlichen. Du bist rund um die Uhr für die Sicherheit meiner Frau verantwortlich. Wie du wahrscheinlich bemerkt hast, darf das Wachpersonal nicht ins Haus. Es sei denn, wir haben Gäste. Ansonsten sind die einzigen Personen in diesem Haus meine Frau und ich. Und eine Haushälterin und zwei Dienstmädchen. Die kommen um acht und gehen um sieben.«
»Sicherheitssysteme?«, frage ich.
»Alarmanlagen an den Vorder- und Hintertüren sowie an den Fenstern im Erdgeschoss. Kameras außerhalb des Hauses und entlang der Grundstücksmauer. Sie werden vom Wachhaus am Tor aus überwacht. Das Sicherheitspersonal arbeitet in drei Schichten mit jeweils fünf Männern.«
»Meine Aufgaben?«
»Du hast nur eine. Meine Frau«, sagt er und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Ravenna darf das Haus ohne Aufsicht nicht verlassen. Sie geht gerne auf dem Grundstück spazieren, also wirst du sie dabei begleiten. Außerdem geht sie manchmal shoppen und macht anderen Frauenkram. Friseur. Maniküre. Du wirst bei ihr sein, wo auch immer sie sich gerade hinbegeben muss.«
»Irgendwelche Ausnahmen?«
»Keine Ausnahmen. Wenn sie zum verdammten Frauenarzt muss, gehst du mit ihr auch dahin.« Er steht von seinem Stuhl auf und stellt sich vor mich. »Deine Aufgabe besteht nicht einfach nur darin, Ravennas Bodyguard zu sein. Das ist zweitrangig. Ich möchte, dass du ihr auf Schritt und Tritt folgst und mir alles Verdächtige meldest.«
»Was gilt alles als verdächtig?«
»Mit anderen Männern zu sprechen.