Painted Scars - Der Pakhan (Perfectly Imperfect Serie 1) - Neva Altaj - E-Book

Painted Scars - Der Pakhan (Perfectly Imperfect Serie 1) E-Book

Neva Altaj

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Beschreibung

Nina Charmant, fesselnd, verführerisch – und ein eiskalter Mörder. Trotzdem habe ich den Pakhan der russischen Bratva geheiratet. Weil ich es tun musste. Das war der Deal. Obwohl ich vor Angst zittere, schaffe ich es, eine glückliche Ehe vorzutäuschen. Und kann es nicht erwarten, den Fängen dieses skrupellosen Mannes endlich wieder zu entkommen. Roman Ich bekomme immer, was ich will. Und ich wollte diese perfekt unperfekte kleine Schauspielerin. Sie überzeugt alle davon, mich wie verrückt zu lieben, deshalb will ich sie jetzt noch viel mehr. Sie weiß es zwar noch nicht, aber ich werde sie nie wieder gehen lassen. Unser Deal ist – geplatzt. Der Auftakt der Perfectly Imperfect Serie. Eine Reihe über kaputte Antihelden und starke Heldinnen, die sich verlieben.

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Anmerkung der Autorin
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Epilog
Igor
Roman
Danksagung

Neva Altaj

 

PAINTED scars

Der Pakhan

(Perfectly Imperfect Serie)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzt von Alexandra Gentara

PAINTED scars – Der Parkhan

 

 

Copyright

© 2024 VAJONA Verlag

Alle Rechte vorbehalten.

[email protected]

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags

wiedergegeben werden.

 

Übersetzung: Alexandra Gentara

Lektorat der Übersetzung: Anne Masur

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Painted Scars«.

Umschlaggestaltung: Deranged Doctor mit Anpassungen durch den VAJONA Verlag

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz unter Verwendung von Motiven von Canva

Anmerkung der Autorin

 

 

Liebe Leserinnen und Leser, im Buch werden ein paar wenige russische Ausdrücke verwendet. Hier sind die Übersetzungen und Erklärungen dazu:

 

 

Pakhan – пахан der »Chef« der russischen Mafia.

Bratva – братваì Bezeichnung für organisierte Kriminalität und die russische Mafia.

Malysh – малыш (Kleines) wird als Kosename anstelle von »Baby« verwendet. Das Wort ist eigentlich maskulin, wird aber genderneutral verwendet. Es gibt auch eine weibliche Form – малышка (malyshka) –, die ebenfalls als Name für eine Partnerin verwendet werden kann, aber die meisten bevorzugen »malysh«.

Kukolka – kуколка (Püppchen) ist der Diminutiv von »kukla«, was »Puppe« bedeutet.

Milaya – милая (Liebes) wird als Kosename verwendet, wie »Schatz« oder »Liebes«.

Piroshki – пирожкиì (Handpasteten) sind kleine Pasteten, die mit Hackfleisch, Gemüse oder Obst gefüllt sind und gebacken oder frittiert werden.

Morozhenoe –  ороженое (Eiscreme).

 

Ein Hinweis zu russischen Nachnamen: Die meisten Nachnamen verheirateter russischer Frauen werden durch Hinzufügen eines »a« am Ende des Nachnamens ihres Mannes gebildet (z. B. Petrov, Petrova).

Russen, die im Ausland leben, können sich an die örtlichen Gepflogenheiten anpassen. Dann tragen Ehemann und Ehefrau die gleiche Endung im Führerschein und anderen Dokumenten, um Verwechslungen zu vermeiden (Roman Petrov und Nina Petrov). Russen werden die Ehefrau jedoch weiterhin mit Nina Petrova ansprechen, egal, in welchem Land sie leben.

 

Hinweis

 

Dieser Roman behandelt Themen wie häusliche Gewalt, Erwähnung von Missbrauch und grafische Beschreibungen von Gewalt und Folter (jedoch nicht zwischen Held und Heldin).

 

Prolog

 

Roman

 

Piep. Piep.

Krankenhausgeruch. Anscheinend habe ich überlebt.

Ich versuche, meine Augen zu öffnen, doch es funktioniert nicht. Wahrscheinlich lässt die Narkose gerade erst nach. Immerhin tut nichts mehr weh. Von links dringen Stimmen an mein Ohr, aber sie klingen gedämpft, und obwohl sie mir bekannt vorkommen, kann ich sie nicht zuordnen.

Piep. Piep.

»Hört er uns?«

»Nein. Er steht noch unter Narkose.«

Piep.

»Wird er überleben?«

»Ja. Leider. Die Verletzungen am Brustkorb waren nicht allzu schlimm. Sie haben ihn wieder zusammengeflickt.«

»Wir versuchen es noch mal. Und schieben es einfach den Italienern in die Schuhe.«

»Zu gefährlich. Die Leute sind ihrem Pakhan gegenüber loyal. Wenn mich auch nur einer von ihnen verdächtigt, lande ich unter der Erde.«

Piep.

»Na ja, immerhin gibt es einen Hoffnungsschimmer. Das Schrapnell hat sein Knie zertrümmert.«

»Und?«

»Der Arzt sagt, er wird nie wieder laufen können. Sobald jemand auftaucht, der fähiger ist … So loyal seine Leute auch sind, sie werden wohl kaum hinter einem Pakhan stehen, der im Rollstuhl sitzt, wenn sie einen Besseren haben könnten.«

»Okay, also ist es am Ende ja doch ganz gut gelaufen.«

Ich höre die Schritte von zwei Leuten, die den Raum verlassen. Dann schließt sich eine Tür.

 

Kapitel 1

 

Roman

 

Drei Monate später

 

Es gibt einfach nie genug Drogen.

Ich lege das Blatt mit den Notizen zu dem Stapel auf meinem Schreibtisch und widme mich den Zahlen auf meinem Laptopmonitor.

»Ruf Sergei an.« Ich lehne mich im Rollstuhl zurück und schaue zu Maxim, der mir gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzt. »Er muss diesen Monat noch zwei zusätzliche Lieferungen organisieren.«

»Er hat die Lieferungen für das ganze Quartal schon mit Mendoza ausgehandelt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Mexikaner die Menge so kurzfristig verdoppeln können.«

»Das werden sie tun. Und jetzt erzähl mir verdammt noch mal, was los ist. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck leider viel zu gut und weiß jetzt schon, dass mir die Antwort nicht gefällt.«

»Samuel Grey hat drei Millionen Dollar hinterzogen. Von unserem Geld.« Seufzend schüttle ich den Kopf. »Wer ist Samuel Grey, wieso hatte er überhaupt Zugang zu unserem Geld und wie zum Teufel hat er das angestellt?«

»Er ist unser Immobilienmakler. Das Geld war dazu gedacht, zwei weitere Hallen neben dem nördlichen Lager zu kaufen. Grey dachte, er könnte sich das Geld für eine Woche ausleihen, um es zu investieren. Aber das Investment hat sich als Schneeballsystem herausgestellt.«

Was für ein Idiot muss man sein, um der Bratva Geld zu stehlen? Manchmal staune ich wirklich über die Dummheit einiger Leute.

»Kann er es zurückzahlen?«, frage ich.

»Nein.«

»Dann legt ihn um. Und statuiert ein Exempel an ihm.«

»Ich hatte etwas anderes im Sinn. Die Leute … Sie fangen an zu reden, Roman. Wir brauchen eine Ablenkung, und zwar schnell. Und ich glaube, Grey kann uns genau die richtige Ablenkung liefern.«

»Ach ja? Worüber reden die Leute denn so?« Ich kenne Maxim, seit er vor zwei Jahrzehnten als Fußsoldat bei meinem Vater angefangen hat. Der alte Pakhan war nie besonders gut darin, das Potenzial seiner Leute richtig einzuschätzen. Einen so fähigen Mann wie Maxim zu simpler Feldarbeit zu verdonnern, war nur einer der vielen Fehler, die ich vor zwölf Jahren korrigieren musste. Als ich der Pakhan wurde. Unmittelbar, nachdem ich den alten Bastard umgelegt hatte.

»Über dich. Und darüber, dass du immer noch nicht verheiratet bist.«

Also nichts Neues. »Das ist doch nicht alles, oder? Worüber reden sie noch?« Ich kneife die Augen zusammen und starre Maxim an. Er erwidert meinen Blick nicht und schaut stattdessen an die Wand hinter mir. »Es gibt Gerüchte, dass du nicht mehr lange in der Lage sein wirst, die Bratva anzuführen. Und dass jemand anderes deine Position einnehmen wird. Jemand, der … körperlich fähiger ist.«

»Und? Teilst du diese Meinung?«

»Beleidige mich nicht, Roman. Du weißt, dass ich immer hinter dir gestanden habe, und das werde ich auch weiterhin tun. Selbst wenn ich nicht wüsste, dass du der fähigste Pakhan bist, den die Bratva je hatte. Aber du verkriechst dich jetzt schon seit drei Monaten hier drin. Du warst in keinem einzigen Club, um nach dem Rechten zu sehen. Vor der Explosion hast du das mindestens einmal im Monat gemacht. Und man hat dich auch kein einziges Mal mit einer Frau gesehen.«

»Also ist der Zustand meines Sexlebens ein besserer Indikator für meine Fähigkeit, die Bratva anzuführen, als die Tatsache, dass wir in den letzten beiden Monaten unseren Profit verdoppelt haben?«

»Die Leute brauchen ein Gefühl von Stabilität, Roman. Sie erinnern sich immer noch an das Chaos, nachdem dein Vater die Geschäfte vom vorherigen Pakhan übernommen hatte. Die Bratva hat mehr als fünfzig Leute bei internen Grabenkämpfen verloren und die Geschäfte gingen den Bach runter. Sie müssen wissen, dass sich das nicht wiederholt. Mit einer Ehefrau gibt es auch einen Erben, der darauf vorbereitet wird, deinen Platz einzunehmen. Sobald die Zeit dazu gekommen ist. Und zwar ohne, dass ein interner Krieg ausbricht und Leute sterben müssen.«

»Ich werde mich nicht bis an mein Lebensende an irgendeine Frau binden, nur um Ruhe in unsere Reihen zu bringen.«

»Warte, ich zeig dir mal was.« Maxim zieht sein Handy heraus und scrollt darauf herum. »Meine Tochter ist mit Samuels Tochter zur Schule gegangen. Sie waren nicht die dicksten Freundinnen, aber sie sind oft zusammen ausgegangen. Ich habe mich an ein Video erinnert, das sie mal von ihr aufgenommen hat. Und als ich gestern Abend von Samuel Greys Betrug gehört habe, habe ich sie gebeten, es mir zu schicken.«

»Was zur Hölle haben irgendwelche Videos von irgendwelchen Teenagern mit meiner Fähigkeit zu tun, die Bratva anzuführen?«

»Na ja, sie ist kein Teenager mehr. Nina Grey hat gerade ihr Studium am Kunstinstitut hier in Chicago absolviert. Sie hat nur zwei Jahre dafür gebraucht statt vier und gilt derzeit als meistgefragte Nachwuchskünstlerin des Landes. Ihre Bilder verkaufen sich für vierstellige Summen.«

»Ja, und? Sollen wir sie jetzt anheuern, damit sie uns ein Familienporträt malt?« Ich zwicke mir in den Nasenrücken. »Du bist noch nicht mal fünfzig. Wirst du etwa vorzeitig senil?«

»Natürlich heuern wir sie nicht für ein Porträt an. Wir erpressen sie. Das Leben ihres Vaters für ihre Dienste.«

»Was für Dienste?«

»Sie soll dich heiraten, Roman. Also, zumindest für eine Weile.«

Ich starre meinen Stellvertreter einige Sekunden lang an, dann breche ich in Gelächter aus. »Du hast doch den Verstand verloren.«

»Ach ja?« Er verschränkt die Arme und lehnt sich zurück. »Was sagt eigentlich der Physio? Zu deinem Bein?«

»Er rechnet damit, dass ich achtzig Prozent seiner Leistungsfähigkeit zurückbekommen werde.«

»Was heißt das?«

»Krücken, im schlimmsten Fall. Im besten Fall reicht ein Gehstock.«

»Das ist gut. Wie lange wird das dauern? Worüber reden wir hier? Einen Monat?«

Ich schaue ihm fest in die Augen und knirsche mit den Zähnen. »Mindestens sechs Monate, mit Physiotherapie.«

»Scheiße, Roman.« Er reibt sich die Schläfen. »So lange können wir nicht warten. Wir brauchen jetzt eine Lösung, sonst gibt es Aufstände.«

Ich schaue aus dem Fenster und stoße einen tiefen Seufzer aus. Meistens hat Maxim recht. »Du willst mir also sagen, dass ich entweder zwei funktionsfähige Beine brauche oder eine Ehefrau? Es wird noch dauern, bis ich wieder laufen kann, Maxim.«

»Ja, und genau deshalb besorgen wir dir eben eine Ehefrau, bis du es wieder kannst.«

»Das ist doch lächerlich. Ich kann nicht irgendeine Frau, die ich überhaupt nicht kenne, dazu erpressen, sechs Monate lang meine Ehefrau zu spielen. Schon gar nicht eine, die bisher keinerlei Verbindung zu unserer Welt hatte. Wahrscheinlich wäre sie zu Tode verängstigt. Und dann kauft uns das Ganze sowieso keiner mehr ab.«

»Guck dir das hier mal an.« Maxim drückt mir sein Handy in die Hand.

Das Video ist körnig, wahrscheinlich, weil es schon ein paar Jahre alt ist. Aber die Belichtung ist in Ordnung und ich erkenne einen Raum, in dem mehrere Teenager im Halbkreis sitzen, mit den Rücken zur Kamera. Die einzige Person, deren Gesicht man sieht, ist ein dunkelhaariges Mädchen, das im Schneidersitz vor dem Publikum hockt. Die Kamera zoomt heran und fokussiert ihre elfenhaften Gesichtszüge und ihre großen dunklen Augen. Ich frage mich, wie sie wohl heute aussieht.

»Kannst du Mrs. Nolan nachmachen?«, fragt jemand aus dem Halbkreis. »Wenn sie über ihre Katzen redet?«

»Schon wieder?« Die junge Nina Grey stöhnt. »Wie wäre es mal mit was Neuem? Irgendein Politiker oder so was?«

Ein kollektiver Laut der Missbilligung ertönt und mehrere Teenager rufen: »Mrs. Nolan!« Die junge Nina schüttelt den Kopf, dann lächelt sie und schließt ihre Augen. Als sie sie einige Sekunden später wieder öffnet und anfängt zu sprechen, ziehe ich das Telefon ehrfürchtig näher zu mir.

Sie redet, aber ich achte gar nicht auf ihre Worte. Stattdessen bin ich völlig hingerissen von ihrer Mimik, der Art, wie ihr rechtes Auge leicht zuckt, wenn sie spricht, und von der Art und Weise, wie sie die Worte betont. Sie wirkt auf einmal wie eine komplett andere Person.

»Wie alt ist sie in diesem Video?«, frage ich, ohne meinen Blick vom Display zu lösen.

»Vierzehn. Wahnsinn, oder?«

Im Video ruft jemand einen anderen Namen und zeigt auf ein Mädchen am Ende des Halbkreises. Nina Grey lacht, schließt konzentriert die Augen und beginnt mit einem neuen Akt. Und wieder verwandeln sie ihre Körperhaltung, ihre Mimik und die Art, wie sie beim Sprechen die Hände bewegt, in eine komplett andere Persönlichkeit. Das Mädchen am Rand beobachtet sie, lacht und schlägt sich die Hände vors Gesicht. Nina ahmt ihre Bewegungen bis ins kleinste Detail nach, sogar die sanft bebenden Schultern des Mädchens, wenn sie lacht. Ich glaube nicht, dass ich so etwas schon einmal irgendwo gesehen habe.

Ich schaue hoch und Maxim grinst zufrieden. »Wie du siehst, dürfte sie kein Problem damit haben, den Leuten alles vorzugaukeln, was du von ihr verlangst.«

»Du meinst das also wirklich ernst?« Ich finde seine Idee immer noch völlig idiotisch.

»Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen, Roman. Wir müssen die Gerüchteküche ausschalten, und zwar so schnell wie möglich.«

»Also gut, wenn das so ist. Dann eben eine Ehefrau.« Ich klappe den Laptop zu. »Verdammte Scheiße …«

 

 

Nina

 

 

Ich werfe meine Tasche auf einen Sessel und schaue mich im Wohnzimmer um. Es ist ein paar Monate her, seit ich das letzte Mal hier war, aber so wie es aussieht, hat sich auch nichts verändert. Dieselben weißen Vorhänge und Teppiche, dieselben weißen und beigefarbenen Möbel, dieselben kahlen weißen Wände. So viel Weiß – es sieht fast steril aus, das habe ich schon immer gehasst. Kein Wunder, dass ich mir von meinem ersten selbstverdienten Geld sofort ein eigenes Apartment gemietet habe, um dieser Tristesse zu entkommen.

»Ich bin zu Hause!«, rufe ich.

Wenige Sekunden später höre ich klackernde Absätze. Meine Mutter kommt aus der Küche und stürmt auf mich zu, die Hände in die Hüften gestemmt. Zara Grey ist das komplette Gegenteil von mir – groß und blond, sorgfältig geschminkt und in ein perfekt gebügeltes Kleid gezwängt. Ein weißes Seidenkleid. Ich möchte schreien.

»Du bist drei Stunden zu spät! Ich habe dir doch gesagt –« Sie hält mitten im Satz inne. »Du lieber Himmel, was hast du dir bloß angetan?«

»Könntest du dich etwas präziser ausdrücken?«

»Das Metallding in deiner Nase.«

»Das nennt man Piercing, Mom.«

»Das ist ungesund, Nina. Und wenn dein Vater dich so sieht, bekommt er einen Herzinfarkt.«

»Ich bin vierundzwanzig und kann mit meinem Körper machen, was ich will. Außerdem habe ich das Ding schon seit Jahren. Ich nehme es nur eigentlich immer raus, bevor ich herkomme, damit ihr mich nicht damit nervt. Habe ich heute leider vergessen.«

»Und wieso bist du ganz in Schwarz? Ist jemand gestorben?«

Ein paar von meinen Gehirnzellen, so viel steht fest.

»Ich habe diesen Monat meine dunkle Phase«, erkläre ich achselzuckend.

Meine Mom liebt solche Klischees. Ich schätze, sie fühlt sich damit sicherer, vor allem in meiner Nähe. Mit meiner Berufswahl kann sie immer noch nichts anfangen. Vielleicht wäre es leichter für sie, wenn ich Blumenbilder oder niedliche Rehe malen würde. Ich frage mich, was sie wohl zu meinem neuesten Kunstwerk sagt. Es ist noch nicht ganz fertig, aber Blumen oder Rehkitze sind definitiv nicht vorgesehen.

»Warum musst du immer so seltsam sein?«

»Das kommt super an bei Typen.« Ich grinse. »Männer lieben seltsame Frauen.«

»Da bin ich mir nicht so sicher, Liebling.«

Gott, sie versteht nicht einmal meinen Sarkasmus.

»Als Dad angerufen hat, meinte er, es wäre dringend. Wo ist er?«

»Im Arbeitszimmer. Er ist seit ein paar Tagen völlig außer sich. Ich schätze, es hat etwas mit seiner Arbeit zu tun, aber er will mir nichts sagen. Es wirkt fast so, als hätte er … Angst vor irgendetwas.«

Mein Vater ist im Immobiliengeschäft tätig. Da dürfte es nicht allzu viele Dinge geben, vor denen man Angst haben müsste. Ich gehe links den Flur entlang und klopfe an die Tür des Arbeitszimmers, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wie drastisch sich mein Leben verändern wird, sobald ich eingetreten bin.

 

 

 

 

 

Eine halbe Stunde später sitze ich in einem Sessel in der Ecke des Arbeitszimmers und starre meinen Vater mit offenem Mund an. »Soll das ein Witz sein?«

»Leider nicht.« Er lässt die Schultern hängen und fährt sich durch sein ergrauendes Haar.

»Okay, lass mich das noch mal zusammenfassen. Du hast den Russen Geld gestohlen und es verloren, deshalb bittest du mich jetzt, den Boss eines russischen Mafia-Clans zu heiraten.«

»Ich habe nichts gestohlen, Nina.« Er wirft die Hände in die Luft, steht auf und läuft hinter seinem Schreibtisch auf und ab. »Ich habe es nur für ein paar Tage ausgeliehen, weil ich es für so einen Deal brauchte. Ich konnte doch nicht ahnen, dass der Typ ein Betrüger ist und einfach mit dem ganzen Geld verschwindet.«

»Du hast das Geld also nur geliehen, kannst es aber jetzt nicht mehr zurückzahlen. Wie zur Hölle bist du überhaupt dazu gekommen, dich mit der Russenmafia abzugeben? Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Dad?«

»Rede nicht so mit mir!« Er zeigt anklagend mit dem Finger auf mich. »Ich bin dein Vater!« »Du bittest mich gerade darum, einen Kriminellen zu heiraten, um dir damit den Arsch zu retten, verdammt noch mal. So gesehen habe ich wohl jedes Recht dazu, alles zu sagen, was ich will.«

»Nina …«

»Sie erwarten, dass ich ihren Boss heirate? Ich meine, ernsthaft?«

»Nur vorübergehend.« Er winkt ab, als wäre es keine große Sache.

»Aber wieso? Stehen nicht irgendwo längst alle möglichen Mafia-Töchter Schlange und warten nur darauf, den Typen zu heiraten? Das wäre doch ein Traum für die, oder nicht? Wieso ich?«

»Das haben sie nicht gesagt. Diese Leute erklären sich nicht. Sie sagen einem, was man zu tun hat, und wenn man es nicht tut, ist man tot.«

»Du glaubst also ernsthaft, dass sie dich töten würden?«

»Ja. Es überrascht mich eher, dass sie es nicht längst getan haben.« Er bleibt stehen und wendet sich mir zu. »Wenn du nicht tust, was sie verlangen, werde ich sterben.«

Ich hole tief Luft und fahre mir durch die Haare. Dann massiere ich mir die Schläfen, als könnte das dabei helfen, eine Lösung für diese ganze Scheiße zu finden. Ich werde ganz sicher niemanden heiraten, weder in echt noch vorgetäuscht. »Okay, lass uns mal nachdenken. Es muss eine Möglichkeit geben, das hier zu klären. Ich hab ein bisschen was gespart, so fünfzigtausend vielleicht. Nächsten Monat habe ich noch eine Ausstellung. Wenn ich es hinkriege, alle fünfzehn Bilder zu verkaufen, sind das vielleicht noch mal zwanzigtausend. Wie viel Geld könntest du für das Haus bekommen?«

»Achtzigtausend vielleicht. Neunzig, wenn wir die Möbel mitverkaufen. Und zehn für das Auto.«

»Gut. Damit hätten wir so ungefähr hundertsiebzigtausend. Reicht das? Wie viel schuldest du denen denn?«

»Drei Millionen.«

Offenbar habe ich gerade einen kleinen Schlaganfall erlitten, denn das, was ich gehört habe, kann er auf gar keinen Fall wirklich gesagt haben. »Könntest du das bitte wiederholen?«

»Ich schulde ihnen drei Millionen Dollar.«

Ich starre ihn mit offenem Mund an. »Großer Gott, Dad!«

Dann beuge ich mich vor und lege meine Stirn auf die Knie, um meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich bin überhaupt kein Heiratsmaterial – und niemand, der halbwegs bei klarem Verstand ist, würde irgendwem drei Millionen Dollar für sechs Monate Ehe anbieten. Es muss einen Haken geben.

»Er ist um die neunzig, oder?«, murmele ich gegen meine Knie.

»Ich weiß nicht, wie alt ihr Pakhan ist, aber ich glaube, noch nicht neunzig.«

»Dann eben achtzig. Das ist natürlich viel besser.« Gleich wird mir schlecht.

»Sie haben gesagt, es ginge nur um eine Ehe auf dem Papier. Du wirst nicht mit ihm … du weißt schon.«

»Mit ihm schlafen müssen? Na ja, wenn er achtzig ist, kann er wahrscheinlich sowieso nicht mehr. Das ist ja schon mal gut. Also, achtzig ist doch super.«

»Nina, ich … Es tut mir so leid. Wenn du es nicht machen möchtest, ist das auch okay. Ich finde schon irgendeine andere Lösung.«

Ich richte mich wieder auf und schaue meinen Vater an, der zusammengesunken auf seinem Stuhl sitzt. Sein Haar ist wirr und seine Augen sind blutunterlaufen. Plötzlich sieht er ganz alt und zerbrechlich aus.

»Sofern du nicht vorhast, zur Polizei zu gehen, kann man wohl nichts anderes machen, oder?«, frage ich.

»Du weißt, dass ich nicht einfach zur Polizei gehen und die russische Mafia anzeigen kann. In dem Fall würden sie uns alle töten.«

Natürlich würden sie uns alle töten. Ich schließe meine Augen und seufze. »Okay. Ich mach’s.«

Mein Vater mustert mich ein paar Sekunden lang, dann vergräbt er sein Gesicht in den Händen und fängt an zu weinen. Das würde ich auch gern tun, aber es ändert ja nichts.

»Ich schätze, sie werden noch ein Treffen oder so was arrangieren, damit wir die Einzelheiten besprechen können?«

»Das haben sie bereits. Wir haben in einer Stunde einen Termin mit dem Pakhan.«

Ich schaue meinen Vater an und fahre mir durch die Haare. »Perfekt. Ich gehe nur noch schnell ins Bad und kotze mein Mittagessen wieder aus, dann treffen wir uns in fünf Minuten an der Haustür.«

 

Kapitel 2

 

Roman

 

Eine junge Frau bringt meinen Drink, stellt ihn vor mir auf den Tisch, macht auf dem Absatz kehrt, ohne auch nur einmal hochzuschauen, und eilt zurück in die Küche. Ich sehe mich um und registriere die schmutzigen Tischdecken und die nicht zueinander passenden Stühle. Der Laden ist eine Bruchbude. Das Restaurant wurde letzten Monat geschlossen, deshalb habe ich es für dieses Treffen ausgewählt. Das Schrillen eines Telefons zerreißt die Stille.

»Sie sind da«, sagt Maxim hinter mir. »Sie ist mit ihrem Vater gekommen.«

»Lass das Mädchen rein. Der Vater soll draußen warten.«

Ich nippe an meinem Whiskey und richte meinen Blick auf die Glastür am anderen Ende. Jemand klopft und mein Mitarbeiter neben der Tür lässt das Mädchen eintreten.

Aus irgendeinem Grund hatte ich sie mir größer vorgestellt, aber sie ist ein winziges Ding. Ihr langes mitternachtsschwarzes Haar ist zu zwei dicken Zöpfen geflochten, und wenn ihre Brüste nicht wären, könnte sie glatt als Teenager durchgehen. Sie ist sogar wie einer gekleidet – zerrissene schwarze Jeans, ein schwarzer Kapuzenpulli und diese schwarzen Boots, die ich mal bei solchen Emo-Kids gesehen habe.

Ich schließe für eine Sekunde meine Augen und schüttle den Kopf. Das hier wird niemals funktionieren. Gerade will ich Maxim befehlen, sie wieder wegzuschicken, als sie mir ihr Gesicht zuwendet. Und dann ersterben die Worte auf meinen Lippen, ehe ich sie aussprechen kann.

Sie hat noch die gleichen Gesichtszüge wie im Video, aber ihr Gesicht hat die runden Wangen und das Kindliche verloren. Anstelle eines niedlichen Teenagermädchens steht dort eine unfassbar schöne Frau. Sie schaut mich mit einem Ausdruck an, in dem so etwas wie Wut mitschwingt. Ihr Blick verhakt sich mit meinem und sie hebt fragend eine perfekt geschwungene, schwarze Augenbraue.

»Miss Grey«, sage ich und deute auf den leeren Stuhl auf der gegenüberliegenden Tischseite. »Bitte, setzen Sie sich.«

Ich warte darauf, dass sie den Kopf senkt, vielleicht sogar zusammenzuckt, aber sie wirkt kein bisschen irritiert von der Situation. Stattdessen tritt sie näher, ohne dabei ihren Blick von meinem zu lösen. Sie setzt sich nicht wie von mir bestimmt auf den Stuhl, sondern bleibt vor mir stehen und mustert mich von oben bis unten. Ich beobachte ihr Gesicht, um auf ihre Reaktion zu achten, wenn sie den Rollstuhl bemerkt. Doch es gibt keine.

»Sie sind nicht der, den ich erwartet habe, Mr. Petrov«, sagt sie, und eins muss ich ihr lassen – das Mädchen hat Eier.

»Inwiefern, Miss Grey?«

»Ich dachte, Sie wären schon achtzig.« Sie verzieht ihre Lippen zu einem Grinsen.

Ist sie wirklich so entspannt und gelassen, oder soll das eine von ihren Shows sein? Wenn es eine ist, macht sie ihre Sache verdammt gut.

»Ich bin fünfunddreißig.« Ich nippe an meinem Glas. »Jetzt, wo wir das geklärt haben, lassen Sie uns über das Geschäftliche reden. Hat Ihr Vater Ihnen erklärt, was ich von Ihnen erwarte?«

»Hat er. Und ich habe noch ein paar Fragen.« Sie nimmt einen ihrer Zöpfe in die Hand und wickelt ihn sich um den Finger. Anscheinend ist sie doch nicht ganz so gelassen, wie sie vorgibt. »Und da es sich hier um eine Geschäftsbeziehung handelt, habe ich eine Bedingung.«

»Sie sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen, Miss Grey. Aber nur raus damit.«

»Sie lassen meinen Vater in Ruhe. Diese … Geschäftsbeziehung wird sich nur zwischen uns beiden abspielen. Aber mein Vater ist aus dem Spiel.«

»Ich denke darüber nach. Und jetzt lassen Sie mich noch Ihre Fragen hören.«

»Wozu brauchen Sie eine Schein-Ehefrau?«

»Das geht Sie nichts an. Und die Ehe wird auch keine Scheinehe sein. Nächste Frage.«

Sie kneift die Augen zusammen und sieht mich an. »Was passiert nach sechs Monaten?«

»Sie erhalten die Scheidungspapiere und machen sich vom Acker.«

»Wie ist das mit der Hochzeit geplant? Unterschreiben wir einfach nur ein Dokument?«

Ich lehne mich zurück und betrachte sie. »Wir müssen hier ein paar Dinge klarstellen, Miss Grey. Ich brauche eine Ehefrau, und zwar nicht nur auf dem Papier. Falls irgendjemand auch nur den Verdacht hegt, dass wir nicht total ineinander verliebt sind und diese Ehe nur eine Scharade ist, ist Ihr Vater tot. Und Sie werden ihm folgen.«

Sie blinzelt und sieht mich irritiert an. »Sie erwarten, dass wir sechs Monate lang zusammenleben?«

»Selbstverständlich. Wie sollten uns die Leute diese Ehe sonst abkaufen?«

Es sieht so aus, als würde sie endlich doch etwas nervös werden, denn sie steht nur da und sieht mich mit großen Augen an, ohne einen Ton zu sagen. Und ich vermute, es gibt nicht so viele Dinge, die Nina Grey sprachlos machen.

»Am Samstag findet eine Party statt«, fahre ich fort. »Sie werden zusammen mit Ihrem Vater daran teilnehmen. Wir lernen uns dort kennen und verknallen uns total ineinander. Ich werde Sie an diesem Abend mit zu mir nach Hause nehmen und wir werden mein Zimmer zwei Tage lang nicht verlassen.«

»Erwarten Sie, dass ich Sex mit Ihnen habe?«

Sie sagt es so nüchtern, als würde sie nach dem Wetterbericht fragen, aber ich erkenne sie in ihren Augen – die unterdrückte Panik. Ziemlich sicher würde es sonst niemand bemerken, weil sie äußerlich so unglaublich gefasst wirkt. Aber ich versetze Menschen sehr regelmäßig in Angst und Schrecken und sehe es daher ganz deutlich. Sie ist völlig verängstigt.

»Nein«, sage ich und entscheide mich dann, sie noch ein wenig mehr aus der Fassung zu bringen. »Es sei denn, Sie möchten es gerne.«

»Vielen Dank für das Angebot, Mr. Petrov, aber ich fürchte, das muss ich ablehnen.« Sie lässt ihren Zopf los und schiebt ihre Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans.

Obwohl ich natürlich damit gerechnet hatte, dass sie Nein sagen würde, trifft mich ihre Antwort aus irgendeinem Grund.

»Und was machen wir zwei Tage lang in Ihrem Zimmer, Mr. Petrov?« »Die anderen sollen natürlich glauben, dass wir sehr, sehr viel Sex haben. Tatsächlich können Sie tun und lassen, was Sie wollen.« Ich wedle mit der Hand. »Netflix gucken, Kreuzworträtsel lösen … Ist mir egal. Ich arbeite sowieso die ganze Zeit.«

»Reizend. Und was passiert nach den zwei Tagen Sexmarathon?«

»Sie rauben mir den Verstand. Wir heiraten ein paar Wochen später. Danach spielen Sie Ihre Rolle als total verliebte Ehefrau.« Ich zucke die Achseln. »Was Sie in Ihrer Freizeit tun, ist Ihre Sache, solange Sie Ihre Rolle als Ehefrau erfüllen.«

»Und dann? Das ist alles?«

»Das ist alles.«

»Und Sie glauben ernsthaft, dass uns irgendjemand dieses … Theater abkauft?«

»Nun, das hängt ganz von Ihnen ab, Miss Grey. Immerhin geht es um das Leben Ihres Vaters.«

»Und was ist mit Ihnen? Können Sie Ihre Rolle überhaupt spielen?«

»Welche Rolle?«

»Die des Mannes, der bis über beide Ohren in seine Frau verknallt ist.«

»Das werden Sie schon sehen.« Ich muss lächeln. »Also, haben wir einen Deal, Miss Grey?«

Beinahe kann ich sehen, wie sich die Zahnrädchen in ihrem Kopf drehen – wie sie die Optionen abwägt, die Vor- und Nachteile, nach einem Ausweg sucht. Doch es gibt keinen, und das wissen wir beide. Dann erwische ich genau den Moment, in dem sie die Situation akzeptiert – nur eine winzige Verhärtung ihres Kiefers, als sie die Backenzähne aufeinanderbeißt.

»Wir haben einen Deal, Mr. Petrov.«

 

 

 

Nina

 

 

Der Abend ist ungewöhnlich warm, aber mir ist immer noch eiskalt, als ich das Restaurant verlasse. Mein Vater zerrt mich ungeduldig am Arm zum Auto. Auf dem Weg stellt er mir lauter Fragen, ich kann mich jedoch nicht auf seine Worte konzentrieren. Ich öffne die Beifahrertür und setze mich. Meine Beine zittern. Anscheinend ist mir das Adrenalin ausgegangen und ich spüre jetzt die Nachwirkungen.

Noch nie zuvor hatte ich so viel Angst wie in dem Moment, als ich das Restaurant betreten habe. Ich hatte mich gefragt, ob sie wohl ihre Meinung geändert und entschieden hatten, uns einfach zu töten. Es hat meine gesamte Selbstkontrolle erfordert, vor diesem Raubtier von einem Mann so ruhig und gelassen zu tun. Ein paarmal wäre sie mir fast entglitten. Aber wenn er auch nur für einen Moment gedacht hätte, dass ich sein Spielchen nicht durchhalten könnte, wären mein Vater und ich so gut wie tot gewesen. Mit dem Rollstuhl konnte er mich nicht hinters Licht führen. In dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, wusste ich genau, mit wem ich es hier zu tun habe – mit einem eiskalten Killer.

Roman Petrov. Ich dachte, er wäre so ein alter Typ mit Bierbauch und Geheimratsecken. Sonst müsste er wohl kaum eine Frau erpressen, damit sie ihn heiratet. Aber damit lag ich völlig falsch.

Während unserer Unterhaltung habe ich mich bemüht, ihm die ganze Zeit in die Augen zu sehen, aber hin und wieder habe ich es geschafft, meinen Blick kurz über ihn huschen zu lassen. Der Mann ist unglaublich attraktiv. Das war sogar bei der spärlichen Beleuchtung mehr als deutlich. Seine Größe konnte ich nicht genau erkennen, weil er saß und ich ihm gegenüberstand, aber wir waren etwa auf Augenhöhe. Er überragt mich also sicherlich um eine Kopflänge. Im Grunde war ich erleichtert, dass er im Rollstuhl saß, auch wenn das nicht gerade nett klingt. Ich habe jedoch ein ernsthaftes Problem mit großen Männern, und der Gedanke, sechs Monate lang mit einem Exemplar davon eingesperrt zu sein, jagt mir eine Heidenangst ein.

»Nina!«, ruft mein Vater. »Hörst du mir überhaupt zu? Was zur Hölle ist da drin passiert? Ich wollte mit reinkommen, aber der Schlägertrupp hat mich nicht gelassen.«

Ich hole tief Luft und betrachte durch die Seitenscheibe die Autos, die an uns vorbeifahren. Dann erkläre ich ihm in Kurzform den Deal, den ich mit dem Anführer der russischen Unterwelt getroffen habe. Allerdings teile ich ihm nur die Grundzüge dieser Ehevereinbarung mit. Je weniger er weiß, desto besser.

»Keinen Ton darüber zu Mom«, sage ich, als wir vor dem Haus halten. »Und tu am Samstag so, als hättest du Petrov noch nie gesehen. Er meinte, wenn irgendwas schiefläuft, ist der Deal geplatzt.«

»Was soll das heißen?«

»Es bedeutet, wenn irgendjemand, Mom eingeschlossen, auch nur den Verdacht hegt, dass ich nicht total verknallt in dieses Arschloch sein könnte, sind wir beide tot.«

 

Kapitel 3

 

Nina

 

Ich betrachte den Stapel mit Kleidern, die ich gerade anprobiert habe, und verspüre den irren Drang, mich auf den kleinen Stuhl neben der Umkleidekabine zu setzen und loszuheulen. Alle Kleider sind für Frauen gemacht, die mit riesigen Brüsten gesegnet und sehr viel größer sind als ich. Bis jetzt sah ich in jedem Kleid lächerlich aus, wie ein kleines Mädchen, das mit den Klamotten ihrer Mutter Verkleiden spielt.

Die ganze Woche über konnte ich an nichts anderes denken als an diese Party und habe mich in alle möglichen Szenarien hineingesteigert, die mich dort erwarten könnten. Jeder einzelne Gedanke war davon eingenommen, sodass ich völlig vergessen habe, mir ein Kleid zu besorgen. Die Erkenntnis kam mir erst heute Morgen beim Müsli essen, und ich wäre fast ohnmächtig geworden. Ich habe sowieso ständig Probleme damit, etwas in meiner Größe zu finden, aber innerhalb von nur wenigen Stunden ein Kleid für eine schicke Party zu kaufen, erschien mir als ein Ding der Unmöglichkeit.

Inzwischen geht mein fruchtloser Shoppingtrip in die fünfte Stunde und ich habe immer noch nichts gefunden, das auch nur im Entferntesten für eine glamouröse Veranstaltung geeignet wäre. Ich liebe elegante Kleider, aber es hat mich jedes Mal so frustriert, wenn ich mir etwas kaufen wollte, dass ich es aufgegeben und mich auf Alltagsklamotten beschränkt habe. Niemals würde ich zugeben, dass ich meistens in der Teenagerabteilung einkaufe. Den Etiketten nach bin ich also vierzehn Jahre alt. Heute Abend würde ich allerdings sogar lieber in Jeans gehen als in irgendeinem Kleid aus der Abschlussballabteilung.

Mein Handy klingelt. Ich fische es aus der Tasche meiner Jeans, die auf einem Stuhl liegt, und studiere die mir unbekannte Nummer auf dem Display. Vielleicht hat sich jemand verwählt. Ich lege das Handy auf meine gefaltete Jeans und lasse es klingeln. Dann nehme ich das letzte Kleid, das ich noch anprobieren wollte. Es ist ein wunderschönes Ding aus grüner Seide und würde umwerfend aussehen … an jemand anderem. Ich muss es nur ansehen und weiß, dass die Taille viel zu tief an mir sitzen wird, eher auf Hüfthöhe. Das Handy klingelt wieder, derselbe Anrufer. Ich drücke ihn weg, doch es dauert keine Minute, bis erneut angerufen wird. Mann, wer ist denn da so hartnäckig? Wahrscheinlich hört er nie auf, also beende ich das Theater lieber mal.

»Ja?«, schnauze ich und klemme mir das Handy zwischen Ohr und Schulter, um das grüne Kleid aufzuknöpfen. Vielleicht sieht es ja doch nicht so schlimm aus.

»Miss Grey«, antwortet eine sonore Stimme, und das Kleid rutscht mir aus den Händen. »Ich wollte mich vergewissern, dass auf Ihrer Seite alles nach Plan läuft.«

»Absolut, Mr. Petrov. Warum fragen Sie?«

»Weil Maxim gerade angerufen und mir mitgeteilt hat, dass Sie seit fast einer Stunde in einer Umkleidekabine in irgendeinem Laden sitzen.«

Was zur …? Ich greife nach der schweren Gardine, um die Umkleide sofort zu verlassen, als mir einfällt, dass ich nur Unterwäsche anhabe. Verdammt!

»Verfolgen Sie mich etwa?«, flüstere ich wütend ins Handy.

»Genauer gesagt verfolgt Maxim Sie. Ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass Sie verschwinden, ohne unsere Vereinbarung einzuhalten.«

Ich hebe das grüne Kleid auf und ziehe es an. »Ich verschwinde nirgendwohin. Ich versuche nur gerade, ein Kleid für Ihre verdammte Party zu finden. Sie können Ihren Stalker also wieder zurückpfeifen, Mr. Petrov.«

Ich drehe mich zum Spiegel um, schaue auf mein Spiegelbild und stöhne. Ein ganz fettes Nein für das grüne Kleid.

»Sie haben noch kein Kleid?

---ENDE DER LESEPROBE---