Burning for You - Kaye Kennedy - E-Book
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Burning for You E-Book

Kaye Kennedy

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Beschreibung

Manchmal ist die erste Liebe beim zweiten Mal besser.

Kyle Hogan war vier, als er Allie traf. Vierzehn, als er merkte, dass er in sie verliebt war. Achtzehn, als er es ihr endlich sagte. Dann sah er sie nie wieder Bis jetzt. Viele Jahre war sie fort, doch sein Herz konnte sie nie vergessen. Nun ist sie zurück in der Stadt und Kyle weiß nur eines: noch einmal lässt er sie nicht gehen …

Allie Dupree wollte nie wieder nach New York zurückzukehren. Doch sie konnte nicht ertragen, dass ihr Ex-Mann eine neue Familie gründet, kaum dass sie geschieden waren. Es war ja mehr als unwahrscheinlich, dass sie in dieser anonymen Großstadt auf Kyle Hogan trifft. Aber natürlich passiert genau das. Kyle will Antworten und die kann ihm Allie nicht geben. Was vor sechzehn Jahren passierte, hat ihr Leben von jetzt auf gleich verändert und es muss ein Geheimnis bleiben. Sie darf nicht zulassen, dass es nun auch Kyle zerstört …

Teil der großen Burning for the Bravest Serie über die mutigsten und toughsten Feuerwehrmänner von New York City. Fans von Claire Kingsley und Whitley Cox werden diese Serie lieben!
Alle Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 424

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Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Manchmal ist die erste Liebe beim zweiten Mal besser.

Kyle Hogan war vier, als er Allie traf. Vierzehn, als er merkte, dass er in sie verliebt war. Achtzehn, als er es ihr endlich sagte. Dann sah er sie nie wieder. Bis jetzt. Viele Jahre war sie fort, doch sein Herz konnte sie nie vergessen. Nun ist sie zurück in der Stadt und Kyle weiß nur eines: noch einmal lässt er sie nicht gehen …

Allie Dupree wollte nie wieder nach New York zurückzukehren. Doch sie konnte nicht ertragen, dass ihr Ex-Mann eine neue Familie gründet, kaum dass sie geschieden waren. Es war ja mehr als unwahrscheinlich, dass sie in dieser anonymen Großstadt auf Kyle Hogan trifft. Aber natürlich passiert genau das. Kyle will Antworten und die kann ihm Allie nicht geben. Was vor sechzehn Jahren passierte, hat ihr Leben von jetzt auf gleich verändert und es muss ein Geheimnis bleiben. Sie darf nicht zulassen, dass es nun auch Kyle zerstört …

Teil der der großen Burning for the Bravest Serie über die mutigsten und toughsten Feuerwehrmänner von New York City. Fans von Claire Kingsley und Whitley Cox werden diese Serie lieben! Alle Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Kaye Kennedy

Kaye Kennedy stammt ursprünglich aus New York, lebt aber jetzt an der Küste Floridas mit ihrem Hund Zeus. Tagsüber leitet sie als CEO erfolgreich ihr eigenes Unternehmen und nachts widmet sie sich ihrer großen Leidenschaft: dem Schreiben von Büchern. Wenn sie sich nicht gerade neue Geschichten ausdenkt, paddelt sie gerne, liest am Strand, besucht eine Brauerei oder reist durch die Welt.

Cécile Lecaux ist Diplom-Übersetzerin und Autorin. Sie lebt in der Nähe von Köln.

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Kaye Kennedy

Burning for You – Kyle

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Cécile Lecaux

Für meine wundervollen Patentanten

Ich danke euch für eure unermüdliche Unterstützung. Ihr steht mir in jeder Lebenslage unerschütterlich zur Seite, wie verrückt meine Entscheidungen auch manchmal sein mögen. Ich liebe euch beide aus tiefstem Herzen.

Anmerkung der Autorin

Ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, dass Sie beschlossen haben, Kyles und Allies Liebesgeschichte zu lesen. Diesem Band aus der Serie haben meine Leserinnen, mein Herausgeber und sogar ich bisher am meisten entgegengefiebert. Ich bin zuversichtlich, dass diese Geschichte Ihre Erwartungen erfüllen, wenn nicht sogar übertreffen wird.

Dieses Buch hat mich an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht! Ich habe beim Schreiben ebenso viel geweint wie gelacht, und ich war todtraurig, als das letzte Kapitel anstand, weil ich mich nur schwer von meinen Protagonisten trennen konnte. Sie können sich auf ein Wiedersehen mit Kyle und Allie in den zukünftigen Bänden freuen.

Diese Geschichte hat mir bisher am meisten Spaß gemacht, und sie hat mich gleichzeitig auch am meisten aufgewühlt. Ich spreche hier von dicken Krokodilstränen, die mich nachts wachgehalten haben. Die inneren Kämpfe der Figuren haben mich sehr berührt, aber es ist auch eine sehr schöne Geschichte, die davon zeugt, dass Tragödien auch stark machen können. Das macht dieses Buch sehr berührend.

Und ich will gar nicht erst davon anfangen, wie sehr ich Kyle liebe. Ich wünschte, es gäbe ihn wirklich und ich wäre Allie … seufz (sorry, Hubby). Die beiden sind beileibe nicht perfekt, aber sie sind perfekt füreinander. Glauben Sie mir: Wir könnten alle einen Kyle in unserem Leben brauchen.

Ganz ehrlich, es wird mir schwerfallen, dieses Buch zu toppen, aber ich stelle mich der Herausforderung!

Sofern es Ihnen noch nicht bekannt sein sollte: Ich war selbst in einem früheren Lebensabschnitt bei der Feuerwehr, bis ich in Ausübung meines Berufs einen Unfall erlitt, der meiner Laufbahn als Feuerwehrfrau ein Ende setzte. Ich war in meiner Familie in der dritten Generation bei der Feuerwehr. Mein Vater ist Chief im Ruhestand, und ich habe mir vorgenommen, mich niemals mit einem Feuerwehrmann einzulassen … um mich dann doch in meinen Lieutenant zu verlieben.

Nach sieben gemeinsamen Jahren haben sich unsere Wege getrennt, aber ich habe in dieser Zeit umfangreiche Einblicke in die Interna des FDNY (New York City Fire Department) gewonnen. Als ich dann beschlossen habe, zu schreiben, stand für mich sofort fest, dass ich aus meinem Erfahrungsschatz schöpfen wollte, und daraus ist dann die Serie Burning for the Bravest entstanden.

Ich wusste, dass ich Abläufe aus dem FDNY und Einsätzen authentisch wiedergeben konnte, da ich selbst an vorderster Front dabei gewesen war. Und das Klischee des sexy Feuerwehrmannes kommt ja auch nicht von Ungefähr nicht wahr? In dieser Serie bleibe ich möglichst nah an der Realität, aber natürlich brauchte es hier und da eine gewisse schöpferische Freiheit zugunsten der Geschichten.

Zwei Kapitel dieses Buches (27 und 43) sind inspiriert von realen Einsätzen in meiner Zeit bei der Feuerwehr. Behalten Sie das im Hinterkopf, vor allem beim Lesen des zweiten dieser beiden Kapitel.

Diese Serie sollte in der richtigen Reihenfolge gelesen werden, da die einzelnen Geschichten aufeinander aufbauen. Deshalb würde ich auch allen, die Band eins, Burning for More, nicht kennen, empfehlen, mit diesem zu beginnen.

Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Orten sind rein zufällig, da es sich um einen fiktiven Roman handelt. Zwar erwähne ich auch gelegentlich tatsächlich existierende Orte, aber alles, was ich in diesem Zusammenhang schreibe, ist meine persönliche, subjektive Wahrnehmung und Meinung und somit nicht allgemeingültig. Außerdem muss sich das, was ich schreibe, nicht eins zu eins mit der Wirklichkeit decken.

Ich hoffe, die Lektüre bereitet Ihnen so viel Freude wie mir das Schreiben.

Herzlichst

Kaye Kennedy

TRIGGERWARNUNG:

In diesem Buch werden ungewollte Kinderlosigkeit, Verlust und Trauer thematisiert

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Prolog

Vergangenheit

Gegenwart

Epilog

Danksagungen

Impressum

Prolog – Allie

Als ich meine Wohnungstür aufschloss, schrie der Wein förmlich nach mir. Was für ein Tag! Eines der Kinder hatte sich eingenässt und eine Pfütze unter dem Tisch hinterlassen. Ich hatte eine Pause eingelegt, so dass die Putzfrau das Malheur beseitigen konnte, und hinterher war es unmöglich gewesen, die ohnehin begrenzte Konzentrationsfähigkeit meiner kleinen Schüler wiederherzustellen. Auch wenn ich es liebte, mit Kleinkindern zu arbeiten, waren diese doch auch Meister darin, meine Geduld auf die Probe zu stellen.

Nach der Arbeit war ich zum Pilateskurs gegangen, der mir wie immer geholfen hatte, meine innere Ruhe wiederzufinden, aber auf der Heimfahrt mit der U-Bahn war es damit auch schon wieder vorbei gewesen. Ich hatte durch meine Social-Media-Konten gescrollt und war auf ein Foto gestoßen, das meine ehemalige Schwägerin gepostet hatte. Mein Ex-Mann und seine deutlich jüngere Frau strahlten in die Kamera, beide Hände auf ihren schwangeren Bauch gelegt. Ein Bild reinster Glückseligkeit.

Zu Hause öffnete ich den Kühlschrank, um die Flasche Chardonnay herauszunehmen, aber dann fiel mir ein, dass ich sie schon am Vorabend geleert hatte. »Verflucht«, schimpfte ich und überlegte, die Hände in die Seiten gestemmt, ob meine Sehnsucht danach, mich auf der Couch einzukuscheln, stark genug war, um auf Wein zu verzichten. Erwähnte ich schon, dass die Frau meines Ex schwanger war?

Ich schnappte mir die Schlüssel und warf noch einen Blick in den Spiegel neben der Tür. Mein schokoladenbraunes Haar war noch zum Pferdeschwanz gebunden. Ich zog das Gummiband heraus und schüttelte die langen Locken aus. Ich hatte dunkle Ringe unter den honigfarbenen Augen, hatte aber keine Lust, mein Make-up aufzufrischen. Stattdessen machte ich mich in Yogahose, Sweatjacke und Sneakern auf zum Spirituosenladen. Gott sei Dank war der Laden nur zwei Blocks entfernt, ich hatte es also nicht weit. Nach sechzehn Jahren in Michigan, musste ich mich an New York erst wieder gewöhnen. Ich war erst vor einem Monat zurückgekehrt, aber es fühlte sich irgendwie richtig an.

Im turbulenten Manhattan konnte man sich leicht in der Menge verlieren, und das war genau das, was ich brauchte, nachdem ich mein Leben in Ann Arbor hinter mir gelassen hatte. New Yorker scherten sich nicht um die fremden Menschen auf der Straße. Sie lächelten einen nicht freundlich an, um sich dann hinterrücks über einen das Maul zu zerreißen. Sicher, es roch nach Abgasen, Abfall und Urin, aber in die üblen Gerüche mischten sich auch die verführerischen Düfte von gerösteten Nüssen, Brezeln und Hotdogs, die ich irgendwie als tröstlich empfand.

Als ich durch die Weinabteilung schlenderte, überlegte ich, ob ich einmal etwas anderes ausprobieren sollte, griff dann aber letztlich doch wieder zum üblichen Chardonnay. Als eine tiefe Stimme meinen Namen rief, kroch mir ein eisiger Schauer den Rücken hinauf. »Allie?«

Nein, nein, nein. Das durfte nicht wahr sein.

Von den drei Millionen Menschen, die sich tagtäglich auf der Insel drängten, war ich ausgerechnet dem einen begegnet, den ich gehofft hatte, niemals wiederzusehen. Das Leben konnte so grausam sein.

Ich blickte auf und wandte mich ihm zu. Mein Mund stand offen, aber ich brachte keinen Ton heraus. Kyle Hogan. Mein bester Freund aus Kindheitstagen, den ich vor sechzehn Jahren auf so rücksichtslose Art abgefertigt hatte, um dann ohne ein Wort der Erklärung von jetzt auf gleich aus seinem Leben zu verschwinden. Die Weinflasche entglitt meiner Hand und landete auf meinem Fuß, aber ich spürte den Schmerz kaum.

Er sah in vielerlei Hinsicht unverändert aus. Er war noch derselbe große, durchtrainierte Bär von einem Mann mit faszinierenden kristallblauen Augen. Er trug das Haar militärisch kurz und hatte Fältchen um die Augen, die von seinen vierunddreißig Jahren zeugten.

Ich musste gegen den Impuls ankämpfen, ihm um den Hals zu fallen und ihm zu sagen, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie leid es mir tat, dass ich damals so sang- und klanglos gegangen war. Da er mich aus eben diesem Grund hassen musste, beherrschte ich mich. »Kyle«, sagte ich gepresst. »Hey.«

Er blinzelte mehrmals, als hielte er mich für eine Halluzination. Mir ging es ähnlich. Während ich dastand und in seine Augen sah, erhaschte ich hinter seinen harten Zügen einen Hauch des Jungen, der mich damals geliebt hatte. Des Jungen, der für immer mein hätte sein können, wenn nicht …

Vergangenheit

Kyle

4 Jahre alt

Gibt es etwas Schöneres als eine Schaukel? Schaukeln war fast so wie fliegen. Den Kopf in den Nacken gelegt, die Füße in die Luft gestreckt, den Wind auf dem Gesicht und dieses Kribbeln im Bauch. Fliegen. Der Spielplatz war nur ein paar Blocks von unserem Haus entfernt, und Mom ging im Sommer fast täglich mit uns hin. Meine kleinen Brüder Dylan und Jesse saßen noch im Kinderwagen, aber ich durfte schon allein gehen und musste nur beim Überqueren von Straßen Mamas Hand nehmen. Wenn wir den Spielplatz erreichten, durfte ich losrennen. Ich ließ jedes Mal Rutsche und Klettergerüst links liegen und stürmte zu den Schaukeln. Es gab vier, von denen zwei fürchterlich quietschten, wenn man also eine gute erwischen wollte, musste man schnell sein, sobald sie frei wurde. Ich reagierte blitzschnell, und mein Hintern landete als erster auf dem begehrten Sitz.

Auf dem Spielplatz ging es zuweilen recht ruppig zu. Da durfte man nicht zimperlich sein. Auf der anderen guten Schaukel saß ein Mädchen in meinem Alter. Ihr schokoladenbraunes Haar war dicht am Kopf geflochten und die Enden der Zöpfe mit roten Schleifen versehen. Sie trug schwarze Leggings mit roten Punkten und dazu ein Minnie-Maus-T-Shirt. Kinderspiel, dachte ich mir.

Ich legte mich ins Zeug und gewann rasch an Höhe. »Sollen wir um die Wette schaukeln?«

»Um die Wette?«

»Ja. Wer am höchsten schaukeln kann.«

Sie zuckte die Achseln. »Okay.«

Ich lehnte mich weiter zurück, wenn die Schaukel nach vorn schwang, und hob immer weiter vom Boden ab. Auf, ab und wieder auf. Ich schwang so hoch, dass die Kellen ruckelten. Niemals würde ein Mädchen es schaffen, so hoch zu schaukeln wie ich. Als ich ein Kieksen hörte, drehte ich den Kopf und sah, dass das Mädchen mit mir auf einer Höhe war und sich wie ich immer höher hinaufschwang. Und sie lachte.

»Allie, das ist hoch genug«, rief eine Frauenstimme.

»Aber Mom«, protestierte das Mädchen.

»Nichts aber.«

Das Mädchen stöhnte.

»Das gilt auch für dich, Kyle«, rief meine Mutter von der Bank, auf der sie saß, meinen neugeborenen Bruder Jesse auf dem Arm.

Jetzt war ich es, der protestierte.

»Und wer hat jetzt gewonnen?«, fragte das Mädchen, als wir ausschaukelten und langsam an Höhe verloren.

»Ich. Du hast zuerst aufgehört zu schaukeln.«

»Das ist unfair. Ich musste.«

»Sei kein schlechter Verlierer«, wiederholte ich, was mein Vater gesagt hatte, als er mich bei Hungry Hungry Hippos geschlagen hatte, einem meiner Lieblingsspiele.

»Ich habe nicht verloren«, schmollte sie.

Mit einem Mädchen zu streiten langweilte mich, und darum hielt ich Ausschau nach einem meiner Freunde, aber es war keiner von ihnen auf dem Spielplatz. Mein Bruder Dylan saß mit ein paar anderen Kindern im Sandkasten. Er war erst zwei und konnte nicht mit mir schaukeln, weil die Schaukeln nur etwas für ältere Kinder waren, aber er schien ganz zufrieden damit, mit seinem kleinen Rechen im Sand zu spielen.

Ein Junge, der etwas älter als ich zu sein schien, ging an Dylan vorbei, bückte sich, hob eine Handvoll Sand auf und schleuderte diesen meinem Bruder ins Gesicht, der prompt zu weinen anfing. Ich bemühte mich jetzt, meinen Schwung so gut es ging zu bremsen, um ihn zu verteidigen, aber das Mädchen war schneller. Sie sprang aus der Luft von der Schaukel und stellte den Sandwerfer zur Rede.

»Entschuldige dich«, verlangte sie. Ihre Hände lagen auf den Hüften, und sie hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, um sich größer zu machen.

Der Junge lachte nur. »Nein.«

Sie stach ihm mit dem Finger in die Brust. »Doch. Du bist gemein. Man bewirft andere nicht mit Sand.«

Ich rannte hinüber, hockte mich neben meinen Bruder und wischte ihm mit dem NASCAR-T-Shirt, das mein Dad mir von einer Geschäftsreise mitgebracht hatte, das Gesicht ab. »Nicht weinen, Dyl. Ich bringe das in Ordnung.« Als ich den meisten Sand abgewischt hatte, hörte er auf zu weinen. »Besser?«, fragte ich.

Er nickte, aber seine Unterlippe bebte noch.

Der Blödmann, der den Sand geworfen hatte, grinste. »Und was willst du jetzt machen? Du bist doch nur ein blödes Mädchen.«

Ich sprang auf, bereit, dem Kerl eine Abreibung zu verpassen, aber sie war wieder schneller. Ihre Faust schoss vor, und der Schlag in die Magengrube war so kraftvoll, dass der Junge auf dem Allerwertesten landete.

Die Mütter eilten herbei und wollten wissen, was passiert war. Der fremde Junge zeigte auf das Mädchen. »Sie hat mich gehauen«, jammerte er.

»Allison Dupree, stimmt das?«, fragte die Mutter des Mädchens entsetzt.

Das Mädchen verschränkte stolz die Arme vor der Brust und lächelte. »O ja. Er ist gemein. Er hat dem kleinen Jungen Sand ins Gesicht geworfen und wollte sich nicht entschuldigen. Und dann hat er mich blödes Mädchen genannt.«

»Hast du mit Sand geworfen?«, fragte die Mutter des Jungen.

Er schüttelte den Kopf. »Es war keine Absicht.«

»Du lügst«, mischte ich mich jetzt ein. »Ich habe genau gesehen, wie du Sand aufgehoben und meinem kleinen Bruder ins Gesicht geworfen hast. Mit voller Absicht.«

Bevor er dazu kam, dies abzustreiten, packte seine Mutter ihn beim Arm und zog ihn fort. »Du musst damit aufhören, Robbie«, schimpfte sie noch als sie den Spielplatz verließen.

Die Mutter des Mädchens hockte sich vor sie und sah ihrer Tochter fest in die Augen. »Du darfst andere nicht schlagen, Allie. Auch nicht, wenn sie gemein sind. In einem solchen Fall holst du einen Erwachsenen, der das regelt. Ist das klar, Fräulein?«

»Ja, Mama«, entgegnete sie, aber es klang nicht sehr überzeugend. Dann setzte sie sich zu Dylan in den Sand. »Darf ich mitspielen?«

Mein kleiner Bruder reichte ihr seinen Rechen – es war sein kostbarster Besitz, und nicht einmal ich durfte damit spielen. Ich setzte mich auf seine andere Seite.

Das Mädchen fuhr mit den Zinken durch den Sand. »Ich bin Allie.«

»Ich bin Kyle. Und das ist Dylan.«

Sie blickte vom Sand auf und schaute mich an. »Möchtest du mein Freund sein?«

»Okay«, sagte ich achselzuckend.

Damals ahnte ich noch nicht, dass sie nicht nur eine Spielkameradin für einen Tag sein würde, sondern meine allerbeste Freundin in den kommenden vierzehn Jahren.

Allie

Erste Klasse

Meine Beine reichten nur knapp bis auf den Boden, als ich mich im Unterstand neben meinem besten Freund auf die kühle Metallbank setzte. Wir waren in derselben Kindergartengruppe gewesen, aber im ersten Grundschuljahr hatte man uns in verschiedene Klassen gesteckt, und ich vermisste ihn. Wir aßen noch gemeinsam zu Mittag und spielten in den Pausen zusammen, aber diese Zeit war immer viel zu schnell vorbei. Als er dann erklärt hatte, im Frühjahr in den Baseballverein eintreten zu wollen, hatte ich beschlossen, das ebenfalls zu tun. Ich war das einzige Mädchen.

Am ersten Trainingstag waren die Jungs nicht sehr nett zu mir gewesen. Sie hatten gemeint, ich könne nicht Baseball spielen, weil das ein Jungensport sei und Mädchen Softball spielen sollten. Beim Schlagtraining hatte ich sie allerdings schnell eines Besseren belehrt, als ich über ihre Köpfe hinweg einen Home Run geschlagen hatte. Kyle und ich spielten zusammen Baseball, seit wir fünf waren. Zumindest so gut es zu zweit eben ging. Ich hatte zudem noch zwei ältere Brüder, die mich manchmal mitspielen ließen, so dass ich ziemlich gut war.

Es war unser erstes richtiges Spiel der Saison, und ich war ganz aufgeregt. Unser Team, die Mamaroneck Monarchs (ein echter Zungenbrecher), schlug zuerst, und so stand Joey Fischer als erster Schlagmann auf dem Feld. Er war einer der älteren Jungen der Mannschaft und groß, so dass es ihm für gewöhnlich gelang, den Ball über die Köpfe der anderen zu schlagen. Nach zwei Schlägen traf er endlich den Ball, der immerhin so weit flog, dass er es zur ersten Base schaffte.

Kyle war als nächster dran und danach ich. Ich verließ den Unterstand, um besser sehen zu können und weil ich zudem zum warm werden ein paarmal den Schläger schwingen wolle, so wie der Coach es uns aufgetragen hatte. Ich zupfte am Bund meiner Shorts. Sie reichten mir bis auf halbe Höhe der Schienbeine und rutschten immer runter. Der Coach kam und schnürte das Taillenband enger, damit ich die Shorts nicht beim Rennen zu den Bases verlor. Die Jungs aus dem anderen Team, den Larchmont Lions, lachten, und ich hörte, wie sie verächtliche Bemerkungen über »das kleine Mädchen« machten. Als einer der jüngsten Spieler der Monarchs war ich die kleinste, was nicht gerade dazu beitrug, dem Gegner Respekt abzunötigen.

Ich seufzte.

Der Coach tippte auf den Schirm meiner Mütze und sagte leise: »Hör nicht auf sie. Du bist unsere Geheimwaffe.«

Ich nickte und beobachtete gleichzeitig, wie Kyle den Ball schlug und es zur ersten Base schaffte. Ich jubelte so laut ich konnte.

»Jetzt bist du dran, Allie. Zeig ihnen, dass Mädchen sehr wohl Baseball spielen können.« Mein Coach grinste breit, und ich erwiderte das Lächeln.

»Guter Schlag, Kyle«, rief ich, als ich auf dem Weg zum Schlagraum, der so genannten Batter’s Box, an der ersten Base vorbeikam.

»Guter Schlag, Kyle«, imitierte mich einer der Spieler des gegnerischen Teams. »Cheerleader gehören nicht aufs Spielfeld.«

»Genau. Mädchen können kein Baseball spielen«, rief ein anderer.

Mein ältester Bruder, Brandon, rief von der Tribüne: »Mach sie fertig, Allie.«

Ich drehte mich zu ihm um und machte ein Daumen-hoch-Zeichen. Meine Eltern hatten sich wieder einmal gestritten, so dass mein Bruder mich zum Spiel begleitet hatte, weil ich noch nicht allein gehen durfte.

Brandon war in der fünften Klasse und einer der beliebtesten Jungs unserer Schule. Niemand traute sich, sich mit mir anzulegen, wenn Brandon in der Nähe war, aber unsere Gegner schienen das nicht zu wissen, da sie fortfuhren, mich zu verhöhnen. »Genau, Allie, mach uns fertig. Dafür musst du den Ball aber erstmal treffen.«

Ich packte den Schläger fester. Ich musste mich beherrschen. Am liebsten hätte ich gegen das Gitter zum Unterstand der Lions geschlagen. Ich atmete mehrmals tief durch und nahm meinen Platz ein. Der erste Wurf – oder Pitch – war sehr hoch und aus.

»Ball«, rief der Schiedsrichter.

Der nächste Ball schien ebenfalls zu weit weg zu sein, aber im letzten Moment kam er doch noch in Schlagweite. Ich schlug und verfehlte ihn.

»Strike«, brüllte das gegnerische Team und übertönte den Schiedsrichter.

»Nochmal so ein Ball«, riefen sie ihrem Werfer zu. »Zeig der Kleinen, was ne Harke ist.«

Ich senkte den Schläger und wollte mich zu ihnen umdrehen, um etwas zu erwidern, aber dann hörte ich Kyle rufen und verzichtete darauf. »Zeig den Blödmännern, was du draufhast, Allie.«

Ich lächelte. Kyle fand immer die richtigen Worte, um mich runterzuholen. Tatsächlich war ich eher aufbrausend, eine Charaktereigenschaft, die ich darauf zurückführte, dass ich mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen war.

»Schaut gut zu und lernt was, Jungs«, sagte ich, als ich den Schläger hob und in Position ging. Ich starrte den Werfer unverwandt an und versuchte, ihn Kraft meiner Gedanken dazu zu bringen, einen – für mich – perfekten Wurf hinzulegen.

Und genau das tat er. Ich spürte es, noch bevor es passierte. Mein Schläger schwang in genau der richtigen Sekunde vor und traf den Ball etwa zehn Zentimeter unterhalb des Schlägerendes. Der Ball segelte in einer hohen Kurve durch die Luft. Ich ließ den Schläger fallen und rannte zur ersten Base. Kyle lief zur zweiten, so dass ich weiterrannte. Das andere Team schrie, aber der Junge auf dem linken Feld lief immer noch hinter dem Ball her, der weit hinter ihm gelandet war. Natürlich waren die Außenfeldspieler näher an die Batter’s Box herangerückt, in der Erwartung eines viel kürzeren Schlages, weil ja ein Mädchen schlug. Überraschung … Ich packte den Bund meiner zu großen Shorts und stürmte auf die dritte Base zu, während Kyle zur Home Plate hetzte. Die Zuschauer feuerten uns an. Als ich die dritte Base erreichte, konnte ich den Ball nicht sehen, aber Kyle winkte mich weiter. »Weiter«, rief er. »Lauf.«

Ich erreichte die Home Plate gerade, als der linke Außenfeldspieler den Ball an den Short Stop zwischen der zweiten und dritten Base warf. Ich sah in Kyles kristallblaue Augen, und wir klatschten uns ab. Dann tauschte ich auch mit Joey, der ebenfalls auf meinem Home Run gepunktet hatte, einen High five.

Der Coach kam herbeigelaufen und gratulierte mir. »Siehst du, sag ich doch. Du bist unsere Geheimwaffe.«

Ich blickte zur Bank der Lions hinüber und grinste über das ganze Gesicht.

Kyle legte mir den Arm um die Schultern. »Du hast gespielt wie ein Mädchen, Allie«, lobte er, laut genug, dass es alle hören konnten.

»Stimmt.«

Den Rest des Spiels verkniffen die Lions sich dumme Bemerkungen mir gegenüber.

Kyle

2. Klasse

Beim Hockeytraining erfuhr ich, dass mir bei unserem Fundraiser am folgenden Freitag der Preis für den besten Spieler überreicht werden würde. Für einen Jungen von gerade einmal acht Jahren war das bemerkenswert. Natürlich wollte ich meine beste Freundin dabeihaben. Da ich zu aufgeregt war, um zu warten, bis wir uns am nächsten Tag in der Schule sahen, rief ich sie an, um sie zur Feier einzuladen, aber es ging niemand ran, so dass ich eine Nachricht auf den AB sprach.

»Hey, Allie, ich bin’s, Kyle. Rate mal, was passiert ist? Ich bekomme den Preis als bester Spieler meines Hockey-Teams verliehen. Am Freitag bei der Spendenveranstaltung. Ich würde mich riesig freuen, wenn du kämst. Mom sagt, du kannst an unserem Tisch sitzen. Blöd ist nur, dass wir uns schick machen müssen und du ein Kleid anziehen musst. Hast du überhaupt eins? Egal. Ich glaube, das wird toll. Bis morgen in der Schule. Bye.«

Zwei Stunden später läutete das Telefon, und ich lief hin, um abzunehmen. »Hallo, Kyle am Apparat.«

»Kyle, hier ist Mrs Dupree. Ist Allie bei euch?«

Das war seltsam. »Nein.«

»Kannst du mir bitte deine Mutter geben?«, bat sie nervös.

»Klar.« Ich nahm den Hörer vom Ohr. »Mom! Telefon!«

Meine Mom kam aus der Küche, und ich reichte ihr den Hörer. »Es ist Mrs Dupree.«

»Hallo, Leslie«, sagte Mom.

Ich öffnete den Kühlschrank und gab vor, etwas zu suchen, um mithören zu können, aber dann wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich Hunger hatte. Ich nahm mir eine Orange und fing an, sie zu schälen.

»Verstehe. Ich spreche mit Kyle und melde mich dann wieder. Sag Bescheid, falls sie zwischenzeitlich wieder auftaucht.«

Ich biss in meine Orangenspalte, und Saft lief mir über die Hand.

»Kyle, hast du Allie heute Nachmittag gesehen?«, fragte Mom.

»Nein. Ich habe sie angerufen, um sie zur Feier vom Hockeyverein einzuladen, aber sie war nicht da und ich habe nur auf den AB gesprochen.«

Mom setzte sich zu mir an den Tisch. »Hast du sie heute überhaupt gesprochen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ganz sicher?«

Die Unterhaltung kam mir sonderbar vor. »Ja. Warum?«

»Allie und ihre Mommy haben sich gestritten, und daraufhin ist Allie weggelaufen. Mrs Dupree meinte, sie wäre vielleicht hier.«

Ich hatte mir gerade das nächste Orangenstück in den Mund stecken wollen, hielt aber jetzt in der Bewegung inne. »Oh. Nein, sie ist nicht hier gewesen.«

Mom seufzte. »Hast du eine Idee, wo sie stecken könnte?«

Ich wusste genau, wohin sie gelaufen war, aber es war unser Geheimnis. »Keine Ahnung.«

»Falls dir etwas einfallen sollte, sag es mir bitte, okay?«

Ich nickte. »Klar.« Ich aß meine Orange auf. »Mom, darf ich vor dem Abendessen noch eine Weile in den Park?« Der Park war nicht weit von unserem Haus weg, so dass meine Eltern mir manchmal erlaubten, allein hinzugehen.

Mom lächelte. »Meinetwegen. Aber nimm eine Uhr mit und sei um fünf wieder hier.«

»Geht klar. Danke, Mom.« Ich lief nach oben auf mein Zimmer, um die Uhr zu holen, die meine Eltern mir geschenkt hatten, und rannte dann wieder nach unten. Möglichst unbekümmert verabschiedete ich mich von meiner Mom, zog meine Jacke an und verließ das Haus durch die Küchentür. Zuerst ging ich in normalem Tempo, aber sobald ich außer Sichtweite war, stürmte ich los in Richtung Park.

Wie erwartet fand ich Allie auf dem Spielplatz, wo sie lustlos auf einer der alten Metallschaukeln schaukelte. Es war frisch draußen und der Park entsprechend leer. Ich steuerte geradewegs auf sie zu, überquerte den Spielplatz und setzte mich auf die Schaukel neben ihrer. Sie schniefte und wich meinem Blick aus.

»Deine Mom hat angerufen. Sie macht sich Sorgen um dich.«

Schweigen.

»Sie hat gesagt, ihr hättet gestritten.«

Sie sagte immer noch nichts.

»Möchtest du darüber reden?«

Sie wischte sich mit dem Jackenärmel die Nase ab. »Nein.«

»Okay.« Ich lehnte mich zurück und fing an zu schaukeln.

Nach ein paar Minuten sagte sie schließlich: »Meine Mom erlaubt mir nicht, zu deiner Feier zu kommen.«

Ich hörte auf, Schwung zu holen, und bremste mit den Füßen ab. »Warum nicht?«

Sie seufzte. »Ich glaube, sie möchte nicht, dass ich mit einem Jungen befreundet bin.«

Ich lachte. »Aber wir sind doch schon seit Jahren befreundet.«

»Ich weiß. Aber offenbar findet sie das nicht mehr okay, jetzt wo wir älter sind.«

»Warum das denn?«

»Sie mag es auch nicht, wenn Daddy mit anderen Mädchen spricht«, sagte sie achselzuckend. »Ich glaube, sie hat Angst, dass du mich küssen könntest.«

»Igitt.« Ich streckte die Zunge heraus. Die Vorstellung, Allie – oder sonst irgendein Mädchen – zu küssen, war alles andere als verlockend.

»Das habe ich auch gesagt.«

»Wie kommt sie denn darauf?«

»Sie hat letzte Woche Brandon dabei erwischt, wie er auf seiner Geburtstagsfeier ein Mädchen geküsst hat.«

Ich trat in den Sand. »Aber dein Bruder ist schon auf der Mittelschule. Wir sind erst in der zweiten Klasse.«

Sie seufzte. »Ich weiß.«

»So ein Scheiß.«

»Genau.«

»Bist du darum weggelaufen?«

Sie nickte. »Ich bin wütend auf sie. Und sie hat auch wieder mit Daddy gestritten.« Allies Eltern stritten in letzter Zeit sehr oft, und das machte Allie sehr zu schaffen.

Ich rieb die Lippen aneinander. »Es ist okay, wenn du nicht zur Feier kommst.«

Jetzt erst sah sie auf. Ihre bronzefarbenen Augen waren vom Weinen verquollen und gerötet. »Du möchtest nicht, dass ich komme?«

Ich fuhr mit den Fingern über die kalten Kettenglieder. »Natürlich möchte ich, dass du kommst, aber es lohnt nicht, deswegen mit deiner Mom zu streiten. Wir können meinen Preis in der Pause feiern. Nur wir beide. Und das wird sogar besser, weil wir uns dann nicht schick machen müssen.«

Sie lachte. »Gute Idee.«

»Dann ist das also abgemacht. Und jetzt wird nicht mehr geweint.«

Sie boxte mich spielerisch in den Arm. »Ich habe nicht geweint.«

Ich lachte. »Schon klar.«

»Im Ernst. Ich bin keine Heulsuse.«

»Nein, das bist du nicht. Du bist das taffste Mädchen, das ich kenne. Darum sind wir ja auch befreundet.«

Sie brummte. »Ich bin taffer als die meisten Jungs.« Das stimmte wahrscheinlich sogar.

Ich verdrehte die Augen. »Ja, ja.«

»Das stimmt!«

»Natürlich bist du das.« Ich sprang von der Schaukel. »Komm. Ich bringe dich nach Hause. Deine Mom macht sich Sorgen.«

Mit einem Seufzer stieg sie widerwillig von der Schaukel und vergrub die Hände in den Taschen. »Okay.«

Am Freitag feierten wir wie vereinbart in der Pause. Wir teilten uns beim Mittagessen einen Cupcake, und Allie malte mir eigenhändig eine Urkunde, über die ich mich mehr freute als über die offizielle Urkunde des Hockeyvereins.

Allie

3. Klasse

Die warmen Sonnenstrahlen fühlten sich gut an auf meiner gebräunten Haut, als ich in meinem Batik-Badeanzug mit meinen Freunden am Pool saß. Melissa hatte alle Mädchen unserer Klasse an ihrem neunten Geburtstag zu einer Pool Party eingeladen. Melissas Vater hatte die Mini M&Ms erfunden, darum war ihre Familie reich. So reich, dass es einen Pool mit Höhle und Wasserfall im Garten gab und im Keller ein richtiges Heimkino.

Jeder freute sich, wenn er zu Melissa nach Hause eingeladen wurde. Als ich Kyle erzählt hatte, dass ich Samstag nicht mit ihm spielen könne, weil ich auf Melissas Geburtstag sei, hatte er mitkommen wollen, aber es war eine reine Mädchen-Party. Kyle hatte wenig Verständnis gezeigt. Tatsächlich war er wütend geworden, und es hatte ihn sehr getroffen, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Ich erkannte es daran, dass er hinterher ungewöhnlich still war.

Während ich mich gerade wieder mit Sonnenschutz eincremte, schwärmte Melissa von Ian Baxter. »Er ist der süßeste Junge der ganzen Klasse, und ich werde ihn mir angeln.« Offenbar war Melissa es gewohnt, alles zu bekommen, was sie sich wünschte.

Ich musste zugeben, dass Ian tatsächlich süß war. Als ich noch Baseball gespielt hatte, war er in meinem Team gewesen, aber damals hatte ich mich noch nicht für Jungs interessiert. Mit neun sah die Welt allerdings schon völlig anders aus als mit sieben. Jungs waren nicht mehr ganz so igitt.

Melissa strich sich das nasse blonde Haar aus dem Gesicht. »Er wollte unbedingt zu meiner Geburtstagsparty kommen, aber meine Eltern haben es nicht erlaubt. Er hat aber versprochen, mir Montag ein Geschenk in die Schule mitzubringen.«

Veronica seufzte. »Du hast ja so ein Glück. Melissa. Ian ist echt nett.«

Lila nickte und trug noch eine weitere Schicht Glitzernagellack auf dem Zeigefingernagel auf. »Stimmt. Trotzdem mag ich einen anderen Jungen aus unserer Klasse lieber als ihn.«

»Wen denn?«, fragte Melissa und griff nach dem neonpinken Nagellack.

Lila errötete. »Kyle.«

»Ja, der ist wirklich niedlich«, pflichtete Veronica ihr bei.

Gab es in unserer Klasse noch einen Kyle? Sie konnten doch unmöglich …

Ich legte die Stirn in Falten. »Kyle Hogan? Ist das dein Ernst?«

»Er hat wunderschöne Augen«, schwärmte Lila.

Da hatte sie allerdings recht. Seine Augen waren ganz hellblau, fast wie Eiswürfel. Sogar mich hatte ihr Anblick schon das eine oder andere Mal abgelenkt.

»Stimmt, der ist auch süß. Seid ihr nicht zusammen oder so was, Allie?«

Ich verschluckte mich an meinem eigenen Speichel. »Was? Nein! Wir sind nur Freunde.«

Melissa blies auf ihre frisch lackierten Nägel. »Du hängst in den Pausen ständig mit ihm zusammen.«

Veronica nickte. »Stimmt. Und auch mit anderen Jungs. Shawn und Reece.«

»Das heißt doch nicht, dass wir miteinander gehen. Wir sind nur befreundet.« Ich hatte mich schon immer mit Jungs besser verstanden als mit Mädchen. Es hatte immer mal Jungs gegeben, die sich daran gestört hatten, dass ich mitspielen wollte, aber Kyle hatte sich immer dafür eingesetzt, dass ich mitmachen durfte. Wenn jemand das nicht akzeptiert hatte, hatte er sich einen anderen Freundeskreis suchen müssen. Das gefiel mir. Außerdem machte es mehr Spaß, Boxball zu spielen als vierzig Minuten am Stück Klatschspiele mit den Mädchen.

»Gut. Dann kannst du ja Kyle auf Lila ansprechen«, sagte Melissa.

»Klar.« Ich stand auf. »Mir ist warm. Ich gehe nochmal schwimmen.« Ehe sie etwas erwidern konnten, sprang ich am tiefen Ende in den Pool. Es war mir egal, dass das Wasser sehr kalt war. Ich stieß mich vom Beckenboden ab und katapultierte mich zurück an die Oberfläche.

Warum hatte ich erwartet, dass eine reine Mädchenparty Spaß machen würde? Jedes Mal, wenn ich für längere Zeit mit mehreren Mädchen zusammen war, wurde mir wieder bewusst, dass die meisten meiner Freunde Jungs waren.

Mädchen wollten immer nur tratschen, über Jungs sprechen sich die Nägel lackieren oder schminken. Nichts davon interessierte mich. Nachdem ich eine Minute Wasser getreten hatte, schwamm ich zum flachen Ende rüber und stieg wieder aus dem Pool. Ich wickelte mich in mein Handtuch und ging zu Melissas Mom.

»Entschuldigung, Mrs Russo?«

Sie unterhielt sich gerade mit einigen anderen Müttern, und wandte sich mir fragend zu. »Ja?«

»Mir ist nicht gut. Dürfte ich bitte Ihr Telefon benutzen und meine Mom anrufen?«

»Aber natürlich, Kleines.« Sie begleitete mich in die Küche. »Kann ich etwas für dich tun?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich habe nur zu viel Kuchen gegessen.«

Sie reichte mir das schnurlose Telefon. »Sag mir bitte Bescheid, wenn ich etwas für dich tun kann, während du auf deine Mom wartest.«

»Mache ich. Danke.« Ich tippte meine Telefonnummer ein, während Melissas Mom wieder nach draußen ging.

»Hallo?«

Ich war überrascht, dass mein Dad ranging. Er machte in letzter Zeit viele Überstunden und war nur selten zu Hause.

»Daddy, die Party ist früher aus. Darf ich noch eine Weile zu Kyle?« Kaltes Wasser rann aus meinen Haaren über meinen Rücken, und ich zog das Handtuch höher.

»Ach ja?«

»Wie?« Wahrscheinlich hatte er meine Lüge durchschaut, aber einen Versuch war es wert gewesen.

»Klar, Allie. Ruf nur bitte an und sag Bescheid, wenn du bei Kyle bist.« Seine Stimme war heiser, aber das war nichts Neues. Wahrscheinlich hatte er wieder mit Mom gestritten.

»Danke, Daddy.«

»Deine Mom holt dich dann vor dem Abendessen ab.«

»Bist du auch zum Abendessen da?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.

»Heute nicht. Ich muss zurück ins Büro.«

»Okay.« Ich versuchte, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Bye.«

Ich ging zurück auf die Terrasse und sagte Mrs Russo, dass ich gehen würde. Ich zog mich an, sammelte meine Sachen zusammen und schlich mich davon, ohne mich von den Mädchen zu verabschieden. Fünf Minuten später war ich bei Kyle. Als ich das weiße Backsteinhaus mit den schwarzen Schlagläden erreichte, ging ich wie immer durch die Küchentür hinein. »Hallo?«, rief ich, bekam aber keine Antwort. Es war ein sonniger Junitag, also ging ich ins Wohnzimmer und zog die Glasschiebetür zur Terrasse auf. Kyle lieferte sich gerade eine Wasserschlacht mit seinen Brüdern. Das war mehr nach meinem Geschmack als Nägel lackieren und darüber zu sprechen, wie süß mein bester Freund angeblich war.

Ich legte meine Sachen auf der Terrasse ab. »Habt ihr noch eine Wasserpistole für mich?«, fragte ich und zog mich bis auf den Badeanzug aus.

Kyle zeigte grinsend auf den Schuppen hinten im Garten. »Allerdings musst du erst an uns vorbei.« Das nasse dunkelblonde Haar klebte ihm an der Stirn.

»Okay«, entgegnete ich. Dann lief ich in den Garten, schnappte mir Kyles zwei Jahre alten Bruder Ryan und hielt ihn wie ein Schutzschild vor mich, während ich zum Schuppen lief.

»Das ist unfair«, protestierte Dylan. »Wir können nicht auf den Kleinen feuern.«

Genau das war der Plan gewesen. Ich fand ein Wassergewehr und klemmte es mir unter den Arm. »Bereit, Ry?« Ich trug den glucksenden kleinen Jungen zum Wasserschlauch, um meine Waffe aufzuladen. Ich setzte Ryan ab, und er stakste mit wackligen Schritten davon. Als ich fertig war, lief ich nach draußen in den Garten und feuerte auf die Jungs.

Wir waren alle klatschnass und außer Atem, als Kyles Dad mit Saftbeuteln auf die Terrasse kam. »Wer hat Durst?«, fragte er und legte die Getränke auf den Tisch. »Allie, deine Mom hat angerufen. Ich habe ihr gesagt, dass du hier bist.«

Mist. Ich hatte vergessen, zu Hause anzurufen und Bescheid zu sagen. »Danke, Mr H.«

Lächelnd ging er zurück ins Haus.

Wir legten unsere Waffen beiseite und gingen zur Terrasse. Kyle reichte mir einen Saft, stach für Ryan einen Trinkhalm in seine Tüte und schnappte sich schließlich eine für sich selbst, bevor er sich zu mir an den Tisch setzte.

Während Jesse und Dylan wetteiferten, wer seinen Saft am schnellsten austrinken konnte, wandte Kyle sich mir zu. »Wie war es auf Melissas Party?«

»Ich bin hier, oder?«, sagte ich achselzuckend.

Er strich sich eine nasse Strähne aus der Stirn. »Was habt ihr gemacht?«

»Du hast nichts verpasst, falls es das ist, was du wissen willst. Glaub mir.«

»Nein?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Unsere Wasserschlacht war viel lustiger.«

Er lachte. »Mit mir zu spielen ist eben nicht zu toppen.«

Ich lachte ebenfalls. »Da könnte was dran sein.« Ich biss auf meinem Trinkhalm herum. »Melissa dachte, wir beide wären zusammen.«

Er verschluckte sich beinahe an seinem Saft. »Was? Wie kommt sie denn auf die blöde Idee?«

»Absurd, ich weiß. Ich habe ihr gesagt, dass wir nur Freunde sind.«

»Gut.«

»Aber Lila mag dich.«

Er zog die Brauen hoch. »Lila Waters?«

»Ja.«

»Hmmm.«

»Sie findet, dass du hübsche Augen hast.«

»Habe ich ja auch.«

Ich stieß ihm den Ellbogen in die Seite.

»Hey.« Er gab sich entrüstet.

»Red nicht solchen Stuss.«

Er lächelte. »Spielen wir Twister?«

Ich liebte dieses Spiel. »Gern.« Ich folgte ihm zum Schuppen, um die Spielmatte zu holen.

Die Samstage bei den Hogans waren immer der Knaller, und ich verstand selbst nicht, wie ich darauf hatte kommen können, es würde mehr Spaß machen, auf Melissas Geburtstagsfeier zu gehen. Diesen Fehler würde ich nicht noch einmal machen.

Kyle

5. Klasse

Ich saß im Wohnzimmer am Familien-PC, tippte die letzten Worte meines Aufsatzes und drückte auf Drucken. Als ich mich gerade ausloggen wollte, bimmelte mein Nachrichteneingang.

Alliecat3: Bist du beschäftigt?

Hockeyboy11: Bin gerade mit den Hausaufgaben fertig. Was gibt’s?

Alliecat3: Hast du Lust rüberzukommen und bei mir abzuhängen?

Hockeyboy11: Ich frage mal, ob ich darf.

Ich ging in die Küche, wo mein Vater gerade den Abfallhäcksler reparierte. »Dad, ich bin mit den Hausaufgaben fertig. Darf ich rüber zu Allie?«

»Klar. Sei nur pünktlich zum Abendessen zurück«, antwortete er, ohne seine Arbeit unter dem Spülbecken zu unterbrechen.

Eine Hausregel besagte, dass wir sonntags immer zusammen zu Abend aßen, und auch wenn Dad arbeiten war, bestand Mom darauf, dass wir anderen vollzählig am Esstisch saßen. »Ich weiß.«

»Viel Spaß.«

Ich ging zurück zum Computer.

hockeyboy11: Bin unterwegs.

alliecat3: OK. Bin hinter dem Haus.

Mit dem Fahrrad brauchte ich keine fünf Minuten zu Allies Elternhaus. Ich fuhr in die Einfahrt und lehnte mein Rad an den ein Meter achtzig hohen Zaun, bevor ich das Tor öffnete und den Garten betrat. Allie lag in der Hängematte, die zwischen zwei Bäumen über einem erst kürzlich angelegten Blumenbeet gespannt war.

»Hey«, rief ich und ging zu ihr rüber.

Sie setzte sich auf und drehte sich auf die Seite, um mir Platz zu machen. »Hey.« Sie lächelte mir über den Rand ihres Buches hinweg zu.

Ich ließ mich neben sie fallen und zeigte auf das Cover. »Shiloh? Schon wieder?« Ich verdrehte die Augen.

»Mir gefällt’s«, entgegnete sie schulterzuckend.

Sie legte das Lesezeichen ins Buch, klappte dieses zu und legte es neben sich. »Wie war dein Wochenende?«

»Heute habe ich Hausaufgaben gemacht und gestern hatte ich ein Spiel.« Ich war inzwischen ein richtig guter Hockeyspieler und spielte fast das ganze Jahr durch.

»Habt ihr gewonnen?«

Ich nickte. »Klar.«

Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. »Gut.«

Es war ein hartes Jahr für sie gewesen, und ich sah ihr an, dass sie etwas beschäftigte. »Was ist los, Allie?«

Sie seufzte. »Ich bin müde.«

Meine beste Freundin aus der Reserve zu locken war nicht einfach, aber daraus, dass sie mich gebeten hatte, rüberzukommen, schloss ich, dass sie reden wollte.

Ich musste nur dranbleiben. »Schläfst du schlecht?«

»Eigentlich nicht.«

Sie zuckte die Achseln.

»Alpträume?«

Sie nickte.

»Immer noch dieselben?«

Wieder ein Nicken.

»Tut mir leid, Al, aber dein Dad ist ein Idiot.«

Sie seufzte tief. »Stimmt.« Ihr Dad hatte die Familie im Herbst verlassen und sich seitdem nicht mehr gemeldet. Sie träumte immer wieder, wie sie versuchte, zu ihm zu gelangen, aber er blieb immer außer Reichweite. Allie schlug die Augen wieder auf. »Warum macht es die Leute so verrückt, dass sie durchdrehen?«

Ich zog eine Braue hoch. »Das solltest du besser Brandon fragen.« Ich hatte einer Unterhaltung über Sex nichts beizutragen.

Sie zeigte auf das Fenster ihres Bruders. Dahinter war deutlich zu erkennen, wie er seine Freundin küsste.

»Oh.« Mehr wusste ich dazu nicht zu sagen.

»Tyler sagt, Dad wäre gegangen, weil er mit einer anderen Frau schlafen wollte. Und seit Brandon eine Freundin hat, bin ich Luft für ihn.«

»Brandon ist nicht wie dein Dad. Er ist jetzt seit … wie lange? Zwei Wochen? Mit dem Mädchen zusammen.«

Sie nickte.

»Der kriegt sich schon wieder ein.«

Sie zupfte an einer langen braunen Strähne. »Glaubst du wirklich?«

»Ja.«

Sie seufzte. »Ich kapiere einfach nicht, was daran so toll sein soll.«

Ich schüttelte den Kopf. »Frag mich das nochmal, wenn wir älter sind.«

Hierauf entstand eine kurze Pause, dann sagte sie: »Okay, jetzt sind wir älter.«

Ich lachte.

Allie verschränkte die Arme vor der Brust. »Hast du schon mal ein Mädchen geküsst, Kyle?«

»Du weißt, dass dem nicht so ist.«

»Das weiß ich nicht. Es könnte ja sein, dass du es mir nur nicht erzählt hast.«

»Du bist meine beste Freundin. Ich erzähle dir alles.«

Sie blickte auf ihren Schoß und pulte den Schmutz unter den Fingernägeln hervor. »Vielleicht sollten wir es ausprobieren.«

Ich musste mich verhört haben. »Was ausprobieren?«, fragte ich.

Sie sah mich nicht an und kaute auf ihrer Unterlippe. »Küssen.«

Plötzlich kribbelte es in meinem Bauch. »Du und ich? Einander?«

Sie nickte. »Du hast doch selbst gesagt, dass wir beste Freunde sind. Es muss ja nichts bedeuten. Aber vielleicht verstehen wir hinterher besser, warum es Menschen dazu bringt, verrückte Sachen zu tun.«

»Hmmm.«

»Du musst aber versprechen, hinterher nicht auch durchzudrehen.«

Ich musste lachen. »Versprochen. Aber bist du auch ganz sicher, dass du ausgerechnet mich küssen willst?«

Endlich blickte sie auf. »Sowie ich das sehe, bist du um Längen besser als die Vollidioten in unserer Klasse.«

Ich grinste. »Danke.«

Sie boxte mich gegen den Arm. »Du weißt, wie ich das meine. Warum probieren wir es nicht aus. Es hat nichts zu bedeuten und wir bleiben auch hinterher beste Freunde.« Plötzlich versteifte sie sich. »Das bleiben wir doch, oder?«

Ich schmunzelte. »Ich werde immer dein Freund sein.«

»Gut.« Sie biss sich wieder auf die Lippe. »Also, was meinst du?«

Plötzlich brach mir der Schweiß aus. »Ich, also, naja, wir könnten es mal ausprobieren, ja. Klar. Warum nicht.«

Sie blinzelte mehrmals. »Jetzt gleich?«

Ich bekam plötzlich nur noch schwer Luft und schluckte. »Okay.«

Ich hatte keine Ahnung, was ich tun musste. Ich kannte ein paar Jungs, die schon Mädchen geküsst hatten, aber ich persönlich war einem Mädchen noch nie auch nur ansatzweise nah genug gekommen, um auch nur in Erwägung zu ziehen, es auszuprobieren. Ich war ein paar Mal verknallt gewesen und hätte diese Mädchen auch gerne geküsst, aber Allie küssen …

Sie war wie eine Schwester für mich. Nicht, dass ich nicht gewollt hätte. Sie war hübsch, und ich wusste, dass viele Jungs in der Schule sie mochten, aber für mich war sie wie einer von den Jungs. Ich hatte bisher noch nie etwas anderes in ihr gesehen als einen Kumpel.

Sie sprach leise weiter. »Vielleicht sollten wir, naja, die Augen schließen?«

»Richtig.«

Langsam schlossen sich ihre Lider. Ich tat es ihr nach. Im nächsten Moment ging mir auf, dass ich sie mit geschlossenen Augen nicht mehr sehen konnte und möglicherweise ihren Mund verfehlen würde. Ich schlug die Augen wieder auf und holte tief Luft. »Bereit?«, fragte ich leise.

Sie nickte schweigend.

Ich beugte mich vor, bis unsere Nasenspitzen sich fast berührten und machte dann die Augen zu, bevor ich die Lippen auf ihre legte. Ich beließ sie ein paar Sekunden dort und zog mich dann wieder zurück. Wir schlugen beide die Augen auf.

Ich starrte sie unsicher an.

»Ich glaube, wir haben es nicht richtig gemacht«, sagte sie.

Das war mir auch klar, aber es war seltsam. Ich fuhr mir mit der Hand durch das wuschelige Haar. »Wahrscheinlich.« Ich schluckte. »Sollen wir es nochmal probieren?«

»Hmmm. Vielleicht. Wenn du möchtest.« Ihre großen bronzefarbenen Augen blickten auffordernd zu mir auf.

»Okay.«

Das Szenario von vorhin wiederholte sich. Sie machte die Augen zu, ich beugte mich vor, schloss dann ebenfalls die Augen und legte den Mund auf ihren. Diesmal öffnete ich jedoch die Lippen ein wenig, und sie tat es mir nach. Ich saugte leicht an ihren, dann lösten wir uns wieder voneinander und sahen uns an.

Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos. »Und?«, fragte ich.

Sie legte einen Moment die Finger auf die Lippen und ließ dann die Hand sinken. »Ich verstehe immer noch nicht, was alle daran so toll finden.«

Ich lachte. »Ich auch nicht.«

Sie grinste. »Meine Mom hat heute Morgen Brownies gebacken. Magst du einen?«

»Klar.« Mrs Duprees Gebäck war köstlich. Ich stieg aus der Hängematte und reichte Allie die Hand. Sie ergriff sie, und ich half ihr auf die Füße.

»Hast du Lust, Jumanji zu gucken?« Sie wusste, dass das einer meiner Lieblingsfilme war.

»Auf jeden Fall.«

Keiner von uns kam noch einmal auf den Kuss zu sprechen.

Allie

6. Klasse

Filmabende bei den Hogans waren immer ein Riesenspaß. Wir legten den Fußboden im Spielzimmer mit Decken und Kissen aus, machten es uns alle fünf mit Popcorn gemütlich und schauten uns einen Film an. Mrs H legte zuerst einen kurzen Zeichentrickfilm für Ryan ein, der erst fünf war. Hinterher brachte sie ihn zu Bett und wir waren für uns. Dann legte Kyle einen besseren, wenn auch noch für Jesse geeigneten Film in den Recorder. An diesem Abend sahen wir uns Mr Magoo an, und wenn Jesse eingeschlafen war, wollten wir noch Men in Black gucken. Etwa in der Mitte des ersten Films, bekam ich Bauchkrämpfe und ging auf die Toilette.

Als ich die Hose herunterzog und den Blutfleck in meinem Höschen sah, schnappte ich nach Luft. Ich konnte nicht ausgerechnet jetzt meine Tage bekommen. Ich war zwölf und ein paar Mädchen auf der Schule hatten ihre Periode schon, aber ich war noch nicht bereit dafür. Ich hatte keine Lust auf diesen Frauenkram. Die Jungs würden mich anders behandeln, wenn sie erfuhren, dass ich meine Tage bekam, und das wollte ich auf keinen Fall. Ich barg das Gesicht in den Händen und weinte.

Irgendwann klopfte Kyle an die Badezimmertür. »Allie? Alles okay bei dir? Du bist schon ziemlich lange da drin.«

Ich schniefte. »Geh weg.«

»Was ist denn? Weinst du?«

»Lass mich in Ruhe, Kyle.«

Dann hörte ich Mrs Hs Stimme. »Was ist denn los?«

»Mit Allie stimmt etwas nicht«, hörte ich Kyle sagen.

»Was meinst du damit?«

»Ich glaube, sie weint, und sie will nicht aus dem Bad kommen.«

»Gehe du zurück zu deinen Brüdern, ich kümmere mich darum.«

Ich hörte, wie Kyle davonstapfte, und kurz darauf wurde leise an die Tür geklopft. »Allie? Alles okay, Kleines?«

Meine Unterlippe zitterte. »Nicht wirklich.«

»Darf ich reinkommen?«

Ich entriegelte die Tür.

Sie ging auf, und Kyles Mom kam herein. »Was ist denn los?«

Mir stiegen wieder Tränen in die Augen. »Ich … ich glaube, ich blute.«

Sie lächelte mitfühlend und setzte sich auf den Badewannenrand. »Du hast deine Periode bekommen?«

Ich zog die Nase hoch und nickte.

»Ist es das erste Mal?«

Ich nickte wieder.

»Glückwunsch.«

Ich hob ruckartig den Kopf und starrte sie an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen.«

»Das ist für ein Mädchen ein wichtiges Ereignis. Du wirst jetzt zur Frau, Allie.«

Ich biss mir auf die Lippe.

»Ich weiß, dass das beängstigend sein kann, aber du wirst dich daran gewöhnen.« Sie öffnete den Schrank unter dem Waschbecken, nahm eine Binde aus einer Verpackung und reichte sie mir. »Hier. Nimm das.«

»Ich … äh …« Ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte, dass mein Höschen voller Blut war.

»Soll ich dir zeigen, wie man eine Binde einlegt?«

»Hmmm, ja, aber das geht gerade nicht, weil … also …«

»Oh, ich verstehe. Hast du in deine Unterwäsche geblutet?«

Ich sah sie durch einen Tränenschleier an und nickte.

Sie stand auf und strich mir sanft mit der Hand über das Haar. »Keine Sorge. Wir waschen das Höschen aus. Kein Problem.« Sie ging zur Tür. »Ich bin gleich wieder da.«

Minuten später kam sie mit noch eingepackter neuer Jungenunterwäsche zurück. Sie riss die Verpackung auf und reichte mir eine Unterhose mit Teenage Mutant Ninja Turtles. »Das ist Jesses Größe, aber ich glaube, die Unterhose wird dir passen.« Sie kehrte mir den Rücken zu. »Probiere sie an.«

Ich zog die Hose und den blutigen Slip aus und schlüpfte dann in die Jungenunterhose, die etwas klein war, aber okay. »Passt«, sagte ich, schob sie bis zu den Knien herunter und stieg in meine Hose, die ich jedoch um die Fußknöchel liegen ließ. Ich setzte mich wieder auf die Toilette. Mrs H drehte sich um und legte mein blutiges Höschen ins Waschbecken. Dann nahm sie die Binde und wickelte sie aus. Sie zeigte mir, wie ich sie in die Unterhose klebten musste, und reichte sie mir. »Mach du das, während ich dein Höschen auswasche.« Sie drehte sich zum Waschbecken und machte sich daran, das Blut auszuwaschen.

Ich schämte mich furchtbar. Dann klebte ich die Binde, so wie sie es mir gezeigt hatte, in meine Unterhose, und zog die Hose hoch. Ich schloss den Toilettendeckel und setzte mich wieder. Ich fühlte mich komisch. Als würde ich auf einer Handvoll Wattebäuschen sitzen.

Sie wrang mein Höschen aus. »Ich wasche sie schnell in der Waschmaschine.«

»Danke, Mrs H.«

Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. »Das wird alles, Allie. Das ist etwas Gutes, auch wenn du es im Augenblick vermutlich nicht so empfindest.«

»Tue ich nicht. Tut es immer so weh?«

»Manchmal. Hast du Schmerzen?«

Ich nickte, als mein Bauch erneut krampfte. »Ja.«