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In Legenden steckt oft ein Körnchen Wahrheit, so sagt man ... Einige dieser Legenden drehen sich um Freyas großen Freund Byrt. Man munkelt, er stammt aus Aritholka, aber genaues weiß man nicht. Und woher hat der Riese seine drei Narben im Gesicht? Es ranken sich die wildesten Geschichten um den hünenhaften Granitianer ... Legenden von Kanthorus taucht hinein in die Geschichten der Charaktere aus Die Abenteuer von Freya Warmherz
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Seitenzahl: 48
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Krachend schlug der Blitz in den alten Baum ein, der in einem Vorgarten einer kleinen heruntergekommenen Fischerhütte stand. Der Donner rollte grollend über den Himmel. Es herrschte tiefe Nacht und dieses Gewitter war eines der schlimmsten der letzten Jahre. Trotzdem öffnete sich die Tür der Hütte und ein dick eingepackter und vermummter Granitianer trat vor die Tür.
„Mach dir keine Sorgen, Schatz, ich bin bald wieder da!“
Der Mann blickte gehetzt um sich und griff dann zur Laterne, die an der Seite der Tür befestigt war. Aus dem Inneren der Hütte konnte man eine Frau vor Schmerzen schreien hören. Durchbrochen wurde dieses Schreien nur von wilden Flüchen. Der Granitianer duckte sich, als würden die Schreie ihn körperlich verletzen. Er zwinkerte noch einmal kurz aufmunternd seiner Ehefrau zu und schloss mit einem gequälten Lächeln die Tür hinter sich. Es war von Vorteil, dass sie derzeit nicht in der Lage war, mit schweren Gegenständen nach ihm zu werfen, dachte er ironisch. Schnell eilte er zum Stall und sattelte dort sein Pferd. Es war ein kleines und eher schwach gebautes Pferd, und der Granitianer konnte beim Reiten fast mit ihm mitlaufen, aber es hatte ihm bis jetzt treu gedient und er hoffte, dass die alte Mähre im auch dieses Mal den Gefallen tun würde.
„Na komm schon, mein Alter, los geht’s!“
Er trieb das Pferd durch die Stalltür und hinaus in den strömenden Regen. Es war nicht allzuweit bis Aritholka, dem einzigen Ort in der Nähe, in dem momentan ein Arzt ansässig war. Und genau den brauchte er jetzt, für die Liebe seines Lebens. Seine Frau.
„Halt durch, Kythiana, halt durch!“, schrie er gegen den Wind an. Bei jedem Donnern und jedem Blitz zuckten er und sein Pferd zusammen und er hatte stets Probleme, das Pferd unter Kontrolle zu bringen, aber er schaffte es.
„Wir schaffen es, mein Alterchen!“, feuerte er sein Pferd immer wieder an.
Und tatsächlich: Das Wunder geschah! Zumindest sollte er später jedem davon erzählen, dass es wie ein Wunder war. Sie passierten den Eingang Aritholkas und gemeinsam schlugen sie den Weg zum Arzt der kleinen Fischerstadt ein. Die Stadt war auch im Dunkeln schön anzusehen. Sie bestand vorwiegend aus kleinen Gassen, die dadurch größer wirkten, dass die Häuser alle weiß gekalkt waren.
Penibel achteten die Bewohner auf Reinlichkeit und so sah es auch aus. Normalerweise genoss er es sehr, in der Stadt zu sein, aber dieses Mal ging es um Schnelligkeit. Also widmete er seine ganze Konzentration alleine dem Weg zum Arzt.
Schließlich gelangte er zu einem schönen und nicht sehr günstig aussehendem Haus, an dessen Fassade der Name des Arztes prangte.
Triefendnass klingelte der Granitianer an der Tür Sturm.
„Ja, doch!“, hörte er aus dem Hausinneren.
„Ja, doch, Ja, verdammt noch mal!“
Der Mann klingelte weiter, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Tür geöffnet wurde.
„Was ist denn?“, kam es ärgerlich von ziemlich weit unten.
Der Arzt Aritholkas war ein Halma. Halma waren die kleinste bekannte Rasse auf Kanthorus und waren das exakte Gegenstück von den riesenhaften Granitianern, die im Schnitt 2,50 Meter groß wurden.
„Ich bin es Doktor! Byrthanok! Ihr wisst schon, Ihr wart erst letztens bei uns! Wegen meiner Frau!“
Er trat ungeduldig von einem Bein auf das andere.
Der Arzt rückte ungeduldig seinen Zwicker zurecht.
„Ich erinnere mich! Ich sagte Euch doch, kommt dann, wenn es…“
Der Arzt riss die Augen auf.
„Oh, die Götter sollen mir gnädig sein! Es ist so weit.
Und das bei diesem Sauwetter. Geht schnell zu meiner Scheune, sie ist direkt neben dem Haus. Tut mir den Gefallen und spannt die Pferde vor die Kutsche. Ich suche nur schnell einige Sachen zusammen!“
Der Arzt wartete keine Antwort ab und donnernd flog die Tür ganz knapp vor Byrthanoks Nase zu.
Der Granitianer drehte sich um und eilte zu der Scheune. Schnell spannte er die Pferde an, und er war exakt in dem Moment fertig, als der Arzt in die Scheune trat.
Der Arzt sah abschätzend zu dem alten Gaul, der Byrthanok in die Scheune gefolgt war.
„Wenn Ihr mögt, kommt mit mir!“
Damit schwang er sich in die Kutsche und ergriff auch schon die Zügel. Byrthanok warf sich auf den freien Platz neben dem Arzt und die Kutsche sackte schwer in ihre Federn. Immerhin war sie für Halma gebaut worden, und Byrthanok füllte sie fast zur Gänze aus. Der Arzt kannte den Weg noch einigermaßen und sie waren auf dem Rückweg mehr als doppelt so schnell unterwegs, wie Byrthanok auf dem Hinweg war.
Kaum hatten sie das Haus erreicht, sprang der Halma vom Kutschbock und rannte zur Tür.
Byrthanok versorgte schnell noch die Pferde und folgte dann. Als er in der Hütte ankam, blickte er in die müden und erschöpften Augen seiner Frau. In den Armen hielt sie ein kleines Bündel, fest in dicke Lagen Stoff gewickelt. Sie lächelte ihn stumm an.
Der Halma trat auf ihn zu und schüttelte Byrthanok die Hand.
„Die Dame da hat die ganze Arbeit allein gemacht“, grinste er und rückte seinen Zwicker zurecht.
„Herzlichen Glückwunsch, einen strammen Jungen habt ihr da. Und nun los, kümmert Euch um Eure Frau.“
Der Arzt lachte und trat aus dem Haus. Byrthanok stolperte überwältigt zum Bett, in dem seine Frau lag.
„Wie geht es dir, mein Herz?“, fragte er leise.
„Mir geht es gut“, kam es leise und erschöpft zurück.
„Und ihm auch.“
Mit einem Kopfnicken deutete sie auf das Leinenbündel in ihrem Arm.
Byrthanok musste unwillkürlich grinsen. Das Bündel, das auf dem Brustkorb seiner Frau ruhte, war fast so groß wie der Arzt.
Mit zittrigen Fingern zog er den Stoff etwas zur Seite und entblößte das Gesicht seines Sohnes.