Calendar Girl Januar - Audrey Carlan - E-Book
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Audrey Carlan

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Beschreibung

Als Mia Mr Januar sieht, vergisst sie alle guten Vorsätze. Mia Saunders braucht eine Million Dollar, um ihren Vater zu retten. Er liegt im Krankenhaus, weil er seine Spielschulden nicht begleichen konnte. Mia lässt sich als Begleitung buchen, für 100.000 Dollar pro Monat. Mit zwei festen Vorsätzen: 1. Sie wird nicht mit den Kunden ins Bett gehen. 2. Sie wird sich nicht verlieben. Als sie ihrem ersten Auftraggeber, dem Hollywood-Autor Wes Channing, gegenüber steht, ist schnell klar: Zumindest den ersten Vorsatz kann und will Mia nicht einhalten. Vor ihnen liegt ein Monat voller Leidenschaft ...

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Das Buch

Mia Saunders braucht eine Million Dollar, um ihren Vater zu retten. Er liegt im Krankenhaus, weil er seine Spielschulden nicht begleichen konnte. Mia lässt sich als Begleitung buchen, für 100.000 Dollar pro Monat. Mit zwei festen Vorsätzen: 1. Sie wird nicht mit den Kunden ins Bett gehen. 2. Sie wird sich nicht verlieben. Als sie ihrem ersten Auftraggeber, dem Hollywood-Autor Wes Channing, gegenüber steht, ist schnell klar: Zumindest den ersten Vorsatz kann und will Mia nicht einhalten. Vor ihnen liegt ein Monat voller Leidenschaft ...

Die Autorin

Audrey Carlan schreibt mit Leidenschaft heiße Unterhaltung. Ihre Romane veröffentlichte sie zunächst als Selfpublisherin und begeisterte damit eine immer größere Fangemeinde, bis der Verlag Waterhouse Press sie unter Vertrag nahm.

Ihre Serie »Calendar Girl« stürmte die Bestsellerlisten von USA Today und der New York Times und wird als das neue »Shades of Grey« gehandelt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kalifornien.

Homepage der Autorin: www.audreycarlan.com

AUDREY CARLAN

JANUAR

Aus dem Amerikanischen von

Friederike Ails

Ullstein

Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Calendar Girl – January (Waterhouse Press)

© 2015 Waterhouse Press, LLC

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ISBN 978-3-8437-1351-1

Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Juni 2016

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © FinePic®, München

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Ginelle Blanch

Du warst von Anfang an dabei …

Als Testleserin hast du mich unzählige Male gerettet.

Danke, dass du an mich und meine Geschichten glaubst und sie genauso liebst, wie ich dich und deine Arbeiten liebe.

Namaste, meine Liebe.

Kapitel 1

Wahre Liebe gibt es nicht. Jahrelang hatte ich an sie geglaubt. Ich hatte sogar gedacht, ich hätte sie gefunden. Viermal, um genau zu sein. Lass sehen, da war:

Taylor. Meine Highschool-Flamme. Die ganze Schulzeit über waren wir zusammen. Er war Baseball-Spieler in der Auswahlmannschaft. Der beste, den die Schule je hatte. Groß, mit mehr Muskeln als Hirn und einem Schwanz von der Größe einer Erdnuss. Vermutlich wegen der ganzen Steroide, die er hinter meinem Rücken schluckte. Am Abend des Abschlussballs gab er mir den Laufpass. Machte sich mit meiner Jungfräulichkeit und der Anführerin der Cheerleader aus dem Staub. Später hörte ich, dass er das College abgebrochen hat und als Mechaniker in irgendeinem Kaff gestrandet ist, mit zwei Kindern und einer Frau, die ihn schon längst nicht mehr anfeuert.

Dann war da noch der Tutor aus meinem ersten Psychologie-Seminar am Las Vegas Community College. Maxwell hieß er. Ich dachte, der Typ könnte übers Wasser gehen, ich hielt ihn für einen Heiligen. Mein Herz war ihm jedenfalls nicht heilig: Er trampelte darauf herum, indem er in jedem seiner Seminare ein Mädchen aufs Kreuz legte. Er hatte die Tutorenstelle bloß angenommen, um an möglichst viele von ihnen ranzukommen. Das ist schon in Ordnung. Am Ende waren zwei Mädchen gleichzeitig von ihm schwanger, und er wurde wegen beruflichen Fehlverhaltens vom College geworfen. Mit neunzehn Jahren hatte er bereits zwei Frauen am Hals, die ihn wegen Unterhalt nervten. Geschah ihm irgendwie recht. Gott sei Dank hab ich ihn immer gezwungen, ein Kondom zu nehmen, wenn wir Sex hatten.

Mit zwanzig gönnte ich mir eine Auszeit. Kellnerte das ganze Jahr über im MGM Grand auf dem Las Vegas Strip. Dort traf ich Nummer drei, Benny. Kein Glückstreffer, weder für mich noch für ihn. Er war ein Kartenzähler. Damals erzählte er mir, er wäre im Vertrieb tätig, würde gern ins Casino gehen und Poker spielen. Wir hatten eine stürmische Romanze – wobei, romantisch war da rein gar nichts. Ich glaube, die meiste Zeit verbrachte ich betrunken unter ihm, aber was soll’s. Ich dachte halt, er würde mich lieben. Das sagte er mir zumindest ständig. Zwei Monate lang tranken wir zusammen; wir schwammen im Hotelpool und vögelten die ganze Nacht in einem Hotelzimmer, das ich durch einen Kollegen beim Zimmerservice organisieren konnte. Ich spendierte ihm und seinen Freunden Drinks an der Bar, und er besorgte mir dafür einen Zimmerschlüssel. Es funktionierte. Zuerst. Dann wurde Benny beim Kartenzählen erwischt und tauchte ab. Nach seinem Verschwinden war ich ein Jahr lang verzweifelt. Dann erfuhr ich, dass er beinahe totgeprügelt worden war. Er hatte einige Zeit im Krankenhaus verbracht und dann klammheimlich die Stadt verlassen – und mich.

Mein letzter Fehltritt war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich kam zu der Überzeugung, dass wahre Liebe eine Erfindung der Grußkartenhersteller und der Autoren von Liebesromanen und romantischen Komödien ist. Blaine war sein Name, aber Luzifer hätte besser gepasst. Er war ein wortgewandter Geschäftsmann. Ich benutze den Ausdruck »Geschäftsmann« hier im weitesten Sinne. In Wirklichkeit war er ein Kredithai. Derselbe Kredithai, der meinem Vater mehr Geld lieh, als dieser jemals zurückzahlen konnte. Erst machte er sich an mich ran, dann nahm er sich meinen Vater vor. Damals hielt ich unsere Liebe für den Stoff, aus dem die Träume sind. Blaine versprach mir das Blaue vom Himmel und brachte mir die Hölle auf Erden.

»Deshalb solltest du den Job bei deiner Tante annehmen und der Sache ein für alle Mal ein Ende setzen.« Meine beste Freundin Ginelle schnalzte laut mit der Zunge ins Telefon. Ich hielt das Handy vom Ohr weg. »Das ist die einzige Möglichkeit, Mia. Wie willst du deinen Vater sonst aus dem Knebelvertrag mit Blaine und seinen Schlägern rausholen?«

Ich setzte die eiskalte Wasserflasche an den Mund. Die kalifornische Sonne verwandelte die kondensierten Tropfen auf dem Riffelglas in glitzernde Lichtsplitter. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, Gin. Ich hab einfach nicht so viel Geld rumliegen. Ich hab überhaupt kein Geld rumliegen.« Der laute Seufzer, den ich ausstieß, klang sogar in meinen Ohren übertrieben dramatisch.

»Aber du liebst doch die Liebe …«

»Nicht mehr!«, erinnerte ich meine beste Freundin seit Kindertagen.

Der Lärm von Las Vegas drang durchs Telefon zu mir. Die Leute denken immer, die Wüste sei ein stiller Ort. Aber nicht der Las Vegas Strip. Glücksspielautomaten klimperten die ganze Zeit, und das Klingeln und Bimmeln verdichtete sich zu einem monotonen Dröhnen, egal, wo man sich gerade befand. Man konnte ihm nicht entfliehen. »Ich weiß, ich weiß.« Sie wechselte das Handy ans andere Ohr, und es knackte und rauschte kurz. »Aber du magst Sex, oder?«

»Ich bin nicht Barbie, Gin. Ich kann selber denken. Also hör auf, mir schwachsinnige Fragen zu stellen. Ich geh hier echt noch drauf.« Na ja, eigentlich war es mein Vater, der draufging, wenn ich es nicht schaffte, eine Million Dollar aufzutreiben.

Ginelle stöhnte und schnalzte wieder mit der Zunge. »Ich meine, wenn du den Escort-Job annimmst, musst du doch einfach nur hübsch aussehen und viel Sex haben, oder? Dich hat seit Monaten keiner mehr flachgelegt. Also könnte das doch sogar ganz nett werden, oder?«

Eine Arbeit als gutbezahltes Callgirl wie einen Traumjob klingen zu lassen brachte auch nur Ginelle fertig. »Das hier ist nicht Pretty Woman, und ich bin auch nicht Julia Roberts.«

Ich ging zu meiner Maschine rüber, einer Suzuki GSX-R600, die ich schlicht Suzi nannte. Sie war das einzig Wertvolle, das ich besaß. Ich schwang ein Bein über die Sitzbank, klickte mein Handy in die Halterung und stellte es auf Lautsprecher. Dann teilte ich meine schweren schwarzen Locken in drei Partien und flocht sie rasch zu einem dicken Zopf. »Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst, aber ich habe wirklich keine Ahnung, was ich machen soll. Ich bin keine Nutte. Zumindest will ich keine sein.« Allein beim Gedanken daran brach mir der Angstschweiß aus. »Aber ich muss mir was einfallen lassen. Ich brauche viel Geld, und zwar schnell.«

»Ja, ich versteh schon! Erzähl mir hinterher, wie der Termin bei Exquisite Escorts gelaufen ist. Ruf mich heute Abend an, wenn du es schaffst. Mist, ich komm zu spät zur Probe, und ich muss mich noch umziehen.« Ihre Stimme klang auf einmal gepresst, und ich sah sie vor mir, wie sie durchs Casino rannte, um schnellstens zur Arbeit zu kommen, mit dem Handy am Ohr. Und ohne sich darum zu kümmern, wer sie dabei beobachtete und sie für eine Irre halten könnte. Das machte sie so besonders. Sie nannte die Dinge beim Namen … immer. Genau wie ich.

Ginelle arbeitete für die Dainty Dolls Burlesque Show in Vegas. Der Name war Programm: Meine beste Freundin war wirklich ein zierliches Püppchen, und sie wusste, wie man mit dem Hintern wackelt. Männer aus der ganzen Welt kamen, um sich die aufreizende Show am Strip anzusehen. Trotzdem verdiente sie nicht genug, um mich oder meinen alten Herrn freizukaufen. Nicht dass ich sie je darum gebeten hätte.

»Hey, Miststück, ich hab dich lieb, okay?«, sagte ich und stopfte mir den Zopf hinten in die Lederjacke, so dass er zwischen meinen Schulterblättern lag.

»Ich dich auch, Miststück.«

Ich drehte den Schlüssel an meiner Maschine um, ließ den Motor aufheulen und setzte mir den Helm auf. Dann schob ich mein Handy in die Innentasche meiner Jacke, gab Gas und brauste los in eine Zukunft, die ich nicht wollte, an der jedoch kein Weg vorbeiführte.

****

»Mia! Meine süße Kleine«, rief meine Tante, schlang ihre dünnen Arme um mich und drückte mich fest an ihre Brust. Für eine solch zierliche Person war sie ziemlich stark. Ihr schwarzes Haar war zu einem eleganten französischen Knoten hochgesteckt. Sie trug eine weiße Bluse, die so weich wie Seide war, was vermutlich daran lag, dass es Seide war. Die Bluse steckte in einem strengen schwarzen Bleistiftrock aus Leder, und dazu hatte sie turmhohe Stilettos mit roter Sohle an, die ich aus der aktuellen Vogue kannte. Sie sah wunderschön aus. Vor allem aber sah sie teuer aus.

»Tante Millie, es ist so schön, dich zu sehen«, setzte ich an, doch sofort legten sich zwei Finger mit langen blutrot lackierten Nägeln auf meinen Mund.

Sie schnalzte mit der Zunge. »Wirst du wohl, hier nennst du mich Ms Milan.« Ich verdrehte übertrieben die Augen. »Kleines, erstens, verdreh nicht die Augen. Das ist unhöflich und nicht besonders ladylike.« Ihre Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst. »Zweitens …« Sie ging einmal um mich herum und begutachtete mich, als wäre ich ein Kunstwerk, eine Statue. Etwas Kaltes, Undurchdringliches. Vielleicht war ich das ja auch. In der Hand hielt sie einen Fächer aus schwarzer Spitze, den sie öffnete und wieder schloss und ihn dann in ihre Handfläche schlug, während sie mich musterte. »… nenn mich nie wieder Millie. Diese Frau ist längst Vergangenheit. Sie ist gestorben, als der erste Mann, dem ich je vertraut habe, mein Herz in Stücke gehackt und seinen Hunden zum Fraß vorgeworfen hat.« Was für ein grausiges Bild, aber Tante Millie war nun mal gnadenlos ehrlich.

»Kinn hoch.« Sie schlug mir mit dem Fächer unters Kinn, das sofort die gewünschte Haltung annahm. Dann tat sie das Gleiche noch einmal an der nackten, empfindlichen Stelle am unteren Rücken, wo mein enges Band-T-Shirt nicht ganz bis zu meiner Lieblingsjeans mit den Farbspritzern reichte. Sofort streckte ich den Rücken durch und schob die Brust raus. Ihr rotlippiges Lächeln wurde breiter und entblößte perfekt gebleichte, gerade Zähne. Es waren die schönsten, die man mit Geld kaufen konnte, und eine beliebte Investition bei den reichen Frauen in Los Angeles. Alle fünf Meter traf man eine Society-Lady, die häufiger beim Zahnarzt war, als medizinisch notwendig wäre, und nicht weniger oft ihren Hautarzt für die monatliche Botox-Spritze aufsuchte. Auch Tante Millie war offensichtlich Stammkundin bei Veneers ’R’ Us. Und obwohl sie auf die fünfzig zuging, war sie zweifellos ein heißer Feger.

»Also, du siehst auf jeden Fall großartig aus. Erst recht, wenn wir dir was Präsentables anziehen. Dann machen wir die Testfotos.« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als ihr Blick auf meine Biker-Klamotten fiel.

Ich trat einen Schritt zurück und stieß gegen einen Lederstuhl, der hinter mir stand. »Ich hab noch nicht ja gesagt.«

Millie kniff die Augen zusammen. »Hast du nicht gemeint, du bräuchtest jede Menge schnelles Geld? Und erwähnt, dass mein nichtsnutziger Schwager im Krankenhaus ist? Und in Schwierigkeiten?« Betont langsam setzte sie sich, schlug die Beine übereinander und legte die Arme bedächtig auf die weißen Lederarmlehnen des Stuhls. Tante Millie hatte meinen Vater nie gemocht. Was schade war, denn er gab als alleinerziehender Dad wirklich sein Bestes, nachdem ihre Schwester – meine Mutter – ihre zwei Töchter und ihn verlassen hatte. Damals war ich zehn. Madison war fünf und hat bis heute keine einzige Erinnerung an ihre Mutter, die ihr Halt geben könnte.

Ich biss mir auf die Lippe und blickte Tante Millie in die hellgrünen Augen. Wir sahen uns so ähnlich. Bis auf die kleinen Verschönerungen, die sie hier und da vorgenommen hatte, war es, als würde ich in den Spiegel blicken, nur einfach fünfundzwanzig Jahre später. Ihre Augen hatten dasselbe, fast ins Gelbe spielende Hellgrün, von dem die Leute schon mein Leben lang schwärmten, sobald sie es bemerkten. Grüner Amethyst, sagten sie immer. Als blicke man in einen seltenen grünen Diamanten. Unser Haar hatte das gleiche Pechschwarz, das nachtblau wirkte, wenn Licht darauf fiel.

Ich drückte die Schultern gegen den unbequemen Stuhl und atmete tief ein. »Ja, Dad hat sich diesmal bei Blaine richtig in die Tinte geritten.« Millie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Ich biss mir auf die Lippe, als ein Bild vor meinen Augen entstand, mein Vater, blass und hager, den ganzen Körper grün und blau geschlagen, wie er leblos im Krankenhaus lag. »Er ist im Koma. Vor vier Wochen haben sie ihn ziemlich heftig verprügelt. Er ist immer noch nicht wieder aufgewacht. Die Ärzte glauben, dass es vom Hirntrauma kommen könnte, aber es wird noch eine Weile dauern, bis wir Genaueres wissen. Blaines Schläger haben ihm so einige Knochen gebrochen. Er trägt immer noch ein Gipskorsett«, sagte ich.

»Mein Gott. Was für Barbaren«, flüsterte Millie und strich sich mit einer Hand eine Haarsträhne hinters Ohr, um die Fassung zurückzugewinnen. Ich kannte diese Geste. Millie war eine Meisterin im Manipulieren, und ich kannte niemanden, der seine Gefühle so gut unter Kontrolle hatte wie sie. Ich beneidete sie um dieses Talent. Hätte es selbst bitter nötig gehabt.

»Tja. Und als ich letzte Woche an Dads Bett Wache hielt, kam einer von Blaines Typen. Meinte, das wär’s jetzt für Dad. Wenn sie ihr Geld nicht mit Zinsen zurückerhalten, werden sie ihn töten. Und dann kommen sie zu Maddy und mir wegen dem Geld. ›Haftung des Überlebenden‹ nennen sie das. Was auch immer das sein soll. Auf alle Fälle muss ich eine Million Dollar auftreiben, und zwar schnell.«

Tante Millie presste die Lippen aufeinander und schnipste immer wieder mit dem Nagel des Zeigefingers gegen ihren Daumennagel. Das unaufhörliche Klicken machte mich wahnsinnig. Wie konnte sie bloß so ruhig sein, so kaltschnäuzig? Das Leben eines Mannes, mein Leben und das Leben meiner Schwester standen auf dem Spiel. Dad war ihr egal, aber für meine Schwester und mich hatte sie schon immer eine Schwäche gehabt.

Auf einmal blickte mich Millie entschlossen an, mit funkelnden Augen, in denen eine merkwürdige Begeisterung lag. »Es ist machbar, innerhalb eines Jahres. Glaubst du, sie geben dir ein Jahr Zeit, wenn du regelmäßig zahlst?« Sie zog die Augenbraue hoch und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich.

Die Härchen an meinen Armen stellten sich auf, und ich zog abwehrend die Schultern hoch. »Keine Ahnung. Ich weiß, dass Blaine sein Geld haben will, und da wir mal was miteinander hatten, habe ich vielleicht eine Chance, wenn ich ihn darum bitte. Diesem kranken, sadistischen Widerling hat es schon damals gefallen, wenn ich ihn auf Knien angebettelt habe.«

»Behalt deine Sex-Eskapaden für dich, Kleines«, sagte sie und grinste boshaft. »Sieht aus, als solltest du dich gleich an die Arbeit machen. Nur Spitzenverdiener. Wir müssen einen Gang zulegen. Ich brauch dich direkt morgen früh hier für das Fotoshooting. Das wird den ganzen Tag dauern. Porträt, Ganzkörper, Video und so weiter. Dann können meine Jungs das Material übermorgen auf die sichere Website stellen.«

Alles ging so schnell. Die Worte »Es ist machbar« klingelten mir in den Ohren. Sie waren wie ein Rettungsanker, ein Floß auf offenem Meer, inmitten von Haien, aber immerhin schwamm es noch.

»Aber muss ich auch mit ihnen schlafen? Ich meine, es gibt ja unterschiedliche Formen von Escort-Service.« Ich schloss die Augen und wartete, bis ich eine warme Berührung an meiner Hand spürte. Sie nahm meine Hände in ihre.

»Liebes, du musst nichts machen, was du nicht willst. Aber um entsprechende Summen zu verdienen, solltest du es in Betracht ziehen. Meine Kunden und ich haben eine ungeschriebene Vereinbarung, wenn man so will. Wenn die Mädchen mit ihnen schlafen, legen sie zwanzig Prozent drauf. Diese zwanzig Prozent werden bar in einem Umschlag im Zimmer des Mädchens hinterlassen. Es läuft niemals über mich oder meinen Service, schließlich ist Prostitution in Kalifornien illegal.« Millie legte sich den Zeigefinger ans Kinn. »Aber meine Mädchen sollten für diese Dienste ja nicht leer ausgehen, findest du nicht auch?« Sie zwinkerte. Ich nickte langsam. Ich wusste zwar nicht, wie ich das finden sollte, aber ich spielte einfach mit.

»Ich werde dich monatsweise buchen. Das ist die einzige Möglichkeit, jeden Monat eine sechsstellige Summe zu verdienen.« Ihre hellgrünen Augen leuchteten. So stark, dass ich beinahe glaubte, die Sache wäre ganz einfach, wenn ich nur offen genug war. »Du wirst zu dem Mann geflogen, wo auch immer er wohnt, und in dem Monat sein, was auch immer er braucht. Aber ich verkaufe keinen Sex. Wenn du mit ihm schläfst, dann weil du das willst. Allerdings, wenn du erst mal siehst, welche Männer ich auf der Warteliste habe, wirst du es dir zweimal überlegen, ob du nicht doch mit ihnen in die Kiste steigst. Ganz zu schweigen vom Extrageld.« Millie grinste und stand auf. Sie ging um ihren Glasschreibtisch herum, setzte sich, wandte sich ihrem Computer zu und entließ mich wortlos. Ich hatte das Gefühl, an der Sitzfläche aus Leder festzukleben, ohne mich rühren zu können. Wie zum Teufel sollte ich das alles anstellen? Die Gedanken daran kreisten wie hinterhältige Aasgeier durch meinen Kopf, stürzten sich einer nach dem anderen auf meine Moralvorstellungen und zerfetzten sie, als wären sie leichte Beute.

»Ich tue es«, hörte ich mich flüstern.

»Natürlich tust du es.« Millie sah mich über den Computer hinweg an. Ihre Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. »Das ist deine einzige Möglichkeit, wenn du deinen Vater retten willst.«

****

Der nächste Tag war hektisch. Ich fühlte mich wie Sandra Bullocks Figur in Miss Undercover. Bis zum Gehtnichtmehr wurde an mir herumgedrückt, geschrubbt, gezupft und gewachst. Ich kam mir vor wie ein menschliches Nadelkissen und hätte fast die Schönheitsberaterin zusammengeschlagen, die Millie angestellt hatte, um mich »wieder hinzubekommen«. Ihre Wortwahl, nicht meine. Ich konnte nicht leugnen, dass es sich gelohnt hatte. Als ich in den Spiegel sah, erkannte ich die Frau darin kaum wieder. Meine langen schwarzen Haare glänzten mehr als je zuvor und fielen in Wellen über Schultern und Rücken. Überall dort, wo Licht auf meine Haut fiel, schimmerte es. Der sonnengebräunte Teint, an dem ich wochenlang in der kalifornischen Sonne gearbeitet hatte, leuchtete nun wie flüssiger Honig und unterstrich meine Vorzüge. Das Kleid, in das sie mich gesteckt hatte, war aus lavendelfarbenem Stoff, bequem und eng anliegend. Es schmiegte sich perfekt an meine Kurven und Kanten und erzielte den gewünschten Effekt. Sexy und elegant. Ich sah aus wie ein dunkler Engel, als der Fotograf mich auf eine kalte weiße Marmorbank platzierte. Er drehte und wendete mich, und schon bald hatte ich es tatsächlich raus, hübsch zu schmollen und mit leerem Blick in die Ferne zu starren, ohne Gefühle zu zeigen. So musste ich ab jetzt sein. Gefühllos.

Sobald wir fertig waren, zog ich meine Straßenklamotten wieder an, die wie immer aus Jeans und engem Shirt bestanden, und ging zurück in Millies, äh, Ms Milans Büro.

»Liebes, die Bilder sind großartig! Ich wusste doch, dass ein Model in dir steckt.« Sie klickte in ihrem Computer herum. Ich ging um den Schreibtisch und warf einen Blick auf den Bildschirm. Mir blieb die Luft weg, als ich das Bild sah, das der Fotograf von mir gemacht hatte.

»Unglaublich.« Einen Augenblick war ich sprachlos. »Das soll ich sein?« Ich schüttelte den Kopf, während ein Bild nach dem anderen auf die Website von Exquisite Escorts hochgeladen wurde. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich das war, hätte ich es niemals geglaubt.

Ein leises Lächeln umspielte die Lippen meiner Tante. »Du bist wunderhübsch.« Ihr grünäugiger Blick fing meinen auf. »Du siehst wirklich aus wie …«

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