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Der 'Cherubinischer Wandersmann', eine faszinierende Sammlung von geistlichen Gedichten des Barockdichters Angelus Silesius, bekannt auch unter seinem bürgerlichen Namen Johannes Scheffler, bietet einen tiefen Einblick in die mystische und religiöse Gedankenwelt des 17. Jahrhunderts. Diese Anthologie zeichnet sich durch ihre lyrische Intensität und stilistische Vielfalt aus, die von strenger Form bis hin zu freien rhythmischen Versen reicht. Die in dieser Sammlung enthaltenen Werke sind nicht nur literarisch bedeutsam, sondern auch ein Spiegel der spirituellen Suche und des persönlichen Ringens des Autors mit seiner Glaubenswelt. Im Kontext der Barockliteratur und der christlichen Mystik reflektieren die Gedichte des 'Cherubinischen Wandersmanns' auf einzigartige Weise die zeitgenössischen religiösen und philosophischen Debatten. Johannes Schefflers Wandlung vom Lutheraner zum katholischen Priester spiegelt sich in seinen Schriften wider, die durch eine tiefe Sehnsucht nach göttlicher Vereinigung und einer abstrakten, fast rätselhaften Bildsprache gekennzeichnet sind. Diese Sammlung bietet daher nicht nur einen literarischen, sondern auch einen kulturellen und spirituellen Querschnitt der Epoche, in der der Autor lebte. Dieser 'Cherubinische Wandersmann' ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für deutsche Barockpoesie, christliche Mystik oder die Entwicklungen spiritueller Literatur interessieren. Er bietet eine reiche Auswahl an Gedichten, die zum Nachdenken und zur introspektiven Betrachtung anregen. Die Anthologie ist ein Schlüsselwerk, das den Lesern ermöglicht, die vielschichtige Verbindung von Literatur, Theologie und Philosophie zu erkunden und die faszinierende Welt der religiösen Poesie zu entdecken.
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Seitenzahl: 253
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Books
Wir alle die wir mit aufge-
dektem Angesichte die Herrlig- keit des HErren anschauen / werden verwandelt in dassel- bige Bild von Klarheit in Klar- heit / als vom Geiste des HEr- ren. 2. Cor: III. 18.Zueschrifft.
Der Ewigen Weißheit GOtte / Dem Spiegel ohne makel / den die Cherubin und alle Seelige Geister mit ewi- ger verwunderung anschauen / Dem Lichte welches alle Menschen erleuchtet die in diese Welt kommen / Dem unerschöpfflichen Brunn und ursprüngli- chem Qualle aller Weißheit / Schreibet zue und richtet wiederumb in Jhn hin / Diese auß dessen grossem
Inhaltsverzeichnis
GOttsbegiehriger Leser / vor etlichen Jahren habe ich dir den Seraphinischen begiehrer in meiner verliebten Psyche zum andernmahl: mit vermehrung der Heiligen Liebs begiehrden zu glükseeliger entzündung deines Hertzens in göttlicher Liebe / zuegesendet; wie auch unlängst die sinnliche betrachtung der vier Letzten Dinge / welche dich gleichfalls Gott innbrünstig zu lieben aufmuntern kan: anitzo trage ich dir meinen Cherubinischen Wandersmann oder geistliche Sinn- und Schluß-Reime zum andernmahl auch vermehrt / zu einem gefehrten an; umb durch denselben noch mahls die Augen deiner Seele zur Göttlichen beschawligkeit zuleiten und zuerheben. Glükseelig magstu dich schätzen / wann du dich beyde lässest einnehmen / und noch bey Leibes Leben bald wie ein Seraphin von himmlischer Liebe brennest / bald wie ein Cherubin mit unverwandten augen Gott anschawest: denn damit wirstu dein ewiges Leben schon in dieser sterbligkeit / so viel es seyn kan anfangen / und deinen beruff oder außerwälung zu demselben gewiß machen. Weil aber folgende Reimen vil seltzame paradoxa oder widersinnische Reden / wie auch sehr hohe und nicht jederman bekandte schlüsse / von der geheimen Gottheit / jtem von Vereinigung mit GOtt oder Göttlichem Wesen / wie auch von Göttlicher Gleichheit und Vergöttung oder GOttwerdung / und waß dergleichen / in sich halten; welchen man wegen der kurtzen Verfassung leicht einen Verdamlichen Sinn oder böse Meinung könte andichten: Als ist vonnöthen dich deß halben zuvor zuerinnern.
Unnd ist hiermit einmal für allemal zuwissen / daß deß Urhebers Meinung nirgends sey / daß die Menschliche Seele jhre Geschaffenheit solle oder könne Verliehren / und durch die Vergöttung in GOtt oder sein ungeschaffenes Wesen verwandelt werden: welches in alle Ewigkeit nicht seyn kan. Denn obwol GOtt Allmächtig ist / so kan er doch dises nicht machen (und wann Ers könte / wäre Er nicht GOtt) daß eine Creatur natürlich und wesentlich GOtt sey. Derowegen sagte Thaulerus in seinen Geistlichen Unterrichtungen c. 9. weil der Allerhöchste nicht machen kondte / daß wir von Natur GOtt wären (denn diß steht jhm alleine zu) so hat Er gemacht / daß wir GOtt wären auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in jmmerwehrender Liebe besitzen mögen eine Seeligkeit / eine Freüde / und ein einiges Königreich: Sondern dieses ist sein Sinn / daß die Gewürdigte und Heilige Seele zu solcher naher Vereinigung mit GOtt und seinem Göttlichen Wesen gelange / daß sie mit demselben gantz und gar durchdrungen / überformet / Vereinigt und eines sey; dermassen / daß wenn man sie sehen solte / man an jhr nichts anders sehen und erkennen würde als GOtt; wie dann im ewigen Leben geschehen wird: Weil sie von dem Glantze seiner Herrligkeit gleichsamb gantz Verschlungen seyn wird. Ja daß sie zu solcher Vollkomner gleichnüß GOttes gelangen könne / daß sie eben das Jenige sey (auß Genaden) was GOtt ist (von Natur;) und also in diesem Verstande recht und wol ein Liecht in dem Liechte / ein Wort in dem Worte / und ein GOTT in GOtte (wie in den Reimen geredet wird) könne genennet werden. Sinthemal / wie ein alter Lehrer sagt / GOtt der Vatter hat nur einen Sohn / und derselbe sind wir alle in Christo. Sind wir nun Söhne in Christo / so müssen wir auch seyn was Christus ist / und dasselbe Wesen haben / welches der Sohn GOttes hat. Denn eben darumb (spricht Thaulerus in der vierdten Predigt am H. Christage) daß wir dasselbe Wesen haben / werden wir Jhm gleich / und sehen Jhn wie Er wahrer GOtt ist.
Und diesem Satze stimmen bey alle Heilige GOttesschawer; jnsonderheit jetzt gedachter Tauler in der 3. Predigt am 3. Sontag Trinit. da er spricht: Die Seele wird (durch das wider erlangte Ebenbild) GOtte gleich und Göttlich: Ja alles wird sie auß genaden was GOtt ist von Natur. Jn diser Vereinigung und einsenckung in GOtt / wird sie über sich selbst in GOtt geführt / und GOtte so gleich / daß wann sie sich selber sähe / sie sich für GOtt würde schätzen: Und wer sie sähe / der würde sie sehen / nicht zwar in dem Natürlichen sondern in dem auß Genaden jhr mit getheiltem Wesen Form und weise GOttes / und würde also Seelig von dem Gesichte. Sinthemal GOtt und die Seele in solcher Vereinigung eines sind; wiewol nicht von Natur / sondern auß Genaden. Und nach wenigem: Die lautere und Göttliche Seele welche von der Creaturen Liebe so frey ist wie GOtt / wird von andern gesehen werden / auch sich selber in Ewigkeit ansehen als GOtt (denn GOtt und eine solche Seele sind in der obgemeldten Vereinigung eins) und wird jhre Seeligkeit in und auß sich selbst nehmen in diser Vereinigung.
Rusbroch im dritten Buch vom Zierrath der Geistlichen Hochzeit c. 1. Jn der Wesentlichen Einheit GOttes sind alle Andächtige und jnnige Geister eins mit GOtt durch Jhre Liebhabende einsenckung und zerschmeltzung in ihn: Und sind auß Gnaden eben dasselbige Eins das dieselbe Wesenheit in sich selber ist.
Und eben daselbst: GOtt über alle gleichnüsse / wie Er in sich selber ist / fassen und Verstehen / das ist etlicher massen GOtt mit GOtt seyn ohne mittel / (oder daß ich so sage) ohne eine empfindliche Anderheit. Und eben im selben Buche c. 2. spricht Er: Wann der Geist deß Menschen durch die genießliche Liebe sich selber verlohren hat / so empfängt er die Klarheit GOttes ohne mittel: ja er wird auch selbst / (soviel einer Creatur zusteht) ohne unterlaß dieselbe Klarheit welche er embfängt.
Gleichermassen redet auch S. Bernard. im Buche vom Einsamen Leben / da er spricht: Wir werden das seyn was Er ist. Denn welchen die Macht gegeben ist GOttes Kinder zu werden / denen ist auch die Macht gegeben / nicht zwar daß sie GOtt seyn / sondern daß sie seyn was GOtt ist. Und nach disem: Diese gleichnüß GOttes wird die Einheit deß Geistes genent / nicht alleine weil sie der Heilige Geist zu Wercke richtet / oder den Geist deß Menschen damit anthut: Sondern weil sie selbst der Heilige Geist / GOtt die Liebe ist / weil durch Jhn / welcher die Liebe deß Vatters und deß Sohnes ist und Einheit / und Anmütigkeit / und Gut / und Kuß und umbfassung / und alles was beyden kan gemein seyn / in jener höchsten Vereinigung der Warheit / und Warheit der Vereinigung / eben dasselbe dem Menschen auff seine Art zu GOtt geschieht / was mit der selbständigen Einheit dem Sohne zum Vatter / oder dem Vatter zum Sohne / wann in der umbfahung und Kuß deß Vatters und deß Sohns sich etlicher massen mitten inne befindet das seelige Gewissen; da auff eine unaussprechliche und Ungedänckliche weise der GOttes Mensch verdienst zu werden / nicht GOtt: sondern doch was GOtt ist auß Natur / der Mensch auß Genaden. Und dieses Bernardus. Fragstu wie das zugehen könne / weil das Göttliche Wesen unmittheilhafftig ist? So antworte ich dir fürs Erste mit dem heiligen Bonaventura: So du es wissen wilt / so frage die Genade / und nicht die Lehre: Das Verlangen / und nicht den Verstand: das Seufftzen deß Gebeths / und nicht das fleissige lesen: Den Bräutigam / nicht den Meister: GOtt / nicht Menschen: Die tunckelheit / nicht die Klarheit: Nicht das Licht / sondern das Feuer welches gantz und gar anflammet / und in GOtt mit brennenden Begierden führet / welches Feuer GOTT selber ist.
Fürs ander / daß das Göttliche Wesen zwar unmittheilhafftig sey / solcher gestalt / daß es sich mit einem Dinge vermengen solte / und eine Natur oder Wesen mit ihm werden: Daß es aber auff gewisse Weise wegen der so nahen und jnniglichen Vereinigung / mit welcher es sich in die Heylige Seelen ergiest / gleichwol mit theilhafftig könne genennet werden: Massen auch Petrus sagt / daß wir theilhafftig werden der göttlichen Natur: und Johannes / daß wir Gottes Kinder seynd / weil wir auß GOtt gebohren seynd. Nun können ja die jenige nicht Gottes Kinder / und theilhafftige der Göttlichen Natur genennet werden (spricht Thomas à Jesu l. 4. d. orat. divin. c. 4) wann dieselbige nicht in Uns / sondern weit von Uns abgesondert ist. Denn so wenig ein Mensch kan weise seyn ohne Weißheit (wie Thauler. in der vierdten Sermon im H. Christage redet) so wenig kan einer auch ein Kind Gottes seyn ohne die Göttliche Kindschafft / das ist / er habe dann das warhafftige Wesen deß Sohnes GOttes selber. Derohalben soltu GOttes Sohn oder Tochter seyn / so mustu auch eben das Wesen haben / welches der Sohn GOttes hat / sonsten kanstu GOTTES Sohn nicht seyn. Aber solche grosse Herrligkeit ist uns noch zur Zeit verborgen. Darumb schreibt auch S. Johannes an obgemeltem Ort weiter also: Meine allerliebsten wir sind zwar Gottes Kinder / aber es ist noch nicht offenbahr was wir seyn werden / wir wissen aber wann es erscheinen wird / daß wir ihme werden gleich seyn / das ist / dasselbe Wesen das er ist werden wir auch seyn etc. Darumb sagt Nicolaus à JESU Mar. l. 2. c. 16. Elucid. Theologic. in Joan. à cruce: Daß die Seele durch die Würkungen der Liebe mit welchen sie GOtt liebt / Erlange / daß ihr GOtt nicht allein seine Gaben mittheile / sondern daß auch selbst die selbständigkeit und Wesen GOttes der Seelen mit sonderbahrem Titel selbständig zugegen sey. Und solches bestättigen auch die Worte deß heiligen August. S. 185. de tempore da er spricht: Der heilige Geist ist in diesem Tage zu bereitung der Hertzen seiner Apostel wie ein Platzregen der Heiligung eingefallen / nicht als ein Eilfertiger besucher / sondern als ein jmmerwehrender Tröster / und ewiger beywohner. Dann wie er Matth. am 28. von sich selbst seinen Aposteln gesagt hatte: Siehe ich bin bey euch alle Tage biß zum Ende der Welt; Also sagt er auch von dem heiligen Geiste: Der Vatter wird euch den Tröster geben der bey euch sey in Ewigkeit. Derowegen ist er in diesem Tage bey seinen Gläubigen nicht nur durch die Gnade der Rechtfertigung / sondern selbst durch die Gegenwart seiner Majestät gewest; und ist in die Gefässe jetzo nur nicht der Geruch deß Balsams / sondern selbst die selbständigkeit der Heiligen Salbe geflossen.
Dises aber eygentlicher und ohne jrrthumb zuverstehen und zuerklären / hab ich mir allzeit sehr belieben lassen die Gleichnüsse welche die heiligen Vätter von der Vereinigung der Sonnen mit der Lufft / deß Feuers mit dem Eysen / deß Weins mit dem Wasser / und was dergleichen / sich gebrauchen / diese hohe Vereinigung GOttes mit der Seelen etlicher massen dadurch zubeschreiben. Unter welchen der heilige Bernard. im Buche wie man GOtt lieben sol / in der mitten also spricht: Gleich wie ein tropffen Wassers in viel Wein gegossen von sich gantz zuvergehen scheint / in dem es deß Weins geschmack und Wärmde an sich nimbt: Und wie ein feuriges glüendes Eysen dem Feuer gantz und gar gleiche wird / und seine alte und eigentliche Gestalt außziehet: und wie die Lufft mit der Sonnenlicht durchgossen in desselben Lichtes Klarheit überformet wird; also gar daß sie nicht so wol Erleuchtet / als das Liecht selber zu seyn scheinet: Also wird vonnöthen seyn / daß in den Heiligen alle Menschliche begierlichkeit auff unaussprechliche weise von jhr selbst zerschmeltze / und in Gottes willen gäntzlich eingegossen werde: dann wie wollte sonst GOtt alles in allen seyn / wenn in dem Menschen noch etwas vom Menschen übrig wäre? Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe / nach dem er eben diese Gleichnüsse angeführet hatte / spricht er darauff: Also ist deß Menschen Geist / wann er mit Göttlicher Liebe angethan ist / gantz Liebe. Derowegen wer GOtt liebt / ist jhm selbst Todt / und in dem er GOtt alleine lebt / machet er sich etlicher massen (daß ich so rede) mit Wesentlich oder mitständig dem geliebten (consubstantiat se dilecto.) Denn so die Seele Davids der Seelen Jonathe vereinigt ist; oder so der welcher GOtt anhängt ein Geist mit ihm wird: so gehet nit ohne ungleiches Urtheil der Vereinigung auff eine gewisse Art der mit Wesenheit die gantze Begierde in GOtt / etc. Und derogleichen findet man auch beym Rusbroch. Harphio. Thauler. und anderen. Jnsonderheit beym Ludovico Blosio da er im zwölfften Cap. seiner Geistlichen Unterrichtungen sehr schön also Redet. Jn der geheimen vereinigung verfleust die liebhabende Seele / und vergehet von jhr selbst / und verfället / als wäre sie zu nichte worden / in den Abgrund der ewigen Liebe: Allda sie ihr Todt ist / und GOtt lebet / nichts wissende / nichts fühlende / als die Liebe welche sie schmekket; denn sie verliehret sich in der übergrossen Wüste und Finsternüß der GOttheit. Aber sich so verliehren / ist mehr sich finden. Da wird Warlich / was da ist das Menschliche außziehende / und das Göttliche anziehende / in GOtt verwandelt. Gleich wie das Eysen im Feuer die Gestalt deß Feuers annimbt / und ins Feuer verwandelt wird. Es bleibet aber doch das Wesen der also vergötteten Seelen gleich wie das glüende Eysen nicht auffhöret Eysen zu seyn. Derohalben die Seele welche zuvor kalt war / ist jetzt brennend / die vor Finster war ist jetzt leuchtend: Die vor harte war / ist jetzt weich: Gantz und gar GOttfarbig; weil ihr Wesen mit Gottes Wesen durchgossen ist: Gantz mit dem Feuer der Göttlichen Liebe verbrennet / und gantz zerschmeltzend in GOtt übergangen / und ihm ohne mittel Vereinigt / und ein Geist mit ihm worden ist; gleich wie Gold und Ertzt in einen Metallischen klumpen zusammen geschmoltzen werden.
Nun mit solchen und dergleichen Worten und Reden haben sich die H. Gottesschauer bemühet die jnnigliche Vereinigung Gottes mit der geheiligten Seelen etlicher massen außzudrukken; denn dieselbe gründlich zubeschreiben / sagen sie / daß man nicht Wort finden könne.
Wann derowegen der Günstige Leser in diesen Reimen hin und wider derogleichen finden wird; so wolle er sie auch nach disem Verstande richten und verstehen.
Wie wol ich nun was disen Punct anbelangt zur genüge mich vermeine erklärt zuhaben; so muß ich doch noch einen schönen Text auß Dionijsio Carthusiano anher setzen: dieser redet Artic. 42. in Exod. also / Alsdann wird die Seele gantz in das unendliche Licht außgebreitet / der überwesentlichen GOttheit und überseeligsten Dreyeinigkeit / so strahlend / Liebreich und nahe copulirt oder verbunden / daß sie nichts andres verspüret / noch ihre eigne Würckung warnimt: sondern sie Verfleust von jhr selbst / und fleust wider in jhren eigenen Bronnen / und also wird sie in die Reichtümber der Glorien verzukket / in dem Feuer der ungeschaffenen unaußmäßlichen Liebe verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet und verschlukket / daß sie scheint etlichen massen das geschaffene Wesen auß- und das ungeschaffene und erste Musterwesen (esse ideale) wider anzuziehen, Nicht daß die Selbständigkeit verwandelt oder das eigene Wesen weg genommen werde / sondern weil die Weise zuseyn / und die Eigenschafft oder qualitet zuleben Vergöttet wird: Das ist / GOtte und seiner überseeligsten Seeligkeit übernatürlich und genädiglich vergleichet wird; und also wird fürtrefflich erfüllet deß Apostels Wort: Wer dem HErren anhängt ist ein Geist mit jhm / etc.
Wenn nu der Mensch zu solcher Vollkomner gleichheit GOttes gelangt ist / daß er ein Geist mit GOtt / und eins mit jhm worden / und in Christo die gäntzliche Kind- oder Sohnschafft erreicht hat / so ist er so groß / so reich / so weise und mächtig als GOtt / und GOtt thut nichts ohne einen solchen Menschen / denn Er ist eins mit jhm; er offenbahret ihm alle seine Herrlichkeit und Reichtümber / und hat nichts in seinem gantzen Hause / das ist / in sich selber / welches er für jhm verborgen hielte; wie er zu Mosi sagte / ich will dir all mein Gutt zeigen. Derowegen sagt der Urheber nicht zuvil wann er N. 14. in der Person eines solchen Menschen spricht: ich bin so reich als GOtt: Denn wer GOtt hat / der hat mit GOtt alles was GOtt hat. Also was N. 8. 95. 96. und sonsten gesagt wird / ist auch nach dieser Vereinigung zuverstehen. Wiewol auch diese zwey ersten ein absehen auff die Person Christi haben / welcher wahrer GOtt ist / und mit seinen unvergleichlichen Liebe Wercken uns zu verstehen gegeben / als ob GOtt gleichsam nicht wol wäre / wann wir solten Verlohren werden. Deßwegen Er auch nicht alleine in dieses Elende kommen und Mensch worden / sondern auch so gar deß allerschmälichsten Todes hat sterben wollen / daß Er nur uns wider zu sich bringen / und sich mit Uns ewig erfrewen und ergötzen könte: Wie er auch sagt / meine Lust ist bey den Menschenkindern. O deß verwunderlichen und unaußsprechlichen Adels der Seelen! O der unbeschreiblichen Würdigkeit zu welcher wir durch Christum gelangen können! was bin ich doch mein König und mein GOtt! und was ist meine Seele O unendliche Majestät! daß du dich ernidrigest zu mir / und mich erhebst zu dir! daß du Lust suchst bey mir / der du doch die ewige Lustbarkeit bist aller Geister! daß du dich mit mir wilt Vereinigen / und mich mit dir / der du in und an dir selbst Ewiglich genug hast! Ja was ist meine Seele / daß sie dir auch gar so Gemein sol seyn / wie eine Braut jhrem Bräutigam / wie eine Liebe jhrem Lieben! O mein GOtt: Wann ich nicht glaubte daß du warhafftig wärest / so könte ich nicht glauben daß zwischen mir und dir / als der unvergleichlichen Majestät solche Gemeinschafft jemahls möglich wäre. Weil du aber gesprochen du wollest dich mit mir Vermählen in Ewigkeit; so muß ich nur dise übervernünfftliche Genade / welcher ich mich nimmermehr könte würdig schätzen / mit demüttigem Hertzen und verstarrtem Geiste verwundern. Du O GOtt bist der allein unvergleichliche wunder thut; Sinthemal du auch alleine GOtt bist. Dir sey Lob / und Preiß / und Danck / und Herrligkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Was sonsten viel andere nicht jederman Gemeine Reden und Sprüche anbelangt / so hoffe ich sie werden / dem günstigen Leser / im fall er in den Lehrern der geheimen GOttes Weißheit bekandt ist / nicht alleine nicht frembde; sondern auch sehr Lieb und Angenehm seyn: in dem er hier als in einem kurtzen Begriff wird finden / was er bey jhnen nach der länge gelesen / oder ja selbst durch genädige besuchung GOttes in der That geschmäkket und empfunden hat. Jst er aber noch Unerfahren / so wil ich ihn freundlich zu ihnen gewisen haben: Jnsonderheit zum Rusbrochio, Thaulero, Harphio, Authore Theologiae Teutonicae &c.: Und neben disen sonderlich zum Maximil. Sandaeo Societatis JESU, welcher sich mit seiner Theologia Mystica, und dem clave, über die massen gegen die Liebhaber diser Göttlichen kunst verdienet hat.
Am allertröstlichstem aber abgebildet wird ers mit grosser verwunderlicher Begierde und hertzlichem Verlangen finden / in dem unlängst heraußgekommenen leben der Ehrwürdigen Jungfrauen Marinae de Escobar, welche allein auß gnädiger verleihung GOttes alles dessen gewürdiget worden / was jemahls alle dieser geheimen GOttes-Kunst erfahrne jngesambt geschrieben und aufgezeichnet haben.
Denn eine gantze und lautere Außlegung über alle und jede Worte zumachen / würde eine grosse weitläufftigkeit erfordern / und nur dem Leser verdrießlich seyn. Es ist deß Bücherschreibens ohne diß keine maß / daß anjetzo fast mehr geschrieben als gelesen wird. Dise Reimen / gleich wie sie dem Urheber meisten theils ohne Vorbedacht und mühsames Nachsinnen in kurtzer Zeit von dem Ursprung alles gutten einig und allein gegeben worden aufzusetzen; also daß er auch daß erste Buch in vier Tagen verfertiget hat; sollen auch so bleiben / und dem Leser eine auffmunterung seyn / den in sich verborgenen GOtt / und dessen heilige Weißheit selbst zusuchen / und sein Angesichte mit eignen Augen zubeschawen. Jedoch wo der Verstand zweiffelhafftig oder gar zu Tunckel zu sein vermeinet wird / so sol dabey eine kurtze Erinnerung geschehen. Der Leser dänke aber weiter nach / und lebe in betrachtung der Göttlichen wunder mit ungefälschter Liebe / zu grossen Ehren GOttes; deme befohlen. Gegeben in Schlesien den 7. Augstsmonats Tag des Sechzehn-Hundert vier und siebentzigsten Jahres.
Inhaltsverzeichnis
EGo infrascriptus legi Domini Joannis Angeli Silesij libellum qui inscribitur Geistreiche Sinn und Schluß-Reime; quo amoenitatem lusumque Poëticum ita Pietati sacrisque salibus miscet, ut Lectorem inde & recreandum sperem, & ad pios animi sensus commovendum. Ideoque dignum censui, qui luci publicae committeretur. Viennae ex Caesareo Academico Collegio Societatis Jesu die 2. Aprilis Anno 1657.
NICOLAUS AVANCINUS è Soc: JESV, S. S. Theol: Doctor ejusdemq; Facultatis Viennensis Decanus. Imprimatur. JOANNES GUILIELMUS IVNCHER, p. t. Vniversitatis Rector.
SErenissimi & Reverendissimi Principis ac Dn: Dn: LEOPOLDI GUILIELMI, Archiducis Austriae Ducis Burgundiae, Styriae, Carinthiae, Carniolae & Wirttenbergae, Comitis Habspurgi, Tyrolis & Goritiae, Administr: magni Generalatus in Prussia, Ord: Teutonici per Germaniam & Italiam partesque transmarinas Magni Magistri, Episc: Argentorat: Halberstatens: Passoviens: Olomucens: & Vratislaviens: per Silesiam Officialis ac Vicarius Generalis Nos Sebastianus â Rostock S. S. Theol: & Philosophiae Doctor, Protonotarius Apostolicus, Cathedralis Ecclesiae Vratislauiens: Archidiaconus, ibidem apud S. Crucem Canonicus &c. Fatemur Libellum piarum ac profundarum meditationum versibus Germanicis concinnatum sub nomine & Titulo Johannis Angeli Silesij Geistreiche Sinn- und Schluß-Reime Nobis exhibitum fuisse revidendum. Et quia ad pios animi motus conciliandos aptissimus, imprimi posse meritò censuimus. In cujus rei fidem hasce Officij nostri Sigillo, ac propriae manus subscriptione roborauimus.
Vratislaviae 6. Julij 1656.
Inhaltsverzeichnis
1. Was fein ist das besteht.
Rein wie das feinste Gold / steiff wie ein Felsenstein / Gantz lauter wie Cristall / sol dein Gemüthe seyn.
2. Die Ewige Ruhestadt.
Es mag ein andrer sich umb sein Begräbniß kränken / Und seinen Madensak mit stoltzem Bau bedänken. Jch Sorge nicht dafür: Mein Grab / mein Felß und schrein Jn dem ich ewig Ruh / sol's Hertze JEsu seyn.
3. GOtt kan allein vergnügen.
Weg weg ihr Seraphim ihr könt mich nicht erquikken: Weg weg ihr Engel all; und was an euch thut blikken: Jch wil nun eurer nicht; ich werffe mich allein / Jns ungeschaffne Meer der blossen GOttheit ein.
4. Man muß gantz Göttlich seyn.
HErr es genügt mir nicht / daß ich dir Englisch diene / Und in Vollkommenheit der Götter für dir Grüne: Es ist mir vil zu schlecht / und meinem Geist zu klein: Wer Dir recht dienen wil muß mehr als Göttlich seyn.
5. Man weiß nicht was man ist.
Jch weiß nicht was ich bin / Jch bin nicht was ich weiß: Ein ding und nit ein ding: Ein stüpffchin und ein kreiß.
6. Du must was GOtt ist seyn.
Sol ich mein letztes End / und ersten Anfang finden / So muß ich mich in GOtt / und GOtt in mir ergründen. Und werden das was Er: Jch muß ein Schein im Schein / Jch muß ein Wort im Wort / Thaul. instit. spir. c. 39. ein GOtt in GOtte seyn.
7.Man muß noch über GOtt.
Wo ist mein Auffenthalt? Wo ich und du nicht stehen: Wo ist mein letztes End in welches ich sol gehen? Da wo man keines findt. Wo sol ich dann nun hin? Jch muß noch über alles das man an GOTT erkennt oder von jhm gedänken kan / nach der verneinnenden beschawung / von welcher suche bey den Mijsticis. über GOtt in eine wüste ziehn.
8.GOtt lebt nicht ohne mich.
Jch weiß daß ohne mich GOtt nicht ein Nun kan leben /Schawe in der Vorrede. Werd' ich zu nicht Er muß von Noth den Geist auffgeben.
9. Jch habs von Gott / und Gott von mir.
Daß GOtt so seelig ist und Lebet ohn Verlangen / Hat Er so wol von mir / als ich von jhm empfangen.
10. Jch bin wie Gott / und Gott wie ich.
Jch bin so groß als GOtt / Er ist als ich so klein: Er kan nicht über mich / ich unter Jhm nicht seyn.
11. Gott ist in mir / und ich in jhm.
GOtt ist in mir das Feur / und ich in Jhm der schein: Sind wir einander nicht gantz jnniglich gemein?
12. Man muß sich überschwenken.
Mensch wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit / So kanstu jeden blik seyn in der Ewigkeit.
13. Der Mensch ist Ewigkeit.
Jch selbst bin Ewigkeit / wann ich die Zeit Verlasse / Und mich in GOtt / und GOtt in mich zusammen fasse.
14.Ein Christ so Reich als Gott.
Jch bin so Reich als GOtt / es kan kein stäublein seyn / Das ich (Mensch glaube mir) mit Jhm nicht hab gemein.
15. Die über-GOttheit.
Was man von GOtt gesagt / das gnüget mir noch nicht: Die über-GOttheit ist mein Leben und mein Liecht.
16. Die Liebe zwinget GOtt.
Vid. no. 7. Wo GOtt mich über GOtt nicht solte wollen bringen / So will ich Jhn dazu mit blosser Liebe zwingen.
17. Ein Christ ist GOttes Sohn.
Jch auch bin GOttes Sohn / ich sitz an seiner Hand: Sein Geist / sein Fleisch und Blut / ist Jhm an mir bekandt.
18. Jch thue es GOtte gleich.
GOtt liebt mich über sich. Lieb ich Jhn über mich; So geb ich Jhm sovil / als Er mir gibt auß sich.
19. Das seelige Stilleschweigen.
Wie seelig ist der Mensch / der weder wil noch weiß!Denotatur hic Oratio silentij, de qua vide Maximil. Sandae. Theol. mystic. lib. 2. comment. 3. Der GOtt (versteh mich recht) nicht gibet Lob noch Preiß.
20. Die Seeligkeit steht bey dir.
Mensch deine Seeligkeit kanstu dir selber nemen: So du dich nur dazu wilt schiken und bequemen.
21. GOtt last sich wie man wil.
GOtt gibet niemand nichts / Er stehet allen frey; Daß Er / wo du nur Jhn so wilt / gantz deine sey.
22. Die Gelassenheit.
So vil du GOtt geläst / so vil mag Er dir werden / Nicht minder und nicht mehr hilfft Er dir auß beschwerden.
23. Die Geistliche Maria.
Jch muß MARIA seyn / und GOtt auß mir gebähren / Sol Er mich Ewiglich der Seeligkeit gewehren.
24. Du must nichts seyn / nichts wollen.
Mensch / wo du noch was bist / was weist / was liebst und hast; So bistu / glaube mir / nicht ledig deiner Last.
25. GOtt ergreifft man nicht.
GOtt ist ein lauter nichts / Jhn rührt kein Nun noch Hier: i.e. Zeit und Ort. Je mehr du nach Jhm greiffst / je mehr entwird Er dir.
26. Der geheime Tod.
Tod ist ein seelig ding: je kräfftiger er ist: Je herrlicher darauß das Leben wird erkist.
27. Das Sterben machet Leben.
Jn dem der weise Mann zu tausendmalen stirbt / Er durch die Warheit selbst umb tausend Leben wirbt.
28. Der allerseeligste Tod.
Kein Tod ist seeliger / als in dem Herren sterben / Und umb das Ewge Gutt mit Leib und Seel verderben. i.e. Umb GOttes willen auch Leib und Seel ins äuserste verderben hingeben: Wie Moses und Paulus sich erbotten / und vil andere Heiligen.
29. Der Ewige Tod.
Der Tod / auß welchem nicht ein Neues Leben blühet / Der ists den meine Seel auß allen Töden fliehet.
30. Es ist kein Tod.
Jch glaube keinen Tod: Sterb ich gleich alle Stunden / So hab ich jedesmahl ein besser Leben funden.
31. D as jmmerwehrende Sterben.
Jch sterb' und lebe GOtt: wil ich jhm ewig Leben / So muß ich ewig auch für Jhm den Geist aufgeben. mystice i.e. resignare.
32. GOtt stirbt und lebt in uns.
Jch sterb' und leb' auch nicht: Quia originaliter ab ipso profluit virtus mortificationis. Item secundum Paul: 2. cor. 3. 10. mortificationem IESU. GOTT selber stirbt in mir: Und was ich leben sol / vivo, jam non ego, sed Christus in me. lebt Er auch für und für.
33. Nichts lebet ohne Sterben.
GOtt selber / wenn Er dir wil leben / muß er sterben: Wie dänckstu ohne Tod sein Leben zuererben?
34. Der Tod vergöttet dich.
Wenn du gestorben bist / und GOtt dein Leben worden / So trittstu erst recht in der Hohen Götter Orden.
35. Der Tod ists beste Ding.
Jch sage / weil der Tod allein mich machet frey; Daß er das beste Ding auß allen Dingen sey.
36. Kein Tod ist ohn ein Leben.
Jch sag es stirbet nichts; nur daß ein ander Leben / Auch selbst das Peinliche / wird durch den Tod gegeben.
37. Die Unruh kombt von dir.
Nichts ist das dich bewegt / du selber bist das Rad / Das auß sich selbsten laufft / und keine Ruhe hat.
38. Gleichschätzung machet Ruh.
Wenn du die Dinge nimbst ohn allen unterscheid; So bleibstu still und gleich in Lieb und auch in Leyd.
39. Die Unvollkommne Gelassenheit.
Wer in der Hölle nicht kan ohne Hölle leben / Der hat sich noch nicht gantz dem Höchsten übergeben.
40. GOtt ist das was Er wil.
GOtt ist ein Wunderding; Er ist das was Er wil / Und wil das was Er ist ohn alle maß und Ziehl.
41. GOtt weiß jhm selbst kein Ende.
GOTT ist unendlich Hoch / (Mensch glaube diß behände / Er selbst findt Ewiglich nicht seiner GOttheit Ende.
42. Wie gründt sich GOtt?
GOtt gründt sich ohne grund / und mist sich ohne maß: Bistu ein Geist mit ihm / Mensch so verstehstu das.
43. Man liebt auch ohn erkennen.