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Chiemgau - abseits vom Weg, so lautete 2022 das Schreibprojektes der Chiemgau-Autoren. Sie sollten Geschichten oder Gedichte schreiben, wobei es ihrer Phantasie überlassen blieb, ob es sich um reale oder fiktive Orte und Erlebnisse handelt, was an den Orten passiert, welche Gefühle der Ort in ihnen auslöst, welche Erinnerungen, Erwartungen oder Hoffnungen er weckt. Monatelang durchstreiften die Autorinnen und Autoren dazu die Region und ihre Fantasie, um mit den Mitteln von Sprache und Kreativität neue Welten zu zaubern, wobei ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt waren. Die Ergebnisse in Form von 43 Texten von 28 Autoren finden sich im gleichnamigen Band 5 der Anthologiereihe wieder.
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Seitenzahl: 121
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Vorwort
Auf Bergen und Hügeln
Halt
Engelstoa
Am Feierstoa
Zu den Hütten am Hochgern
Wö wos wechset
Die Leiden eines Bären
Trau dich, lieber Bauer
Da Schwammalsuacha
Tatzenschrappel
Sonnenfinsternis anno 1999
Weinbergaussicht
An Flüssen und Seen
halb düster halb hell
Versteckter Energiestrahl ‒ ein alpiner Kraftort in Aschau
Spiegelung
Heute nicht mein Tag
Ein bisschen tot
Am Polizeisteg
In der bayerischen Karibik
Der Johnny Depp vom Chiemgau
Mei Bankal am Sää z`Cheaming
Unterwegs zwischen Berg und Tal
Durchfahrt im Chiemgau
Ein kleines Stück vom Paradies
Bahnland Bayern - Zeit für dich
11,67 km Chiemgau vom Feinsten
Die Bienen von Neuling
Der Wunschfelsen
Zum Burg Café
Am rechten Weg
Föhn im Chiemgau
As große Ärgernis
Da Nordic-Walker
Plädoyer in Sachen Wolf
Opa, bleib noh a bissl do
An Ort und Stelle
Letzte Ruhestätte
Die gute alte Zeit?
Der Raucher aus Rottau
Sackgassen
D’ Urschallinga Kirch
Das rätselhafte Fresko in der Urschallinger Kirche
Rundgang durch die Kirche
Zeidlang nooch′n Cocoloco z′Hart
A Zuagroasta is und bleibd hoid a Zuagroasta
Mei Maxhüttn - friaras und heit
Mein Dornröschenschloss und andere Spielplätze
Wortfetzensammler
Das Interview
Kettengedicht
Autorinnen und Autoren: Kurzporträts
Register der Autorinnen und Autoren
Danksagung
Liebe Leserin, lieber Leser,
eine Pandemie hat die Welt seit dem Frühjahr 2020 vor große Herausforderungen gestellt. Egal, an welchen Platz das Leben die Menschen gestellt hat: Alle erlebten Einschränkungen, Ängste, Veränderungen, neue Konstellationen, aber auch viel Rücksicht, Neuorientierung und individuelle Kräfte. Der Blick änderte sich: Wir waren auf uns selbst gestellt, auf unsere eigene Kraft, auf die nähere Umgebung, auf das, was uns direkt betrifft und umgibt.
So kam es, dass sich auch die Chiemgau-Autorinnen und-Autoren mit dem befassten, was vor ihren Füßen liegt und das sie mit neuem Interesse betrachten wollten. Das Thema „Chiemgau ‒ abseits vom Weg“ lenkte den Blick auf die Region um uns herum ‒ und immer wieder auch aufs eigene Ich. So konnte manches neu entdeckt werden. Und so entstand in guter Zusammenarbeit der Autor/ inn/en diese literarische Gemeinschaftsleistung des Vereins, dessen Mitglieder miteinander verbunden sind durch die Freude an der Ausdruckskraft der Sprache.
Wir freuen uns, dass wir mit diesem Band unsere Anthologie-Reihe der Chiemgau-Autoren heuer mit dem vorliegenden fünften Band fortsetzen können. Jedes Jahr legen wir ein gemeinsames Textprojekt gedruckt vor:
Band 1 „Trotz.Kollaps.Schreiben“ 2018,
Band 2 „Das Salz in der Suppe ‒ sind wir!“ 2019,
Band 3 „Lesen für den Frieden“ 2020,
Band 4 „Zwischenräume“ 2021,
Band 5 „Chiemgau - abseits vom Weg“ 2022.
28 Autorinnen und Autoren schrieben für dieses Buch 43 neue Gedichte, Kurzgeschichten und Reflexionen, die wir auf die folgenden Kapitel aufgeteilt haben:
Auf Bergen und Hügeln
An Flüssen und Seen
Unterwegs zwischen Berg und Tal
An Ort und Stelle
Und auf eine Besonderheit dieses Buches möchte ich Sie noch extra hinweisen: Wir bieten Ihnen hier eine Kettendichtung („Renga“) an, das in vielen Fünfzeilern ‒ jeweils von verschiedenen Autor/inn/en geschrieben ‒ ganz unterschiedliche Eindrücke in einem langen Text versteckt. Dieses Lyrikformat enthält die japanische Kurzform des „Tanka“, also eines zweigliedrigen Gedichts, das aus einem Dreizeiler (Haiku), verbunden mit einem Zweizeiler (Matsuku) besteht. Wer ein Tanka beitragen wollte, schloss seinen Text an die zuletzt geschriebenen Zeilen an. Eine feine Gemeinschaftsarbeit also. Schauen Sie sich das Kettengedicht einmal an. Finden Sie die Anschlusswörter und Zusammenhänge?
Uta Grabmüller, 1. Vorsitzende, September 2022
Uta Grabmüller
gewaltigen kräften standhalten
der zeit widerstehen
sich dem druck widersetzen
massiver gewalt begegnen
widerstand leisten
ruhe und Stabilität bewahren
ausdauer zeigen
osterbuchberg und Westerbuchberg
vor der kette der chiemgauer alpen hielten sie stand dem tiroler-achen-gletscher der durch die marquartsteiner enge sich zwängte und schmelzend seiner auflösung entgegen drängte vor zehntausend jahren trotzten sie der wuchtigen eismasse mit starkem gestern heute noch ragen Sandstein und konglomerate der beiden bergkuppen aus der chiemsee-ebene heraus
osterbuchberg und westerbuchberg
es ist frühlingsanfang ich sitze in wärmender märzsonne auf einer bank am hang dieses dickköpfigen felsriegels mein blick geht nach süden ins achental ich sehe hochgern hochplatte und wilden kaiser ich denke nach ich denke nach über widerstand und halt und gelassenheit
Gustl Lex
In Bergn rechter Hand, kurz vor der Maxhüttn, fuhrt a kloans steils Straßl auffe an Pattenberg und von dort weiter zum Engelstoa, - a 30 Meter hoher Fels mit den Umrissen einer Frauengestalt.
Früher, vor undenklichen Zeiten, hört ma sagn, soll statt dem Felsen auf der großen Wiesen a Schloß gstanden sei, in dem drei edele Fräulein, de Engela, de Hatzige und de Willibirga gwohnt ham.
Wunderschö warns, aber liaderliche Fluggan, herrisch, stolz, leichtlebig und bremsig. Grad hinter de Manner her und weils da nia nix obrenna ham lassen, hat mas grad de drei wuiden Fräulein ghoaßen.
Schnell nachanand sans gstorbn und weils so unguat warn, werd verzählt, hams koa Ruah kriagt. Als Weiz hams umgeh müaßn, als Geister und da warns dann no boshafter wia scho zu Lebzeiten.
Nach dem eahna Schloß verfalln is, hams drobn in de Felsen und Höhlen ghaust. Wem sie da obn troffa ham, is von eah sekkiert worn, wars a Mensch oder a Viech, aber bsonders auf de junga Manner hams es abgsehng.
So is neamad mehr gern auffe ganga zu der Bauernarbat, vor lauter Fürchtn.
Da heirat a junger fescher Bursch nach Bergn und weil er koa Angst hat, geht er mit Hack und Sansen auffe zu seine Wiesen.
Zerst macht er im Jungwald no a weng a Brennholz, dann fangt er zum Maahn o. Als er nach Stunden fertig is, sitzt er sich zur Brotzeit. Da kimmt a wunderschöns Weiberleit des Wegs, des er net kennt. Es is de Engela, de in wuider, gieriger Leidenschaft nach eahm liachterloh brennt. Gschmaach schautsn o, tuat freundlich, wanzt sich glei zu eahm zuabe und so glegn schmaatzts, wia schö dass waar, wenn er doch heut Nacht bei ihra bleibat.
Net, dass eahm de sauberne Gsellin net gfalln hät, aber er bleibt standhaft und sagt ihra, dass des net geht, weil er doch a liabs, bravs Weiberl und a kloans netts Buberl dahoam hat.
Tiaf beleidigt is de Engela, aber sie zoagts net, sondern gibt eahm ihran wertvollen goldnen Gürtl und sagt scheinheilig und zuckersüaß: „Des is aber schö! Schau da hast a Gschenk für dei Frau. Wennst morgn Aufnacht kimmst, kriagst ah no a schöns Weisat für dein kloan Buam!“
Voller Freud über des noble Gschenk verspricht er ihra hoch und heilig, dass er am nächsten Tag wieder kimmt, und macht sich aufn Weg hoamzua.
Da fallt eahm sei Brennholz ei, und weil eahm da Gürtl im Weg is, bindt er’n kurzerhand um an Baam.
Grad wia er si sei Holz auf d‘ Achsel legt, krachts hinter eahm gewaltig und der Baam is grad, wo der Gürtel war, absprengt.
Jetzt hat ers gwisst, was des wuide Fräulein Engela mit seiner Frau vorghabt hat, und nia wieder is er auffe zu seiner Wiesen.
Aber de Engela hat von da o jeden Aufdnacht voll Verlangen gwart, gwart, dass der junge schöne Bauer kimmt und ihra begehrlichs Feuer löscht.
Über de vuin Jahr voller Sehnsucht is ihra Herz zu Stoa worn, erzählt de Fama, bis sie zum Schluss aus verblendeter Leidenschaft ganz zur versteinerten Säule erstarrt is.
So steht die Engela als Engelstoa seit tausenden von Jahren unterm Hochfelln, bis zum „tausendjährigen Reich“, des ihr bald zum Verhängnis worn waar, und des is jetzt koa Sage.
Im Jahr 1940 wars, als im November der Reichsminister und Generalinspekteur für den Straßenbau Dr. Fritz Todt den Befehl ausgebn hat, den Engelstoa zum sprenga.
Aus dem Stoa der schönen Engela solltn Platten gschnittn wern, um de vuin neuen Autobahnbrucken und de Tribünen vom Reichsparteitaggelände in Nürnberg verschönernd zu verkleiden.
Obwohl de Alpenvereinsektion Traunstein sturmlafft und energisch dagegen protestiert, is nix zum macha.
Trotz der Proteste wern de großen Bohrmaschinen für de Sprengung aufn Pattenberg bracht.
Da fahrt im letzten Augenblick, im Frühjahr 1941, a einflussreiche, bergbegeisterte Person nach Berchtesgaden ins Hauptamt für Autobahnangelegenheiten und legt Fürsprach für den Engelstoa ei.
Was koaner für möglich halt, der Bsuach hat Erfolg. Der Befehl werd von höchster Stell revidiert und s Sprengkommando vom Pattenberg abzogn.
Nachn Kriag wird da Engelstoa unter Naturschutz gstellt, scho a desweng, daß a nachfolgende Generationen am Beispiel von der wuiden Engela sehng, wohin falsche Leidenschaft führen konn.
Irmelind Klüglein
Ganz in der Fruah bin i a Wegerl ganga,
bin über a schmals Steigerl gstiegn.
Hab` d`Sonn in meine Haar eingfanga,
bin ganz alloanig bliebn.
Hat mir a Monkei pfiff`n,
hab zu eam umma gsehn,
hab in die Felsen griffn,
bin in da Wiesn gleng.
Sitz etz am Feierstoa,
ganz staad und ganz alloa,
da kimmt a große Ruah,
nimmt mi mitsamt die Schuah,
tragt mi recht weit, weit fort,
an oan ganz andern Ort,
an Ort, den koana kennt,
er liegt in Gottes Händ.
Wollt's wissen, wo i bin?
Im Gipfelbuch am Silleck,
da stehts drin.
Reinhold Schneider
So war der Tag auch das geworden,
was er verheißen in der Früh,
und auch die andren Wanderhorden,
sie machten uns kein bisschen Müh.
Am Wanderparkplatz unter Bäumen,
in Unterwössen, am Hochgern,
da fing sie an, die Tour zum Träumen,
die Gipfel waren da noch fern.
Und auch der Kaffee auf die Stund,
nach dem ich hatte ein Verlangen,
dass er nicht war nach meinem Mund,
machte die Stimmung nicht verhangen.
So stürmten wir, leicht und gelassen,
bergauf, das Ziel gar fest im Blick,
und sahen an der Wandrer Massen,
es winkte jetzt das Einkehrglück.
Die Moaralm-Würstel ohne Brot,
dekorativ die Käsejausen,
sie stillten doch die erste Not,
und ließen uns zufrieden schmausen.
Das Hochgernhaus, so nach ner Stund,
mit Kaffee und mit Streuselkuchen,
machte die Einkehr dann noch rund,
Entspannung mussten wir nicht suchen.
Sie kam zu uns und ließ uns schauen,
hinab ins Tal und dann zurück,
doch konnten wir darauf vertrauen,
dass es uns bliebe, dieses Glück?
So ging’s zur Moaralm dann zurück,
zur kleinsten Hütte von den Vieren,
um zu verlängern unser Glück
und um es heut nicht zu verlieren.
Wir tranken noch ein Gläschen Wein,
die andren Gäste gingen fort,
und saßen dann zu zweit allein,
an diesem wunderschönen Ort.
Der Tag neigte dem Ende zu,
ein letzter Schluck, wir mussten gehn,
die Dämm’rung kam, und auch die Ruh,
die Wege war’n kaum noch zu sehn.
Das nächtlich Tal hieß uns willkommen,
vom schönen Tag noch ganz erfüllt
war’n wir, vom Weine noch benommen,
von Abendstimmung eingehüllt.
Das war ein schöner Wandertag,
entspannt, zu zwei’n und mit Genuss,
genau so schön wie ich es mag,
und dies ist des Gedichtes Schluss.
Ingeborg Schmid
Des höbet leicht lochn! Wenn ih des war, wenn ih redat wia des, oftr denkat ih gewiss nit longe noch und hat schöen nacht gewescht, wos schreibn:
A scheas, a feins, a schmolzigs Gedichtle ibrn Rauschberg und enkrigen Oimarausch. Mei, wia nett, Barge und Bliamlen - Jo, sall mign di Leite. Und oftr passets öh nöh sö guat, Rausch und Rausch. Sall mign se öh olm gearn, di Leite. Und a weag Oimarisch, wegnen Oimarausch. Olles scheane, olles gemiatlach.
Obr sall nutzet mir nuicht. I konn sall jo gor nit schreibn, weil man ban ins jo gor nit Oimarausch set. Ban ins hoaßn dia Dings, dia Rhododendron söundsö nämlach Bsunterlen. Hö, do schaugets. Ebn, Bsunterlen. Nuicht mit Oima und Rausch und asö. Und sellat ih oftr eppan nöh gröaß vön Rauschberg schreibm und di Bsunterlen? Koa Mensch tat sall vrschteahn. Weil s öh nit passat! Wobei, passn tat s natirlach schöen öh a weag, irgndwia, weil, wenn di Oimarausch det wochsn, oftr wochsatn di Bsunterlen det wöll öh. Wenn se ibrhaupt det wochsn, dia Rhododendron söundsö, ih wescht s eppan gor nit. Obr sall frogat jo gor koar, wennde vö di Oimarausch schreibasch. Weil s ba di Oimarausch gor nit ums Wochsn gang. Weil s jo glongat, dass es klinget. Und ba di Bsunterlen? Jo, det wöll, det schaugatn se glei olle gonz genau, ob dia det öh wochsn, ban Rauschberg. Weil s koar vrschtand, worum ih vö di Bsunterlen und vön Rauschberg schreib, wenn se det jo gor nit wochsn.
Na, vön sam hea geaht sall gor nit. Und weil s jo öh gor nit klinget. Bsunterlen! Sall kannschte am eandeschten mim Unternberg zomm tean, rein vom Klingen hea, moan ih. Bsunterlen, Unternberg, wöll, vom Klingen hea gang dos wöll. Lei, det zeich ih, vrschtandn se oftr wiedr nit glei, worum ih aggrat in Unternberg nahm, wenn in Unternberg jo gor koa Rausch drin ischt. Wegnen Rausch miassat ih det eandr vön Underberg schreibn, im sam, sogn se, warn Kreitlan, Wossr und nöh eppas firn Rausch drin. Obr ummen sam geaht s nit, iatz geaht s ummen Unternberg, ummen Barg, und det schtimmet s wöll, dass koa Rausch drin ischt. Obr des miaßet öh inseahn, dass ih, wenn ih koan Oimarausch hon, obr Bsunterlen, gor koan Rausch brauch.
Und vön samm hea glonget dr Unternberg leicht, fir mih.
Von Blumen und Bergen. Dialektal-botanische Erkundungen um Ruhpolding
Hinweis 1:
Rauschberg
mehrgipfeliger Gebirgsstock in den Chiemgauer Alpen
Hinweis 2:
Unternberg
Ruhpoldinger Hausberg
Hinweis 3:
Rhododendron ferrugineum
Rostblättrige Alpenrose. Im Alpenraum,
ebenso wie die Bewimperte Alpenrose, auch Almrose genannt bzw. Almrausch, auf bairisch Alma- / Oimarausch, in Ötztaler Mundart Bsunterlen
Wolfgang Rendl