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NACHT DER LIEBE von GRACE GREEN Noch nie hat Felicity einen Mann so sehr begehrt wie Jordan Maxwell! Dabei ist sie die Nanny seiner kleinen Tochter. Außerdem hatte ihr Bruder einst ein Verhältnis mit Jordans verstorbener Frau. Wird ihre Zuneigung stärker sein als die Schatten der Vergangenheit? EIN KINDERMÄDCHEN ZUM VERLIEBEN von LINDSAY ARMSTRONG Francesca ist glücklich und unglücklich zugleich. Noch nie fühlte sie sich so geborgen wie bei Rafe Stevensen. Aber etwas bedrückt sie: Der attraktive Mann, der ihr Herz erobert hat, scheint sie nur zu begehren, nicht zu lieben! DER HOTEL-TYCOON UND DIE NANNY von ELIZABETH LANE Sie darf sich nicht in Wyatt verlieben! Schließlich ist der attraktive Hotel-Tycoon ihr Boss. Und Leigh bewegt sich mit ihrem Job als Nanny ohnehin schon auf gefährlichem Terrain … Was, wenn er herausfindet, warum sie sich wirklich um das Baby seiner Tochter kümmert?
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Seitenzahl: 574
Grace Green, Lindsay Armstrong, Elizabeth Lane
CORA COLLECTION BAND 25
IMPRESSUM
CORA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Neuauflage in der Reihe CORA COLLECTIONBand 25 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2002 by Grace Green Originaltitel: „The Nanny’s Secret“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Karin Weiss Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1540
© 1997 by Lindsay Armstrong Originaltitel: „Accidental Nanny“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Jutta Nickel Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA Muttertagsband 18
© 2014 by Elizabeth Lane Originaltitel: „The Nanny’s Secret“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Friederike Debachy Deutsche Erstausgabe 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe COLLECTION BACCARA, Band 348
Abbildungen: Getty Images / Boonyachoat, Anna Zasimova, Olga Kurbatova, Shutterstock / Carlos Caetano,alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733728687
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Mit Tränen in den Augen stand Felicity Fairfax vor dem Schaufenster eines der bekanntesten Kinderbekleidungsgeschäfte in West Vancouver. „Würde Mandy in dem gelben Kleidchen nicht bezaubernd aussehen, Joanne? Wie gern würde ich es ihr kaufen. Wenn nur …“
„Ja, wenn nur Jordan Maxwell dich in die Nähe seiner Tochter lassen würde“, unterbrach Joanne sie. „Aber das wird er nicht tun.“
„Weshalb ist er so hart und gefühllos?“ Felicity drehte sich zu ihrer Freundin um. Ihr langes blondes Haar, das in der Sonne golden schimmerte, hatte sie zu einem Zopf geflochten. „Es stimmt natürlich, dass mein Bruder Denny mit seiner Frau eine Affäre hatte. Doch das hat mit mir nichts zu tun.“
„Hat es auch nicht. Aber du bist eine Fairfax, und das ist schlimm genug für diesen Mr. Maxwell. Für ihn bist du eine Persona non grata, eine unerwünschte Person. Er wird seine Meinung nicht ändern, damit musst du dich abfinden.“ Dann wies Joanne auf die hübsche, bunt gemusterte Steppdecke, um Felicity abzulenken. „Hast du die gemacht?“
„Hm.“
„Das Muster gefällt mir, ich bin beeindruckt. Du nähst in der letzten Zeit sehr viel, stimmt’s?“
„Ja, seitdem ich Mandy nicht mehr betreue, habe ich mehr Aufträge angenommen. Ich vermisse die Kleine sehr, Jo. Sie war gerade erst eine Woche alt, als sie zu mir in die Babykrippe gekommen ist. Ich habe sie wie ein eigenes Kind geliebt. Ohne sie kommt mir mein Leben ziemlich leer und sinnlos vor.“
„Ich weiß, Liebes. Du solltest jedoch nicht so viel grübeln.“ Sanft zog Joanne sie mit sich und von dem Schaufenster weg. „Komm, lass uns einen Kaffee trinken und über etwas anderes reden.“
„Momentan kann ich an nichts anderes denken“, wandte Felicity ein. Sie folgte Joanne jedoch in das Café an der Ecke. „Jo, ich mache mir Sorgen um Mandy. Mir ist klar, dass ihre Mutter sich kaum um sie gekümmert hat, aber sie hat nicht nur ihre Mutter, sondern zugleich auch mich verloren. Wahrscheinlich fühlt sie sich verlassen und einsam.“
„Dich vermisst sie bestimmt, denn sie war ja tagsüber meist bei dir. Jordan Maxwell ist entweder unglaublich dumm oder unglaublich hartherzig. Anders lässt sich nicht erklären, dass er der Kleinen nicht erlaubt, bei dir zu sein.“
„Angeblich hat er sie in der Kinderkrippe in der Wedgwood Avenue angemeldet.“
„Ach ja? Die hat einen sehr guten Ruf. Auch das Personal soll gut sein. Dort wird es Mandy sicher gefallen. Meinst du nicht auch?“, fügte Joanne leicht besorgt hinzu.
„Hoffentlich.“ Felicity seufzte und setzte sich mit Jo an einen der freien Tische im Hill o’Beans. „Ich hoffe es sehr.“
Jordan Maxwell stieß die Tür des Bürogebäudes auf und ging mit großen Schritten über den weichen hellbraunen Teppich der Eingangshalle.
„Guten Morgen, Jordan“, begrüßte ihn die Rezeptionistin, eine Frau mittleren Alters, und verzog das Gesicht. „Die Besprechung hat schon angefangen.“
Er war wieder einmal zu spät. Phil Morningstar, sein Chef und Inhaber von Morningstar Realty, würde sich ärgern. In der Immobilienbranche konnte man es sich nicht erlauben, Zeit zu verschwenden. Deshalb legte er größten Wert auf Pünktlichkeit. Seit Jordan Mandy in der Kinderkrippe untergebracht hatte, schaffte er es jedoch nicht, vor Beginn der jeden Morgen stattfindenden Besprechung im Büro zu sein.
„Danke für den Hinweis, Bette. Dann muss ich mich auf die üblichen Vorwürfe gefasst machen. Haben Sie schon Ihre Gehaltserhöhung beantragt?“
„Nein, das tue ich heute lieber nicht. Phils Magengeschwür macht ihm zu schaffen.“
„Oh, das hat mir gerade noch gefehlt.“
„Jordan, warten Sie! Sie haben da …“
„Später, Bette“, unterbrach er die Frau und eilte weiter.
„Aber …“
Er schüttelte den Kopf und ging auf das Konferenzzimmer zu. Als er sich mit der Hand über das raue Kinn mit den Bartstoppeln fuhr, fluchte er leise vor sich hin. Ich hätte mir die Zeit nehmen müssen, mich zu Hause zu rasieren, dachte er. Er hatte versucht, es unterwegs im Auto nachzuholen, und sich zugleich bemüht, Mandy zu beruhigen. Aber da sie nicht aufgehört hatte zu weinen, war er mit den Nerven am Ende gewesen und hatte es aufgegeben, sich auch noch zu rasieren.
Die Tür zum Konferenzzimmer war nur angelehnt. Phil Morningstars laute Stimme war schon von weitem zu hören. Doch als Jordan den Raum betrat, herrschte plötzlich Schweigen, und sein Chef und seine Kollegen blickten ihn an.
„Es tut mir leid, Phil. Ich bin aufgehalten worden“, entschuldigte er sich und setzte sich auf seinen Platz an dem großen Mahagonitisch. Es war ganz still im Raum, man hörte nur das Rücken des Stuhles.
Auf einmal lachte jemand leise. Jordan stellte seinen Aktenkoffer hin, und erst jetzt fielen ihm die belustigten Mienen seiner Kollegen auf. Jack LaRoque, der gern den Witzbold spielte, lächelte und wies mit dem Finger auf die Brusttasche seines Jacketts.
Jordan sah an sich hinunter und entdeckte Mandys pinkfarbene Haarbürste. Er hatte sie in die Brusttasche seines Jacketts gesteckt, nachdem er seiner Tochter das gelockte blonde Haar gebürstet hatte. Dann schaute er seinen Chef an, der die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst hatte.
„Es tut mir leid“, sagte Jordan leise und schob die Bürste in den Aktenkoffer. In dem Moment läutete sein Handy. „Ich muss das Gespräch annehmen“, erklärte er und fluchte insgeheim. „Es ist wahrscheinlich die Kinderkrippe“, fügte er hinzu, ehe er sich meldete.
„Holen Sie bitte Mandy so rasch wie möglich ab“, forderte ihn Greta Gladstone, die Leiterin der Kinderkrippe, auf. „Das Kind ist geradezu hysterisch, seit sie es gebracht haben. So geht es nicht mehr, Mr. Maxwell. Sie müssen die Kleine woanders unterbringen. Wir werden nicht mit ihr fertig.“
„Okay, ich bin in fünf Minuten da“, versprach Jordan. Der Tag hat schlecht angefangen und wird offenbar immer schlimmer, schoss es ihm durch den Kopf, während er aufstand. „Phil, entschuldige, aber ich muss …“
„Nach dem Tod deiner Frau hast du drei Monate Sonderurlaub gehabt, Jordan, um dich um deine Tochter zu kümmern und die Betreuung zu regeln. Okay, das musste sein, dafür habe ich Verständnis. Doch jetzt reicht es mir. Ich gebe dir noch eine Woche Zeit, um deine privaten Probleme zu lösen. Wenn dir das bis nächsten Montag nicht gelingt …“
„Bis nächsten Montag, das ist gut. Danke, Phil“, unterbrach Jordan ihn und eilte zur Tür. „Bis dahin finde ich eine Lösung, das verspreche ich dir.“
Zu Hause rief Jordan sogleich seine Schwester an.
„Lacey, was für ein Glück, dass du da bist.“ Mandy war im Auto eingeschlafen, und er hatte sie auf dem Arm. „Du musst mir unbedingt helfen. Hast du Zeit?“
Lacey war fünfundzwanzig, neun Jahre jünger als er, und ein bekanntes und berühmtes Model. Mit dem langen schwarzen Haar, der feinen hellen Haut und den ungemein langen Beinen war sie eine hinreißende Schönheit.
Außerdem war sie intelligent und hatte gute Ideen. Deshalb hoffte Jordan, sie könnte ihm vielleicht einen Rat geben, wie er aus dem Dilemma herauskommen sollte.
Sie wohnte ganz in seiner Nähe in einer Eigentumswohnung. Als er ihren Wagen auf der Einfahrt hörte, stellte er die Kaffeemaschine an. Dann ging er ins Wohnzimmer, und wenig später schloss sie die Haustür mit dem Schlüssel auf, den er ihr für Notfälle gegeben hatte.
„Wieso bist du zu Hause?“, fragte sie. Obwohl sie nur ein einfaches weißes T-Shirt und Blue Jeans trug, sah sie ausgesprochen elegant aus. Sie bewegte sich graziös und geschmeidig. „Solltest du nicht wieder unterwegs sein und Grundstücke und Häuser verkaufen, nachdem du für Mandy einen Platz in der Kinderkrippe gefunden hast?“
„Mach es dir bequem, Lace.“ Jordan wartete, bis sie sich in den Sessel gesetzt hatte. Dann ging er in die Küche und kam mit zwei Bechern Kaffee zurück. Er reichte ihr einen. „Mandy ist nicht mehr in der Kinderkrippe. Sie liegt oben im Bett und schläft.“
„Ist sie krank?“
Er schüttelte den Kopf.
„Was ist los?“
„Man will sie dort nicht mehr haben.“ Er fuhr sich verzweifelt mit der Hand durchs Haar.
„Oh Jordan.“ Lacey stellte den Becher aufs Knie. „Hat sie nicht aufgehört zu weinen?“
„Nein, jeden Tag ist es dasselbe Theater. Heute Morgen, als ich sie hingebracht habe, hat sie heftig geschluchzt und sich an mich geklammert wie ein ängstliches Kätzchen. Ich bin mir wie ein Monster vorgekommen, als ich ihre Fingerchen von meinem Arm gelöst und das Kind der Kindergärtnerin übergeben habe, als wäre es mir lästig.“ Sekundenlang schloss er die Augen und hätte die hässliche Szene am liebsten aus seiner Erinnerung gestrichen.
„Jordan, das tut mir so leid.“ Lacey runzelte sorgenvoll die Stirn.
„Was soll ich jetzt machen?“, fragte er. „Es kommt noch so weit, dass ich meinen Job verliere. Morningstar hat keine Geduld mehr mit mir, da nützt es mir wenig, dass ich sein bester Mitarbeiter bin. Er hat mir ein Ultimatum gestellt: Bis Montag muss ich alles geregelt haben. Wenn ich es nicht schaffe, dann ist es aus und vorbei.“
Er ließ sich in den Sessel sinken, und sie tranken schweigend den Kaffee.
Schließlich begann sie behutsam: „Denk doch mal darüber nach, Felicity …“
„Nein!“, unterbrach er sie hart und sprang auf. „Sprich den Namen bitte nicht noch einmal in meiner Gegenwart aus. Ich will nicht …“
„Es geht nicht darum, was du willst oder nicht willst.“ Lacey stand auch auf und stellte sich vor ihn. In ihren grünen Augen blitzte es ärgerlich auf. „Jordan, ich kann verstehen, wie dir zu Mute ist nach allem, was passiert ist. Ich habe volles Verständnis dafür, dass du Denny Fairfax hasst, aber …“
„Lacey, ich warne dich“, fiel er ihr wieder ins Wort.
„Aber seine Schwester hat mit der Sache nichts zu tun“, fuhr Lacey unbeirrt fort. „Sie hat gar nicht gewusst, dass ihr Bruder und Marla seit mehreren Monaten eine Affäre hatten. Erst nach dem Unfall hat sie es erfahren. Obwohl du deine Frau verloren hast …“
„Ja, und das in mehr als einer Hinsicht!“
„Muss ich dich daran erinnern, dass auch Felicity Fairfax ihren Bruder so gut wie verloren hat, denn er wird wahrscheinlich nicht mehr aus dem Koma erwachen, wie die Ärzte ihr gesagt haben.“ Lacey ignorierte seinen Einwand. „Glaub mir, Felicity und Mandy mögen sich sehr. Ich habe selbst gesehen, wie sehr die Kleine an ihr hängt. Willst du nicht darüber nachdenken, Mandy tagsüber von Felicity betreuen zu lassen? Du brauchst ja nicht mit ihr zu reden, sondern kannst Mandy einfach bei ihr abgeben, wie Marla es auch getan hat, und sie abends wieder abholen.“
In dem Moment fing Mandy an zu weinen.
Jordan seufzte. „Sie ist aufgewacht. Komm mit, vielleicht kannst du sie beruhigen.“
Sie gingen zusammen nach oben in Mandys Schlafzimmer. Die Kleine weinte bitterlich, und Panik breitete sich in Jordan aus. Die Situation schien sich immer mehr zuzuspitzen, er hatte die Kontrolle darüber verloren. Wenn es so weiterging, hatte er auch bald keinen Job mehr. Wovon sollten er und seine Tochter dann leben? Obwohl er in den vergangenen Jahren sehr viel verdient hatte, hatte Marla nie lange gebraucht, alles auszugeben.
„Das arme Kind.“ Lacey beugte sich über das Kinderbett. Doch Mandy bemerkte sie gar nicht. Sie lag auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Ihre Wangen waren gerötet und feucht von den Tränen. Und sie weinte immer noch.
Lacey wartete, bis ihre Nichte Luft holen musste und eine Pause machte. „Hallo, Kleines, was ist denn los?“, fragte sie dann.
Mandy lag wie erstarrt da. Schließlich schluckte sie und öffnete die Augen. Als sie Lacey erblickte, drehte sie sich schreiend um und barg das Gesicht in den Kissen.
Jordan hob sie aus dem Bett und drückte sie an sich. Dabei versuchte er, sie zu trösten, und sprach leise auf sie ein. Nach einigen Minuten beruhigte die Kleine sich etwas. Sie zitterte jedoch am ganzen Körper und klammerte sich an ihren Vater.
Lacey streichelte ihr sanft den Rücken. „Will sie immer noch in dem kleinen Kinderbett schlafen? Ich habe gedacht, du hättest sie überreden können, in dem größeren Bett zu schlafen, Jordan“, sagte Lacey leise.
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe es aufgegeben, mit ihr darüber zu reden. Sie gibt nicht nach. Ich glaube, du kannst wieder nach Hause fahren. Es tut mir leid, dass ich dich gebeten habe zu kommen. Du verschwendest nur deine Zeit. Wahrscheinlich kann mir niemand helfen, dieses Problem zu lösen.“
Lacey wollte ihm widersprechen, überlegte es sich jedoch anders, als sie Jordans finstere Miene bemerkte. Ihr war klar, sie durfte Felicity Fairfax nicht noch einmal erwähnen.
„Trotzdem danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Ich weiß es zu schätzen“, bedankte er sich.
„Ich helfe dir gern, großer Bruder.“ Sie umarmte ihn und ging aus dem Raum. Auf dem Flur blieb sie kurz stehen und fügte über die Schulter hinzu: „Es gibt doch eine Lösung, Jordan. Du solltest wirklich darüber nachdenken.“
Felicity packte ihre Teekanne aus feinem Porzellan ein und verstaute sie vorsichtig in dem Umzugskarton. Dann richtete sie sich auf und musste lächeln, als sie sah, dass RJ mit dem auf dem Boden herumliegenden Papier spielte.
Sie hatte ihre Eigentumswohnung im Erdgeschoss verkauft und die meisten Sachen schon eingepackt. Man behauptete, Katzen würden jede Veränderung spüren und seien dann unruhig und gereizt. Aber RJ verhielt sich völlig normal, er war so verspielt und neugierig wie immer.
„Wir ziehen Montag hier aus, RJ. Was hältst du davon?“, fragte sie ihren Kater und wusch sich die Hände in der Küche.
RJ ignorierte sie einfach.
„Bis wir eine neue Wohnung gefunden haben, bleiben wir bei meiner Mutter auf Vancouver Island. Vielleicht kann ich uns sogar ein kleines Haus mit Garten und alten Bäumen kaufen. Du kletterst doch so gern“, fuhr sie fort.
Wieder ignorierte RJ sie. Er hüpfte um ein zusammengeknülltes Stück Papier herum, als wäre es eine Maus.
„Auf der Insel sind wir am besten aufgehoben.“ Felicity versuchte zu lächeln. Als sie jedoch ihr blasses Gesicht sah, das sich auf der glänzenden, verchromten Oberfläche ihres Wasserkessels spiegelte, wurde ihre Miene wieder ernst. Momentan war ihr sowieso nicht zum Lachen zu Mute. Doch bei ihrer Mutter würde sie sich wohlfühlen und sicher bald wieder Freude am Leben haben.
Ach, ich brauche mich gar nicht zu bemühen, positiv zu denken, ich komme sowieso nicht darüber hinweg, dass ich Mandy nicht mehr sehen kann, gestand sie sich ein. Sie bückte sich und hob den Kater hoch, der ihr mit seinem weichen weißen Fell um die Beine strich. Sogleich krallte er sich an ihrem T-Shirt fest, und sie überlegte, ob sie jemals zuvor schon einmal so verzweifelt gewesen war. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich ein eigenes Kind haben werde, RJ“, sagte sie leise. „Immerhin bin ich schon siebenundzwanzig und habe noch nicht den richtigen Mann kennengelernt.“
Wenn RJ hätte sprechen können, hätte er sie wahrscheinlich daran erinnert, dass drei ihrer Freunde sie hatten heiraten wollen. Aber sie hatte alle Heiratsanträge abgelehnt, weil sie die Männer nicht geliebt hatte. Es hatte sich einfach nicht richtig angefühlt.
In dem Moment fing RJ so laut an zu schnurren, als wollte er fragen, wie es sich denn anfühlen müsse.
„So wie in Liebesromanen“, erzählte sie ihrem Kater. „Ich will Sehnsucht nach dem Mann haben, wenn wir getrennt sind, und ich möchte vor Freude singen, wenn er bei mir ist. Und wenn er mich umarmt, möchte ich auf Wolke sieben schweben. Ich möchte das Gefühl haben, in der Tiefe seines Blickes zu ertrinken, wenn er mir in die Augen sieht. Ja, so müsste es sein.“
Plötzlich läutete das Telefon, und Felicity schreckte aus den Gedanken auf. RJ sprang von ihrem Arm auf den Boden, sie ging um die Umzugskartons herum und nahm das Telefon in die Hand. „Hallo?“, meldete sie sich.
Sie war sich ganz sicher, dass am anderen Ende jemand war. Doch wer immer es sein mochte, er schwieg.
„Hallo?“, wiederholte sie. „Wer ist da?“ Als wieder keine Antwort kam, fügte sie hinzu: „Mit wem möchten Sie sprechen?“
Und dann war die Leitung tot.
„Okay.“ Felicity warf einen empörten Blick auf das Telefon. „Der Anrufer hätte sich wenigstens entschuldigen können.“
Jordan ließ sich in den Ledersessel sinken und betrachtete das Telefon auf seinem Schreibtisch mit finsterer Miene. Schon seit einigen Tagen nahm er sich immer wieder von neuem vor, anzurufen und die Sache hinter sich zu bringen. Doch er konnte sich nicht dazu überwinden, mit Denny Fairfax’ Schwester zu reden.
„Was ist los? Hast du sie erreicht?“, ertönte auf einmal die Stimme seiner Schwester.
Er hob den Kopf und sah Lacey hereinkommen. „Ich habe gedacht, du seist oben bei Mandy.“
„Sie ist endlich eingeschlafen“, antwortete Lacey. „Hast du sie angerufen oder nicht?“
„Ja.“
„Und?“
„Nichts.“
„War sie nicht da? Hast du wenigstens auf ihren Anrufbeantworter gesprochen?“
„Nein.“
„Warum nicht?“, fragte Lacey.
„Sie ist zu Hause und hat sich gemeldet“, gab Jordan zu.
„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Hattest du etwa keinen Mut?“ Lacey lehnte sich an den Schreibtisch und blickte ihren Bruder vorwurfsvoll an.
„Verdammt, mit Mut hat es überhaupt nichts zu tun.“ Jordan stand auf und stellte sich vor seine Schwester. „Es geht um etwas ganz anderes.“
„Du bist verbittert.“ Lacey blickte ihn mitfühlend an. „Das kann ich verstehen. Aber trotzdem musst du das tun, was für deine Tochter am besten ist. Mandy hat Felicity Fairfax sehr geliebt, und ich bin davon überzeugt, dass sie sie sehr vermisst. Wahrscheinlich ist sie auch deshalb momentan so schwierig. Damit will sie dir und uns allen zu verstehen geben, dass sie die neue Situation hasst und sich wieder sicher und geliebt fühlen möchte.“
Lacey sah auf die Uhr. „Mein Lieber, ich habe nicht mehr viel Zeit. Versprichst du mir, noch mal anzurufen und wirklich mit ihr zu reden? Vielleicht will sie Mandy ja gar nicht mehr betreuen. Es ist immerhin möglich, dass sie mit unserer Familie genauso wenig zu tun haben will wie du mit ihrer und dass sie deine Frau für alles verantwortlich macht, was mit ihrem Bruder geschehen ist.“
„Willst du damit andeuten, dass sie sich vielleicht weigert, mir zu helfen, wenn ich sie bitte, sich wieder um Mandy zu kümmern?“
„Natürlich musst du damit rechnen, dass sie dir eine Absage erteilt. Das Risiko musst du eingehen“, erwiderte Lacey.
Jordan begleitete sie zur Haustür. Der Himmel war an diesem Abend im Juni wolkenlos und klar. Da das Haus oberhalb von West Vancouver am Meer lag, hatten sie einen herrlichen Blick auf die Stadt unter ihnen mit den vielen Lichtern. Man könnte beinah glauben, der Sternenhimmel würde sich im Wasser spiegeln, überlegte Jordan.
Lacey umarmte ihren Bruder zum Abschied. „Tu es Mandy zuliebe, Jordan.“
Bis weit nach Mitternacht war Felicity mit Packen beschäftigt. Schließlich machte sie Schluss und zog die vollen Kartons in den Hauswirtschaftsraum. Dann ließ sie RJ noch einmal nach draußen und beschloss, ins Bett zu gehen.
Sie hatte sich gerade ihr übergroßes T-Shirt angezogen, in dem sie schlief, und das Haar zu einem Zopf geflochten, als sie ein Geräusch an der Tür hörte. Sie dachte, es sei RJ, und riss die Tür auf.
„Komm herein, du süßes Kerlchen …“ Entsetzt verstummte sie, und RJ schoss an ihr vorbei. Felicity stand wie erstarrt da und glaubte zu träumen. Vor ihr stand ein Mann. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen. Aber er war sehr groß und hatte dunkles Haar.
„Wenn Sie fremde Männer nachts immer so freundlich auffordern hereinzukommen, bin ich bei Ihnen am falschen Platz“, sagte er.
Wovon redet er? überlegte sie. Dann wurde ihr klar, was er meinte: Sie hatte ihren Kater ein süßes Kerlchen genannt.
Ihre Angst verschwand. Wenn der Mann ihr etwas tun wollte, hätte er sie bestimmt schon zurück in die Wohnung gestoßen. Trotzdem war sie auf der Hut.
„Was wollen Sie?“, fragte sie. „Haben Sie sich verlaufen?“
Er lachte hart auf. „Nein, keineswegs.“
„Was wollen Sie?“, wiederholte sie.
„Ich möchte mit Ihnen reden.“
Felicity runzelte die Stirn. „Wer sind Sie überhaupt?“
Ungeduldig drehte er sich um, und sie betrachtete ihn im Mondschein. Er hat ein schönes, klassisches Profil, schoss es ihr durch den Kopf.
Rasch verdrängte sie den Gedanken. „Wenn Sie mir nicht verraten, wer Sie sind und was Sie wollen, ist es besser, Sie verschwinden wieder“, erklärte sie.
Als er sich wieder zu ihr umdrehte, ging das Licht in dem Schlafzimmer der Wohnung über ihr an, und Felicity konnte ihn in dem hellen Schein besser erkennen. Er ist wirklich ungemein attraktiv, er wirkt jedoch irgendwie feindselig, dachte Felicity.
„Ich bin Jordan Maxwell“, stieß er hart hervor. „Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen, aber nicht hier draußen vor der Haustür.“ Er schob die Hände in die Taschen. „Wollen Sie mich nicht hereinbitten?“
Jordan hatte sich Felicity als eine etwas ältere und reifere Frau vorgestellt. Mit so einem jungen Ding in einem weiten T-Shirt und mit einem langen Zopf hatte er nicht gerechnet.
Unsicher hatte Felicity ihn aufgefordert hereinzukommen. Dann hatte sie ihn gefragt, ob er etwas trinken möchte. Seitdem herrschte Schweigen.
Er hätte gern einen Scotch gehabt, sie hatte ihm jedoch nur Tee angeboten und den Wasserkocher angestellt. Danach war sie aus der Küche geeilt.
Wenig später kam sie in einem kurzen Morgenmantel zurück. Jetzt saßen sie zusammen am Küchentisch und tranken Kräutertee. Und sie schwiegen immer noch.
Jordan betrachtete Felicity aufmerksam. Sie war sehr schlank und hatte blondes Haar. Mit ihrem Bruder hatte sie keine Ähnlichkeit, er hatte dunkles Haar und eine kräftige Figur. Außerdem er war genauso verantwortungslos, hemmungslos und verschwenderisch, wie Marla es gewesen war. Die beiden hatten gut zusammengepasst.
Zorn breitete sich in Jordan aus wie so oft in der letzten Zeit. Er beherrschte sich jedoch.
„Ich bin wegen Mandy hier und wollte Sie fragen …“ Als er die Umzugskartons in dem Raum hinter ihr entdeckte, unterbrach er sich. Er konnte sehen, dass sie voll und ordentlich mit Klebeband verschlossen waren. In dem Moment fiel ihm auch auf, dass die Küche seltsam leer war. „Ziehen Sie um?“
„Ja, ich werde eine Zeit lang zu Hause wohnen.“
„Wo sind Sie zu Hause?“
„Auf Vancouver Island.“
Darauf war er nicht vorbereitet. Er hatte mit allem Möglichen gerechnet, dass sie seine Bitte zurückweisen oder vielleicht ein sehr hohes Gehalt verlangen würde und dergleichen. Aber auf den Gedanken, sie würde wegziehen, war er nicht gekommen. „Ist es endgültig?“
„Ja. Ich bleibe bei meiner Mutter, bis ich etwas anderes gefunden habe.“ Sie trank den Tee aus und stellte den Becher auf den Tisch. „Aber Sie haben mir immer noch nicht verraten, warum Sie hier sind.“
„Vergessen Sie es, es hat sich soeben erledigt.“ Jordan stand auf und ging zur Tür.
„Warten Sie“, forderte Felicity ihn auf.
Er drehte sich zu ihr um und bemerkte, wie blass sie war.
„Sie sind mir eine Erklärung schuldig. Sie können nicht einfach mitten in der Nacht hier auftauchen und wieder verschwinden, ohne ihren Besuch zu begründen.“
Jordan zuckte die Schultern. „Sie sind ja sowieso bald weg, deshalb ist es nicht mehr wichtig.“
„Es hat etwas mit Mandy zu tun, stimmt’s? Kann ich irgendwie helfen? Mir ist klar, dass es schwierig für Sie ist, mit ihr zurechtzukommen. Sie kann manchmal sehr eigensinnig sein. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einige Tipps geben. Ich könnte Ihnen beispielsweise …“ Felicity verstummte, als Jordan sich müde mit der Hand über den Nacken fuhr.
„Was ist passiert?“, fragte sie schließlich und machte einen Schritt auf ihn zu. „Ich muss es wissen!“
„Mandy fühlt sich überhaupt nicht wohl. Ich habe noch nie ein so unglückliches Kind gesehen.“ Jordan hätte Felicity am liebsten angefleht, nicht umzuziehen, doch das ließ sein Stolz nicht zu. Stattdessen zuckte er betont gleichgültig die Schultern. „Deshalb habe ich gedacht … Lacey, meine Schwester, hat vorgeschlagen, Sie zu bitten, Mandy wieder zu betreuen. Ich war dagegen, es geht jedoch letztlich nur darum, was für Mandy das Beste ist.“
„Oh.“ Mehr fiel Felicity in dem Moment nicht ein, sie war verblüfft.
„Aber da Sie bald nicht mehr hier sind, muss ich eine andere Lösung finden. Es wird mir schon etwas einfallen.“ Er drehte sich um und öffnete die Tür. „Es tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe.“
Jordan ging hinaus in die Nacht und wanderte im Mondschein zu seinem Wagen. Er hatte das Gefühl, seine Sorgen würden ihn erdrücken. Was, zum Teufel, soll ich jetzt machen? überlegte er verzweifelt. Er hatte Felicity Fairfax gegenüber behauptet, er würde eine andere Lösung finden. Es gab jedoch keine andere. Und es gab auch niemanden, der sich um seine Tochter kümmern konnte.
Er trat nach einem Stein und fluchte vor sich hin. Dann schloss er die Wagentür auf und wollte einsteigen.
„Warten Sie, Mr. Maxwell!“ Felicity lief atemlos hinter ihm her.
Felicity blieb vor Jordan stehen und atmete tief ein und aus. „Haben Sie das ernst gemeint? Soll ich Mandy wirklich wieder betreuen?“
„Ja, darum wollte ich Sie bitten.“
„Mitten in der Nacht?“
„Ich hatte gehofft, Sie könnten morgen schon anfangen. Auf dem Weg ins Büro hätte ich Mandy bei Ihnen vorbeigebracht, wenn Sie nichts anderes vorgehabt hätten. Aber da Sie nach Vancouver Island ziehen …“
„Das muss nicht unbedingt sein, ich tue es sowieso nur ungern. Viel lieber würde ich Mandy betreuen. Das Problem ist nur, ich habe momentan keine Wohnung und muss mir erst eine suchen.“
„So lange kann ich nicht warten“, wandte Jordan ein, obwohl sie das Gefühl hatte, er sei erleichtert. „Ich brauche Sie ab morgen.“
„Nein, das geht nicht. Meine Möbel werden erst am Dienstag abgeholt, und so rasch finde ich keine …“
„Sie können in Deerhaven wohnen“, unterbrach er sie.
„Ist das Ihr Haus?“
„Richtig“, antwortete er ungeduldig. „Sie fahren jetzt mit mir, und morgen kümmern Sie sich um das, was Sie noch erledigen müssen.“
Felicity war empört. Wenn er sich einbildet, mir Vorschriften machen zu können, hat er sich getäuscht, sagte sie sich.
„Ich habe ja noch nicht einmal alles eingepackt“, fuhr sie ihn an.
„Das können Sie morgen Abend machen, sobald ich wieder zu Hause bin.“ Er schob die Hände in die Taschen und spielte mit irgendwelchen Schlüsseln. „So, nachdem jetzt alles geklärt ist, nehmen Sie das mit, was Sie für heute Nacht und morgen brauchen. Dann fahren wir …“
„Ich habe eine Katze, genau genommen einen Kater“, unterbrach sie ihn.
„Ah ja.“ Seine Stimme klang spöttisch. „Dieses süße Kerlchen. Ich bin kein Katzenfreund. Wahrscheinlich wollen Sie sie nicht weggeben, oder?“
„Ganz bestimmt nicht!“
„Dann nehmen Sie meinetwegen das Tier mit. Aber sorgen Sie dafür, dass es mir aus dem Weg geht. Sonst kann ich für nichts garantieren. Ich warte hier.“ Er lehnte sich an das Auto und sah auf die Uhr. „Sie haben zwanzig Minuten Zeit.“
Nach dreißig Minuten kam Felicity aus dem Haus. Sie hatte ihn absichtlich zehn Minuten länger warten lassen.
Ich habe es Felicity Fairfax zu verdanken, dass ich meinen Job behalte, gestand Jordan sich ein. Er hätte ihr dankbar sein müssen. Doch als er über die Einfahrt auf den Vorplatz seines Hauses fuhr, breitete sich Ärger in ihm aus. Er fand es unerträglich, dass er auf Felicity angewiesen war.
War es nicht schon schlimm genug, dass seine Frau und Denny Fairfax sich im vergangenen Jahr auf dieser Wohltätigkeitsveranstaltung vor Weihnachten kennengelernt hatten? Marla hatte schon immer gern geflirtet, aber sie hatte die Grenze nie überschritten. Ihr aufwendiger Lebensstil war ihr viel zu wichtig gewesen, deshalb hatte sie sich nie ernsthaft über längere Zeit mit anderen Männern eingelassen – bis sie Denny Fairfax begegnet war.
„Ist Mandy etwa allein?“, fragte Felicity.
Jordan stellte den Wagen ab. „Meine Schwester passt auf sie auf. Ich glaube, Sie kennen sie, oder?“
„Ja, Lacey hat Mandy ab und zu abgeholt. Könnte sie sich nicht morgen um die Kleine kümmern?“
„Nein.“ Dass Lacey nach Kalifornien fliegen musste, braucht Felicity Fairfax nicht zu wissen, dachte er. „Lassen Sie uns aussteigen.“
Er trug ihren Koffer ins Haus, während Felicity ihm mit der Reisetasche und dem Katzenkorb folgte.
Als Jordan die Haustür öffnete, kam ihnen Lacey in der Eingangshalle entgegen. „Hast du etwas erreicht, Jordan?“, rief sie aus.
Er ließ Felicity an sich vorbeigehen.
„Oh!“ Lacey strahlte übers ganze Gesicht. „Felicity! Ich freue mich.“
„Hallo, Lacey.“ Felicity lächelte freundlich. „Ich freue mich auch, dich zu sehen.“
„Ist das dein Koffer? Bleibst du hier? Ach, weshalb frage ich? Natürlich bleibst du hier.“ Lacey lachte und entdeckte den Katzenkorb. „Du hast deinen Kater gleich mitgebracht.“ Sie bückte sich und sagte: „Hallo, RJ.“ Dann richtete sie sich wieder auf. „Lieb von dir, dass du gekommen bist, Felicity.“
Jordan räusperte sich. „Danke, dass du mir noch mal geholfen hast, Lacey. Ist alles in Ordnung mit Mandy?“
„Ja, sie schläft tief und fest“, antwortete Lacey und fügte an Felicity gewandt hinzu: „Jetzt kann ich morgen früh beruhigt nach Kalifornien fliegen. Mandy ist bei dir in guten Händen, Felicity.“
„Danke, Lacey.“
„Wahrscheinlich komme ich Freitag zurück und rufe dich an, Jordan.“ Lacey umarmte ihren Bruder und verabschiedete sich von Felicity. Dann eilte sie hinaus.
„Ich gebe Ihnen das Zimmer neben Mandys, damit Sie sie hören, wenn sie nachts schreit“, erklärte Jordan und ging ihr mit dem Koffer in der Hand voraus die Treppe hinauf.
Felicity sah sich um. „Seltsam, mir kommt das alles irgendwie bekannt vor, die Ölgemälde von Mandori, der Marmorfußboden in der Eingangshalle, der blaue Teppich auf der Treppe und die Uhr hier.“ Sie berührte behutsam die Benducci-Standuhr auf dem Treppenabsatz. „Wo habe ich das alles schon gesehen? Ich weiß, dass es für einen italienischen Grafen …“
„Lesen Sie die Zeitschrift für Architektur, Haus und Garten?“, unterbrach er sie.
„Ja, Joanne, meine Freundin, hat sie abonniert und bringt sie mir manchmal mit.“
Er forderte sie mit einer Handbewegung auf, ihm über die Galerie zu folgen. „Dann haben Sie wahrscheinlich den Artikel über Deerhaven gelesen. Man hat die Innenausstattung gezeigt und …“ Er verstummte, als sie an Mandys Zimmer vorbeigingen. Dennoch fing Mandy prompt an, leise zu wimmern.
Felicity blieb stehen. „Kann ich sie sehen?“, fragte sie.
„Lieber nicht. Sie schläft gleich wieder ein.“
Aber da hatte Jordan sich getäuscht. Er hörte, wie sie sich im Bett umherwarf. Noch eine schlaflose Nacht, dachte er resigniert und seufzte.
Plötzlich fing Mandy an, laut zu schreien. Jordan liebte seine Tochter sehr. Wenn sie ihm jedoch schon wieder den Schlaf raubte …
In dem Moment berührte Felicity ihn am Arm. „Zeigen Sie mir doch, wo Sie mich unterbringen wollen. Dann gehen Sie am besten ins Bett. Ich kümmere mich um Mandy.“
„Nein, erst muss ich Sie durch das Haus führen, damit Sie sich morgen zurechtfinden. Ich bin wahrscheinlich schon weg, wenn Sie aufstehen.“
„Ich komme allein zurecht.“ Felicity ging weiter. „Ist das mein Zimmer?“ Sie wies auf die nächste Tür.
Sie kommandiert mich herum und tut so, als hätte sie hier das Sagen, schoss es ihm durch den Kopf. Doch da er müde und erschöpft war, war ihm diese Lösung sogar recht. Am nächsten Tag konnte er ihr immer noch klar machen, wer der Herr im Haus war.
Er unterdrückte ein Gähnen. „Hier.“ Er öffnete die Tür und stellte den Koffer ab. „Das ist Ihr Zimmer. Es hat ein angrenzendes Bad.“ Mandy schrie immer lauter und schriller. Aus Erfahrung wusste er, dass sie stundenlang so weitermachen würde.
„Gute Nacht, Jordan.“ Felicity eilte an ihm vorbei in den Raum.
Eigentlich müsste ich mich jetzt bedanken, überlegte Jordan. Aber er brachte die Worte nicht über die Lippen. „Was ist mit dem Kater?“, fragte er stattdessen kurz angebunden.
„Oh, mit RJ ist alles in Ordnung. Morgen führe ich ihn draußen an der Leine spazieren, damit er sich an die neue Umgebung gewöhnt. Sobald ich sicher sein kann, dass er nicht wegläuft, darf er frei umherlaufen.“ Sie legte die Umhängetasche auf den Sessel, stellte die Reisetasche auf einen Stuhl und den Katzenkorb mitten ins Zimmer. Dann blickte sie Jordan herausfordernd an. „Sie können sich hinlegen. Wir sehen uns morgen oder wann auch immer“, fügte sie leicht belustigt hinzu und zuckte die Schultern, ehe sie auf die Tür zu Mandys Zimmer zuging.
Jordan zögerte sekundenlang. Dann drehte er sich um und ließ sie allein.
Auf Zehenspitzen schlich Felicity in Mandys Schlafzimmer. Die Lampe auf dem kleinen Tisch neben dem Fenster verbreitete ein gedämpftes rötliches Licht. Zu Felicitys Überraschung war das einzige Bett in dem Raum leer.
Sie sah sich um und entdeckte das Kinderbett, das Marla Maxwell bei Felicity aufgestellt hatte, als Mandy sechs Monate alt gewesen war. Jordan Maxwell hatte es vor drei Monaten abholen lassen, nachdem sein Rechtsanwalt ihr mitgeteilt hatte, Jordan brauche sie nach Marlas Autounfall nicht mehr.
Felicity wusste, dass Mandy zu Hause schon längst in dem größeren Bett geschlafen hatte. Warum musste sie sich jetzt nachts wieder in das Gitterbett legen? Es war für die Dreijährige, die relativ klein und zierlich war, natürlich noch groß genug, doch Felicity war beunruhigt über Mandys Verhalten. Sie nahm sich vor, am nächsten Tag mit Jordan darüber zu reden.
Am wichtigsten war momentan, dass sie das Kind beruhigte. Mandy stand im Bett und umklammerte das Gitter mit ihren Händchen. Den Kopf hatte sie zurückgeworfen, und ihr liefen Tränen über die Wangen, während sie herzzerreißend schrie.
„Oh mein kleiner Liebling“, sagte Felicity sanft. Am liebsten hätte sie Mandy sogleich in die Arme genommen, doch sie wollte sie nicht erschrecken. Deshalb legte sie die Hände behutsam auf Mandys und fing an, ihr leise ihr Lieblingslied vorzusingen.
Sogleich hörte Mandy auf zu schreien. Sekundenlang stand sie wie erstarrt da. Nach dem heftigen Weinen hatte sie Schluckauf, der in dem Raum wie ein Echo widerzuhallen schien.
Dann drehte Mandy ganz langsam den Kopf und sah Felicity mit großen Augen und offenem Mund an.
Felicity lächelte. „Hallo, Liebes“, begrüßte sie die Kleine. „Ich bin’s.“
„Fizzy?“, fragte Mandy unsicher und ungläubig.
„Ja, mein kleiner Liebling, ich bin es wirklich. Ich bin gekommen, um dich zu trösten.“ Felicity beugte sich über das Bettchen und nahm Mandy auf den Arm. Sie drückte sie an sich und hatte das Gefühl, sie sei leichter geworden. Jedenfalls wirkte sie noch zerbrechlicher als vor drei Monaten. Das arme Kind hat zu viel durchmachen müssen, dachte sie.
Als Mandy ihr die Ärmchen um den Nacken legte, ließ Felicity sich glücklich und erleichtert in den Sessel sinken.
„Fizzy?“
„Ja, Liebes.“ Felicity strich ihr das feuchte Haar aus dem Gesicht und wischte ihr die Tränen weg. „Was ist los, mein Kleines?“
„Ich habe dich vermisst.“ Mandy fing wieder an zu weinen, aber nicht so laut und verzweifelt wie zuvor, sondern leise und sehr traurig. „Jeden Tag habe ich dich vermisst.“
„Mein kleiner Liebling, ich habe dich auch vermisst. Doch jetzt bleiben wir zusammen, darauf kannst du dich verlassen.“
Während Mandy gequält schluchzte, klammerte sie sich an Felicity. „Versprichst du es mir, Fizzy?“
„Ja, ich verspreche es dir“, bekräftigte Felicity voller Überzeugung.
Als Jordan am nächsten Morgen über den Flur in Richtung Küche ging, roch es nach verbranntem Toast. Er hasste diesen Geruch und ärgerte sich.
Natürlich hatte Felicity nicht wissen können, dass der Toast in dem alten Toaster anbrannte. Man musste daneben stehen bleiben und ihn herausziehen, wenn man das Gefühl hatte, er sei fertig. Aber sie hätte ja noch nicht aufzustehen und schon gar nicht das Frühstück zu machen brauchen. Sie hätte in ihrem Zimmer warten können, bis er das Haus verlassen hatte. Ihr musste doch klar sein, wie ungern er sich mit ihr unterhielt. Am frühen Morgen, ehe er den ersten Kaffee getrunken hatte, konnte er es kaum ertragen, Denny Fairfax’ Schwester zu begegnen.
Da er sie momentan brauchte, nahm er sich gereizt vor, sie höflich zu behandeln, und stieß die Tür auf.
Aber die Küche war leer.
Der Geruch nach verbranntem Toast und der süßliche Duft nach Himbeertee bewiesen jedoch, dass Felicity hier gewesen war. Auf dem Tisch stand eine blau-rote Teedose mit einem Drachenmuster, und daneben lag ein Zettel.
„Ihr Toaster ist kaputt“, las Jordan laut vor.
Und dann entdeckte er zu seinem Entsetzen den Kater, der dabei war, sich an der Tür zum Garten zu übergeben.
„Guten Morgen, Jordan“, begrüßte Bette Jordan lächelnd. „Schön, dass Sie wieder da sind. Sie sind heute sogar der Erste“, erklärte sie. „Sie sehen wieder viel besser aus. Haben Sie die Probleme mit Mandy lösen können? Haben Sie jemanden gefunden, der sie betreut? Sie sind …“
„Ja und ja“, unterbrach Jordan sie und fuhr sich frustriert mit der Hand durchs Haar, während er in die Teeküche ging. „Haben Sie schon Kaffee gemacht?“
Sie zog die Augenbrauen hoch. „Natürlich. Aber normalerweise trinken Sie so früh keinen Kaffee im Büro. Den trinken Sie doch immer zu Hause, um wach zu werden, wie wir alle wissen.“
„Heute Morgen habe ich darauf verzichtet, weil sich der verdammte Kater vor meinen Augen übergeben hat“, antwortete er über die Schulter hinweg.
Jordan nahm den Becher mit Mandys Foto darauf aus dem Schrank. Das Kind hatte ihm den Becher zu Weihnachten geschenkt und erzählt, es sei Fizzys Idee gewesen.
Damals hatte er diese Fizzy, wie Mandy sie nannte, noch nicht gekannt. Er hatte sich jedoch darüber gefreut, dass die Betreuerin seiner Tochter sich über ein Geschenk für ihn Gedanken gemacht hatte. Eigentlich hatte er sich bei ihr bedanken wollen, doch er hatte es einfach nicht geschafft. Und dann war es zu spät gewesen. Den Namen Fairfax hatte er nicht mehr hören können, und er hatte Fizzy Fairfax nicht kennen wollen.
„Der Kater?“, fragte Bette neben ihm. „Was macht ein Kater in Ihrer Küche? Sie können doch Katzen nicht ausstehen.“
Jordan schenkte sich einen Kaffee ein. „Ach, das ist eine lange Geschichte, die Sie bestimmt nicht interessiert.“
„Doch!“ Bette Winslow war vier Mal verheiratet gewesen, und ihr war nichts Menschliches fremd, wie sie immer sagte. Sie war Anfang fünfzig, und alle Kollegen wussten, dass man ihr vertrauen konnte. Sie schwieg wie ein Grab.
Normalerweise war Jordan sehr verschlossen und redete mit Außenstehenden nicht über seine privaten Probleme. Momentan war er jedoch so frustriert, dass er froh war, mit Bette über seine unmögliche Situation sprechen zu können.
Nachdem er etwas Milch in den Kaffee gegeben hatte, trank er einen großen Schluck. Dann stellte er den Becher auf den Tisch. „Der Kater gehört Felicity Fairfax.“
Es war kein Geheimnis, dass Jordans Frau Marla und Denny Fairfax vor dem Unfall monatelang eine Affäre gehabt hatten. Marla war bei dem Unfall ums Leben gekommen und Denny so schwer verletzt worden, dass er seitdem im Koma lag.
„Ah ja“, antwortete sie, „Sie haben Felicity Fairfax als Mandys Betreuerin eingestellt, und sie wohnt bei Ihnen.“
„Stimmt.“ Bette ist sehr einfühlsam, sie hat ein gutes Gespür und begreift sogleich, was los ist, überlegte er.
„Das war ein weiser Entschluss.“
„Ich hatte keine andere Wahl. Sie kennen ja meine unregelmäßige Arbeitszeit und wissen, dass ich oft abends noch Kunden habe. Deshalb ist es unmöglich, Mandy …“
„Ach, ich meine doch nur, es war eine weise Entscheidung, Felicity Fairfax zu engagieren“, unterbrach Bette ihn. „Ich kenne sie nicht, aber meine Cousine Joanne ist mit ihr befreundet. Bisher habe ich nur Gutes über Felicity gehört.“
„Sie haben mich missverstanden, Bette. Es war keine weise Entscheidung, diese Frau zu engagieren. Freiwillig hätte ich niemals eine Fairfax eingestellt, ich hatte jedoch keine andere Wahl. Eine andere Betreuerin wäre momentan nicht infrage gekommen.“
„Wollen Sie etwa behaupten, Jordan Maxwell, dass Sie Bruder und Schwester über einen Kamm scheren?“ Bettes Stimme klang missbilligend. „Du liebe Zeit, Jordan, das Mädchen …“
„Sie ist kein Mädchen mehr!“ Er kam sich wie ein Schuljunge vor, der von seiner Lieblingslehrerin getadelt wurde. „Sie ist eine junge Frau, die ich nicht in meiner Nähe haben möchte.“ Jetzt benehme ich mich wirklich wie ein Schuljunge, schoss es ihm durch den Kopf. Er ärgerte sich über sich selbst.
„Es geht um Mandy“, wandte Bette ein. „Das arme Kind hat nicht nur die Mutter, sondern zugleich auch Felicity verloren, an der es sehr hing. Ich weiß natürlich, dass die Kleine Sie sehr gern hat. Aber sie braucht so etwas wie eine Ersatzmutter. Wenn sie nur eine Bezugsperson verloren hätte, wäre es nicht so schlimm für Mandy gewesen, denn dann hätte sie immer noch jemanden gehabt, dem sie vertrauen konnte und der sie getröstet hätte.“
„Ja, das ist mir klar“, gab er mürrisch zu. „Sie brauchen es gar nicht …“ Er verstummte, denn er hatte plötzlich eine gute Idee, wie er glaubte.
„Was wollen Sie jetzt machen, Jordan? Wie wollen Sie aus dem Dilemma herauskommen? Sie sind entschlossen, das Beste für Mandy zu tun, zugleich sind Sie aber auch entschlossen, diese Frau nicht zu mögen. Kinder reagieren sensibel auf Spannungen. So etwas kann Mandy jetzt nicht auch noch verkraften.“
„Keine Sorge, sie wird nicht darunter leiden.“ Jordan legte Bette die Hand auf den Rücken und dirigierte sie zur Tür. „Sie haben mich auf eine Idee gebracht. Danke! Ich weiß jetzt, was ich machen werde.“
Felicity betrachtete Mandy, die fest schlief, und überlegte, ob sie jemals so glücklich gewesen war wie in diesem Moment. Es stimmte, was sie zu Joanne gesagt hatte. Sie liebte Mandy wie ein eigenes Kind. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als für sie zu sorgen.
Im Schlaf sah die Kleine ganz bezaubernd aus. Die blonden Locken waren zerzaust, und ihre Wangen waren gerötet. Mandy wirkt wie eine Elfe, dachte Felicity. Sie freute sich darauf, den Tag mit Mandy zu verbringen, und wünschte, sie würde wach werden.
Auf einmal öffnete Mandy die Augen, als könnte sie Gedanken lesen. Bei Felicitys Anblick lächelte sie und richtete sich auf. „Fizzy! Du bist ja noch hier!“
„Natürlich, mein Liebling. Habe ich dir nicht versprochen, dass ich bei dir bleibe?“
„Lass mich raus! Ich will raus!“, rief Mandy aus.
Lachend löste Felicity den Verschluss des Gitters und ließ es nach unten gleiten. Dann nahm sie Mandys Hände, und die Kleine sprang auf den Teppich.
„Ich habe darauf gewartet, dass du endlich aufwachst“, erklärte Felicity, „damit wir unseren ersten gemeinsamen Tag genießen können.“
Zehn Minuten später gingen sie die Treppe hinunter. Mandy trug ein gelbes T-Shirt und Shorts, dazu gelbe Sandalen. Sie war begeistert, dass sie sich ihr Outfit selbst hatte aussuchen dürfen.
„Nach dem Frühstück machen wir einen Spaziergang“, verkündete Felicity. „Doch zuvor kannst du mich durch das Haus führen. Es ist wunderschön, aber sehr groß. Ohne deine Hilfe verlaufe ich mich bestimmt.“
„Oh ja, ich zeige dir alles, draußen auch.“ Mandy hüpfte fröhlich die Stufen hinunter. „Wir haben einen Garten, ein Gewächshaus und einen Swimmingpool, den man beheizen kann. Im Winter schwimmt mein Dad gern im warmen Wasser. Er sagt, es sei nur für Erwachsene, die sich nach einem harten Tag entspannen wollen. Sind deine Tage auch hart, Fizzy?“
Die letzten drei Monate waren insgesamt ziemlich hart für mich, aber das ist glücklicherweise jetzt vorbei, überlegte Felicity. Das Leben war wieder schön.
„Ab heute gibt es für dich und mich keine harten Tage mehr, Mandy“, erwiderte sie.
Jordan kam erst um kurz vor acht nach Hause. Als er die Eingangshalle durchquerte, war alles still. Kein Geräusch war zu hören außer dem Ticken der Standuhr auf dem Treppenabsatz. Die Uhr gefiel ihm nicht, er fand sie geradezu hässlich. Und sie war viel zu teuer gewesen. Doch Marla hatte sie unbedingt haben wollen und einfach gekauft.
Rasch verdrängte er die Erinnerungen. Er zog das Leinenjackett aus und löste die Krawatte, während er leise die Treppe hinaufging. Seit einer halben Ewigkeit, so kam es ihm vor, war es in dem Haus nicht mehr so friedlich gewesen.
Er sehnte sich nach Ruhe und Frieden. An seinem ersten Arbeitstag nach der längeren Abwesenheit hatte er viel aufgearbeitet. Er hatte Kunden angerufen, neue Angebote geprüft und mit einem verärgerten Ehepaar geredet, in dessen Haus es einen Tag nach dem Einzug einen Wasserrohrbruch gegeben hatte.
Jetzt wollte er duschen und sich dann in der Küche ein Sandwich machen. Er würde es im Wohnzimmer essen, dabei die Füße hochlegen, die Zeitung lesen und ein Bier trinken. Erfreulicherweise ging ihm Felicity Fairfax offenbar aus dem Weg. Oben auf der Galerie bemerkte er, dass ihre Zimmertür geschlossen war. Wenn ich Glück habe, lässt sie sich den ganzen Abend nicht blicken, dachte er. Hoffentlich war auch der Kater bei ihr im Zimmer.
Mandys Zimmertür stand halb offen. Der Vorhang war zugezogen und die Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Auf Zehenspitzen schlich Jordan an das Kinderbett. Die Kleine schlief tief und fest, er hörte sie ruhig atmen.
Schließlich fuhr er Mandy mit der Hand behutsam über das gelockte Haar. „Gute Nacht, Prinzessin“, sagte er leise. „Dein Dad liebt dich sehr, und alles wird jetzt besser. Gewöhn dich nicht wieder so sehr an deine Fizzy, denn ich werde sie wegschicken, sobald ich eine andere Betreuerin für dich gefunden habe. Aber keine Angst, ich sorge dafür, dass du darunter nicht leidest und sie nicht vermissen wirst.“
Dann blieb er noch eine Zeit lang an dem Bettchen stehen und grübelte, ehe er sich umdrehte und den Raum verließ.
„Was für ein hinterhältiger Kerl!“, stieß Felicity leise hervor. Sie richtete sich auf.
Weil Mandy nicht hatte allein bleiben wollen, hatte Felicity sich auf das größere Bett gelegt, um zu warten, bis Mandy eingeschlafen war. Doch dann war sie selbst eingeschlafen und erst wieder wach geworden, als sie gespürt hatte, dass jemand im Zimmer war. Natürlich hatte sie gehört, was Jordan seiner Tochter zugeflüstert hatte, und war empört.
So leicht, wie er es sich vorstellte, würde er sie nicht loswerden. Das nahm sie sich fest vor. Sie war froh, dass sie gewarnt war. Aber egal, was für Pläne er hat, ich muss verschwinden, ehe er vielleicht noch einmal hereinkommt, überlegte sie. Rasch stand sie auf und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Dann vergewisserte sie sich, dass die Luft rein war, und lief in ihr Zimmer.
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte sie Wasser rauschen. Offenbar war Jordan erst vor wenigen Minuten nach Hause gekommen und duschte. Danach würde er sicher etwas essen wollen.
Felicity wartete und lauschte. Wenig später öffnete er seine Zimmertür. Sie atmete tief ein, riss die Tür auf und eilte wie zufällig auf den Flur, wo sie beinah mit Jordan zusammengestoßen wäre.
„Oh!“ Sie lächelte ihn betont überrascht an. „Sie sind da! Das Essen steht im Backofen, Jordan. Ich habe einen Kartoffelauflauf mit Fleisch gemacht. Hoffentlich schmeckt es Ihnen. Während Sie essen, kann ich Ihnen berichten, was Mandy und ich heute unternommen und erlebt haben.“
Wenn ich mit jemandem reden wollte, würde ich mir bestimmt nicht Felicity Fairfax als Gesprächspartnerin aussuchen, schoss es Jordan durch den Kopf. Aber er wollte natürlich wissen, ob mit Mandy alles in Ordnung war.
„Okay, Sie können es mir erzählen, während ich mir etwas zu essen mache“, erklärte er mürrisch und ging vor ihr her über den Flur.
„Ich habe doch gesagt, dass ich einen Kartoffelauflauf …“
„Sie brauchen nicht für mich zu kochen“, unterbrach er sie. Er ärgerte sich darüber, dass sie ihm wie ein Schatten folgte. „Ich bin daran gewöhnt, für mich selbst zu sorgen.“
„Mandy hat erwähnt, Sie hätten Ihrer Haushälterin gekündigt, nachdem …“
„Ich habe noch nie gern Fremde um mich herum gehabt“, fiel er ihr wieder ins Wort und hoffte, sie hätte die Anspielung verstanden. „Wenn ich vom Büro nach Hause komme, will ich nicht noch höflich mit jemandem plaudern müssen.“
„Gut, das ist verständlich. Aber was ist mit Mandy? Wer hat ihr denn in den letzten drei Monaten das Essen gekocht?“
„Ich.“ Er sprang förmlich die Treppenstufen hinunter. Und als er die Eingangshalle in Richtung Küche durchquerte, klapperten seine Absätze auf dem Marmorfußboden. Es irritierte ihn aus irgendeinem unerfindlichen Grund, dass Felicity mit ihren flachen Sandaletten kaum ein Geräusch machte. „Es hat uns gereicht, wir sind nicht verhungert.“
Er hielt Felicity höflich die Küchentür auf. Der verlockende Duft, der in der Luft hing, lenkte ihn so sehr ab, dass er beinah über den Kater gestolpert wäre, der unter dem Tisch hervorgeschossen kam.
„Es tut mir leid, dass RJ Ihnen vor die Füße gesprungen ist“, entschuldigte sie sich sogleich. Offenbar spürte sie, dass Jordan sich ärgerte. „Ich sperre ihn in der Waschküche ein.“
„Kann der Kater nicht draußen bleiben?“
„Er muss sich erst an die neue Umgebung gewöhnen, ehe ich ihn frei herumlaufen lasse. Sonst findet er vielleicht nicht wieder zurück. Ich möchte ihn nicht verlieren, es würde mir das Herz brechen.“ Sie nahm den Kater auf den Arm.
Ihr würde das Herz wegen eines Katers brechen? Was war los mit dieser Frau? Jordan hörte, wie sie mit dem Tier die Holztreppe hinunter in den Keller ging, und drehte sich zu dem Kühlschrank um.
Der verführerische Duft, der aus dem Backofen drang, machte ihm den Mund wässrig. Jordan versuchte, es zu ignorieren, und nahm eine Tomate, einen Rettich, ein Stück Cheddarkäse, ein Glas Mayonnaise und eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und stellte alles auf den Tisch.
Dann öffnete er den Brotkasten – er war leer.
„Suchen Sie das Brot?“, ertönte in dem Moment Felicitys Stimme hinter ihm. „Mandy isst so gern Brotpudding, deshalb habe ich …“
Jordan drehte sich zu ihr um. „Was haben Sie gemacht?“
„Brotpudding. Kennen Sie den nicht? Das ist meine Spezialität. Ich habe gedacht, in der Tiefkühltruhe im Keller sei noch Brot. Aber …“ Sie gestikulierte hilflos mit der Hand. „Ich bringe nachher, wenn ich ausgehe, Brot und Brötchen mit.“
„Sie wollen ausgehen?“
„Ja, ich muss noch einige Sachen einpacken“, erinnerte sie ihn. „Morgen kommen die Leute von der Spedition.“
„Wie wollen Sie denn zu Ihrer Wohnung kommen? Ich kann Sie nicht fahren, weil ich Mandy nicht …“
„Ich werde abgeholt und muss nur noch Bescheid sagen.“
„Dann rufen Sie Ihre Freundin am besten jetzt an“, schlug Jordan vor.
„Es ist keine Freundin, sondern ein Freund“, stellte Felicity klar. „Okay, ich rufe ihn an. Er wohnt nicht weit weg und ist in wenigen Minuten hier. Zuvor kann Ihnen noch berichten, wie der Tag verlaufen ist.“ Sie wirbelte herum, nahm das Telefon in die Hand und wählte eine Nummer.
„Du kannst an der Hintertür klopfen, Hugh, ich bin in der Küche“, sagte sie, nachdem sie kurz mit ihrem Freund gesprochen hatte. „Bis gleich.“
Dann nahm sie den Auflauf und eine kleinere Kasserolle mit Erbsen und Möhren aus dem Backofen und füllte einen Teller. Dabei plauderte sie munter drauflos.
„Mandy hat mich durchs Haus geführt und mir den Garten gezeigt.“ Sie erzählte, was sie den Tag über gemacht hatten, wie viel Spaß sie gehabt hatten, und stellte den Teller schließlich auf den Tisch. „Brauchen Sie sonst noch etwas? Ach ja, Salz und Pfeffer.“
„Miss Fairfax, wir müssen uns unterhalten. Ich …“
„Nennen Sie mich doch einfach Felicity. Setzen Sie sich, und fangen Sie an zu essen. Lassen Sie mich das machen“, fügte sie hinzu und nahm ihm die Bierflasche aus der Hand.
Ehe Jordan protestieren konnte, hatte sie schon den Flaschenöffner aus der Schublade gezogen und die Flasche geöffnet.
„So, ich glaube, jetzt haben Sie alles. Es tut mir leid, dass kein Brot mehr da ist. Aber wie gesagt, ich bringe es nachher mit.“
Jordan kam sich völlig überrumpelt vor. „Sie haben den Kater auf dem Arm gehabt, ehe Sie das Essen aufgetragen haben“, fuhr er sie an, nur um sie zu irritieren und zum Schweigen zu bringen.
„Ich habe mir die Hände in der Waschküche gewaschen. Du liebe Zeit, Jordan, setzen Sie sich endlich hin. Weshalb sind Sie so kompliziert? Sie sollten sich daran gewöhnen, dass ich jetzt so etwas wie eine Köchin hier bin.“
„Als Köchin habe ich Sie nicht eingestellt.“ Er blickte sie mit finsterer Miene an. „Sie sollen sich um Mandy kümmern. Das ist alles. Sie brauchen nicht die Hausfrau zu spielen.“
„Es ist kein Spiel“, fuhr Felicity ihn ärgerlich an. „Mandy soll sich wohlfühlen, sie braucht Zuneigung, Sicherheit und das Gefühl, in einem ganz normalen Haushalt zu leben. Deshalb muss ich für sie so etwas wie eine Ersatzmutter sein und dasselbe tun, was eine richtige Mutter tun würde. Ich muss kochen, putzen und …“
„Ich brauche keine Köchin und auch keine Haushälterin! Ich kann selbst kochen, und ich habe ein Reinigungsunternehmen beauftragt, regelmäßig …“
„Jetzt hören Sie mal gut zu“, unterbrach sie ihn gereizt. „Ich will weder Köchin noch Haushälterin sein. Mir ist klar, dass ich Mandy niemals die eigene Mutter ersetzen kann, aber die Kleine soll mich nicht für eine Angestellte halten. Ich möchte alles machen, was Mütter normalerweise mit ihren Töchtern machen. Wir werden zusammen aufräumen, Staub wischen, Plätzchen backen, Blumen pflücken und noch viel mehr.“
„Soll ich etwa den Reinigungsdienst abbestellen? Wollen Sie alles allein machen?“
„Ja.“ Felicity seufzte. „Mir ist klar, dass Sie mich nicht mögen. Ehrlich gesagt, ich weiß auch noch nicht, ob ich Sie mag. Bis jetzt bin ich jedenfalls nicht von Ihnen beeindruckt. Aber Mandy zuliebe müssen wir uns zusammennehmen und eine gemeinsame Basis finden. Sie hat genug Aufregung gehabt und soll nicht in einer frostigen oder feindseligen Atmosphäre aufwachsen. Immerhin sind wir die Menschen, die ihr jetzt am meisten bedeuten, und …“
In dem Moment klopfte es an der Hintertür. „Das ist sicher Hugh“, erklärte sie, während sie die Küche durchquerte und die Tür öffnete.
Der junge Mann mit der Baseballmütze auf dem Kopf war außergewöhnlich groß. Er trug ein gestreiftes T-Shirt und blaue Bermudashorts. „Hallo, Fliss“, begrüßte er sie lächelnd. „Bist du fertig?“
„Komm rein“, forderte sie ihn auf und drehte sich zu Jordan am. „Jordan, das ist Hugh Andrews, ein alter Freund. Hugh, das ist Jordan Maxwell, mein Arbeitgeber“, fügte sie an Hugh gewandt hinzu. „Ich bin gleich wieder da. Ich muss nur rasch meine Tasche holen.“
Jordan nickte flüchtig.
„Lassen Sie sich nicht stören.“ Hugh wies auf das Essen auf dem Tisch.
„Das kann warten.“ Jordan schob die Hände in die Taschen. „Kennen Sie Miss Fairfax schon lange?“, fragte er, nur um etwas zu sagen.
„Ich habe sie durch ihren Bruder kennengelernt, er hat sie mir vorgestellt.“
„Ah ja, Denny“, stieß Jordan hervor. Weshalb begegne ich nur Menschen, die irgendetwas mit diesem verdammten Denny zu haben? schoss es ihm durch den Kopf.
„Nein, ich meine nicht ihren älteren Bruder Denny, sondern ich war mit ihrem Zwillingsbruder befreundet“, entgegnete Hugh.
„Sie hat einen Zwillingsbruder?“
Die Miene des jungen Mannes wurde ernst. „Sie hatte einen. Er hieß Todd und war Fischer. Vor zwei Jahren ist er ums Leben gekommen, als sein Boot in einem Sturm kenterte.“
In dem Moment hörten sie Felicitys Schritte auf der Treppe.
„Erwähnen Sie es bitte nicht“, bat Hugh ihn leise. „Fliss war damals sehr verzweifelt. Sie redet nie darüber.“
Jordan war verblüfft, und er sah sie plötzlich mit anderen Augen an, als sie in die Küche kam.
„Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme“, erklärte sie. „Können Sie mir einen Haustürschlüssel geben?“
Bis jetzt hatte er nur bemerkt, dass sie zu einem Zopf geflochtenes, langes blondes Haar hatte, schöne Lippen und große graue Augen. Jetzt fiel ihm auf, dass ihr Blick seltsam traurig wirkte und nicht zu ihrem freundlichen Lächeln zu passen schien.
„Jordan?“ Sie machte eine Handbewegung. „Haben Sie noch einen Ersatzschlüssel?“
„Natürlich.“ Er wühlte in der Schublade des Telefonschränkchens herum, bis er den Schlüssel fand. „Hier.“ Er reichte ihn ihr.
Sie wirkt ungemein zerbrechlich, dachte er überrascht. Obwohl sie schlank und zierlich war, hatte er sie bisher nicht für zerbrechlich gehalten, weil sie Energie und Selbstbewusstsein ausstrahlte.
Jordan ließ den Schlüssel in ihre ausgestreckte Hand fallen, und sogleich schlossen sich ihre Finger darum. Sekundenlang betrachtete er ihre gepflegten Fingernägel. Sie hat schöne und sehr weibliche Hände, überlegte er. Und ihr Duft, den er zum ersten Mal bewusst wahrnahm, wirkte romantisch, auch irgendwie kraftvoll und belebend, auf jeden Fall betörend und geheimnisvoll.
„Wenn Sie möchten, können Sie noch den Brotpudding essen, der im Backofen steht“, schlug sie vor, ehe sie mit Hugh davoneilte.
Jordan war irritiert. Irgendetwas hatte ihn aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht.
Erst um zwei Uhr in der Nacht kam Felicity nach Deerhaven zurück. Sie war müde und fühlte sich wie zerschlagen, als Hugh vor dem Haus anhielt und sie aussteigen ließ. Aber sie war zufrieden mit sich, denn sie hatte alles erledigt.
„Danke, Hugh, du hast mir sehr geholfen“, bedankte sie sich durch das offene Fenster des Lieferwagens hindurch. „Ich weiß es zu schätzen.“
„Ach, das habe ich doch gern getan.“ Er warf einen Blick in Richtung des Hauses. „Da ist kein Licht mehr an.“
Felicity gähnte. „Dann muss ich sehr leise sein.“
„Hast du das Brot und die Brötchen?“, fragte Hugh.
„Ja.“
„Vergiss nicht, den Wecker zu stellen.“
„Es wird eine kurze Nacht.“ Felicity sah noch hinter ihm her, während er mit dem Wagen in der Dunkelheit verschwand. Dann ging sie um das Haus herum zur Hintertür.
In der Küche machte sie das Licht an. Nachdem sie das Brot und die Brötchen in den Brotkasten gelegt hatte, entdeckte sie den Zettel auf dem Tisch. Wahrscheinlich hat Jordan sich für das Essen bedankt, dachte sie.
Vergessen Sie nicht, diesen … Kater noch nach draußen zu lassen. Er hat den ganzen Abend wie verrückt miaut, las sie dann leise vor. Was ist er doch für ein undankbarer Kerl, sagte sie sich. Sie zerknüllte den Zettel und warf ihn ärgerlich durch die Küche.
Am nächsten Morgen öffnete Jordan kurz vor sieben vorsichtig die Küchentür. Er rechnete damit, dass der Kater sich wieder übergeben würde. Aber er war nirgends zu sehen.
Auf dem Boden lag ein zerknülltes Stück Papier. Er hob es auf und strich es glatt. Erst jetzt merkte er, dass es der Zettel war, den er Felicity am Abend zuvor hingelegt hatte.
Plötzlich hatte er ein schlechtes Gewissen. Sie war sicher sehr erschöpft gewesen, als sie um zwei Uhr in der Nacht zurückgekommen war. Er hatte das Auto gehört. Wahrscheinlich war sie froh gewesen, alles geschafft zu haben, und dann hatte sie sozusagen zur Begrüßung den Zettel mit der unfreundlichen Bemerkung gefunden.
Nachdem er die Kaffeemaschine angestellt hatte, ging er nach draußen und holte die Zeitung aus dem Briefkasten. Dann atmete er die frische Luft tief ein. Es wird wieder ein herrlicher Sommertag, überlegte er, während er den Frieden und die Ruhe an diesem frühen Morgen genoss. Im Osten ging die Sonne wie ein riesiger Feuerball auf, das Meer schimmerte silbrig, und der Himmel färbte sich rosa.
„Ist es nicht ein wunderschöner Morgen?“, ertönte auf einmal Felicitys Stimme hinter ihm.
Er drehte sich zu ihr um und betrachtete ihre schlanke Gestalt. In dem hellblauen T-Shirt und der weißen Hose sah sie ungemein attraktiv aus. Obwohl sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, wirkte sie frisch und munter. Sie war offenbar nicht nachtragend und schien ihm die Sache mit dem Zettel nicht übel zu nehmen.
„Hallo“, begrüßte er sie. „Sie sind spät zurückgekommen.“
„Oh, habe ich Sie gestört? Das tut mir leid. Ich habe mich bemüht, leise zu sein.“
„Sie haben mich nicht gestört. Ich habe nur das Auto Ihres Freundes gehört“, erklärte er.
„Trotzdem …“
„Ach, das ist wirklich kein Problem.“
Felicity schob die Hände in die Taschen ihrer Hose. „Die Aussicht ist fantastisch. Wie lange wohnen Sie schon hier?“