Crosston Creek - Wenn dein Herz mich findet - Cara Lay - E-Book

Crosston Creek - Wenn dein Herz mich findet E-Book

Cara Lay

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit Paige denken kann, ist sie in Arden verliebt. Der rechtschaffende und attraktive Sheriff von Crosston Creek ist die Personifizierung von Recht und Ordnung. Sobald irgendwo Hilfe benötigt wird, ist er der Erste, der alles stehen und liegen lässt. Hält sich jemand allerdings nicht an das Gesetz, lernt er Ardens unerbittliche Seite kennen. Und genau da liegt das Problem: Sollte er jemals erfahren, welche kriminelle Energie in Paiges Familie steckt, wird er einen großen Bogen um sie machen. Paige weiß, dass es besser wäre, Arden zu vergessen. Aber manchmal lassen sich Herz und Kopf nur schwer übereinbringen. Als die beiden sich endlich näherkommen, ist Paige im großen Glück. Doch dann taucht ihr vorbestrafter Bruder plötzlich in Crosston Creek auf und könnte die zarten Bande zwischen Arden und Paige zerstören.

Band 3 der romantischen Reihe von Cara Lay. Crosston Creek, ein malerischer Ort am Fuße der Rocky Mountains, wo Herzen zueinander finden.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 377

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitel1. Paige2. Arden3. Paige4. Arden5. Paige6. Arden7. Paige8. Arden9. Paige10. Arden11. Paige12. Arden13. Paige14. Arden15. Paige16. Arden17. Paige18. Arden19. Paige20. Arden21. Paige22. Arden23. Paige24. Arden25. Paige26. Arden27. Paige28. Arden29. Paige30. Arden31. Paige32. Arden33. Paige34. ArdenEpilogÜber die AutorinWeitere Titel der AutorinImpressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter

Viel Freude beim Lesen und Verlieben!

Dein beHEARTBEAT-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über dieses Buch

Seit Paige denken kann, ist sie in Arden verliebt. Der rechtschaffende und attraktive Sheriff von Crosston Creek ist die Personifizierung von Recht und Ordnung. Sobald irgendwo Hilfe benötigt wird, ist er der Erste, der alles stehen und liegen lässt. Hält sich jemand allerdings nicht an das Gesetz, lernt er Ardens unerbittliche Seite kennen. Und genau da liegt das Problem: Sollte er jemals erfahren, welche kriminelle Energie in Paiges Familie steckt, wird er einen großen Bogen um sie machen. Paige weiß, dass es besser wäre, Arden zu vergessen. Aber manchmal lassen sich Herz und Kopf nur schwer übereinbringen. Als die beiden sich endlich näherkommen, ist Paige im großen Glück. Doch dann taucht ihr vorbestrafter Bruder plötzlich in Crosston Creek auf und könnte die zarten Bande zwischen Arden und Paige zerstören.

CARA LAY

1. Paige

Die Handschellen schlossen sich mit einem hörbaren Klicken, das Paige durch Mark und Bein fuhr. Auch drei Jahre später zuckte sie noch innerlich bei diesem Geräusch zusammen. Vielleicht sollte sie weniger Krimiserien schauen. Leider hatte sie Krimis schon immer gemocht, und diese Vorliebe konnten nicht einmal die unschönen Erinnerungen an ihre letzten Tage in Delaware trüben – obwohl sie es seitdem lieber sah, wenn Festnahmen mithilfe von geräuschlosen Kabelbindern erfolgten.

Der Abspann schob sich über den Bildschirm und Paige fuhr den Laptop herunter, legte ihn auf den nächstbesten Stapel Umzugskartons und kreiste mit den Schultern. Bequem war der Krimiabend auf ihrer mit Kisten vollgestellten Couch nicht gewesen, aber sie hatte eine Pause gebraucht. Jetzt hatte sie allerdings noch weniger Lust, mit Luftpolsterfolie, Papier und Klebeband zu hantieren und beschloss, ins Bett zu gehen. Morgen war auch noch ein Tag und viel war ohnehin nicht mehr zu verpacken. Und morgen Abend um diese Zeit säße sie schon in ihrem neuen Heim.

Ihr erstes eigenes richtiges Zuhause. Ein kleines Haus. Alt, an vielen Stellen renovierungsbedürftig, aber ihres. Zumindest wäre es das in einigen Jahren, wenn sie die Hypothek abbezahlt hätte. Die Wohnung, in der sie aktuell lebte, hatte sie immer nur als beliebiges Dach über dem Kopf empfunden, war sie doch damals mit dem Gedanken an eine Übergangslösung hier eingezogen. Sie hatte erst sehen wollen, wohin das Leben sie spülte.

Inzwischen hatte sie sich entschieden, in Crosston Creek zu bleiben. Wenn man eine derart verkorkste Familie hatte, brauchte man die Geborgenheit seiner Freunde, und bessere als hier würde sie nirgendwo finden.

Besagte Ersatzfamilie stand am folgenden Morgen pünktlich vor ihrer Tür. Zunächst erschien ihre beste Freundin Holly und balancierte einen bedenklich schwankenden Stapel leerer Kartons an Paige vorbei in Richtung Bücherregal. Kurz darauf folgte Bree, die rechte Hand des hiesigen Tierarztes Noah. Einen Moment später kam Evie in Begleitung von Rocky, ihrem fellbesetzten Wirbelwind in Hundeform.

»Entschuldige«, sagte sie, als Rocky sich nach einer stürmischen Begrüßung sofort daranmachte, in die nächstbeste offene Kiste zu klettern. Sie umarmte Paige und nahm den Hund auf den Arm. »Da wir alle heute helfen, habe ich niemanden, der auf ihn aufpasst, und er kann noch nicht lange allein bleiben. Wenn Brian nachher mit dem Pferdetransporter kommt, nimmt er ihn auf dem Rückweg mit.«

»Kein Problem.« Paige kraulte Rocky hinter den Ohren und versuchte lachend, den Schleckattacken des jungen Hundes zu entkommen. »Er weiß, dass ich seinem Charme längst erlegen bin und ihm alles verzeihe.«

»Ich werde dich an diese Worte erinnern, wenn er dein Paar Lieblingsschuhe zerkaut«, erwiderte Evie und ihr Grinsen wirkte etwas gezwungen.

»Hat er? Oh, du Arme.«

»Zum Glück trage ich Pumps eh nur noch selten, seit ich auf dem Campingplatz arbeite.« Sie wies auf ihre Sicherheitsschuhe, die sie zum Umzug angezogen hatte. »Die bieten sich für meinen Job eher an und Rocky lässt sie in Ruhe. Ich nehme an wegen der Stahlkappen.« Evie klippte die Leine am Geschirr des Hundes fest. »Bis Brian hier ist, werde ich wohl nicht allzu viel tun können.«

In diesem Moment hörte man Poltern und Lachen aus der Auffahrt. »Kein Problem, ich glaube, die Jungs sind gerade angekommen«, kommentierte Holly trocken und steckte den Kopf aus dem Fenster. »Brian ist auch dabei. Es kann losgehen.«

Tatsächlich kamen Callen und Noah keine Minute später durch die angelehnte Tür herein. Noah und Evie küssten sich flüchtig und tauschten einen so sehnsuchtsvollen Blick, als hätten sie sich eine Woche lang nicht sehen dürfen. Auch Holly und Callen lächelten sich voller Emotionen an, dabei hatten sich beide noch am Frühstückstisch gegenübergesessen. Paige beobachtete es und ihr Herz zog sich für eine Sekunde zusammen. Neben aller Freude für die liebsten Menschen in ihrem Leben verspürte sie plötzlich Wehmut. Ob sie jemals auch so fühlen durfte? Jemanden fand, bei dem sie sich angekommen fühlte? Oder hatte ihre Familie sie für immer verkorkst? Sie klatschte in die Hände. »Dann lasst uns mal loslegen!« Bewegung war der beste Weg gegen trübe Gedanken. Und heute hatten sie wahrlich genug Kisten zu schleppen.

Gemeinsam schafften sie es in erstaunlich kurzer Zeit, Paiges Wohnung leer zu räumen. Ihr altersschwaches Sofa begleitete sie ein weiteres Mal, so wie es das schon getan hatte, als Paige von Crosston Creek nach Delaware und Jahre später wieder zurückgezogen war. Dazu gesellten sich ein Kleiderschrank, ein Bett, ein Bücherregal und ein halbes Dutzend Kleinmöbel. In ihrem neuen Zuhause war eine Küche eingebaut, darum musste sie sich zum Glück nicht kümmern.

Callens Vater Brian fuhr mit dem Pferdetransporter Paiges Möbel und Berge an Umzugskartons an den Rand von Crosston Creek, wo das Haus eingebettet in einen großen verwilderten Garten auf seine neue Eigentümerin wartete.

Dort trugen sie einer Ameisenstraße gleich die Sachen hinein, verteilten sie in den Räumen und veranstalteten das größte denkbare Chaos.

»Ich miete mir ein Zimmer bei den ABC-Sisters«, seufzte Paige irgendwann. Das Bed & Breakfast war zwar ebenso betagt und klein wie die drei Schwestern, die es betrieben, doch mehr Platz bot ihr Haus mit all den Kisten und den planlos abgestellten Möbeln derzeit auch nicht. Hatte sie nicht gestern noch gedacht, sie hätte gar nicht so viele Sachen? Es wirkte gerade ganz anders.

Brian verabschiedete sich zeitig, da er und Sam alle Hände voll damit zu tun hatten, die wachsende Schar an Pferden auf der Ranch zu versorgen. Er nahm Rocky mit, sodass Evie nun mit anpacken konnte.

»Wo bleibt eigentlich Arden?«, erkundigte sich Callen, während er schnaufend einen Stapel Bretter ins Wohnzimmer wuchtete, aus dem später wieder ihr Bücherregal werden sollte. »Kommt der erst, wenn alles erledigt ist?«

»Der hat Dienst«, erwiderte Paige und schob einige Kisten zur Seite, um Platz für das Regal zu schaffen. »Er hat versprochen, sofort danach zu kommen und Pizza von Russ für uns alle mitzubringen. Dafür bleibt er länger und hilft mir beim Aufbau.« Aufregung kribbelte bei diesen Worten durch Paiges Nervenbahnen. Womöglich wäre sie heute zum ersten Mal mit Arden Forrester allein. Zwar kannte sie ihn schon ihr gesamtes Leben und er gehörte fest zu ihrem Freundeskreis, doch zu oft verhinderte sein Job als Sheriff gemeinsame Treffen mit seinen Freunden. Oder mit ihr. Ohne die anderen hatte sie allerdings noch nie Zeit mit ihm verbracht. Premiere, dachte sie und unterdrückte das nervöse Flattern, das der Gedanke an später auslöste.

»Er bringt Pizza mit?« Noah wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. »Dann sei ihm verziehen, dass er uns hier allein schuften lässt.«

»Ich lasse euch nicht allein schuften, ich habe euch lediglich einen Vorsprung gegeben«, ertönte in diesem Moment eine tiefe Stimme aus dem Flur, und Arden Forrester bog um die Ecke. In seinen Händen hielt er einen Turm Pizzakartons, aus denen es verführerisch duftete.

Er stellte die Pizzen ab, dann sah er sich um. »Wie ich sehe, habt ihr mir trotz des Vorsprungs eine Menge übrig gelassen.«

»Wir wollten nicht, dass du dich überflüssig fühlst«, konterte Callen und boxte seinem Freund gegen den Oberarm, woraufhin dieser ein leichtes Grinsen zeigte.

Paige beobachtete das Geplänkel aus der Ecke, in der sie die Bücherkisten geordnet hatte. Sie war froh, dass die gestapelten Kartons sie halb verbargen, denn sie konnte nicht anders, als Arden anzustarren. War es wirklich möglich, dass er heute noch aufregender aussah als sonst? Er trug eine schwarze Arbeitshose, dazu schwere Einsatzstiefel und ein Shirt, das derartig eng saß, dass der Anblick Paiges Herzschlag sofort beschleunigte. Mit seinen dunklen Haaren und dem stechenden Blick wirkte er immer etwas finster, und dass sich seine Muskeln in diesem Moment deutlich abzeichneten, machte sein Auftreten noch beeindruckender. Atemberaubender, konstatierte Paige trocken, als sie bemerkte, dass sie tatsächlich für einen Augenblick die Luft angehalten hatte.

Wie sein älterer Bruder Bryce hatte Arden Highschool-Football gespielt und war nicht nur so gut gewesen, dass sich die Colleges um ihn rissen, er hatte darüber hinaus auch hervorragende Noten gehabt. Ohne Probleme hätte er mit einem Sportstipendium studieren oder wie sein Bruder zum FBI nach Quantico gehen können, doch er hatte sich für eine normale Polizistenlaufbahn entschieden. Damit war er in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der vor Arden den Sheriffposten in Crosston Creek bekleidet hatte und wie eine ältere, genauso starke und unergründliche Version von Arden aussah.

Paige fragte sich gelegentlich, ob gewisse Eigenschaften in der Familie Forrester dominant vererbt wurden, damit alle männlichen Familienmitglieder Polizisten werden konnten. Eine Dynastie von Stärke und Rechtschaffenheit.

An diesem Punkt der Überlegung fiel ihre Schwärmerei für Arden regelmäßig in sich zusammen wie ein ausgebranntes Lagerfeuer. Sie musste sich nur vergegenwärtigen, dass der Einsatz für Recht und Gesetz für die Forresters mehr als ein Job war. Arden lebte seinen Beruf mit Fleisch und Blut. Es war völlig ausgeschlossen, sich in jemanden wie ihn zu verlieben. Sogar ein Flirt wäre unklug. Leider grätschte ihr Bauch immer wieder in diese eigentlich kluge Überlegung.

»In der Küche stehen Mineralwasser und alkoholfreies Bier, Öffner liegt bei Bedarf irgendwo herum«, informierte sie Arden, während sie die Deckung ihrer Kisten langsam verließ und sich mit einem gewissen Sicherheitsabstand auf ihn zubewegte.

»Werde ich schon finden. Hausdurchsuchungen gehören zu meinem Job.« Er grinste leicht. Es war nur eine flüchtige Bewegung seiner Mundwinkel, doch Paige hatte das Gefühl, gleich einen Defibrillator zu benötigen. Diese unglaublichen Augen. Seine Iriden waren von einem dunklen, intensiven Blau, das Paige schon immer fasziniert hatte.

Mit größter Willensanstrengung riss Paige den Blick los. Was war nur los mit ihr? Die Aussicht, Arden später allein um sich zu haben, musste irgendwelchen Hormonen Ausgang gewährt haben, die besser unter Kontrolle geblieben wären.

»Ich suche mal Teller«, sagte sie zu niemand Bestimmten, weil ihre Freunde damit begonnen hatten, die Pizzakartons zu öffnen und sich bereits an der Pizza bedienten, die Russ in handliche Stücke geschnitten hatte. Sie drängte sich an Holly vorbei, die sich eine prall gefüllte Bücherkiste als Sitzgelegenheit gesichert hatte, und lief in die Küche, um irgendwo Servietten oder vielleicht sogar Geschirr aufzutreiben.

Als sie die schweren Schritte hinter sich hörte, musste sie sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hereinkam. Sie wappnete sich und wandte sich zu Arden um.

»Schön hast du es hier.« Die Küche war vollgestellt mit noch nicht ausgeräumten Kisten. Zu zweit war man gezwungen, dicht beieinanderzustehen. So eng, dass Ardens Duft ihr unweigerlich in die Nase stieg. Er roch nach einem herben Duschgel und ziemlich männlich. Egal, was ihr Verstand ihr einzutrichtern versuchte, ihr Puls schoss ganz automatisch in die Höhe. Sie konnte einfach nichts gegen seine Wirkung auf sie tun.

»Ähm … ja … danke.« Sprachzentrum und Libido waren offensichtlich zwei entkoppelte Systeme. Arbeitete das eine, schaltete sich das andere ab.

Abwartend sah Arden sie an. Hatte er sie etwas gefragt? Sie konnte sich nicht erinnern. Verdammt, sie verhielt sich wie eine Fünfzehnjährige. Sie war doch sonst nicht so leicht aus der Spur zu werfen! Mit ihrer schlanken Figur und den langen rotbraunen Haaren wurde sie regelmäßig von Männern angesprochen, und für gewöhnlich reagierte sie schlagfertig und wenn ihr einer gefiel, war sie früher einem Flirt – oder mehr – nicht abgeneigt gewesen. Zumindest bis sich ihr sexuelles Interesse wie eine Kompassnadel verhielt und ihr persönlicher Nordpol Arden hieß. Seitdem hatte sich ihre Libido zu einem Knäuel zusammengerollt und hob nur noch ab und zu den Kopf in der Gegenwart eines gewissen Sheriffs. Heute jedoch hob sie nicht nur den Kopf, sondern benahm sich in Ardens Nähe wie ein Springteufel.

»Ich wollte mir etwas zu trinken holen. Im Kühlschrank?« Ardens Frage riss Paige aus ihren Gedanken.

»Ja, Kühlschrank. Nimm, was du magst.« Ihr Gestammel näherte sich immerhin wieder vollständigen Sätzen.

»Okay, danke.« Ardens Mundwinkel bogen sich erneut leicht nach oben. Amüsierte er sich über ihre Unbeholfenheit? Sie mochte seine düstere Seite durchaus, aber ein bisschen weniger undurchschaubar hätte er ruhig sein dürfen. Er nahm sich ein alkoholfreies Bier aus dem Kühlschrank. »Brauchst du hier Hilfe?«, fragte er, während er die Flasche öffnete. Er lehnte sich an die Arbeitsplatte, trank einen Schluck und sah sie an. Direkt in die Augen. Verdammt, allein dieser Blick war wie ein Bad in Pheromonen. Wenn er nicht sofort verschwand, würde sie etwas Dummes sagen oder tun.

»Ich suche nur ein paar Teller.« Rasch wandte sie sich ab und steckte den Kopf in die nächstbeste Kiste. »Das schaffe ich schon. Geh und sieh zu, dass du noch etwas von der Pizza abbekommst.«

»Ich sichere dir ein Stück.«

Als Paige ins Wohnzimmer zurückkehrte, saßen alle vergnügt auf irgendwelchen Kisten, auf dem Fußboden oder auf dem frei geräumten Sofa, unterhielten sich und vertilgten dabei in rasantem Tempo die Pizzen. Paige lächelte. So sollte es immer sein. Die Menschen, die ihr am meisten am Herzen lagen, in einem Raum. Der, der ihr Herz am deutlichsten auf Trab hielt, lehnte neben dem Sofa an der Wand und streckte ihr einen Pizzakarton entgegen. »Hier, das habe ich mit meinem Leben verteidigt, also setz dich und iss auch etwas.« Er rückte ein Stück, damit sie auf der Sofalehne Platz nehmen konnte. Paige sah sich um. Im Chaos des mit Menschen, Möbeln und Kisten vollgestopften Raums schien das tatsächlich, die einzige Möglichkeit zu sein, sich zu setzen, doch direkt neben ihm konnte sie unmöglich sitzen. Viel zu nah, viel zu viele Schmetterlinge im Bauch, um in Ruhe zu essen.

»Oh, ich habe die Servietten vergessen.« Sie knallte die Teller auf die letzte freie Stelle auf dem Tisch und huschte in die Küche zurück, um den Kopf – und am liebsten auch den Rest von sich – in die Kartons zu stecken.

Holly tauchte einen Augenblick später mit einem leeren Pizzakarton in der Hand hinter ihr auf und Paige deutete auf den Müllsack in der Ecke.

»Was war das denn gerade?«, erkundigte sich ihre beste Freundin, während sie sich durch den Kartonparcours schlängelte.

»Was meinst du?« Dummstellen würde ihr zumindest die Zeit verschaffen, sich zu sortieren. Worauf die Frage abzielte, war ihr natürlich klar. Holly ahnte längst, dass Paige mehr als reine Freundschaft für Arden empfand und beobachtete mit Argusaugen jedes Zusammentreffen der beiden.

»Du bist aus dem Wohnzimmer geflohen, als hätte Arden dich mit seiner Waffe bedroht.«

Paige stöhnte und unternahm erst gar nicht den Versuch, etwas abzustreiten. Das war schließlich Holly, die sich ohnehin nie von einer Spur abbringen ließ. Starrköpfigkeit war ihr zweiter Vorname. »Meinst du, er hat etwas gemerkt?«

»Keine Ahnung. Oder hast du schon mal erlebt, dass Arden sich in die Karten schauen lässt? Er hat den Pizzakarton wieder zu den anderen gestellt und entspannt weitergegessen.«

»Ich muss wirklich an meiner Selbstbeherrschung arbeiten.« Paige verdrehte die Augen. »Das kann so nicht weitergehen.«

»Vielleicht solltet ihr einfach mal übereinander herfallen, das könnte gewisse Spannungen abbauen«, schlug Holly mit einem breiten Grinsen vor, und Paige dankte dem Himmel für die Schritte auf dem Flur, die sie davor bewahrten, dieses Thema vertiefen zu müssen. Dass ein Teil von ihr absolut Hollys Meinung war, brauchte niemand zu wissen.

Die Schritte entpuppten sich als die von Bree, Evie und Noah, die gleich darauf ihre Köpfe in die Küche steckten.

»Wir müssen leider los«, sagte Evie. »Ich kann Rocky nicht so lange bei Brian lassen. Der hat noch im Stall zu tun und möchte dabei sicher nicht dieses übermütige Fellbündel zwischen den Pferden herumjagen sehen.«

»Und wir müssen uns um die Gäste im Tierheim kümmern.« Noah warf Paige einen entschuldigenden Blick zu. »Aber wir können später noch einmal vorbeischauen.«

»Ich glaube, so viel ist nicht mehr zu tun.« Außer, dass sie einen Berg an Sachen wieder einräumen musste. Aber das erledigte sie am besten allein. »Ich danke euch allen. Ihr wart großartig!« Paige umarmte Evie, Bree und Noah. »Ich habe wirklich Glück, so tolle Freunde zu haben.«

»Für dich doch immer.« Noah drückte kurz Paiges Schulter. »Ich glaube, Callen und Arden legen gerade letzte Hand an das Bücherregal.«

»Ich helfe den beiden.« Holly drückte sich an Paige vorbei, umarmte Evie, Bree und Noah ebenfalls rasch und verschwand im Wohnzimmer.

Als Paige ihrer Freundin folgte, stand der Rahmen ihres großen Regals bereits wieder und Arden machte sich daran, die Rückwände festzunageln.

»Fehlt nur noch das Schlafzimmer«, stellte Callen zufrieden fest. »Bekommt ihr beiden das allein hin?« Er sah dabei Arden und Paige an. »Holly und ich könnten sonst morgen wiederkommen und beim Rest helfen. Wir haben meinem Vater versprochen, ihm und Sam im Stall zur Hand zu gehen. Zwei Leute schaffen die Arbeit kaum noch. Dazu kommen jetzt auch die Vorbereitungen für das Sommerfest. Wir müssen uns bald nach Hilfe umsehen und bis dahin alle doppelt mit anpacken.«

»Kein Problem, den Rest schaffen wir schon«, versicherte Paige schnell, obwohl ihr erneut heiß und kalt bei dem Gedanken wurde, dass sie gleich mit Arden allein sein würde. Ausgerechnet im Schlafzimmer!

Während Paige und Holly das Innere des Bücherregals mit Brettern bestückten, erbarmten sich Callen und Arden doch noch des Kleiderschranks, und als sich Holly und Callen schließlich verabschiedeten, standen zwar weiterhin etliche Kisten und Kartons herum, aber zumindest die Möbel waren alle wieder aufgebaut. Alle – bis auf das Bett. Das Schicksal hatte Humor.

»Jetzt nicht aufgeben«, sagte Arden, als Paige reglos auf den Haufen starrte, der ihr Schlafmöbel werden sollte. »Du wirst schneller als du denkst in deinem Bett liegen.«

Paige musste tief durchatmen und sich in Erinnerung rufen, dass Arden diese Aussage kein bisschen zweideutig meinte, bevor sie ihm ins Gesicht blicken konnte. Sie zwang sich zu einem lockeren Lächeln. »Ich kann es kaum erwarten.« Irgendwie war sie sich nicht sicher, ob da nicht doch etwas Zweideutigkeit mitspielte, denn Arden in ihrem Schlafzimmer war fast mehr, als ihre Nerven ertrugen. Arden zog sie eindeutig mehr an, als gut für sie war. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so auf einen Mann reagiert zu haben. Sobald er im Raum war, wurde ihr warm und nun stellte sie fest, dass die Nähe eines Bettes diese Wirkung exponentiell steigerte. Obwohl sie ihn auch auf dem Boden … oder an der Wand … »Ich lasse mal eben etwas frische Luft rein. Jetzt ist der Sommer wirklich da.«

Sie riss das Fenster auf und sofort strömte der würzige Duft der umliegenden Wildwiesen und des dahinterliegenden Waldes ins Zimmer. Das Haus lag am Ende einer Straße, die sich kurz darauf in eine Schotterpiste verwandelte, die sich in den Bergen verlor. Höchstens einige Wanderer kamen ab und an hier vorbei.

Während ihrer Highschool-Zeit hätte sie jeden für verrückt erklärt, der ihr prophezeit hätte, sie würde eines Tages nicht nur freiwillig in Crosston Creek leben wollen, sondern auch noch ganz am Rand der Kleinstadt, doch nun freute sie sich geradezu auf Stille. Wie schnell sich Dinge an einem einzigen Tag ändern konnten. Was sie früher als Langeweile abgetan hatte, empfand sie heute als tröstlichen Frieden.

Als sie sich umdrehte, traf ihr Blick genau auf Ardens, und wieder lag so viel Unergründlichkeit darin, dass sie eilig woanders hinsah. Sie wollte sich jetzt nicht mit seiner Wirkung auf sie beschäftigen. Fahrig riss sie das Haargummi aus ihrem Pferdeschwanz, um ihn neu zusammenzubinden.

»Es sieht gut aus, wenn du es offen trägst.«

Paige hielt in der Bewegung inne. Was sollte das nun wieder bedeuten? Doch Arden hatte sich bereits zum metallenen Rahmen ihres Bettes hinuntergebeugt, fing an, die langen Schrauben zu sortieren, und erlaubte ihr keinen Blick auf seine Miene. Also fasste sie ihre Haare rasch zu einem Zopf zusammen, nahm sich vor, den weiteren Abend völlig sachlich anzugehen und vor allem damit aufzuhören, irgendwelchen Ideen nachzujagen. Ein Vorsatz, der geschätzte dreißig Sekunden lang Bestand hatte. Denn als sie ihm half, die Seitenteile des Bettes in Position zu bringen, kam er ihr verflixt nah, und natürlich spielten sofort die Nervenenden in jeder Körperzelle verrückt. Irgendwie schaffte sie es dennoch, nach außen hin ruhig zu bleiben, während Arden geschickt die Schrauben im Bettgestell versenkte und das letzte Möbelstück in kurzer Zeit montierte.

»So, das hätten wir.« Er erhob sich aus der Hocke und hielt Paige die Hand hin, um ihr ebenfalls aufzuhelfen, doch sie sprang mit einem Satz auf die Beine.

»Fehlt nur noch die Matratze.«

Arden packte mit an, und Sekunden später war das Bett fertig.

»Sieht gemütlich aus.«

»Ist es. Eine neue Matratze, habe ich mir erst vor einigen Monaten gegönnt. Mit mehreren Zonen und so.« O Mann, sie hörte sich an wie die Angestellte eines Einrichtungshauses. Ob Pheromone Gehirnzellen töteten? Andererseits – was sollte man auf eine solche Bemerkung erwidern? Eine augenzwinkernde Einladung zum Probeliegen aussprechen? Das hätte sie vielleicht bei Callen oder Noah gemacht, die beiden waren in dieser Hinsicht völlig ungefährliche Kandidaten für derartiges Geplänkel. Schließlich waren sie in festen Händen und hatten obendrein nie Paiges Herz mit ihren Blicken zum Stolpern gebracht. Nicht einmal in der Highschool, als gefühlt nahezu jede Schülerin, und wahrscheinlich auch einige Schüler, für einen der beiden geschwärmt hatte. Sie hatte Callen und Noahs Attraktivität zur Kenntnis genommen und sich dann der Fangemeinde Ardens zugeordnet – und war ganz offensichtlich bis heute dabei geblieben.

»Also …« Arden sah in Richtung Tür. »Ich glaube, jetzt ist alles erledigt. Soll ich dir noch beim Auspacken der Kisten helfen?«

»Das mache ich ab morgen. Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn ich gleich die Füße hochlegen kann. Danke für deine Hilfe. Aber falls du möchtest … ich habe einen Wein im Kühlschrank.« Angespannt wartete Paige auf seine Reaktion. Wider aller vernünftigen Argumente hatte sie es gewagt – und nun Angst vor der Antwort.

Doch völlig überraschend bogen sich Ardens Mundwinkel nach oben. Das geschah so selten, dass Paige zunächst dachte, sie hätte sich getäuscht, dann jedoch wurde auch sein Blick wärmer und es bestand kein Zweifel mehr: Arden Forrester lächelte sie an!

»Wein klingt gut. Ich muss zwar noch fahren, aber ein Glas geht wohl.«

»Wenn du es dem Sheriff nicht verrätst – ich tu’s nicht.« Paige lachte, doch Arden hob nur eine Augenbraue. »Schon gut, du bekommst nur eins.«

Sie gingen in die Küche und während Arden die Flasche öffnete, die Paige aus dem Kühlschrank nahm und ihm in die Hand drückte, durchsuchte sie wahllos einige der herumstehenden Kisten mit der Aufschrift »Küche« und wurde tatsächlich in der dritten fündig. Triumphierend zog sie zwei Weißweingläser heraus, hielt sie prüfend gegen das Licht, befand sie für sauber und stellte sie auf die Arbeitsfläche, wo Arden sie mit dem Pinot Grigio füllte und ihr dann eins reichte.

»Auf dein neues Zuhause und darauf, dass du dich hier wohlfühlst.« Er nahm das andere Glas und stieß mit ihr an.

»Danke. Auch für deine Hilfe.«

»Jederzeit. Das Haus ist nicht das jüngste. Ich schätze, da wird noch einiges an Arbeit auf dich zukommen. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.«

Er stand schon wieder so nah vor ihr, dass sein Duft sie umhüllte und sofort dieses Kribbeln im Bauch einsetzte.

»Dein Ernst?« Sie sah ihm in die Augen. »Es kann nämlich sein, dass ich von dem Angebot Gebrauch mache. Hast du mal den Garten gesehen? Oder den verfallenen Schuppen am Ende des Grundstücks? Da werde ich für jede helfende Hand dankbar sein.«

»Mein absoluter Ernst.« Arden stellte sein Weinglas ab, ohne ihren Blick loszulassen. »Ich helfe gern, damit du dich wohlfühlst.«

Sie hatte sich geschworen, niemals mehr in seine Worte hineinzuinterpretieren, als ihr stolperndes Herz verkraftete. Sie hatte Arden nie als den Typen für subtile Botschaften empfunden. Und doch schwang in seiner Stimme ein Unterton mit, der es ihr unmöglich machte, nicht daran zu glauben, dass er ihr über die bloße Bedeutung seiner Worte etwas mitteilen wollte. Auch sein Blick hatte sich verändert. Er war intensiver geworden – obwohl Paige nie gedacht hätte, dass das überhaupt möglich war.

Er griff nach ihrem Glas und platzierte es neben seinem auf der Arbeitsfläche. Dann legte er seine Hände an ihre Oberarme. »Warum warst du heute so nervös?«, fragte er ruhig.

»Oh.« Paige merkte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Die Stelle, wo er sie berührte, brannte geradezu. »Es muss … ich denke, es war die Anspannung … wegen des Umzugs. Ob alles gut geht und so.« Sie hatte das Bedürfnis, ihren Zopf neu zu binden oder ihren Händen irgendetwas anderes zu tun zu geben, aber da Arden noch immer ihre Arme umfasste, blieb sie wie gelähmt stehen. Sein Griff war sanft und doch konnte – oder wollte – sie sich ihm nicht entziehen.

»Der Umzug also.« Ardens Mundwinkel kräuselten sich kaum merklich. »Und warum konntest du allen anderen in die Augen sehen, wärst aber am liebsten in die nächstbeste Umzugskiste gesprungen, sobald unsere Blicke sich getroffen haben?«

Paige öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie würde ihn nicht anlügen können. Allerdings nicht aus moralischen Gründen. Um sich die peinlichste … nein zweitpeinlichste Situation ihres Lebens zu ersparen, hätte sie ohne mit der Wimper zu zucken das Blaue vom Himmel erzählt. Doch Arden würde es merken. Und dann würde es noch peinlicher.

Arden bohrte seinen Blick weiter in sie, zog ganz leicht die Augenbrauen in die Höhe, und Paige wusste, sie war verloren. Ihre Knie waren ohnehin reines Gummi, weil er viel zu nah vor ihr stand, und nun knickte auch noch ihre Selbstbeherrschung ein. Sie würde es ihm sagen … und dann wäre nichts mehr wie vorher. Ihr Herz drohte, allein bei der Vorstellung aus der Brust zu springen, dass er sie nach ihrem Geständnis auslachen … nein, das würde er nie tun. Aber abweisen, mit mildem Mitleid serviert.

»Ich weiß es nicht«, stieß sie hervor und trat einen Schritt zurück. Nicht weit genug, denn die Küchenzeile in ihrem Rücken verhinderte einen größeren Abstand.

»Ganz sicher, dass du es nicht weißt?« Sein Blick musste inzwischen ihr tiefstes Inneres erreicht haben. Warum quälte er sie so? Konnte er ihr nicht den würdigen Tod ihres Herzens gönnen, das dieser Belastung bestimmt nicht viel länger standzuhalten vermochte?

Bei jedem anderen Mann wäre nun der richtige Zeitpunkt gewesen, ihm ihr Interesse zu zeigen. Früher hätte sie nicht gezögert. Ihr altes Ich in Delaware hätte sich selbstbewusst genommen, wonach ihr der Sinn stand. Er war so nah, sie hätte sich nur etwas recken müssen, um sich einen Kuss von ihm zu rauben. Bei Arden klappte das nicht.

Weil sie seine Ablehnung nicht ertragen hätte.

Lieber stellte sie sich weiterhin nur vor, was zwischen ihnen sein könnte, als es einmal laut auszusprechen und schlimmstenfalls am Ende alles zu verlieren – ihre Fantasien über sie beide eingeschlossen. Er war zu wichtig für sie, als bloßer Freund und als das, was er hätte sein sollen. Sie war zu feige, es darauf ankommen zu lassen. Alles auf eine Karte zu setzen, um endlich Klarheit zu haben – das hätte ihr altes, forsches Ich befürwortet. Doch Delaware hatte sie gelehrt, nicht zu viel zu wollen. Begehrlichkeiten waren zerstörerisch.

»Paige.« Ardens Stimme war sanft und einfühlsam. Eine Einladung an sie. »Ich würde es gern wissen.« Erneut streckte er eine Hand in ihre Richtung, doch legte er diese mit einer langsamen Bewegung an ihre Wange. So langsam, dass sie ihren Kopf jederzeit hätte wegdrehen können. Sie tat nichts dergleichen. Wie hypnotisiert wartete sie darauf, was als Nächstes geschehen würde. Atemlos beobachtete sie, wie er sich zu ihr beugte. Er würde sie küssen! Arden Forrester war wirklich und wahrhaftig dabei, seine Lippen auf ihre zu senken. Ein überwältigendes Glücksgefühl wallte in ihr auf. Sie lächelte, kam ihm entgegen – und stoppte abrupt, als ein Alarmton durch ihre Küche schrillte.

»Verdammter Mist.« Arden ließ Paige los und nestelte untermalt von einigen Flüchen sein Handy aus der Seitentasche seiner Cargohose. »Wenn das nicht wichtig ist, bringe ich ihn um.«

Er stapfte aus dem Raum, während er sich grantig meldete. Paige blickte ihm mit pochendem Herzen hinterher. Arden hatte sie küssen wollen! Sie hatte sich nichts eingebildet, es war etwas in seiner Stimme und seinem Blick gewesen. Hoffentlich dauerte dieses blöde Telefonat nicht zu lange. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand eine leckere Praline vor den Mund gehalten und sie dann selbst gegessen. Nun wollte sie gefälligst auch davon kosten!

Als Arden wenige Augenblicke später wieder die Küche betrat, verriet seine Miene, dass es heute keine Pralinen geben würde.

»Ich muss los«, sagte er schlecht gelaunt. »Wir haben gerade einige Krankheitsfälle, sodass ich Bereitschaft habe. Es tut mir leid. Aber …« Er trat vor sie, beugte sich zu ihr herunter und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Wange – ziemlich nah an ihrem Mundwinkel. »Ich würde unsere Unterhaltung gern an der Stelle der Unterbrechung wieder aufnehmen.« Mit einem Zwinkern wandte er sich um und eilte hinaus.

Paige starrte ihm noch eine Weile mit einer Mischung aus Enttäuschung und ungläubigem Staunen hinterher.

2. Arden

»Fuck, fuck fuck!« Arden hätte dieses Dreckshandy am liebsten aus dem fahrenden Auto geschleudert. Wahlweise würde er seinen Deputy einen Kopf kürzer machen, falls es nicht ein wirklich dringender Notfall war, zu dem er ihn geschickt hatte. Aggressives Verhalten eines Gastes in einem Diner hätte er mit Freuden den diensthabenden Kollegen überlassen, doch die waren zu einem Verkehrsunfall gerufen worden.

Zähneknirschend lenkte er seinen Ford Interceptor in Richtung Süden und jagte den Highway hinunter bis zu dem Diner, das direkt an der Grenze zum Pitkin County lag. Einige Yards weiter und die Kollegen des benachbarten Landkreises hätten sich um den renitenten Gast gekümmert, während er sich heute Abend ohne Störung Paiges Lippen hätte widmen können. Es gab Momente, da verfluchte er seine Entscheidung, in die Fußstapfen seines Vaters getreten zu sein. Sicher, der Job in Denver war stressiger gewesen und vor allem zum Ende hin hatte er ohnehin kaum eine andere Wahl gehabt, als wegzugehen. Aber die Stelle des Sheriffs klang attraktiver, als sie oftmals war – vor allem weil es in seinem kleinen County bedeutete, dass er nicht nur Sheriff und zugleich Polizeichef war, sondern häufig und eigentlich hauptsächlich neben dem Verwaltungskram auch noch Deputyaufgaben miterledigte.

So wie jetzt, da er aus dem Wagen stieg, sich dabei seine Uniformjacke vom Beifahrersitz griff und hineinschlüpfte, bevor er die Tür des Diners öffnete. Der typische Geruch nach Kaffee und Frittiertem schlug ihm entgegen. Jetzt am Abend war wenig los, nur zwei Tische waren besetzt und in einer Ecke saß zusammengesunken ein Mann, dessen lichtes Haar in einigen fettigen Strähnen wirr bis fast auf die Schultern hing. Das karierte Hemd war verknittert, die ausgebeulten Jeans fleckig. Als Arden eintrat, hob der Typ den Kopf und schickte finstere Blicke in Richtung Tresen. Es bedurfte keines detektivischen Gespürs, um herauszufinden, wer der Unruhestifter war, dessentwegen Arden hierhergerufen worden war.

»Ah, Sheriff Forrester.« Der Inhaber reichte die Hand über die Theke. »Gut, dass Sie so schnell gekommen sind. Der Kerl verhält sich gerade nur so ruhig, weil Easton hier«, er deutete auf einen stämmigen Gast auf dem Barhocker am Ende des Tresens, »eingeschritten ist.«

»Hallo, Jake. Was ist denn geschehen?« Arden schüttelte die dargebotene Hand und warf dem Grund seines Hierseins einen warnenden Blick zu, da der von seinem Stuhl aufstand und drohend die Faust hob, während er sich gleichzeitig an der Theke festhielt. Eine Festnahme unter Einsatz von Gewalt hätte ihm jetzt auch noch gefehlt.

»Der ist voll bis zum Anschlag«, erklärte Jake. »Muss schon ordentlich getankt haben. Allerdings bevor er hier ankam, deshalb habe ich es am Anfang gar nicht gemerkt, wie besoffen der ist. Dann stand er auf und wollte gehen. Ohne zu zahlen. Das fand ich nicht so gut. Ich wollte ihn festhalten, er hat sich gewehrt, Easton ist mir zu Hilfe gekommen und zusammen haben wir ihn auf den Stuhl da verfrachtet.«

»Brutale Arschlöcher«, lallte es aus der Ecke. »Alle beide.«

Jake richtete sich auf und auch Easton schien bereit, abermals einzugreifen.

Arden seufzte still. Für einen derartigen Mist vergeudete er seine Zeit, die er viel besser mit Paige verbracht hätte. Seit Wochen wartete er auf die Möglichkeit, sie einmal allein zu erwischen. Heute hatte ihm alles in die Karten gespielt – bis dieser Trunkenbold ihm dazwischengegrätscht war. Wer wusste schon zu sagen, wann er Paige das nächste Mal in Ruhe sprechen konnte, und allmählich machte es ihn nervös, nicht zu wissen, woran er bei ihr war. Ihr Umgang miteinander hatte sich in den vergangenen Wochen, fast schon Monaten, schleichend verändert, und obwohl er den Grund ahnte, wollte er endlich Klarheit. Er war kein Typ für Spielchen und hatte schon immer die Meinung vertreten, es gäbe weniger Unfrieden auf der Welt, wenn die Menschen sich respektvoll und offen begegneten. Was nicht bedeutete, dass man jedem gegenüber sein Innerstes nach außen kehren musste, aber irgendwelche heimlichen Manöver und Winkelzüge waren ihm ein Gräuel.

Dass Paige clever war, hatte er schon in der Highschool registriert, obwohl er sich damals nicht für Mädchen interessiert hatte, die vier Jahre jünger waren. Dass sie auch hübsch war, hatte er am Tag ihrer Rückkehr nach Crosston Creek vor drei Jahren bemerkt. Relativ neu waren jedoch ihre Blicke, die sie ihm seit einigen Wochen zuwarf, wenn sie glaubte, er bekäme es nicht mit – sowie seine Reaktion darauf. Inzwischen ertappte er sich selbst dabei, seinerseits immer mal wieder unauffällig in ihre Richtung zu sehen.

Sie gefiel ihm, das war keine Frage, aber trotz ihres im Grunde nicht fehlzudeutenden Verhaltens schien sie ihm aus dem Weg zu gehen, weshalb ihm letztlich immer wieder Zweifel an ihren Signalen kamen. Heute hatte er endlich die Möglichkeit gehabt, Paige allein zu erwischen, da durchkreuzte dieser verfluchte Anruf alles, und er war gezwungen, sich statt mit der Klärung drängender Fragen mit besoffenen Kerlen wie dem Häufchen Elend vor ihm abzugeben.

»Haben Sie denn Geld dabei?«, wandte sich Arden an den Betrunkenen.

Der grunzte. »Was geht Sie das an?«

Arden tippte auf das Abzeichen an seiner Jacke. »Das geht mich etwas an, weil ich zufälligerweise der Sheriff dieses Countys bin und Ihre nächste Antwort darüber entscheidet, ob ich Sie nur für einige Stunden in die Ausnüchterungszelle setze, oder ob Sie wegen diverser Vergehen morgen vor dem Haftrichter stehen.«

Das wirkte. Der Mann nestelte ein paar Scheine aus der Tasche. »Wie viel?«

Arden nickte zufrieden und trat einen Schritt zurück, damit Jake und der nun deutlich friedfertigere Gast abrechnen konnten.

»Und nun kommen Sie. Ich nehme Sie mit nach Crosston Creek. Sie übernachten heute bei uns in der Zelle.«

Erstaunlicherweise blieb der erwartete Protest aus. Leicht schwankend schlurfte der Mann zur Tür.

Arden sah zu Jake hinüber. »Ich nehme an, die Sache ist damit erledigt?«

»Ist sie.« Der Inhaber des Diners nickte. »Danke, Mann. Gut gemacht. Der nächste Kaffee geht aufs Haus.«

»Oh nein!« Arden hob abwehrend die Hände. »Das geht leider nicht. Ich weiß, dass es nett gemeint ist, aber für eine dienstliche Handlung kann und werde ich nichts annehmen, nicht einmal einen Kaffee.«

»Schon gut, wollte nur freundlich sein.« Jake warf ihm einen irritierten Blick zu.

»Weiß ich doch. Geht trotzdem nicht.« Arden deutete nach draußen. »Ich werde dann mal … ich habe ja noch jemanden in seiner Zelle abzuliefern.« Er verließ mit einem knappen Gruß das Diner. Ihm war klar, dass er in Jakes Augen merkwürdig reagiert hatte, und der Mann hatte vermutlich recht. Ein schlichtes »Danke« hätte es auch getan und beim nächsten Mal hätte er den Kaffee einfach trotzdem selbst bezahlt. Problem gelöst, ohne dass es großer Reden bedurft hätte. Kein Wunder, dass Jake ihn so angesehen hatte. Vielleicht hätte er ihn besser verstanden, wenn er Ardens letzte Monate in Denver erlebt hätte. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als freiwillig von dieser Zeit zu erzählen.

Arden verfrachtete seinen angetrunkenen Mitfahrer auf die Rückbank, ermahnte ihn, rechtzeitig Bescheid zu sagen, falls er sich übergeben musste, und chauffierte den Mann zum Sheriff’s Office.

Ryder, seinen diensthabenden Deputy, hatte er bereits von unterwegs informiert, sodass der seinen Fahrgast an der Tür in Empfang nahm und versprach, sich um alles Weitere zu kümmern.

Erleichtert schwang sich Arden wieder auf den Fahrersitz. Der Rest der Nacht würde hoffentlich ruhig bleiben. Er sah auf die Uhr. Die ganze Aktion hatte länger gedauert, als er gehofft hatte. Paige würde sicher schon schlafen. Trotzdem folgte er dem inneren Drang und fuhr zu ihr, doch wie erwartet, lag das Haus in völliger Dunkelheit.

Missmutig steuerte Arden seinen Wagen durch Crosston Creek und war noch immer nicht besserer Laune, als er in seiner Einfahrt parkte. Er stieg aus, schmiss die Fahrzeugtür mit einem Knall zu und stapfte zur Haustür. Endlich war er kurz davor gewesen, Klarheit zu erlangen. Warum verhielt Paige sich bloß so ambivalent? In letzter Zeit wirkte sie in seiner Nähe regelrecht verkrampft. Vorhin in der Küche hatte sie allerdings keineswegs abgeneigt gewirkt. Da hatte sie ihn ebenso küssen wollen wie er sie. Ihre Lippen hatten verführerisch … ach, verdammt. Auch die Haustür flog mit einem Knall ins Schloss. Irgendetwas musste geschehen. Denn etwas gestand sich Arden in diesem Moment ein: Er verspürte ein immer stärkeres Bedürfnis, in ihrer Nähe zu sein.

3. Paige

Paige wachte am nächsten Morgen erstaunlich erholt auf. Sie hatte tief und entspannt geschlafen. Hieß es nicht, die erste Nacht im neuen Haus sei richtungsweisend für die Zukunft? Dann konnte sie wohl den folgenden Jahren beruhigt entgegenblicken. Mit einem Lächeln im Gesicht kletterte sie aus dem Bett, öffnete das Fenster und atmete die frische würzige Luft genüsslich ein. Nicht, dass die Luft im Zentrum Crosston Creeks schlecht gewesen wäre. Dafür war das Städtchen viel zu klein und kuschelte sich vor der Bergkulisse in die Wiesen und Wälder. Doch so nah am Wald hatte sie vorher nie gelebt und Paige fand, dass damit eine noch natürlichere Duftnote in ihr Zimmer wehte.

Gleich bei der ersten Besichtigung hatte sie sich in die Lage und die Aussicht auf die Berge so verliebt, dass es ihr egal gewesen war, wenn sie noch an der einen oder anderen Stelle Hand anlegen musste. Über den Zustand ihres Gartens sah sie im wahrsten Sinne des Wortes großzügig hinweg. Um den würde sie sich irgendwann in den nächsten Monaten kümmern. Auch der verfallene Schuppen musste wahrscheinlich abgerissen werden. Darin lagerte ohnehin nur in die Jahre gekommenes Gartenwerkzeug. Es wartete viel Arbeit auf sie, aber sie freute sich darauf. Obendrein hatte Arden seine Hilfe angeboten.

Arden. Ihr Lächeln vertiefte sich.

Gestern hatte es heftig zwischen ihnen geknistert. In der Nacht war das Gedankenkarussell wider Erwarten nicht angesprungen, doch jetzt kam die Erinnerung an den vorigen Abend mit aller Deutlichkeit zurück. Arden mochte sie. Es war nun nicht mehr nur eine abstrakte Schwärmerei aus der Ferne. Er mochte sie ganz konkret und greifbar. Und sie hatte plötzlich einen offenen Konflikt zwischen Kopf und Bauch und keine Ahnung, wie sie den lösen sollte.

Bevor die gute Laune einen Dämpfer erhielt, stürzte sie sich in ihre Arbeit. Eine heiße Dusche vertrieb die Spuren des leichten Muskelkaters, den die Schlepperei vom Vortag hinterlassen hatte. Danach schaffte sie in ihrem neuen Zuhause Ordnung. Noch immer war nicht alles aus- und weggeräumt, aber das Chaos lichtete sich merklich. Das Wohnzimmer erinnerte bereits wieder an ihres. Da sie die Möbel komplett mitgenommen hatte, war es einfach gewesen, ihre Sachen einzuräumen. Es fehlten nur noch ein paar Accessoires.

In ihrem Schlafzimmer sah das schon anders aus. Zwar war der Kleiderschrank dank Arden und Callen aufgebaut, aber noch leer. Paige hatte die Kisten gestern nicht mehr geöffnet. Ihr Outfit hatte sie vorhin nach dem Was-greifbar-ist-Prinzip ausgewählt. Da sie ohnehin meist in Jeans, Shirt und Sneakers herumlief, seit sie wieder in Crosston Creek lebte, machte das keinen Unterschied zu sonst. Kurz wanderten ihre Gedanken zurück nach Delaware. Welch einen Aufwand sie damals betrieben hatte, bevor sie ins Büro gefahren war. Heute lagen die Pumps und teuren Kostüme in einer der Umzugskisten, und Paige hatte sich beim Packen gefragt, ob sie die überhaupt in ihr neues Haus mitnehmen sollte.

Am späten Vormittag machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Ihre Schicht begann zwar erst am Nachmittag, aber sie war mit ihren Freundinnen zum Brunch verabredet.

Das Inn empfing sie mit den vertrauten Gerüchen und Geräuschen. Auch das war ein Stück Heimat für sie. Wie immer waren um diese Zeit bereits einige Tische besetzt und aus der Küche drangen die Düfte nach Gebratenem und frischem Brot, begleitet vom Klappern der Töpfe und Pfannen.

»Hallo, Paige. Holly, Evie und Bree sind schon da.« Russ winkte aus der Durchreiche. Er war nicht nur ihr Chef, sondern außerdem ein Freund und gelegentlich ein väterlicher Ratgeber – für sie wie für den Rest des Städtchens.

Paige winkte zurück und nahm Kurs auf ihre Freundinnen. Bevor sie die drei erreichte, hörte sie ihren Namen aus einer anderen Richtung. Adele MacMillan. O nein, seufzte sie still, zwang sich aber ein Lächeln ins Gesicht. Sie mochte die drei älteren Schwestern im Grunde zwar, doch wenn die in Plauderlaune waren, kam man dort eine kleine Ewigkeit nicht weg. Da es jedoch unhöflich bis unmöglich war, die ABC-Sisters zu ignorieren, drehte sich Paige mit einem schiefen, entschuldigenden Grinsen in Richtung ihrer Freundinnen, die alles beobachteten, zum Tisch der drei Schwestern um. Die Frauen unbestimmten Alters – in Paiges Erinnerung hatten sie eigentlich immer schon so ausgesehen wie heute: konservative Frisur, biedere Kleidung, aber hellwacher Blick – lächelten ihr entgegen. Gestikulierend machte Bertha MacMillan klar, dass sie zu ihnen herüberkommen sollte, und Paige trottete ergeben hin. Die drei ließen sich ohnehin nicht abwimmeln, wenn sie ein Anliegen hatten.

»Meine Liebe, wie war dein Umzug?«, erkundigte sich Adele sofort. »Gefällt es dir in dem neuen Haus? Es ist ein schönes Haus, das habe ich kürzlich noch zu Bertha und Carla gesagt. Aber leider muss viel daran getan werden. Auch der Garten. So verwildert. Die arme Dorothy hat es zum Ende hin ja nicht mehr geschafft, ihn in Ordnung zu halten, für sie war es ein großes Glück, dass sie jetzt zu ihrer Tochter nach Georgia ziehen konnte …«

So ging es eine Weile weiter. Paige hörte – zumindest äußerlich geduldig – zu und ließ die Worte an sich vorbeiplätschern. Wenn die drei Schwestern in Fahrt waren, stoppte sie niemand. Aus Erfahrung wusste sie, dass der Redefluss versiegen würde, sobald Adele ihr gesamtes Wissen abgeladen hatte. Allerdings horchte sie auf, als plötzlich ein Name fiel. Arden.

»Sogar Arden hat geholfen, hört man«, warf Bertha ein und lächelte listig.

Arden? Wie kamen sie jetzt auf Arden? Paige bemerkte, dass die drei alten Damen an ihr vorbei in Richtung Theke schauten, und folgte ihrem Blick. Da stand er. Arden. Groß und breitschultrig. Er trug Uniform, also war er im Dienst. Das bedeutete, er holte sich nur schnell einen Kaffee und sie würden nicht mehr als einen kurzen Moment vor den Augen ihrer Freundinnen und – schlimmer noch – der ABC-Sisters zusammentreffen. Sie hatte nämlich keine Ahnung, wie sie ihm nach dem gestrigen Abend gegenübertreten sollte.

Allein sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen, doch sofort meldete sich ihr Verstand. Sie wusste schließlich, dass sie sich nicht auf ihn einlassen durfte. Nicht richtig zumindest. Wenn sie sich erst mit Haut und Haaren und allen Gefühlen auf ihn einlassen würde, könnte sie sich genauso gut jetzt schon drei Katzen und einen Jahresvorrat an Taschentüchern und Schokolade zulegen. Alle Menschen, an die sie ihr Herz gehängt hatte, waren aus ihrem Leben verschwunden. Ihr Vater, Nick, ihre Mutter … und Christopher. Nein, Christopher war in dieser Liste falsch. An ihm hatte ihr Herz nicht gehangen, das wusste sie heute. Dennoch hatte es damals höllisch wehgetan, als er sie bewusst beinahe mit ins Verderben gezogen hatte. Sie hatte sich geschworen, besser auf ihr Herz achtzugeben. Und gemessen an der Wirkung, die Arden auf sie hatte, obwohl noch nicht das Geringste zwischen ihnen passiert … nun ja, fast nichts zwischen ihnen passiert war, würde ihr Herz verheerenden Schaden nehmen, wenn auch er aus ihrem Leben verschwand. Und sie wusste ja leider, dass dieses Ende unvermeidbar war. Sie sollte wohl besser auf die warnenden Worte ihrer Vernunft hören.