Cupcake-Connection - Mara Laue - E-Book

Cupcake-Connection E-Book

Mara Laue

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Beschreibung

Die ›Cupcake Connection‹ – so nennt sich ein Club backbegeisterter Cupcake-Freunde, die sich regelmäßig treffen, um ihrem Hobby zu frönen. Jedoch herrscht unter ihnen eine erbitterte Konkurrenz um den ›Goldenen Cupcake‹ für die beste Neuschöpfung. Besonders Louisa Mangold tut sich durch Intrigen hervor, um den begehrten Preis zu gewinnen, und schreckt auch nicht davor zurück, der Konkurrenz den Teig zu versalzen und ihm Schlimmeres anzutun. Als Louisa an einem vergifteten Cupcake stirbt, steht für den frisch gebackenen Hauptkommissar Piet van Dyck die gesamte Connection unter Verdacht. Doch jeder gibt jedem ein Alibi, und alle halten zusammen. Aber dann findet Piet heraus, dass auch etliche Personen außerhalb der Connection ein Mordmotiv haben, und diese Spuren führen in eine ganz andere Richtung. Piet van Dycks 3. Fall mit Cupcake-Rezepten zum Nachbacken

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Seitenzahl: 292

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Mara Laue

Cupcake Connection

Piet van Dycks 3. Fall

Kriminalroman

Impressum

Cupcake Connection

Piet van Dycks 3. Fall

Mara Laue

© 2018vss-verlag, 60389 Frankfurt

Covergestaltung: Sabrina Gleichmann

Korrektorat: Hermann Schladt

www.vss-verlag.de

Anmerkung der Autorin

Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder tatsächlichen Begebenheiten wären reiner Zufall. Aus rechtlichen Gründen sind die im Roman genannten Adressen ebenfalls fiktiv, was die Hausnummern betrifft. Sie existieren nicht. Auch das Café „Luculls Paradies“ gibt es nicht, aber es könnten in der Duisburger Cecilienstraße beheimatet sein, wohin ich es gestellt habe. Das „Palmenblatt“ ist ebenfalls Fiktion und nicht an ein real existierendes Etablissement angelehnt.

Ein Glossar der im Roman vorkommenden italienischen Ausdrücke befindet sich im Anhang.

1.

Dienstag, 12. Juli

„Du Miststück!“ Sabine Traude wischte sich hektisch den Mund ab und spuckte zum wiederholten Mal in die Serviette, während sie Louisa Mangold unverwandt anstarrte und sich wünschte, ihre Blicke in Dolche verwandeln zu können. Oder Gewehrkugeln, mit denen sie Louisa durchsieben konnte. Andererseits wäre ein so schneller Tod viel zu gut für diese Schlange. Sabine packte den Cupcake, von dem sie abgebissen und den Bissen sofort wieder ausgespuckt hatte, in die Serviette und warf sie nach Louisa. Leider verfehlte sie ihr Ziel, was sie noch wütender machte.

Louisa verzog verächtlich den Mund. „Ja, ja, gib nur mir wieder die Schuld an deinem missglückten Cake. Wer nicht backen kann, sollte es eben sein lassen.“

„Ich kann sehr gut backen!“, fuhr Sabine auf. „Und als ich die Cakes in die Formen gefüllt habe, war der Teig noch in Ordnung. Was hast du diesmal hinter meinem Rücken reingetan? Benzin?“ Sie blickte anklagend in die Runde der fünf anderen Anwesenden. „Und ihr – wieso habt ihr nicht aufgepasst?“

„Vielleicht haben sie nichts gesehen, weil ich gar nichts getan habe.“

Das klang so höhnisch und falsch, dass Sabine Louisa am liebsten das Backblech ins Gesicht geschlagen und damit ihr süffisantes Lächeln zerquetscht hätte. Möglichst blutig. Sie ballte die Fäuste.

„Lass gut sein, Mama“, bat ihr Sohn Felix und maß Louisa mit einem verächtlichen Blick. „Es spricht doch Bände, dass sie es nötig hat, anderen den Teig zu versalzen und die Jury zu bestechen, nur um den Preis zu bekommen. Das zeigt doch deutlich, dass sie diejenige ist, die nicht backen kann.“

Louisa schenkte ihm ein hämisches Lächeln, aber ihre Augen blitzten wütend. „Ach, Kleiner, nimm dein Maul mal nicht so voll. Werde erst mal ein richtiger Mann, bevor du dich in Erwachsenenangelegenheiten mischst.“

„Du verdammte ...“

Werner Bongers legte Felix die Hand auf die Schulter und unterbrach, was er hatte sagen wollen. „Lass ma, Jung’. Die isset nich’ wert.“ Er strafte Louisa mit einem verächtlichen Blick. „Komma, Jung’, gemma enne rauchen.“ Er schob Felix zur Terrassentür. „Lass dich von der doch nich’ ins Bockshorn jagen“, riet er ihm und bot ihm eine Zigarette an.

Felix lehnte ab.

Werner zündete sich eine an, inhalierte den Rauch und klopfte Felix auf die Schulter. „Nimm da bloß nich’ dat Jift zu Herzen, dat et Miststück verspritzt.“

„Das sagt sich so leicht“, grollte Felix. „Können wir die nicht endlich aus dem Club werfen? Wenn die noch länger hier ihr Unwesen treibt, bringe ich sie um!“

Werner schüttelte den Kopf. „Doch nich’ wejen die paar versalzene Kappkekse.“

„Wenn sie die nur versalzen würde, wäre das wirklich nicht der Rede wert. Aber in meinen Teig hat sie neulich die Pisse von ihrem Hund gekippt. Und in den von Brigitte hat sie seine Scheiße gerührt. Und was sie über meine letzte Kreation gesagt hat ...“ Er ballte die Fäuste und machte mit ihnen Bewegungen, als würde er sie nur zu gern in Louisas Gesicht dreschen.

Werner konnte es ihm nicht verdenken. Felix hatte sich für den Wettbewerb um den letzten „Goldenen Cupcake“ – die Trophäe, die der Backclub jeden Monat auslobte und von einer unabhängigen Jury verleihen ließ – wirklich etwas Besonderes einfallen lassen. Indem er dem Teig englisches Ingwerbier statt Milch beigemischt hatte, hatte er nicht nur geschmacklich eine neue Note kreiert. Auch mit der Dekoration des Hat, des „Hutes“, hatte er sich selbst übertroffen. Aus Marzipan hatte er in tagelanger Arbeit eine Schneewittchen-Figur sowie die von sieben Zwergen modelliert. Per Hand, ohne eine Form zu benutzen. Er hatte sie eingebettet in „Gras“ aus Pistazienhälften mit bunten Liebesperlen als Blütenknospen. Eine Meisterleistung, die jeder anerkannte.

Jeder – außer Louisa. Sie hatte beim Anblick der Kollektion gelacht. Wahrscheinlich würde nicht nur Werner die darin hörbare Gehässigkeit nie vergessen. Die wäre noch zu verkraften gewesen. Doch Louisa hatte es nicht nur dabei belassen, sondern obendrein Felix’ Kreation und ihn selbst verhöhnt in einer Weise, wie Werner noch nie erlebt hatte.

„Die weiße Gestalt“ – sie meinte Schneewittchen – sehe so gruselig aus wie ein Zombie. Allein schon deswegen würde „jeder normale Mensch“ sich scheuen, sie zu essen. Die „Trolle“ seien offenbar dem Gruselkabinett einer Geisterbahn entsprungen und dermaßen grotesk, dass sie Felsbrocken ähnlicher sähen als allem anderen. Und überhaupt Schneewittchen: „Auf so eine dämliche Idee kann doch nur ein Kindskopf kommen, der geistig noch im Kindergarten feststeckt. Kein Wunder, dass du noch keine Frau hast, Felix. Frauen wollen einen Mann, einen richtigen Mann, keinen Kindergarten-Märchenfreund-Softie.“

Der Hohn hatte Felix bis ins Mark getroffen. Er hatte wortlos den Raum verlassen. Dass die Jury ihm den Goldenen Cupcake zuerkannte und des Lobes voll gewesen war – weil Louisa es nicht geschafft hatte, seinen Teig zu versalzen oder ihm Schlimmeres anzutun –, hatte ihn nicht getröstet. Für solche Gemeinheiten gab es keinen Trost.

„Die Frau ist entweder komplett irre oder einfach nur bodenlos bösartig“, knurrte Felix. „Oder beides. Sie ist jedenfalls nicht mehr tragbar für den Club. Schon lange nicht mehr!“ Er blickte Werner wütend an, als wäre er als Clubvorsitzender dafür verantwortlich, dass Louisa immer noch Mitglied der „Cupcake Connection e.V.“ war.

Werner blieb gelassen. „Drum ham wa ja de außerordentliche Vollversammlung für Freitagabend einberufen. Gemäß unserer gejenwärtijen Satzung könne wa jemand nur aus’m Club werfen, wenna die im Vereinszweck festgelegten Interessen det Vereins verletzt, gejen de Satzung verstoßen hat oder wenna wiederholt den Mitgliedsbeitrag nich’ bezahlt hat. Leider trifft nix davon auf et Louisa zu.“ Er drückte den Zigarettenstummel aus und machte eine Kopfbewegung zur Terrassentür. „Ich muss ma für kleine Königstiger.“

Felix begleitete ihn und schwieg ebenso wie Werner, während sie durch die Küche zu den Toiletten gingen, ohne Louisa einen Blick zu gönnen, die sich immer noch mit Sabine stritt. Die anderen Anwesenden sahen dem Schauspiel zu oder beteiligten sich an dem Streit, während Emma Schmidtchen – Sabines Mutter und Felix’ Großmutter – die Geschirrspülmaschine einräumte. Die alte Dame hatte wie immer die Ruhe weg. Werner beneidete sie um diese Gelassenheit, denn die beizubehalten, war in Gegenwart von Louisa Mangold ein echter Kraftakt.

„Von wegen Louisa würde nicht die Interessen des Vereins verletzten“, schimpfte Felix, als er mit Werner in der Toilettenkabine stand und sich erleichterte. „Sie stört den Clubfrieden. Erheblich!“

„Aba eben dieset Verjehen steht nich’ inner Satzung“, erinnerte Werner ihn. „Und wat den Vereinszweck betrifft, den erfüllt se. Ob et uns passt oda nich’.“ Er zog seinen Hosenschlitz zu und betätigte die Spülung, ehe er an den Fingern aufzählte. „Se jenießt mit uns de Jeselligkeit, se backt mit uns, se tauscht mit uns Rezepte aus und engaschiert sich für de Entwicklung von neuen Kappkeks-Kreationen. Allet im Rahmen vom Vereinszweck.“

Felix riss den Reißverschluss seiner Hose so heftig zu, dass dessen Zähne knirschten und schlug mit der Faust auf den Spülknopf. „Aber wir genießen keine Geselligkeit mehr mit ihr. Schon lange nicht mehr!“

Werner nickte und wusch sich die Hände. „Aba, wenn wa et ma janz buchstabenjenau nehmen, is dat unser persönliches Problemskes. Und dat schaffen wa Freitag aussa Welt, indem wa de Satzung ändern und als zusätzliches Ausschlusskriterium ‚unbilliges Verhalten gejenüber annern Mitgliedern und Störung det Clubfriedens’ beschließen.“

„Du glaubst, das beeindruckt das Miststück?“

Werner lächelte böse. „Janz sicher nich’. Aber wenn de Änderung beschlossen is und de Mehrheit für ihren Ausschluss stimmt – und wa werden einstimmig dafür sein –, kann se jar nix machen und wa sinse endlich los.“

Felix brummte unwirsch und trocknete sich die Hände ab. „Dauert alles viel zu lange.“

Werner klopfte ihm auf die Schulter. „Jeduld, Jung’, Jeduld. De paar Tage wirste de Zieje wohl noch ertraache könne.“

„Ziege? Beleidige doch bitte nicht diese netten Tiere!“

Werner lachte. Felix stimmte nach kurzem Zögern darin ein. Gemeinsam kehrten sie in den Hauptraum zurück.

Der Streit dort war einem frostigen Schweigen gewichen. Louisa thronte auf einem Stuhl vor dem Tisch, auf dem die Cupcakes der anwesenden Bäckerinnen und Bäcker für die Jury arrangiert waren, die bald eintreffen würde. Jeder achtete darauf, dass sie keine Gelegenheit bekam, etwas daran zu verändern. Emma und Sabine gaben Emmas Arrangement den letzten Schliff. Sabine hat ihr eigenes Tablett neben die Spüle gestellt. Was immer Louisa diesmal in ihren Teig getan hatte, schloss ihre Cupcakes von der Wettbewerbsteilnahme aus. Sie jetzt schon in den Abfall zu werfen, hatte sie aber nicht übers Herz gebracht. Dazu hatte es sie zu viel liebevolle Mühe gekostet, sie mit roten Hüten aus Marzipan, die wie Pilzköpfe über den Rand ragten, und mit weißen Liebesperlen wie Fliegenpilze aussehen zu lassen.

Louisa beobachtete die beiden Frauen mit verächtlich verzogenem Mund. Sie nahm einen ihrer eigenen Cupcakes, den sie als Pröbchen aufgehoben hatte, und verteilte großzügig Ahornsirup aus einer kleinen, schlanken Tonflasche darauf. „Gebt euch keine Mühe.“ Ihre Stimme klang abfällig. „Meine Cupcakes werden wieder die besten sein.“

„Bestimmt nicht, wenn du die anderen auch mit diesem widerlichen Sirup verschandelst“, zischte Sabine.

Emma schüttelte stumm den Kopf und ging zu den Toiletten.

„Deine Cupcakes waren noch nie wirklich die Besten“, giftete Brigitte Ludwig. „Wenn du gewonnen hast, dann immer nur, weil du betrogen hast.“

„Oder weil sie die Jury bestochen hat“, erinnerte Marion Vehreschild.

Louisa lächelte. „Beweist es, wenn ihr könnt.“ Sie biss in den Cupcake und kaute genussvoll.

„Miststück!“, attestierte ihr Felix. Er warf einen Blick zur Uhr. „Die Jury kommt in zwanzig Minuten.“ Er schüttelte die Faust vor Louisas Nase. „Und bis dahin werden wir dafür sorgen, dass du keine Gelegenheit bekommst, wieder einmal zu betrügen.“

Louisa lächelte breiter. Doch ihr Lächeln erstarb, als sie husten musste. Sie öffnete den Mund mehrmals und bewegte ihn, als habe sie einen schlechten Geschmack im Mund.

Brigitte rieb sich die Hände und grinste. „Na, wohl eine Dosis deiner eigenen Medizin geschluckt. Wie fühlt es sich denn an, wenn einem der Teig versalzen wird? Oder schmeckt er nach Hundescheiße wie meiner letzten Monat?“

„Hal... ...och ...ie ...appe“, verlangte Louisa deutlich lallend und würgte. Schwankend kam sie vom Stuhl hoch und hastete auf sichtbar unsicheren Beinen Richtung Toilette.

Schadenfrohes Gelächter folgte ihr.

Werner blickte sich grinsend um, nachdem sie den Raum verlassen hatte, und hielt einen Daumen nach oben. „Wer imma ihr wat auch imma innen Teig jemischt hat: jut jemacht! Ich hoffe, et is’ Brechwurz oder irjendwat, dat en höllischen Durchfall verursacht.“

„Am besten beides“, wünschte Brigitte. „Nein, ich war es nicht“, fügte sie hinzu, als sie bemerkte, dass alle sie fragend ansahen. „Aber wer immer es war: Gratulation!“

Angespannt lauschten alle, um sich nichts von Louisas Leiden entgehen zu lassen. Doch zu ihrer Enttäuschung kam zunächst nichts. Stattdessen kehrte Louisa zurück.

„Ihr sei... so ...emein!“, stöhnte sie, presste die Hände auf den Bauch und krümmte sich. „Wa... ...abt ihr reinetan?“

Sie japste nach Luft, zuckte wie unter Krämpfen und wankte wieder im Eilschritt Richtung Toilette. Diesmal waren deutlich lautes Würgen und Furzgeräusche zu hören, denen gleich darauf ein Platschen folgte, das verdächtig nach heftigem Durchfall klang. Alle lachten schadenfroh. Nachdem Louisa jedem von ihnen in der Vergangenheit mindestens einmal die Cupcakes ruiniert hatte, gönnten alle ihr die Pein von Herzen.

Emma kehrte von ihrem Toilettengang zurück, maß die feixenden Cupcake-Bäcker mit einem vorwurfsvollen Blick und schüttelte den Kopf. „Also wirklich, Kinder! Reicht es nicht, dass Louisa so bosnickelig ist und andern Leuten was in die Cakes tut? Müsst ihr euch mit ihr auf eine Stufe stellen?“

„Das hat sie verdient!“, meinte Sabine. „Hundertfach!“ Als ihre Mutter sie befremdet anblickte, schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich war das nicht. Aber ich gönne es ihr! Nach allem, was sie getan hat ...“

Emma schüttelte ebenfalls den Kopf, nahm eine Packung Zigaretten aus ihrer Handtasche und ging auf die Terrasse, um eine zu rauchen. Die anderen schwelgten weiter in Schadenfreude.

Brigitte nahm einen von Louisas Cupcakes und schnupperte daran. „Riecht ganz normal“, fand sie. Sie brach einen fingernagelgroßen Krümel vom Boden ab und kostete ihn vorsichtig. „Schmeckt auch ganz normal.“ Ratlos blickte sie in die Runde.

Louisa kam zurück, kreidebleich, das Gesicht nass mit dicken Schweißperlen auf der Stirn. Anklagend blickte sie die grinsenden Vereinskameraden an. „I... ...ür ...ich’s ...ehr!“

„Was?“, fragte Sabine verständnislos.

„Ich ...pür nich’s mehr“, brachte Louisa mühsam heraus.

„Was spürst du nicht mehr?“ Sabine wollte das nicht wirklich wissen, hatte aber das Gefühl, etwas sagen zu müssen.

Louisa rang nach Luft. Sie zitterte und zuckte unkontrolliert.

Werner sah die anderen der Reihe nach an. „Mann, wat habta ihr innen Keks jetan? Dat Zeug is ja echt höllisch.“ Er klang ein bisschen besorgt. Aber nur ein winziges bisschen.

Louisa röchelte. Nackte Angst lag in ihrem Blick. „H... H... Hi...“ Sie fasste sich an den Hals. „...ilf...“, brachte sie kaum verständlich heraus.

Obwohl jeder das als Hilferuf interpretierte, rührte niemand einen Finger. Alle blickten sie an und beobachteten ihren Kampf um Luft.

„Wir sollten den Notarzt rufen“, schlug Marion vor. Man hörte ihr an, dass sie das nur der Form halber gesagt, aber nicht ernst gemeint hatte.

„Ach, das wird schon wieder.“ Felix klang nicht im Mindesten mitfühlend. Wie die anderen sah er keine Veranlassung, auch nur einen Finger zu rühren, um Louisa zu helfen. Verrecke, du Aas!, schoss es ihm mit einer Vehemenz durch den Kopf, die ihn erschreckte. Trotzdem schämte er sich keine Sekunde für den unfrommen Wunsch.

Louisa furzte und würgte, sackte zu Boden, japste verzweifelt nach Luft und zerrte am Kragen ihrer Bluse in dem vergeblichen Versuch, durch dessen Lockerung wieder atmen zu können. Die Augen traten ihr aus den Höhlen und ihr Körper zuckte heftig.

„Was ist denn hier los?“ Emma kam von der Terrasse zurück. Als sie Louisa am Boden sah, wie sie um ihr Leben kämpfte, zögerte sie keine Sekunde. Sie kniete sich neben sie. „Ruft den Notarzt“, befahl sie. „Sie erstickt sonst.“

„Wäre ganz bestimmt nicht das Schlechteste“, murmelte Sabine und erntete einen verweisenden Blick ihrer Mutter.

„Sofort!“, verlangte Emma.

Felix griff zum Handy und tätigte den Anruf.

Emma drehte Louisa auf die Seite. Die jüngere Frau röchelte, zuckte noch ein paar Mal in Krämpfen und lag dann still, die Augen halb offen. Emma fühlte ihren Puls, stellte keinen mehr fest und begann geübt mit der Herzdruckmassage und Mund-zu-Nase-Beatmung. Sabine löste sie nach ein paar Minuten ab und setzte die Maßnahme fort, bis der Notarzt mit einem Kollegen eintraf. Doch die beiden konnten nur noch Louisas Tod feststellen. Werner hatte die inzwischen ebenfalls eingetroffene Jury wieder weggeschickt.

„Was ist passiert?“, wollte der ältere Notarzt wissen und schaute in die Runde. Sein Blick wurde misstrauisch, als niemand antwortete.

„Sie hat ihren Cupcake nicht vertragen“, sagte Sabine. „Dann hat sie sich übergeben und wohl auch Durchfall gehabt, dann hat sie geröchelt und keine Luft mehr gekriegt und ist zusammengebrochen.“

„Richtig sprechen konnte sie auch nicht mehr“, murmelte Brigitte. „Und gezuckt hat sie.“

„Gezuckt?“ Der Notarzt runzelte die Stirn. „Wie – gezuckt?“

„Krämpfe“, erklärte Emma.

Die beiden Sanitäter sahen einander an. „Hatte sie sonst noch Symptome?“, wollte der Ältere wissen.

„Sie hat geschwitzt wie ein Schwein“, ergänzte Brigitte. „Und richtig sprechen konnte sie auch nicht mehr. Als wenn sie total besoffen wäre.“

Der jüngere Sanitäter blickte zum Tisch mit den Cupcakes. „Was hat sie gegessen?“

Emma deutete auf den Teller, auf dem noch der Rest von Louisas Cupcake lag. „Sie hat davon abgebissen, nachdem sie ihn wie immer mit diesem widerlichen Sirup verschandelt hatte. Danach fing sie an zu röcheln. Darum dachten wir zuerst, dass sie sich verschluckt hat.“

„Und die anderen Symptome kamen Ihnen nicht verdächtig vor?“, fragte der jüngere Mann. Er öffnete Louisas Mund, roch daran und leuchtete mit einer kleinen Lampe hinein.

Die Connection schwieg.

„Vielleicht eine allergische Reaktion“, vermutete Emma nach einer Weile. „Ein anaphylaktischer Schock. Die Symptome deuten darauf hin. – Ich war früher Krankenschwester“, fügte sie erklärend hinzu.

Der ältere Notarzt zögerte. „Das wäre möglich.“ Er sah seinen Kollegen an, der den Blick ernst erwiderte. „Ist denn eine Allergie der Dame bekannt? Oder hatte sie schon mal solche Anfälle?“

Allgemeines Kopfschütteln. Betreten sahen sie einander an.

Dem Arzt entging das nicht. „Was ist hier los?“, verlangte er eine Antwort. „Sie wissen doch was. Das sehe ich Ihnen an. Los, raus mit der Sprache.“

„Et is nix“, versicherte Werner und wiegte den Kopf, ehe er mit den Schultern zuckte. „Wir ... na ja, einije von uns sin schon ma auf en dummen Jedanken jekomme, da Konkurrenz um en Goldenen Kappkeks Abführmittel und Brechmittel innen Teig zu mischen. Deshalb ham wa uns nix dabei jedacht. Außer dat enner ihre Kekse mit Brechwurz oder so ‚versüßt’ hat.“

„Was genau haben Sie ihr gegeben?“, wollte der Arzt wissen.

Niemand antwortete ihm.

Schließlich atmete er tief durch. „Da ich die Todesursache nicht zweifelsfrei feststellen kann und in Anbetracht Ihrer, hm, Aktion, bin ich verpflichtet, die Polizei zu verständigen. Bitte bleiben Sie alle hier und rühren Sie von den Lebensmitteln nichts an.“ Er griff zu seinem Handy.

„Das darf nicht wahr sein“, murmelte Sabine. „Das Miststück kriegt es doch tatsächlich fertig, uns auch noch im Tod das Leben zu vermiesen.“ Anklagend blickte sie Werner an. „Konntest du nicht die Klappe halten?“, zischte sie ihm so leise zu, dass die beiden Notärzte das hoffentlich nicht mitbekamen.

Er zuckte nur mit den Schultern, schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen Stuhl.

*

Piet van Dyck blickte auf das Messingschild unter der Hausnummer 17 d auf dem Walramsweg und musste sich ein Lachen verkneifen. Clubhaus der Cupcake Connection e. V. war darauf eingraviert über drei Cupcakes mit merkwürdigen „Hüten“ und lachenden Gesichtern. Sein Kollege Carol Nicloş war weniger zurückhaltend.

Lachend deutete er auf das Schild. „Die Leute haben Humor. Sind wohl Freunde von French Connection. Du kennst doch den Film?“, vergewisserte er sich.

Piet nickte und deutete auf das gekippte Fenster neben der Haustür. Falls sich jemand in dem Raum dahinter aufhielt, hatte er Carols Bemerkung garantiert gehört. Zwar reizte der Clubname tatsächlich zum Lachen, aber in Anbetracht des Todesfalls in diesem Haus und des damit verbundenen Verdachts auf Fremdverschulden, war derartige Heiterkeit unangebracht. Carol, der die Geste verstand, errötete und schwieg.

Piet klingelte an der Tür. Ein Wagen parkte hinter seinem und Carols Dienstwagen, der dem Team vom Erkennungsdienst gehörte. Die Leute winkten ihnen zu, ehe sie ausstiegen und als Erstes die weißen Spurenschutzanzüge anzogen. Die Tür des Hauses wurde von einer uniformierten Polizistin geöffnet.

„KK 11, van Dyck und Nicloş“, sagte Piet. „Sie haben uns gerufen.“

„POK’in Hatiçe Aydin“, stellte sie sich als Polizeioberkommissarin vor und deutete ins Hausinnere.

Piet und Carol folgten ihr in eine geräumige Küche, die die Grundfläche des halben Erdgeschosses einnahm. Auf den ersten Blick sah sie wie eine normale Küche aus mit Spüle, einem Monstrum von Kühlschrank, einem gigantischen Arbeitstisch in der Mitte und einem großen Herd unter dem gekippten Fenster. Der Raum duftete nach frischem Backwerk, was Piet das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Zwischen Kühlschrank und Spülzeile führte eine breite Glastür auf eine Terrasse, hinter der ein gepflegter Garten zu sehen war. Idyllisch. Lediglich die Frauenleiche auf dem Fußboden störte diesen Eindruck.

„Die Tote heißt Louisa Mangold“, sagte Hatiçe Aydin. „Laut Aussagen der Zeugen ist sie nach dem Essen eines Cupcakes“, sie deutete auf den Tisch, auf dem eine Reihe von Cupcakes auf Tabletts und Tellern lagen, „und dadurch verursachter Beschwerden zusammengebrochen und gestorben.“

„Da tippt man doch zuerst auf eine Lebensmittelunverträglichkeit oder Lebensmittelvergiftung“, meinte Carol. „Wieso steht Fremdverschulden im Raum?“

Die Polizistin bemühte sich um ein ernstes Gesicht, was ihr nicht vollständig gelang. „Dieser Backclub“, sie räusperte sich, um dadurch ein Lächeln oder Lachen zu unterdrücken, „lobt jeden Monat den sogenannten ‚Goldenen Cupcake’ aus.“

Carol prustete, hielt sich rasch die Hand vor den Mund und tarnte seine Heiterkeit als Hustenanfall. Piet musste sich ebenfalls beherrschen.

Hatiçe Aydin räusperte sich erneut. „Einer der Zeugen und möglicher Tatverdächtiger hat gegenüber dem Notarzt geäußert, dass um diesen Preis eine heftige Rivalität herrscht und es schon öfter vorgekommen ist, dass jemand der Konkurrenz Dinge in den Teig gemischt hat, die darin nichts zu suchen haben.“

Das Team vom Erkennungsdienst kam herein. „Da haben wir ja eine Menge zu asservieren“, stellte eine Frau nach einem Rundblick, der auf der Fülle von Cupcakes auf dem Tisch hängen blieb, fest.

„Ich glaube, dass Sie sich nur auf diese Cakes und den Sirup beschränken müssen“, sagte Hatiçe Aydin. Sie deutete auf einen Teller mit sieben Cupcakes, über den jemand – vermutlich sie selbst – eine Asservatentüte gestülpt hatte. Ein angebissener Cupcake befand sich in einer weiteren Tüte. „Nach dem, was die Zeugen bereits ausgesagt haben, haben alle dieselben Zutaten verwendet, um ihre Cupcakes zu backen, und jeder hat einen von seinen eigenen gegessen.“ Sie zeigte mit einer ausholenden Handbewegung auf die anderen Platten und Teller mit Cupcakes, von denen einer abseits neben der Spüle stand. „Niemandem ist was passiert. Nur der Toten. Das legt den Verdacht nahe, dass tatsächlich nur ihr Teig mit was auch immer versetzt worden ist. Könnte auch der Sirup sein, denn den hat sie als Einzige benutzt.“

„Dann wollen wir mal“, sagte ein anderer der Erkennungsdienstler und das Team machte sich an die Arbeit.

„Wo sind die Zeugen?“, wollte Piet wissen.

„Im Obergeschoss mit meinem Kollegen PK Geißler.“ Hatiçe Aydin deutete auf eine offene Tür. „Das Haus gehört einer Frau Brigitte Ludwig. Hier im Erdgeschoss gibt sie Koch- und Backkurse; damit verdient sie zusätzlich zu ihrer Witwenrente ihr Geld. Oben wohnt sie. Seit der Gründung der ‚Connection’ hat sie das Erdgeschoss als Clubresidenz zur Verfügung gestellt. Deshalb das Schild an der Tür. Ich nehme an, Sie wollen mit den Zeugen sprechen.“

„Ja.“

Sie begleitete Piet und Carol aus der Küche in einen Flur, der zu zwei als solchen gekennzeichneten WCs führte sowie einen türlosen Kelleraufgang, über dem eine Treppe ins Obergeschoss ging. Von oben waren Stimmen zu hören.

„Wann können wir endlich nach Hause?“, verlangte eine Frau zu wissen.

„Sobald die Kollegen von der Kripo eben das entschieden haben“, antwortete ein Mann, der demnach Polizeikommissar Geißler war.

„Wir sind schon da“, sagte Piet, trat ins Zimmer, grüßte und stellte sich und Carol vor.

Zwei Männer und vier Frauen blickten ihn besorgt und unsicher an.

„Bevor wir Sie nach Hause entlassen können, müssen wir noch ein paar Dinge klären.“

„Wir ham dem Jung’ schon allet jesacht“, sagte der Ältere der beiden Männer in bestem niederrheinischen Dialekt und deutete auf PK Geißler.

Piet lächelte. „Und Sie werden es noch mindestens einmal wiederholen müssen“, entschuldigte er sich, „denn was Sie meinem Kollegen erzählt haben, war nur eine erste Bestandsaufnahme. Sobald wir uns einen Überblick verschafft haben, werden wir Sie nach Details löchern. Das ist unser Job und leider auch eine Berufskrankheit. Damit das Ganze so erträglich wie möglich für Sie wird, sehen wir uns erst einmal an, was Sie unserem Kollegen schon gesagt haben.“ Er blickte Geißler auffordernd an.

Der junge Mann gab ihm eine knappe, aber präzise mündliche Zusammenfassung dessen, was er von den Leuten bereits erfahren hatte. Piet beobachtete die Reaktion der Anwesenden, die einiges mit einem Nicken bestätigten. Den Rest der Zeit über saßen sie mehr oder weniger reglos auf ihren Plätzen und vermieden es, einander oder die Ermittler anzusehen.

„Also Sie“, er nickte dem älteren Mann zu, der laut Geißler Werner Bongers hieß, „haben den Verdacht geäußert, dass jemand dem Opfer eine schädliche Substanz in den Teig gemischt haben könnte.“

„Dat war doch nur so daherjesacht“, verteidigte der sich. „Ich meine, ja, wa spielen einander schon ma solche Streiche, aber wa verjiften doch niemand! Nich’ ma enne wie et Louisa!“

Eine interessante und aussagekräftige Wortwahl. „Gegenwärtig gehen wir auch nicht von einer Tötungsabsicht aus“, beschwichtigte Piet. „Wenn jemand tatsächlich etwas in den Teig gemischt hat und Frau Mangold daran gestorben ist, wäre das fahrlässige Tötung und sozusagen ein bedauerlicher Unfall, den zuzugeben uns eine Menge Arbeit erspart.“ Er blickte die Leute der Reihe nach an. Doch sie schwiegen. Einige schüttelten den Kopf.

„Was war Frau Mangold denn für ein Mensch?“, wollte Piet wissen und erntete eisiges Schweigen. Er blickte Werner Bongers an. „Sie haben gesagt, Sie würden nicht mal eine wie Frau Mangold vergiften. Daraus schließe ich, dass Sie die Dame nicht mochten.“

„Dame ist gut!“, giftete eine der Frauen, Sabine Traude. „Die war einfach ...“ Sie biss sich auf die Lippen und schwieg.

Die Älteste, Emma Schmidtchen, seufzte. „Kinder, die Herrschaften finden es sowieso heraus.“ Sie sah Piet in die Augen. „Auch wenn es sich nicht gehört, schlecht über Tote zu reden, aber Louisa war ein sehr unangenehmer Mensch, der Unfrieden gesät hat, wohin sie nur kam. Nicht nur hier im Club.“

„Genau“, bekräftigte der junge Mann, Felix Körner. „Wir haben deswegen eine Vollversammlung für nächsten Freitag einberufen, um die Satzung zu ändern, damit wir sie endlich aus dem Club werfen konnten. Dass sie unsere Cupcakes verschandelt hat, um möglichst jeden Monat den Goldenen zu gewinnen, war noch das Harmloseste.“ Er schaute zu Boden und knetete seine Hände.

„Und darum haben Sie es ihr mit gleicher Münze heimgezahlt?“, hakte Carol nach.

„Himmel nein!“, wehrte Körner ab. „Ich hab nichts dergleichen getan! Das schwöre ich bei Gott!“ Er hob die Hand.

Piet blickte in die Runde und erntete Schweigen. „Was hat Frau Mangold sonst noch getan?“, wollte er wissen.

Fortgesetztes Schweigen.

„Nun?“ Piet sah von einem zum anderen. „Wie die nette Dame hier“, er nickte Emma Schmidtchen zu, „schon gesagt hat: Wir finden es sowieso heraus.“ Zumindest traf das in den meisten Fällen zu.

„Denken Sie sich das Schlimmste, und es ist immer noch zu gut“, murmelte Brigitte Ludwig, die Hausbesitzerin. Sie zuckte mit den Schultern. „Sie hat mehr als einmal versucht, die Jury zu bestechen“, platzte es aus ihr heraus. „Sie hat ständig gehässige Bemerkungen gemacht, die absolut unter der Gürtellinie waren, wie es tiefer schon nicht mehr ging.“

„Und es hat ihr einen gottverdammten Spaß gemacht, jeden zu verletzten, wann sie konnte, wie sie konnte, wo sie nur konnte“, fügte Felix Körner vehement hinzu und ballte die Fäuste.

„Und darin, andern Frauen den Mann auszuspannen, war sie unübertroffen“, ergänzte Marion Vehreschild bitter. „Und ...“

Sie biss sich auf die Lippen und schwieg, nach einem erschrockenen Blick zu Piet und seinen Kollegen. Offenbar war ihr bewusst geworden, dass sie und die anderen soeben herrliche Motive geliefert hatten, Louisa Mangold nicht nur einen üblen Streich zu spielen, sondern sie tatsächlich zu ermorden.

Sabine Traude nickte nachdrücklich, schwieg aber ebenfalls. Daraus schloss Piet, dass sie ebenfalls ein Opfer von Louisa Mangolds Untaten war.

„Mal eine andere Frage an Sie, Frau Traude.“

Die Frau zuckte zusammen.

Er lächelte begütigend. „Sind Sie zufällig mit Richter Michael Traude verwandt?“

Erleichterung malte sich auf ihrem Gesicht. Sie nickte. „Das ist mein Mann.“

Eine unbedeutende Komplikation. Piet hatte hin und wieder mit Richter Traude zu tun gehabt und ihn als kompetenten, geradlinigen Mann kennengelernt. Dennoch wäre er – milde ausgedrückt – bestimmt nicht begeistert, wenn gegen seine Frau in einem Tötungsdelikt ermittelt werden musste. Aber noch stand nicht fest, ob Sabine Traude etwas mit der Sache zu tun hatte.

„Sag es ihm, Sabine“, forderte Emma Schmidtchen sie auf.

„Mama, bitte!“

Auch das noch. Emma Schmidtchen war ihre Mutter und somit Schwiegermutter des Richters. Das konnte ja heiter werden.

„Was wollen Sie mir sagen, Frau Traude?“

Sie wiegte den Kopf. Die Frage und vor allem die Aufforderung ihrer Mutter war ihr sichtlich unangenehm. „Dass ich heute Louisas Opfer war. Ich weiß nicht, was sie in meinen Teig gemischt hat, aber der Cupcake, den ich probiert habe, schmeckte widerlich.“ Sie schüttelte sich.

Piet blickte von einem zum anderen. Alle vermieden es, ihn oder jemanden von seinen Leuten anzusehen. „Solche Menschen gibt es leider“, sagte er in einem neutralen Tonfall, als hätte er die soeben offenbarten Mordmotive nicht registriert. „Und wer hat ihr nun etwas und vor allem was in den Teig gemischt?“

Alle schüttelten schweigend den Kopf. Solange sie als Gruppe zusammen waren, würden sie nichts sagen. Man musste sie einzeln befragen. Eine vorläufige Befragung hatte PK Geißler bereits im „ersten Angriff“ vorgenommen. Für intensivere Gespräche sollten die Leute am besten ins Präsidium kommen.

Er wandte sich an Brigitte Ludwig. „Eine Frage an Sie. Hat dieses Haus noch einen zweiten Eingang oder müssten Sie, um es zu verlasen oder zu betreten, den Haupteingang nehmen?“

Sie war von der Frage sichtlich überrascht. „Eh, nein, vom Balkon“, sie deutete zur Seite, „geht noch eine Außentreppe in den Garten mit einem Weg ums Haus herum zur Straße. Das Obergeschoss war ursprünglich eine separate Wohnung mit eigenem Eingang. Warum fragen Sie?“

„Sobald wir für heute mit unserer Arbeit unten fertig sind, wird der Raum versiegelt. Möglicherweise müssen wir das gesamte Erdgeschoss versiegeln. Dann können Sie den Haupteingang nicht mehr benutzen. Denn ein polizeiliches Siegel zu brechen, ist eine Straftat.“

Brigitte Ludwig nickte.

„Könne wa dann ma jehn?“, wollte Werner Bongers wissen und blickte Piet hoffnungsvoll an.

Er nickte. „Wir würden aber vorher gern in Ihre mitgebrachten Taschen und Jackentaschen sehen.“

„Müssen wir das dulden?“, fuhr Felix Körner auf. „Wir sind doch keine Verbrecher.“

Das würde sich noch zeigen. Piet hielt es allerdings nicht für klug, die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass sie in einem Fall wie diesem tatsächlich dazu verpflichtet waren. Erst wenn er diese Information als Druckmittel brauchte, würde er sie verwenden. „Woran auch immer Frau Mangold gestorben ist, die Substanz muss irgendwo hergekommen sein. Wenn es niemand von Ihnen war, können wir eben das durch einen Blick in Ihre Taschen feststellen.“

Auch das stimmte nicht vollständig, denn wenn der Täter schlau war, hatte er den Behälter mit besagter Substanz in der Zeit zwischen Louisa Mangolds Tod und dem Eintreffen der Polizei oder sogar schon vor dem Eintreffen des Notarztes entsorgt. Und solange nicht feststand, ob dem Tod der Frau tatsächlich ein Fremdverschulden zugrunde lag, und falls ja, ob jemand vom Backclub oder gar die Hausherrin selbst unter entsprechendem Verdacht stand, gab es keine Handhabe für eine Hausdurchsuchung. Erst recht nicht, weil noch nicht ersichtlich war, wonach man überhaupt suchen musste.

Emma Schmidtchen reichte ihm ihre Handtasche, die sie die ganze Zeit über auf ihrem Schoß gehalten hatte. „Bitte, Herr Kommissar.“ Sie blickte die anderen an. „Na los! Wir haben doch nichts zu verbergen, oder? Und falls jemand von euch Louisa was in den Teig gemischt hat, sollte derjenige wenigstens den Anstand besitzen, auch dazu zu stehen.“

Die Aufforderung wirkte, denn auch die anderen Clubmitglieder reichten Carol, Hatiçe Aydin und PK Geißler ihre Taschen und Jacken. Piet zog sich Einweghandschuhe an und durchsuchte die Tasche von Emma Schmidtchen. Da sie relativ klein war, ging das schnell und förderte nichts zutage außer Ausweispapieren, Geldbörse, Handy, einer angebrochenen Packung Papiertaschentücher, Auto- und Wohnungsschlüssel, einen Lippenstift, Kugelschreiber, einen kleinen Notizblock, ein Feuerzeug und eine angebrochene Schachtel Zigaretten. Keinen Behälter mit irgendeiner verdächtigen Substanz oder in dem sie hätte gewesen sein können.

„Danke.“

Piet reichte ihr die Tasche zurück und widmete sich der Fliegerjacke von Felix Körner, in deren unzähligen Innen- und Außentaschen sich ein Sammelsurium von Gegenständen fand. Taschenmesser, klappbares Werkzeugset, Smartphone und neben etlichen anderen Dingen ein riesiger Schlüsselbund, der mindestens ein Pfund wog. Aber auch hier gab es keinen Behälter mit irgendeiner Substanz. Die Überprüfung der anderen Taschen und Jacken förderte ebenfalls nichts zutage. Die Obduktion der Leiche und die Untersuchung der Asservate würden sowieso erst ergeben, wonach genau sie suchen mussten.

„Danke für Ihre Kooperation und Ihre Geduld“, sagte Piet, nachdem die letzte Tasche inspiziert worden war. „Bitte kommen Sie morgen um zehn Uhr ins Polizeipräsidium Düsseldorfer Straße 161, um Ihre Aussagen zu machen.“

„Ich muss arbeiten“, protestierte Felix Körner.

„Aber Felix!“ Emma Schmidtchen schüttelte den Kopf und sah ihn strafend an. „Du hast doch Urlaub.“

Der junge Mann errötete. „Ich ...“ Er winkte ab. „Okay, zehn Uhr.“ Er stand von der Couch auf. „Kann ich gehen?“

Piet nickte. „Bis morgen dann.“

Die Eile, mit der Felix Körner zum Ausgang strebte, glich einer Flucht. Aber auch die anderen hatten es eilig zu verschwinden. Brigitte Ludwig begleitete sie zum Balkon und schloss ihnen die Tür auf. Piet folgte mit etwas Abstand in der Hoffnung, noch irgendetwas aufschnappen zu können, was die Leute beim Abschied miteinander redeten. Doch außer einem mehrfachen „Tschö“ sagten sie nichts.

Brigitte Ludwig kehrte zurück und setzte sich wieder. Sie wirkte bedrückt. Kein Wunder, denn ein unnatürlicher Todesfall im Haus war nichts, das wirkungslos an jemandem abprallte. „Schrecklich“, meinte sie und schüttelte den Kopf.

Piet setzte sich in einen Sessel neben sie. „Das ist der Tod eigentlich immer“, antwortete er. „Wenn Sie sich in der Lage fühlen, mir ein paar Fragen zu beantworten, brauchen Sie morgen nicht extra ins Präsidium zu kommen.“

Sie nickte und strich sich eine Strähne ihres silbergrauen Haares hinter das Ohr zurück. „Natürlich. Bitte, fragen Sie.“

„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben Sie und Ihre Backfreundinnen und -freunde beim Backen alle dieselben Zutaten verwendet.“

Sie nickte wieder. „Alle Clubmitglieder zahlen jeden Monat fünfzehn Euro Mitgliedsbeitrag. Oder hundertachtzig Euro als Jahresbeitrag. Von dem Geld werden die Backzutaten gekauft. Das macht Sabine – Sabine Traude –, weil sie auch die Kassenwartin ist. Also, sie kauft die Zutaten für den Grundteig. Mehl, Milch, Zucker, Eier, Butter und Backpulver. Davon nimmt sich jeder, so viel er braucht. Lediglich die Dinge für die Verzierung bringt jeder selbst mit. Oder auch das, was er Besonderes in den Teig tun will, zum Beispiel Honig oder Likör.“ Sie machte eine Pause. „Unser Club ... Also wir haben Spaß daran, möglichst viele verschiedene Cupcakes zu backen und immer wieder neue Varianten zu erfinden. Deshalb lässt sich jeder für jedes Treffen was Neues einfallen. Und wer die beste Idee hat, das beste Ergebnis erzielt, dessen Schöpfung wird prämiert.“

„Mit dem Goldenen Cupcake“, vergewisserte sich Piet und machte sich Notizen.

Brigitte Ludwig nickte zum dritten Mal. „Wir haben uns von einer auf solche Dinge spezialisierten Firma einen Vorrat aus vergoldeten Kunststein-Cupcakes anfertigen lassen. Werner graviert immer die Namen der Siegerin oder des Siegers und das Datum ein. Er ist Goldschmied, müssen Sie wissen.“

Eine wichtige Information. Soweit Piet wusste, hantierten Goldschmiede auch mit Lösungsmitteln und Giftstoffen wie Arsen und ähnlichen Substanzen.

„Und Frau Mangold war, wenn ich das richtig verstanden habe, besonders erpicht darauf, den Preis möglichst oft zu gewinnen?“

Brigitte Ludwig verzog das Gesicht. „Am liebsten hätte sie ihn jedes Mal gewonnen. Sie hat ihn niemand anderem gegönnt. Darum hat sie ja auch zu solchen Gemeinheiten gegriffen, wie uns den Teig zu versalzen. Und letzten Monat hat sie sogar die Sch..., eh, Exkremente von ihrem Hund in meinen Teig gemischt. Und in den von Felix seine Pisse.“

Carol stieß hörbar die Luft aus. „Das ist ganz schön heftig, nur um einen Preis zu gewinnen.“