"Da wohnt der Gott" - Eine Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte erkundet im Rahmen des Religionsunterrichts die Kirche St. Maria in den Benden - Martin Rödiger - E-Book

"Da wohnt der Gott" - Eine Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte erkundet im Rahmen des Religionsunterrichts die Kirche St. Maria in den Benden E-Book

Martin Rödiger

0,0
18,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Theologie - Religion als Schulfach, Note: 1.0, , Sprache: Deutsch, Abstract: Einleitung Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Offb 21,3 1.1 Im Anfang war ein Wort … „Da wohnt der Gott“. Mit diesen Worten kommentierte ein Schüler den Besuch der Kirche St. Maria in den Benden in Düsseldorf-Wersten. Er probte dort mit seiner Klasse, einer Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte, ein Krippenspiel für den Schulgottesdienst. Seine Worte spiegeln nicht nur seine religiöse Sozialisation – er war in diesem Jahr Kommunionkind –, sondern geben auch etwas von der Ahnung wieder, die er von der Bedeutung dieses Raumes hatte. Er stellt sich damit unbewusst in die Tradition eines Gedankens, der sich durch die Geschichte der menschlichen Religiosität zieht: den Gedanken räumlicher Gottesnähe. Antike Kultstätten befanden sich bevorzugt an exponierten Naturschauplätzen wie einem Berg oder einer Quelle. Es handelte sich um Orte, an denen sich wie im ersten Fall Himmel und Erde berühren oder wie im zweiten Fall das Wirken göttlicher Kräfte sichtbar wurde. Diese Stätten wurden baulich markiert und zu Heiligen Bezirken ausgestaltet, an denen die Erscheinung Gottes festgehalten werden sollte. Ein Bauwerk wird so zum Zeichen der Gegenwart Gottes (vgl. RICHTER 22001c). Auch die Bibel kennt das Motiv des räumlichen Wohnens Gottes. Beispielhaft seien hier die Bundeslade Israels oder der Tempelbau des Königs Salomo genannt. Als gläubiger Jude besuchte auch Jesus den Tempel, hebt aber dessen Bedeutung auf, indem er auf sich selbst als Tempel, als Wohnstätte Gottes hinweist (Jo 2,19f.). Die Gemeinde bzw. die Kirche, die nach seinem Tod sein Gedächtnis bewahrt, wird ebenso wie er mit „Gottes Tempel“ identifiziert (1 Kor 3,16). Wie aber verläuft die Verbindungslinie von der Hausgemeinschaft der Urgemeinde zu dem 1959 eingeweihten modernen Kirchenbau in Düsseldorf? Ein kurzer Blick in die Geschichte des christlichen Kirchenbaus macht deutlich, welche unterschiedlichen Konzepte jeweils mit dem Wort Kirche (von gr. Kyriakon – das dem Herrn gehörende [Haus] ) bezeichnet wurden. Denn: „Selbstverständlich beeinflussen die Veränderungen im Gottes-, Menschenund Weltbild zwangsläufig auch das Verständnis des kirchlichen Raumes.“ (RICHTER 22001a, 10).* [...] _____ *Selbstverständlich können diese Schlaglichter dem komplexen Thema nicht gerecht werden. Sie dienen lediglich der Illustration der unterschiedlichen theologischen Konzepte und dem Nachweis einer Entwicklung

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.2 Röhrigs Basiskomponenten
2. Grundlegung
2.1 Kirchenpädagogik
2.2 Richtlinien
2.3 Grundlagenplan
2.4 Schulprogramm
3. Die Lerngruppe und ihr Religionsunterricht
3.1 Lernvoraussetzungen
3.2 Vorbereitung der Kirchenerkundung im Unterricht
4. Die Kirche St. Maria in den Benden
4.1 Die Gemeinde
4.2 Der Kirchenbau und sein theologisches Konzept
5. „Wir erkunden eine Kirche“
5.1 Rahmenbedingungen
5.2 Methodisch-didaktische Überlegungen
5.3 Ein Vormittag in der Kirche - geplantes Vorgehen
6. Reflexion
6.1 Anmerkungen zur Durchführung
6.2 Highlights, Problemfelder und Perspektiven
7. Anhang
8. Literaturverzeichnis

Page 1

Page 1

1. Einleitung

1.1 Im Anfang war ein Wort …

„Da wohnt der Gott“. Mit diesen Worten kommentierte ein Schüler den Besuch der Ki rche St. Maria in den Benden in Düsseldorf-Wersten. Er probte dort mit seiner Klasse, einer Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte, ein Krippenspiel für den Schulgottesdienst. Seine Worte spiegeln nicht nur seine religiöse Sozialisation - er war in diesem Jahr Kommunionkind -, sondern geben auch etwas von der Ahnung wieder, die er von der Bedeutung dieses Raumes hatte. Er stellt sich damit unbewusst in die Tradition eines Gedankens, der sich durch die Geschichte der menschlichen Religiosität zieht: den Gedanken räumlicher Gottesnähe.

Antike Kultstätten befanden sich bevorzugt an exponierten Naturschauplätzen wie einem Berg oder einer Quelle. Es handelte sich um Orte, an denen sich wie im ersten Fall Himmel und Erde berühren oder wie im zweiten Fall das Wirken göttlicher Kräfte sichtbar wurde. Diese Stätten wurden baulich markiert und zu Heiligen Bezirken ausgestaltet, an denen die Erscheinung Gottes festgehalten werden sollte. Ein Bauwerk wird so zum Zeichen der Gegenwart Gottes (vgl.RICHTER22001c). Auch die Bibel kennt das Motiv des räumlichen Wohnens Gottes. Beispielhaft seien hier die Bundeslade Israels oder der Tempelbau des Königs Salomo genannt. Als gläubiger Jude besuchte auch Jesus den Tempel, hebt aber dessen Bedeutung auf, indem er auf sich selbst als Tempel, als Wohnstätte Gottes hinweist (Jo 2,19f.). Die Gemeinde bzw. die Kirche, die nach seinem Tod sein Gedächtnis bewahrt, wird ebenso wie er mit „Gottes Tempel“ identifiziert (1 Kor 3,16). Wie aber verläuft die Verbindungslinie von der Hausgemeinschaft der Urgemeinde zu dem 1959 eingeweihten modernen Kirchenbau in Düsseldorf? Ein kurzer Blick in die Geschichte des christlichen Kirchenbaus macht deutlich, welche unterschiedlichen Konzepte jeweils mit dem Wort Kirche (von gr.Kyriakon- das dem Herrn gehörende [Haus] ) bezeichnet wurden. Denn: „Selbstverständlich beeinflussen die Veränderungen im Gottes-, Menschen-und Weltbild zwangsläufig auch das Verständnis des kirchlichen Raumes.“ (RICHTER

22001a, 10).∗

∗Selbstverständlich können diese Schlaglichter dem komplexen Thema nicht gerecht werden. Sie dienen lediglich der Illustration der unterschiedlichen theologischen Konzepte und dem Nachweis einer Entwicklung

Page 2

Die Versammlungen der Urgemeinde fanden in den Häusern der Gläubigen selbst statt. Ganz nach dem Wort ihres Herrn (Mt 18,20) ist er dort gegenwärtig, wo sich „zwei oder drei“ in seinem Namen versammeln. Nach der Konstantinischen Wende werden repräsentative Bauten nach dem Vorbild kaiserlicher Basiliken errichtet, an denen die Überlege nheit des Christentums sichtbar werden soll. Der Raum mit seiner prächtigen Ausstattung nimmt bereits den Gedanken des Himmlischen Jerusalem auf, der in der Gotik zum bestimmenden Leitbild wird, und sieht besondere Orte für bestimmte Elemente des Gottesdienstes vor.

Die an Burgen erinnernden Bauten der romanischen Epoche versinnbildlichen die Geborgenheit eines schützenden Raumes. Der romanische Kirchenraum macht den zunehmenden Unterschied zwischen dem Kirchenvolk und dem Klerus deutlich, der allein am erhöhten Altar steht und das Messopfer darbringt. Die Gotik schließlich macht aus der Kirchenburg einen ganz und gar überirdischen Raum, eine Stadt des Lichts, das Sinnbild der ewigen Himmelsstadt. Die reiche Ausstattung mit Bildern (u.a. mit einer deutlichen Verschiebung vom Evangelium zu Heiligengeschichten) dient gleichzeit der Belehrung derIlliterates,des großen Teils der Menschen, der des Lesens nicht mächtig war. Die Verehrung der aufbewahrten Eucharistie setzt in dieser Epoche ein.

In der Zeit der Reformation wird die bis heute spürbare unterschiedliche Akzentsetzung in evangelischen und katholischen Kirchen grundgelegt. Die Hinwendung der Refo rmatoren zur Schrift (solascriptura)fordert einen nüchternen Versammlungsraum, der sich auf Gebet, Lesung und Predigt konzentriert. Gleichwohl konstatiert Luther, dass es „die Schwachen, der Bilder Bedürftigen“ (GRETHLEIN 1998, 26) gebe.

Als letzte für diese Arbeit relevante Wendung möchte ich abschließend auf die liturgische Bewegung im 20. Jahrhundert hinweisen, deren Anliegen es war, die gemeinsame Feier aller Gläubigen zur Maxime des Kirchenbaus zu machen. Diese Gedanken nahm schließlich das auch das II. Vaticanum in seine Dokumente auf, wie später noch zu ze igen sein wird. Mit der liturgischen Bewegung schließt sich der Kreis zur Feier der Urgemeinde. Wie aber ist vor dem Hintergrund historischer Architektur und Theologie der Gedanke räumlicher Gottesnähe Kindern heute erklärbar? In einem Kinderkirchenführer heißt es: „In diesem großen Haus wohnt Gott. Hier will er uns besonders nahe sein.“ (ABELN 1997, 5) Oder: „In dem Tabernakel wohnt Jesus selbst.“ (ebda., 13). Dagegen stelle ich ein Zitat aus der Bibel: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die

auf diesem Gebiet. Zum theologischen Konzept des Kirchenbaus vor und nach dem II. Vatikanischen Konzil

folgen ausführlichere Gedanken in Kapitel 4.2.

Page 3

Himmel der Himmel fassen dich nicht, wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.“ (1 Kön 8,27)

GOECKE-SEISCHABundHARZgeben in ihrem Praxisbuch explizit Antwort auf die Frage „Wohnt Gott in der Kirche?“ (2001, 17f.). Sie gehen von dem Gedanken aus, dass Häuser zum Bewohnen da sind. (Ironischerweise hängt an der Außenwand von St. Maria in den Benden eine große Hausnummer.) Allerdings wohne Gott nicht selbst in der Kirche, es gebe dort vielmehr Dinge, „die in besonderer Weise an Gott und den christlichen Glauben erinnern, z.B. das Kreuz, Figuren und Bilder“. Eine Kirche sie eine Einladung an Gott zu denken. Da sie von Menschen erbaut sei, brauche man keine Scheu haben, sie zu besuchen und zu erkunden.SOEFFNERdrückt diese kindgemäßen Gedanken auf der Ebene der Erwachsenen aus, wenn er sagt, dass sich in Kirchen „symbolisierte Geschichte(n) und Erfahrungsgeschichte(n) häuslich gemacht“ haben (1998, 49).

Als wesentlich für die Schüler der Mittelstufe 2 halte ich den Gedanken „Die Kirche ist das Haus Gottes, in dem sich die Menschen versammeln, um Gott zu loben, ihm zu danken und ihn zu bitten.“ (ABELN 1997, 4). Dabei soll der Raum mit seiner besonderen Einrichtung, die an Gott erinnern soll, helfen. Gerade für eine Klasse der Schule für Geistigbehinderte, die auf konkretes Anschauen, Fühlen und Erfahren angewiesen ist, gilt: Nur was einen Ort hat, kann besucht werden.