Damals war's -  - E-Book

Damals war's E-Book

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Beschreibung

Jedes Leben ist wie ein leuchtender Stern am Firmament: strahlend, einzigartig und daher beachtenswert. Es ist wichtig genug, in seinen wesentlichen Episoden verbreitet zu werden und der Nachwelt erhalten zu bleiben. Es ist wert, aufgeschrieben und anderen Menschen in geeigneter Form vermittelt zu werden. - Die Anthologie "Damals war's" trägt diesem Anliegen Rechnung. Sie bietet Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Altersgruppen ein geeignetes Forum, als Zeitzeugen aus ihrem Leben zu erzählen und auf diese Weise die eigenen Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. So wird ein ganz individuelles und lebendiges Geschichtsbuch geschaffen. Der diesjährige Band enthält auch Texte zum Sonderthema "Das verrückteste Erlebnis meines Lebens".

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Seitenzahl: 206

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Was die geneigten Leser vorab wissen sollten:

Wir geben unseren Autoren die Freiheit, selbst über den Gebrauch von alter, neuer oder Schweizer Rechtschreibung zu entscheiden, daher variiert auch die Schreibweise in dieser Anthologie.

INHALTSVERZEICHNIS

HIL BARAST

Stichwort Ernest Hemingway

CHRISTIAN BARSCH

Aus DIE DICHTERREISE (5)

DIETHELM MAX BUBBEL

Erlebnisse

REGINA FRANZISKA FISCHER

WENN UNS EIN NEUES LEBEN GESCHENKT WIRD

AUSSCHNITT AUS DEM TAGEBUCH EINER BRUSTKREBSPATIENTIN

WERNER HAUKE

Was ich nicht vergesse

HORST JESSE

Cham, die Stadt am Regenbogen

So ist das Leben

MONIKA KOSUGI

Wie gewonnen, so zerronnen

BRUNHILDE KREHER

Reiseerinnerungen

GOTTFRIED LORENZ

4222 n. Chr.: Entschlüsselungsversuch des Steins von Spichern

GÜNTHER MELCHERT

Die heroischen Kämpfe des jungen Wladi um seine Rechte – gegen seinen Vater und des Schicksals Mächte

„Verrückte“ Erlebnisse

Der Stock, die Lücke und die Krücke

Ein brennendes Ereignis auf dem Lande

GERLINDE MÜLLER

Wer ist TT!!!

Fünf Pfund Hose – en Pfund Arsch

KEVIN RIEMER-SCHADENDORF

Als der blanke Hans des Nachts die Türen verschloss

DIETER RÖSEL

Erinnerungen an die Nachkriegszeit

GABRIELE SCHIENMANN

Meine Mutti

OSKAR SCHMITT

Alternative Realitäten

HANS ULRICH SCHNEIDER

Der Automarder

ERNST SCHUSTEREIT †

Ostpreußische Warmblutpferde Trakehner Abstammung erhalten eine neue Heimat.

WOLFGANG A. WINDECKER

Die Dreschmaschine

Autorenspiegel

HIL BARAST

Stichwort Ernest Hemingway

Es war eine Ausgabe von Ernest Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ mit Holzschnitten von Frans Masereel, einem belgischen Künstler, geplant. Dieses Buch sollte wie immer zu einem bestimmten Zeitpunkt erscheinen. Allerdings hatte Hemingway noch seine Zustimmung zu geben, was die Holzschnitte von Frans Masereel zu dieser Neuausgabe betraf; sehr wahrscheinlich hatte er sie noch nicht einmal gesehen. Die Entscheidung drängte, die Druckerei wartete, schon sehr gestresst seit einigen Tagen, auf das Wort „go“, das heißt: „kann in Druck gehen“.

Hemingway hatte beschlossen, einige Tage in Paris zu verleben. So sagte sich sein deutscher Verleger, Herr Ledig-Rowohlt, am besten ist, ich fliege hin und zeige ihm die gedruckten Holzschnitte persönlich.

Alle warteten auf die Zustimmung Hemingways: Herr Ledig-Rowohlt im Foyer des Hotels in Paris; der Agent des Holzschnitzers an meiner Seite in Hamburg. Die Druckerei in Gütersloh rief mehrmals am Vormittag an, um zu wissen, ob die Entscheidung gefallen sei, was ich leider verneinen musste.

So gegen Mittag zwischen 13 und 14 Uhr erschien der berühmte Autor schließlich. Natürlich hatte er am Vorabend ganz schön mit Freunden das Wiedersehen gefeiert. Nun war er bereit, sich von Herrn Ledig-Rowohlt die Drucke der Holzschnitzereien zu dem bekannten Buch zeigen zu lassen, und er war angetan davon. Uff …

Nach dem Anruf von Herrn Ledig-Rowohlt in Hamburg konnte ich endlich der Druckerei Bescheid geben, dass der Druck des Buches nun beginnen konnte.

Man schenkte mir einige dieser Drucke, die seit langem eingerahmt in meinem Haus am Ärmel-Kanal hängen. Eine schöne Erinnerung, nicht wahr?

Frans Masereel, 1889–1972, Mitbegründer des graphischen Romans der flachen Landschaften, Kunstmaler und Illustrator

CHRISTIAN BARSCH

Aus DIE DICHTERREISE (5)

:: Gestern konnte ich der Stadt

traute Straßen froh durchwandern;

zwar das Wetter war noch trübe

und der Bürgersteig recht feucht,

doch es hat nicht mehr geregnet.

Fast drei Jahre lebt ich hier.

Und es scheint mir gar nicht lange,

weil Entfernung und Erinnrung

jede Zeit zusammenziehn:

Jahre werden so zu Wochen.

Schöne Zeit. In milder Nacht

flackerten vom Turm der Kirche

Lichtlein, und Posaunenbläser

musizierten den Choral;

mittwochs, glaub ich, kam er immer.

Unten vor dem Roten Turm

steht der invalide Roland

mit dem Schwert, das längst verrostet.

Greiser Kämpe, kaum modern

ist dein abgenutztes Messer.

Weiter ging ich durch die alt-

winklig-engen Gassen, welche

dunkle Bürgerhäuser säumen;

wieviel traurigfrohes Volk

mögen sie gesehen haben.

Auf dem kleinen Rundplatz liegt

noch der oft genannte Brunnen,

den der mehr als recht geehrte

Esel mit dem Knaben krönt.

Dieses Beispiel machte Schule.

Müßig schweifend sah ich wohl

viele Bauten, liebe Stätten,

Kirchen, Parks, verwunschne Wege;

weils dem Leser wenig frommt,

will ich sie hier nicht beschreiben.

War im Bad und auch im Zoo

– beides brachte heitre Kurzweil –

und ging endlich, schön bereichert,

nachdenklich nach Hause, um

Sohn und Gattin zu berichten.

Gern will man von einer Fahrt

Fremdes, Unbekanntes hören,

da die Neugier freilich groß ist –

ach, uns ist die Stadt vertraut,

lieb und wenig ungewöhnlich.

:: Aus stillem weißem Nebel

taucht halb der Silberkranz,

dann senkt den Vorhang ganz

des Windes leiser Hebel.

Jäh Sturm hat sich gelegt:

er wird zu müdem Stöhnen,

das sich in feinen Tönen

um Baum- und Dachwerk regt.

Nun strahlt des Mondes Schimmern

zu holdem, mildem Gruß;

es spiegelt sich im Fluß

als zitternd blankes Flimmern.

Gleich tausend Funken bricht

sein Glanz sich an den Wellen:

Den kalten Fluß erhellen

will er mit seinem Licht.

Du treuer Erdgefährte,

dein holder Silberschein

führt mich von stummer Pein

zu neuem, wahrem Werte.

In deinem lieben Strahl

seh ich manch frühes Bild

erscheinen, seh ich mild

und fern ständige Qual.

Du führst mich zu den Pflichten,

zu Kind und Gattin hin;

du lehrst mich, meinen Sinn

auf Seiendes zu richten.

Und wie dein Silbersiegel

sich in die Wellen prägt,

seh ich, was mich bewegt,

mich selbst in einem Spiegel.

Was hilft uns alles Trauern,

wer trauert, macht sich blind;

wer tätig ist, gewinnt

und stürzt gewachsne Mauern.

Du silberklarer Mond,

du heiltest manchen Kummer;

auch ich sink bald in Schlummer,

getröstet und belohnt.

:: Wieder naht sich, bald zum letzten

Mal, der Abschied. Und ich seh dich,

liebe Stadt, zum Abschied lachen.

Gestern war schon helles Wetter,

als ich wie in Frühlingstagen

schreibend froh am Fenster saß.

Heute aber strahlt die Sonne,

eh sie scheidet, mächtig heiter

aus klar blauem, weitem Himmel.

Glücklich war ich, glücklich bin ich,

ungestört zufrieden, denn

vieles habe ich vollendet.

Wie in leichten Jugendzeiten

ruhte kaum die treue Feder,

war mir doch die Muse günstig.

Nun, ich nehm auch viele Pläne

von der Reise mit nach Hause;

schreibend wird man niemals fertig.

Jetzt muß ich den Koffer packen,

muß das schöne, traute Zimmer

und die holde Stadt verlassen.

Meine Wirtin läßt mich ziehen,

freilich unter der Bedingung,

daß ich nächstens wiederkomme.

Alle lieben Orte grüßend,

wandre ich mit leichtem Koffer

durch die Straßen bis zum Markt.

Ruhig sind sie – es ist Sonntag.

Und ich hör die Glocken läuten

vom Getürm der alten Kirche.

Ihre blankmetallnen Spitzen

funkeln in der goldnen Sonne.

Frohe Menschen gehn spazieren.

Schöner Tag. Und du, geliebte

Stadt, trägst auch für meinen Abschied

festlich farbige Gewänder.

Danken will ich dirs in meinen

Liedern, in den schönsten, die

ich zu deiner Ehre singe.

Lebe wohl. Ich bin am Bahnhof.

Glänzend schwarze Züge schnaufen

wohlig in der warmen Sonne.

Niemals werd ich dich vergessen,

traute Stadt, wohl immer wirst du

die Erinnerung bereichern.

Wirst stets gegenwärtig sein.

Also fahre ich den letzten

Stationen froh entgegen

:: Es rollen die Räder, es rasselt der Zug:

Sucht nicht mehr weiter. Genug,

genug.

Fast keiner weiß mehr, daß er verzichtet,

auf Äußeres ist man gerichtet.

Der Technik Räder, kunstvoll fein,

sie schläfern wahre Werte ein.

Wie schnell die Bilder vorübergehen,

wer hat noch Zeit, sie anzusehen?

Es rollen die Räder am rasselnden Zug:

Hört nicht auf uns; denn wir sind

Betrug.

Ihr mögt noch manches Rätsel zerklügeln,

das Menschtum werdet ihr umriegeln.

Die echte Kunst wird museal

in kalt-verstaubt-entferntem Saal.

Verständnislos müßt ihr sie bestaunen

wie Hutzelmännchen, wie Alraunen.

Es rollen rasselnd die Räder am Zug:

0 glaubt uns, werdet beizeiten

klug.

Wir sausen, wir rasen in die Weiten,

und furchtbar wandeln sich die Zeiten.

Des Menschen Herz wird umgeformt,

zu „kalt, berechnend, roh“ genormt.

Und Wellen müssen und Drähte und Schrauben

dem Herzen liebe Freuden rauben.

Es rollen die Räder rasselnd am Zug:

Verehrt Natur, nicht den gellenden

Spuk.

Ihr habt schon zu vieles weggegeben;

Ihr wißt nicht, was das heißt, zu leben.

Den Wald, der bunt im Herbstwind rauscht,

habt ihr gegen Stahlbeton getauscht.

0 möchtet ihr euch eurer selbst erbarmen,

sonst werdet ihr bald ganz verarmen.

So rollen die Räder, so rasselt der Zug:

Geht nicht noch weiter. Es ist

genug.

DIETHELM MAX BUBBEL

Erlebnisse

Mein Leben besteht, wie wahrscheinlich viele Leben, aus glücklichen und auch leidvollen Episoden, aber auch aus Spiritualität und Transzendenz, wie ich es bereits vor Jahrzehnten, nicht erst bei den nachfolgend geschilderten Ereignissen, feststellte.

So gibt es auch Erlebnisse, die außergewöhnlich sind oder als „verrückt“ betrachtet werden können, wobei jeder Betrachter es sicher aus seiner Sicht einschätzt.

Hier tut sich mir die Frage auf: „Wie kann man überhaupt die Dauer des Zeitraums für ein Erlebnis feststellen?“ Dauert es Stunden, Tage, Wochen, Monate oder nach dem Mythos des 7-Jahre-Zyklus von Menschen? Nachfolgend betrachte ich für mich den Zeitraum 2009 bis 2016.

Im Jahr 2009, bei einem Spaziergang durch die meinem Wohnort nahegelegene Kleinstadt verspürte ich zunehmend ein Gefühl der Erschöpfung und Mattigkeit. Ich setzte mich auf eine von mir entdeckte, niedrige Mauer und ruhte mich aus. Tage später hatte ich, nach nahezu sieben Jahren Pause vom Malen, das Bedürfnis, das Bild, welches sich mir bei diesem Erlebnis auftat, bildlich wiederzugeben.

Sah ich einen Teil des strukturellen Aufbaus des Universums, begab ich mich kurzzeitig dorthin?

Es war auch das Jahr 2009, als ich intensiv mit dem Schreiben autobiografischer Erzählungen begann. Weitere Erlebnisse folgten, denn einige Zeit danach, es war eine Nacht Ende November, hatte ich einen anderen meiner Träume. Anhand meiner damals nach dem Aufwachen gemachten Aufzeichnungen kann ich nachvollziehen, welche Gedanken sich morgens von meinem Traum eingeprägt hatten.

Ich stellte mir in meinen Notizen die Frage: „War es lediglich ein Traum, war es eine Vision?“

In einer geselligen Runde lernte ich eine Frau kennen, jünger als ich! Wir verließen diesen Kreis und begaben uns in einen tiefen, sich in der Erde befindenden Gang. Dann stellte ich fest, dass wir uns in einer anderen Welt befanden. Diese meine Erkenntnis teilte ich meiner Begleiterin mit, welche mir meine Feststellung bestätigte. In dieser neuen Welt erkundeten wir die Örtlichkeiten, wir gelangten in einen interessanten Kreis der Geselligkeit junger Leute, und ich bat um eine Brühe.

Es dauerte einige Zeit, bis sie verstanden, welches Anliegen ich hatte. Was aber ein Rind ist, wussten sie nicht, diese von mir zuvor kennengelernte Frau half bei der Verständigung.

Ich setzte mich einige Zeit nach dem Aufwachen hin, um meinen Eindruck beim Wiedereintauchen in die irdische Welt, in die Welt der Realität, bildlich darzustellen.

Ich sah Kontinente, Meere, Getreidefelder, die Natur mit teilweise verbranntem Land und dunkle Unwetter.

Mitte 2016 geschah es dann! Ich lernte sie kennen! War es die Frau, die mir in meinem Traum begegnet war, kam sie aus einer anderen Welt? Jünger ist sie und außergewöhnlich, wie unser Zusammentreffen!

Eine Frau, drei Vornamen. Ich sehe in ihrem Rufnamen: Temperament, Leidenschaft und das Zigeunerhafte. In dem Zweiten das Mitfühlende, Aufopferungsvolle, die Helfende. Der dritte Vorname bedeutet für mich: Gefühl, Wissen, Eleganz.

Sie fuhr mit einem Fahrrad bei mir im Land Brandenburg vorbei, als sie, wie sie sagte, einen Hauch und einen wohligen Schauer auf ihrem Körper verspürte.

Anfänglich zögernd, sich mit dem Ungewissen in der Einsamkeit nicht konfrontieren zu wollen, hielt sie doch ihr Fahrrad an, stieg ab und inspizierte die Gegend mit meinem Wohnsitz – Wiesen, Felder, Wald.

Ihr Blick gelangte in die Ferne in Richtung der nahegelegenen Anhöhe und der mit Büschen bewachsenen Gräben und Teiche.

In dieser Situation lernten wir uns kennen, drei Wochen später verlobten wir uns, wenige Monate danach gab sie

– RAMONA LUCIE ANNEMARIE –

ihr altes Leben in Berlin auf und zog zu mir, in, wie sie sagt, ihre HEIMAT!

Eine Gegend, in der sie zuvor nie gewesen war.

REGINA FRANZISKA FISCHER

WENN UNS EIN NEUES LEBEN GESCHENKT WIRD

15 Jahre nach Krebs – es heißt in der Medizin „geheilt“ …

Bitten über Bitten

An unseren Schöpfer

Sprechen wir zu Ihm

Wie ein Kind zu seinem Vater

Er schenkt uns tiefen Frieden

Und die Gewissheit

Alles in seine Hände

Abgeben zu dürfen

Jeden Tag aufs Neue …

Amen.

Worte an den Frieling Verlag:

Berührende Schicksale, die unser eigenes Weltbild bereichern und vielfältig neu prägen, fügen sich zu einer schillernden Perlenschnur, getragen von einer hochsensiblen Seelenebene des Vertrauens. Wagen wir die Einsicht, dass die unterschiedlichsten Autorenschicksale möglicherweise inhaltsreicher Lehrstoff für das eigene Leben sein könnten.

AUSSCHNITT AUS DEM TAGEBUCH EINER BRUSTKREBSPATIENTIN

Die Autorin wurde am 5. Juni 2007 an einem duktalen, invasiven Mamma-Karzinom operiert. Chemo-Zyklen, Strahlentherapie und Anti-Hormonbehandlung folgten.

DIAGNOSE KREBS –

JEDES VIERTELJAHR

EIN NEUES LEBEN

5. Juni 2007

Als ich am frühen Nachmittag im Privatzimmer der Klinik allmählich aus der Narkose aufwachte, hörte ich als erstes den Begrüßungsgesang der Amsel aus dem naheliegenden Park. Ich war mir sicher, sie sang nur für mich!

Schweres lag hinter uns in den letzten Monaten: Vom Verdacht bis zur eindeutigen Diagnose – ein langer Weg. Fehleinschätzungen seitens der Ärzte, den Krebsverdacht nicht wahrhaben wollen, Mammastanze, Entwarnung, erneuter Verdacht sechs Monate später, Biopsie, Operation. Ein halbes Jahr voller Irrwege. Meine innere Stimme hatte ich überhört. Nie wieder würde mir das passieren.

Der Verband über der rechten Brust wölbte sich. Mein Chirurg hatte seine Perfektion bewiesen und Wort gehalten. Ich schickte ein Dankgebet an meinen Schöpfer. Noch immer ertönte das Lied der Amsel. Wie intensiv verspürte ich ihren Gesang.

Auf dem kleinen Besuchertischchen leuchtete in allen Sommerfarben der Fleurop-Strauß unseres Sohnes. Sein Weg führte ihn als Doktorand und wissenschaftlichen Mitarbeiter an die Handelshochschule Leipzig (HHL) an den Lehrstuhl für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling. 2008 würde des Jahr seiner Doktorarbeit sein. Über sein perfektes Timing von Ferne mußte ich schmunzeln. Aus dem Begleitbrief spürte ich trotz der Entfernung oder gerade deswegen – unsere innige Verbundenheit. Mein Mann und ich hatten gelernt, loszulassen und diesen schmerzhaften Prozess akzeptiert. Die Form unserer Liebe hatte sich verändert. Immer konnten wir uns aufeinander verlassen.

Ein zaghaftes Klopfen beendete meine Tagträumerei. Hinter dem zweiten sorgfältig ausgesuchten Blumenstrauß erspürte ich den zärtlichen Blick meines Mannes …

13. Juni 2007

Meine Großmutter mütterlicherseits verstarb mit achtzig Jahren. Am 13. Juni 1980. Flucht bzw. Vertreibung, das Zurücklassen des eigenen Siedlungshäuschens und der frischen Gräber … In dieser Tragödie gab es keinen Platz für das Thema „Krebs“. Stark mußte sie sein und die Familie führen:

Mein Großvater fiel in Russland. Außerdem verlor sie ihren ältesten Sohn und ihre von den Russen ermordete Tochter. Meine Mutter konnte ihrem Tod entfliehen. Großmutter starb an Herzversagen, als sie aus dem Krankenhaus wieder entlassen werden sollte. Vor Freude …

Meine Brust mit ihren Verpflasterungen suppte zwei Tage nach meiner Entlassung aus der Klinik. Gerade hatte ich mich sorglos an diesem Morgen in die Tageszeitung vertieft. Schreckensbleich und hilflos schaute ich auf die Bruchstelle in dem Narbengeflecht und die sich ausdehnenden roten Tropfen auf meiner weißen Leinenhose. Allmählich wurde ihre Konsistenz dichter und änderte die Farbe. Mein Chirurg hatte ein Kunstwerk mit einer Schwenkklappenoperation geschaffen, um den Areolabereich wieder natürlich nachzubilden. Nun wies das Narbengefüge eine undichte Stelle auf. Vielleicht eine Entzündung? Es tropfte unaufhörlich. Über dem Waschbecken wechselte ich die Vorlagen.

Sofort bekam ich meinen Termin in der Klinik und wurde gut versorgt. Die beruhigende Stimme des Klinikarztes schaffte wieder ein Band des Vertrauens. Ich verlor meine Angst. Ein Antibiotikum für die nächsten Tage war eine Vorsichtsmaßnahme. Die Restflüssigkeit aus der operierten Brust drückte er nicht gerade zimperlich aus. Der Heilungsprozess verlief dann ohne weitere Komplikationen. Erleichtert fuhren mein Mann und ich nach Hause. Alles hatte er in den letzten Wochen und Monaten mitgetragen. Zusammen ein unschlagbares Team! Oder: Was wäre ich ohne ihn in all diesen Momenten der Angst und Unvorhersehbarkeit meiner Krebserkrankung?

23. Juni 2007

Nach zweieinhalb Wochen erlaubten mir meine rechten Brustnarben, wieder einen BH zu tragen. Neben den Pflasterstreifen erhielten sie auf diese Weise ein zusätzliches Stütz- und Sicherheitskorsett. Die Pflasterbahnen unter der rechten Achselhöhle wurden abgezogen und waren jetzt überflüssig. Das lästige Abtupfen mit dem Waschlappen entfiel. Vierundzwanzig Lymphknoten hatte mein Chirurg entfernt.

Der Sentinel node, d. h. der Wächterlymphknoten, und zwei andere waren leicht infiltriert. Meine Betroffenheit konnte ich in dem Aufklärungsgespräch derzeit nicht verbergen. Da ich Risikopatientin war, würde sich nun doch eine Chemotherapie anschließen müssen. Der Traum von einer „Nur-Bestrahlung“ platzte.

25. Juni 2007

Manchmal haderte ich mit dem lieben Gott. Zwei Schwerkranke in der Familie zum gleichen Zeitpunkt unter einem Dach!

Seit sieben Jahren kämpfte mein Vater erfolgreich mit seinen Non-Hodgkin-Lymphomen im Körper. Nun hieß es, sein Knochenmark sei zu fast 100 Prozent befallen. Eine zweite Chemo-Therapie mit achtzig Jahren würde ihn zusätzlich schwächen. Innerlich zerrissen, glaubten mein Mann und ich nicht mehr an Gerechtigkeit.

Meine Mutter erlebte alle Stufen ihrer Krebserkrankung innerhalb von zehn Jahren. Immer wieder bekam sie von ihrem Schöpfer einen Teil neuen Lebens geschenkt. Zwei Jahre vor ihrem Tod überstand sie eine achtstündige Operation wegen ihres Gehirntumors am Universitätsklinikum Hannover. Tapfer und ohne Einbußen ihrer geistigen und körperlichen Lebensenergie blieb sie immer Vorbild. Fünfundzwanzig Mal fuhren wir gemeinsam zu den Bestrahlungen. Nie mehr wuchsen ihre Haare nach.

Bereits damals durften wir erleben, wie eine Hand uns sicher hielt, Schritt für Schritt weiter führte in einen neuen Morgen des Vertrauens und der Zuversicht.

23. Juli 2007

Zwei Wochen nach der ersten Chemo fand ich kleine Haarbüschel morgens beim Frisieren im Kamm. Mein weizenblondes Haar gab mir auf einfühlsame Weise zu verstehen, dass unsere gemeinsame Zeit auslaufen würde.

Zwei Tage später: fast ein kleines Vogelnest im Kamm!

Und es gesellten sich immer mehr Mini-Nester dazu. Ich schluckte. Versuchte, stark zu sein. Kleine Schweißperlen liefen am Körper hinunter. In einer bunten Schmetterlings-Geschenktüte sammelte ich ein Haarnest nach dem anderen. Tief atmete ich durch. Dann begann ich, einige Strähnen abzuschneiden und band sie mit einem zarten, seegrünen Faden zusammen. In einer Klarsichthülle bewahrte ich sie auf. Ich dachte an meinen Vater. Als Siebzehnjähriger in russischer Kriegsgefangenenschaft hatten sie seinen Kopf kahl geschoren, ihn jeglicher Eitelkeit entwöhnt.

Ich war nackt. Körper, Seele und Geist zerschnitten.

Nur ich allein hielt die Nähseide für das Geflecht zum Überleben.

aus dem Buch der Autorin: „Sonnentanz in meiner Seele“ (2012)

WERNER HAUKE

Was ich nicht vergesse

Wir hatten das Jahr 1944. Der Zweite Weltkrieg, von Nazideutschland entfacht, hatte bereits mehrere Jahre gewütet. Inzwischen wurden jedoch die deutschen Armeen an allen Fronten zurückgedrängt, weil die Armeen der Alliierten materiell und personell eine deutliche Überlegenheit errungen hatten.

In dieser Situation verfügte Nazideutschland, dass alle älteren und noch gesunden Männer zum militärischen Dienst anzutreten hatten. Vorstellbar, dass diese Verordnung in den Familien aufs Neue eine große Unruhe auslöste, so auch bei meinen Großeltern, die auf einem Dorf wohnten und uns, bislang wohnhaft in Breslau, Unterkunft gewährten.

Dieser Umzug entsprach einer Verordnung der Behörden, die besagte, dass Frauen und Kinder die inzwischen militärisch bedrohte Stadt zu verlassen hatten. So waren wir nun Dörfler geworden und versammelten uns wie jeden Abend alle in der Küche bei den Großeltern. Alle: Das waren nun auch meine Mutter, mein jüngerer Bruder und ich.

Doch plötzlich öffnete sich die Tür zum Hauskorridor. Unser Opa, von der Arbeit heimkehrend, betrat die Küche, doch erstmalig in einer Uniform und mit einem Infanteriegewehr in der Hand. Nur das eine sagte er sogleich: „So, hier habt ihr den verfluchten Soldaten.“

Dann setzte sich Opa auf den nächststehenden Stuhl. Wir alle waren lange unfähig, etwas zu äußern. Kaum, dass wir uns bewegten.

Für mich, den damals sechsjährigen Jungen, hatten Opas Worte zunächst keine Bedeutung. Doch mit den folgenden Jahren gewannen sie zunehmend an Kontur und ließen mich immer wieder innerlich verlangsamen.

Welch ein schneidendes Bekenntnis gegen den Krieg, sagte ich mir!

Welch eine unwiderstehliche Wahl der Worte!

Welch eine aufstampfende Kurzfassung!

Bis zum heutigen Tag sind mir Opas Worte lebendig geblieben und haben in mir einen Ehrenplatz.

HORST JESSE

Cham, die Stadt am Regenbogen

Worte schaffen Leben, machen Menschen gesellig und richten sie auf. Worte informieren über Nachrichten und verbinden so Menschen mit der Welt. Die Macht der Worte ist groß: Wie gesagt, sie erbauen und beleben Menschen und weisen in die Zukunft. Doch sie können auch zerstören. Laut gebrüllt, lähmen sie und schüchtern Menschen ein. Sie können durch ihren negativen Bericht Menschen psychisch verletzen und Freundschaften zerbrechen. Ja, eine negative Bemerkung als Urteil kann gemeinsame Arbeit beenden und die weitere Zukunft verbauen. Das angerichtete Chaos lässt sich kaum wiedergutmachen. Deshalb sind Worte wohlüberlegt auszusprechen.

Jeder weiß, wie mancher Schüler durch einen ungeschickten oder strengen Lehrer kaputt gemacht werden kann. Spätere Entschuldigungen helfen nicht mehr und weiter. Was im zwischenmenschlichen Bereich zerstört ist, kann nicht mehr aufgebaut werden. Deshalb sollte jedes Wort im Umgang mit anderen langsam und mit Bedacht ausgesprochen werden. Denn der ausgelöste Streit lässt sich dann nicht mehr aufhalten.

Manches Urteil ist falsch. Wenn es aus Unkenntnis, wie auch als dummes Geschwätz oder aus Hochmut ausgesprochen worden ist. Solche Worte sind beleidigend und verletzend und schwer nach ihrer Auswirkung wiedergutzumachen. „Was gesagt ist, ist gesagt und kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ So wie kein vom Baum heruntergefallener Apfel wieder am Obstzweig angebracht werden kann und kein abgeschossener Pfeil zurückgeholt werden kann.

Es lassen sich durch Archäologen alte Kultur mit schönen Figuren ausgraben, doch sie bleiben tot, weil kein Schriftzeichen sie den späteren Menschen erklärt. Das Volk der Etrusker hat in Mittelitalien gelebt und wunderschöne Statuten hinterlassen. Es fehlt die Schrift, die über dieses untergegangene Volk informieren könnte. Ganz anders steht es demgegenüber um die alten Kulturen aus Vorderasien und Mesopotamien, die Schriftzeichen hinterlassen haben, die von heutigen Wissenschaftler entschlüsselt werden können, sodass wir ihre Berichte lesen können.

Wir erahnen weiter die Macht der Worte, durch die sich Menschen verständigen, Regierungen über ihre Bevölkerung herrschen und Lehrer ihre Schüler unterrichten können. Es ist die Mutter, die dem Kind das Sprechen und somit die Sprache beibringt. Somit heißt die zuerst gelernte Sprache „Muttersprache“. Das Land, in dem einer aufwächst, wird „Vaterland“ genannt, weil es wie ein Vater für die Familie sorgt und das Kind beschützt.

Wir freuen uns über fröhliche Worte, gute Erzählungen und Gespräche, die eine gute Atmosphäre hervorrufen. Ja, die durch ihre Botschaft zum Gesang einladen. Gern sprechen Menschen über ihre Urlaubserlebnisse und wecken so das Interesse bei anderen für einen Urlaub. Dadurch begeistern sie auch andere Menschen für die Schönheit des Urlaubsortes. So kann sich der Zuhörer auswählen, was ihm gefällt.

Nette Worte, mit Inhalt ausgesprochen, vertiefen die Zuneigung zu Mitmenschen. Sie festigen die sich anbahnende Verbindung unter den Partnern.

Ich erinnere mich an Gespräche während meiner Schulzeit, in denen manche abqualifizierende Bemerkungen über die Gegend des Bayerischen Waldes geäußert wurden: „Eine Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“, „in der Räuber hausen“ und „noch Menschen in Hütten ohne Wasser leben“. Doch die so sprachen, hatten keine Ahnung vom Bayerischen Wald. Es gab bereits erschlossene Skigebiete mit Sesselliften auf die Berge, Landschaften mit schönen Barockkirchen, Schlössern, Überreste von Burgruinen und eine aufgeschlossene Bevölkerung. Die Glasindustrie florierte dort seit Jahrhunderten und tut dies auch heute noch. Der einstige Bergbau war eingegangen.

Die strebsamen Bewohner des Bayerischen Waldes haben nach dem Zweiten Weltkrieg den Gedanken gefasst, gegen die drohende Armut für einige Jahre ins Ruhrgebiet zu gehen, um Geld zu verdienen und es nutzbringend zum Ausbau der Erholungszentren daheim anzulegen. Durch ihr Geschick und ihren Fleiß gestalteten sie den Bayerischen Wald zu einem Erholungsgebiet für Bewohner der Großstadt Berlin und anderer Orte. Diese suchen immer wieder den Bayerischen Wald als Urlaubsort auf. So leben heute die Bewohner des Bayerischen Waldes mit ihren Urlaubern im Sinne des „Gebens und Nehmens“ in guter Gemeinschaft während der Urlaubswochen zusammen.

Ich ließ mir durch das Informationsbüro der Stadt Cham in der Oberpfalz Ansichtsmaterial schicken, das ich eingehend studierte, denn ich hatte mir vorgenommen, den Bayerischen Wald zu erforschen. Er liegt im Osten Deutschlands, besser gesagt im Osten eines deutschen Bundeslandes, des Freistaats Bayern, an der Grenze zu Tschechien. Im Atlas schaute ich mir die Gegend von Cham an. Das riesige Waldgebiet der Oberpfalz ist Grenzgebiet und besteht aus drei Teilen; dem Bayerischen, östlich davon dem Böhmischen Wald und im Norden dem Oberpfälzer Wald.

Ich schaute mir den Kupferstich von Matthaeus Merian an, der mit „Chamb in der Obern Chur Pfalz“ beschriftet ist und die Stadt Cham mit der Landschaft des Umlandes aus dem Jahr 1657 zeigt. Er gibt einen informativen bildlichen Anblick des Chamerlandes mit der Stadt und den Flüssen Regen und Chamb und dem hügeligen Vorgebirge wider.

Die Stadt Cham am Regenbogen