Dark Dudes - Nils Noir - E-Book

Dark Dudes E-Book

Nils Noir

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Beschreibung

Dunkle Mächte treiben ihr Unwesen in Oldebeck. Sie führen Norde und Röhler geradewegs in die Hölle. Dort bekommen sie es mit dem Leibhaftigen, tot geglaubten Dämonen und einer Horde schießwütiger Auftragskiller eines mexikanischen Drogenkartells zu tun.

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IN DIESER REIHE BISHER ERSCHIENEN

7001  Stefan Melneczuk Marterpfahl7002  Frank W. Haubold Die Kinder der Schattenstadt7003  Jens Lossau Dunkle Nordsee7004  Alfred Wallon Endstation7005  Angelika Schröder Böses Karma7006  Guido Billig Der Plan Gottes7007  Olaf Kemmler Die Stimme einer Toten7008  Martin Barkawitz Kehrwieder7009  Stefan Melneczuk Rabenstadt7010  Wayne Allen Sallee Der Erlöser von Chicago7011  Uwe Schwartzer Das Konzept7012  Stefan Melneczuk Wallenstein7013  Alex Mann Sicilia Nuova7014  Julia A. Jorges Glutsommer7015  Nils Noir Dead Dolls7016  Ralph G. Kretschmann Tod aus der Vergangenheit7017  Ralph G. Kretschmann Aus der Zeit gerissen7018  Ralph G. Kretschmann Vergiftetes Blut7019  Markus Müller-Hahnefeld Lovetube7020  Nils Noir Dark Dudes7021  Andreas Zwengel Nützliche Idioten7022  Astrid Pfister Bücherleben

DARK DUDES

NILS NOIR

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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© Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Printpop Prenzlberg

Umschlaggestaltung: Printpop Prenzlberg

Satz: Torsten Kohlwey

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-6362-0

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INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Anmerkungen

Über den Autor

KAPITEL1

Alles war dunkel. Eine gespenstische Stille herrschte im Gewölbe. Er knipste die Taschenlampe an und setzte sich in Bewegung. Am Ende des Ganges betätigte er den Schalter an der Wand. Die Leuchtstoffröhren unter der Decke flackerten auf. Grell warfen sie ihr Licht auf die sterile Umgebung. Ein leises Surren war zu hören. Hubertus Dämmerich knipste die Taschenlampe aus, nahm den Schlüsselring von seinem Gürtel und verschaffte sich Zutritt zum Kühlraum. Hier, im Trakt der forensischen Pathologie der Rechtsmedizin, lagen seit gestern zwei Neuzugänge.

Der eine von den beiden war ein echter VIP. Hubertus, der klein gewachsene Mann mit dem verlebten Gesicht, der heute Nachtschicht hatte, kannte die Sängerin aus dem Fernsehen. Sie hatte ordentlich gesungen, wie er fand, und sah zudem auch sagenhaft aus, als sie noch lebte. Nun lag sie hier in einer Kühlzelle in der Wand aufgebahrt. Blass, blau und kalt. Ihr lebloser Körper wurde in der Badewanne ihres Hauses aufgefunden. Die Obduktion wurde bereits vorgenommen, um die Theorie der Polizei zu bestätigen, dass der Schlagersängerin eine Überdosis Heroin verabreicht worden war, ehe man sie in ihrer Wanne ertränkte.

Der andere gestern eingelieferte Kandidat war der berüchtigte Serienkiller, der über mehrere Wochen von der Mordkommission gejagt worden war. Wie Hubertus wusste, war der irre Frauenmörder, der mit seiner blutigen Mordserie für Schlagzeilen gesorgt hatte, mit seiner eigenen Waffe niedergestreckt worden. Es war die Tat seines letzten Opfers gewesen. Die Frau wurde in ihrer eigenen Wohnung von dem Ripper überwältigt. Allerdings konnte sie sich von ihren Fesseln befreien, sich das Sägeblatt schnappen und den Mörder damit zur Strecke bringen. Die dreißig Zentimeter lange Klinge steckte noch tief im Schlund des Serienkillers. Nach Auffassung der Ärzte hatte die Klinge ihm die Speiseröhre durchtrennt und war dabei durch sein Zwerchfell in den Magen gestoßen. Kein schöner Tod. In ein paar Stunden würde ihm das Sägeblatt chirurgisch entfernt werden. Beigesetzt werden sollte er dann auf dem Schand-Acker etwas außerhalb der Stadt. Was Hubertus erstaunlich fand: Die beiden Fälle hatten nichts miteinander zu tun, mussten aber parallel stattgefunden haben. Zwei Morde in einer Nacht. Unglaublich! Er war nun schon seit dreißig Jahren hier unten beschäftigt. Hatte in all der Zeit Kollegen aller Herrenländer kommen und meist schnell wieder gehen sehen. Doch solch einen Fall hatte es hier noch nie gegeben. Seit gestern berichteten sie bundesweit davon. Ständig und überall im Fernsehen, Radio und Internet hörte man von der kleinen Hafenstadt Oldebeck, in der so grausame Dinge geschehen waren. Diese Morde machten ihre Stadt berühmt. Schon bedenklich, wie Hubertus fand. Da musste erst etwas so Grausames passieren, damit die Welt erfuhr, dass es einen Ort in Deutschland gab, der Oldebeck hieß. Für Hubertus war klar: Die Menschen hatten einen Hang zum Morbiden. Darum verkauften sich auch diese blutigen Thriller und Krimis so gut. Er selbst mochte dieses brutale Zeug nicht. Er schaute lieber Tier-Dokumentationen oder schmökerte Wildwest-Taschenbücher. Es gab da eine Serie, die hieß Nacho, der Wüstenfuchs von San Pellegrino. Als Fan davon hatte er bisher alle siebenundfünfzig Folgen gelesen. Bis auf das neueste Abenteuer, das hatte er sich heute mitgebracht. Die Nächte hier unten konnten schon sehr lang sein und im Fernsehen lief doch meistens immer der gleiche Mist. Manchmal fragte er sich, wer sich solch einen Blödsinn überhaupt ansah. Aber irgendwer musste es wohl tun, ansonsten würden sie ihn wohl kaum senden.

Okay, neulich Nacht, im Laufe seiner Schicht, hatte er zugegebenermaßen auch mal zur Fernbedienung gegriffen. Aber nur, weil er seinen letzten Tropfen Kaffee getrunken und nichts mehr zu lesen gehabt hatte. Durch die Glotze hatte er gehofft, sich wachhalten zu können, und das hatte auch wunderbar funktioniert, musste er zugeben. Auf einem Nordsender brachten sie einen Film von 1964 mit Vincent Price in der Hauptrolle. Der Titel war The Last Man On Earth. Den fand Hubertus richtig gut. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ihm die Geschichte so bekannt vorkam. Es ging darum, dass ein Virus die Menschheit ausgelöscht oder besser gesagt in Untote verwandelt hatte. Vincent Price war der einzige Überlebende, der sich jeden Tag aufs Neue durchschlug in dieser Geschichte, um sich Nahrung zu besorgen. Dabei traf er auch immer wieder auf infizierte Kreaturen, gegen die er sich verteidigen musste. Das Buch, das dem Film zehn Jahre vorausging, war von Richard Matheson. Es hieß I Am Legend und wurde mehrfach verfilmt. Nach The Last Man On Earth kam 1971 Der Omega-Mann. Darauf folgte eine weitere Verfilmung 2007 unter dem Originaltitel. Das alles hatte Hubertus im Internet nachgelesen, nachdem der Film zu Ende gewesen war und er noch satte zwei Stunden herumbringen musste. Diese Nachtschichten machten einen schon fertig. Man schlief, wenn andere arbeiteten, und arbeitete, wenn andere schliefen. Er hatte sich zwar die Jahre über an diesen Zustand gewöhnt. Doch sah er manchmal auch schon sehr mitgenommen aus. Ähnlich wie diese lebenden Toten aus dem Film, dachte Hubertus mit einem Schmunzeln im Gesicht. Wer sich solche Geschichten wohl ausdachte? Diese Autoren, die solche Sachen zu Papier brachten, mussten doch irgendwo eine Schraube locker haben. Natürlich meinte Hubertus das nicht böse. Ganz im Gegenteil: Er bewunderte diesen Reichtum an Phantasie und Kreativität. Es gehörte schon etwas dazu, sich Geschichten auszudenken mit schaurigen Figuren wie die aus dem Film. Zum Glück gab es solche Monster nicht wirklich. Es war reine Science-Fiction, nichts weiter. Nicht auszudenken, was auf der Welt los wäre, wenn Tote auf einmal wieder lebendig werden und mordend durch die Gegend laufen würden. Es wäre das Ende, da war Hubertus sich sicher.

Er lief an den Kühlzellen vorbei, geradewegs auf den Sezierraum zu, und öffnete die Tür. Hier lag der Frauenmörder unter einem weißen Laken. Zumindest tat er das bei Hubertus’ erstem Rundgang noch. Jetzt lag er dort nicht mehr, wie der Nachtwächter erschrocken feststellte, als er das Licht im Raum einschaltete. Es war unfassbar. Was war hier geschehen? Hubertus traute seinen Augen nicht. Eine Blutspur zog sich über die Fliesen, quer durch den Raum. Ein Bild des Schreckens. Der Seziertisch stand noch da. Auch das Laken lag noch obenauf. Die Leiche des Mörders jedoch war verschwunden. Aber das ist unmöglich, dachte Hubertus. Die Fenster sind vergittert und zudem auch noch verschlossen. Wie sollte er dort rausgekommen sein? Dämmerich war fassungslos. Er ging vor zum Fenster und blickte hinaus auf den Innenhof. Verdammter Mist, er musste sofort oben Bescheid geben. Hubertus griff nach seinem Walkie-Talkie. Normalerweise hatte er es an seinem Gürtel an der Hose befestigt. Aber jetzt war es nicht dort. Er musste es in seinem Kabuff liegen gelassen haben. Das war sehr nachlässig von ihm. Aber wer konnte denn ahnen, dass er es brauchen würde? Hubertus ging vom Fenster weg und drehte sich zur Tür. Er wollte schnell zurück in sein Kabuff, um die Polizei zu verständigen. Doch gerade, als er sich umdrehte, ging plötzlich das Licht im Raum aus und die Tür fiel zu. Die Taschenlampe noch in der Hand, versuchte Hubertus, sie anzuknipsen. Doch dieses dämliche Mistding funktionierte auf einmal nicht mehr. Sein Kollege Wolfgang hatte wieder mal vergessen, die Lampe zu laden, also auf die dafür vorgesehene Station zu stellen, wie es sich gehörte, bevor man Feierabend machte. Dummerweise hatte Hubertus sich auf ihn verlassen. Jetzt hatte er den Salat. Nun brauchte er einmal in seinem Leben diese beschissene Taschenlampe, da war der Akku leer. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Vorhin ging sie doch noch, dachte Dämmerich und spürte, wie er weiche Knie bekam. Da hörte er ein Geräusch. Starr blickte er in die Dunkelheit. Natürlich sah er nichts, glaubte aber eine Bewegung im Raum wahrgenommen zu haben. Wie angewurzelt stand er da und wagte nicht, sich zu rühren. Wie es schien, war er nicht allein hier drin. Es gab noch jemanden. Er spürte es ganz deutlich.

»Hallo!?«, flüsterte er mehr, als das er sprach. Ein Zittern lag in seiner Stimme. »Ist da wer?«, fragte er, bekam aber keine Antwort.

Langsam schob er einen Fuß vor den anderen. Er wollte irgendwie zur Wand kommen, um sich von dort entlang und rüber zur Tür zu tasten. Dabei stieß er gegen einen Tisch, und eine Schale mit Instrumenten fiel herunter. Es schepperte in seinen Ohren, als das Instrumentarium zusammen mit der Schale auf dem Fliesenboden aufschlug. Hubertus bekam beinahe einen Herzinfarkt von dem blechernen Lärm. Seine Pumpe raste in seiner Brust wie verrückt. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren! Er versuchte, sich so gut es ging zu beruhigen, und tastete sich weiter voran. Schließlich erreichte er die Wand. Mit beiden Händen rutschte er bäuchlings über die kalten Fliesen bis zur Tür. Er fand den Knauf, drehte ihn nach links und trat zurück in den beleuchteten Kühlraum. Zum Glück war ihm nichts geschehen. Er hatte sich beinahe in die Hosen gemacht da drinnen im Dunkeln. Schnell lief er aus dem Kühlraum, raus auf den Flur und sprintete direkt drauflos. Die Schlüssel klimperten am Gürtel seiner Hose. Doch waren sie nicht so laut, dass Hubertus nicht das Geräusch hören konnte, das plötzlich hinter ihm auftauchte. Es klang nach einem immer schneller werdenden Platschen, nach Schritten nackter Füße auf dem Linoleum. Hubertus rannte um sein Leben, stolperte in sein Kabuff und fiel über seinen Rucksack, in dem er seine Thermosflasche mit Kaffee, die Brotdose und eine Folge seiner geliebten Western-Taschenbuch-Reihe aufbewahrt hatte. Hektisch zog er sich am Drehstuhl hoch, der vor dem Tisch mit den Monitoren stand. Auf einer Ablage davor sah er sein Walkie-Talkie liegen. Daneben stand das Telefon. Er riss den Hörer von der Gabel und tippte wie besessen 123 in die Tastatur ein, während das Platschen aus dem Flur immer näher kam. Nein, verflixt, dachte Hubertus. Er hatte sich verwählt. Schnell drückte er die Gabel, kam aber nicht mehr dazu, die richtige Nummer einzugeben. Das Platschen hatte ihn erreicht und wurde zu einem Poltern. Hubertus schlotterte am ganzen Körper. Der Telefonhörer rutschte ihm beinahe aus der Hand. Panisch warf er einen Blick über seine Schulter und sah diese grauenhafte Gestalt. Ein blutüberströmter nackter Mann mit einer langen gezackten Klinge in der Hand stürmte durch die Tür und stürzte sich auf ihn. Dämmerich wollte schreien, bekam den Mund aber nicht mehr auf. Die Klinge hatte sich mit Schwung von unten durch seinen Kiefer gebohrt. Sie jagte ihm direkt ins Hirn. Der Hörer fiel zu Boden. Hubertus war auf der Stelle tot.

KAPITEL2

»Mach’ mal die Rechnung«, forderte Norde den Wirt der Kajüte, Lothar Laberhans, auf. Dabei war er hörbar bemüht, den Satz sauber auf die Reihe zu kriegen.

»Was ist los, Konrad? Ärger an der Heimatfront?«

»Mach’ die Rechnung fertig, hab ich gesagt«, blaffte Norde ihn an. »Alles andere hat dich einen Dreck zu interessieren. Klar?«

»Entschuldige, dass ich mich erkundige. Ich sehe dich nach einem gefühlten Jahrzehnt mal wieder blau. Da darf man doch wohl mal fragen«, erwiderte Lothar eingeschnappt und nahm Nordes Deckel vom Tresen, um ihm die Rechnung zu machen.

»Blau? Ich bin noch lang’ nich’ blau«, verteidigte sich der Kommissar.

Lothar beachtete sein Gesabbel nicht, sondern nannte ihm die Summe seiner Rechnung: »Macht dreiundzwanzig Taler.«

Norde griff nach seinem Portemonnaie in der Gesäßtasche. Allerdings fand er es dort nicht. Er sah sich im Inneren seines Caban-Mantels um und kramte in den Außentaschen. Ebenfalls Fehlanzeige. Schließlich sah er es vor sich auf der Theke liegen.

»Aber nein«, bemerkte Lothar und verdrehte die Augen. »Natürlich bist du nicht blau, Käpt’n Blaubär.«

Norde blechte die Zeche und stolperte durch die Schwingtür aus der Kajüte. Sein Taunus stand direkt vor dem Laden. Er war halb auf der Straße geparkt und halb auf dem Bordstein.

»Ah, da bist du ja«, leierte Norde, als er seinen Schlüssel fand, und stolperte weiter in Richtung Fahrertür. Dabei rannte er beinahe Ronnie Rempel und dessen Freundin Susi Stumpf um, die Ronnie fest umschlungen hielt.

»Moin, Herr Kommissar. Bist du auf Verbrecherjagd in der Kajüte oder wolltest du dir eine von Lothars gefürchteten Geschichten anhören?«

»Wenn ich auf Verbrecherjagd wäre, du Schlumpf, hätte ich dir schon lang ’ne Fesselzange angelegt«, bellte Norde. Er schob sich an Rempel vorbei zu seinem Wagen und fing an, am Türschloss rumzuwerkeln.

»Ach, komm. Ich bin sauber, Herr Kommissar. Ehrlich.«

»Und ich bin der Heilige Christophorus«, entgegnete Norde. »Das kannst du deiner Großmutter erzählen, Räuber Rempel. Kerle wie du haben immer Dreck am Stecken.«

»Welch garstig Wort, Inspektor«, sagte Rempel sichtlich vergnügt darüber, wie Kommissar Norde betrunken versuchte, seinen Wagen aufzubekommen.

»Na dann: Man tau,1 wa!«, sagte Ronnie schließlich und verdrückte sich mit Susi zusammen in die Kneipe.

»Scheiße, verdammt«, fluchte der Kommissar. Er hatte sich wieder seinem Wagen zugewandt und versuchte vergeblich, die Tür des Taunus aufzubekommen. Der Schlüssel passte irgendwie nicht mehr. Oder war er jetzt total bescheuert? Norde versuchte es ein weiteres Mal. »Nein, passt nicht«, sagte er leise zu sich selbst. »Aber warum nur?« Er schaute sich den Schlüssel in seiner Hand genauer an. Das war ja der Zimmerschlüssel von seiner Pension. Klar passte der nicht. Scheiße noch mal. Er kramte wieder in seinen Taschen. Wo hatte er seinen verdammten Autoschlüssel? Norde fing gerade an, alle seine Taschen umzukrempeln, als hinter ihm die Tür aufging und Lothar Laberhans aus der Kajüte geschlendert kam. »Hier, guck mal, Konrad«, sagte der Kajüte-Wirt und hielt Norde seinen Autoschlüssel vor die Nase. »Gerade neben dem Daddelautomaten gefunden und gleich an dich gedacht.«

»Ah, da ist er ja, dieser verfluchte Schlü...« Der Kommissar griff nach dem Zündschlüssel, den Lothar zwischen seinen Fingern baumeln ließ. Dabei geriet er ins Straucheln und legte sich beinahe hin. Lothar, dieser verfluchte Hund, hatte den Schlüssel weggezogen, bevor er ihn greifen konnte.

»Du nimmst dir aber eine Taxe«, sagte er bestimmt. »Komm, ich ruf dir schnell ein Blitzmobil. Gib mal dein Handy.« Laberhans hielt Norde seine ausgestreckte Hand entgegen.

»Der Akku ist leer, von meinem Handy«, murmelte Norde.

»Oh, Mann.« Lothar stöhnte. »Dann warte, ich hol’ schnell meins.«

»Gut, okay«, stammelte Norde. »Gib aber schon mal den Schlüssel her. Ich will mir schnell noch etwas aus dem Wagen holen.« Kaum war Lothar in der Kneipe verschwunden, schloss der Kommissar seinen Wagen auf. »Bingo!«, sagte er, setzte sich hinter das Steuer und brauste davon. Den Zimmerschlüssel seiner Pension, den er noch in seiner Hand hielt, warf er vor sich auf die Armatur. Dort hatte er ihn gut im Auge und würde ihn nicht vergessen oder gar verlieren. Sein Partner, Kriminalhauptmeister Röhler, hatte ihm nahegelegt, nachdem Norde den Abend zuvor bei ihm auf dem Sofa genächtigt hatte, sich einen anderen Schlafplatz zu suchen. Wie Role sagte, wäre ihm sein Geschnarche dermaßen auf den Wecker gegangen, dass er nicht ein Auge hatte zumachen können. Somit hatte Norde sich das Zimmer in der Pension Plattfisch genommen. Lange bleiben konnte er dort allerdings nicht. Es war nur eine Übergangslösung, bis er eine Wohnung gefunden hatte. Außerdem wäre die Pension auf Dauer zu teuer. War halt nicht jeder Udo Lindenberg.

»An alle Nachteulen da draußen: Hier ist der Nightclub mit Fokko Fresh am Mikrofon. Ich hoffe, ihr lasst euch in diesen schwierigen Zeiten nicht unterkriegen. Nehmt euch ein Beispiel an dem Man in Black, Mister Johnny Cash. Hier ist er mit I wont’t back down – einem Song von Tom Petty. Mögen die beiden in Frieden ruhen.«

Dank der Musik der Country-Ikone, die gerade aus seinem Bordradio dröhnte, der Teerina im Mund und dem Alkohol im Blut, fühlte Norde sich trotz aller Scheiße, die ihm heute passiert war, richtig gut. Er wollte dieses Gefühl noch so lange es ging aufrechterhalten und nahm sich vor, noch nicht zu seiner Pension zu fahren, sondern einen kurzen Abstecher zur Tanke in Oldebeck-Qualle zu machen. Willst du, dass es weitergeht, musst du sehen, dass der Pegel steht. Das war der Leitsatz eines jeden Trinkers. Den hatte Norde in seiner Zeit als Abstinenzler nicht vergessen. Er hatte ihn nur aufbewahrt, um ihn jetzt wieder rauszuholen. Insgeheim hatte er immer gewusst, dass er eines Tages wieder dort weitermachen würde, wo er vor Jahren aufgehört hatte. Dass er dies allerdings tun würde, weil seine Frau ihn verlassen hatte, hatte er nicht geahnt. Aber wundern tat es ihn auch nicht. Es war die logische Konsequenz für die ganzen Jahre, die er an Gunda vorbeigelebt hatte. Darüber war er sich bewusst geworden. Natürlich wäre es schön, sich mit Gunda wieder zu versöhnen, sie wieder in den Armen zu halten. Doch er wusste, dass es diesmal endgültig war. Besonders nach diesem Tag, der ihm mehr als deutlich gezeigt hatte, wie kaputt ihre Ehe mittlerweile war, zerstört durch seine Beziehungsunfähigkeit.

Nie war er zuhause gewesen, um seiner Frau das zu geben, was sie brauchte. Meist erst nachts, wenn sie längst schlief, hatte er sich zu ihr ins Bett geschlichen und war morgens vor dem ersten Hahnenschrei schon wieder auf der Piste gewesen. Er brauchte die Action einfach, stand ständig unter Strom. Warum nur hatte er sich und seiner Frau etwas vorgemacht? Es war bescheuert von ihm gewesen, zu glauben, dass er durch seine Heirat auf einmal der gute brave Gatte sein würde: ein sorgenvoller Ehemann, der es liebte, an Sonntagen Kaffee zu trinken, Kuchen zu essen und auf dem Schaukelstuhl vor dem Kamin zu sitzen. Das war er nie und würde es auch niemals sein. Er entsprach nicht den Menschen, die so etwas liebten. Er war anders als die anständigen Leute. Er hasste es, vor dem Fernseher zu kuscheln. Genauso wie er Kaffeekränzchen verabscheute. Was sollte Gunda also mit jemandem wie ihm? Sie hatte es verdient, glücklich zu sein und ein Leben zu führen mit einem Mann, der genau auf den Quatsch stand, den auch sie mochte. Der sich nicht dazu zwingen musste, zum Tanztee oder in die Kirche zu gehen. Einer, der gerne zuhause war und mit ihr zusammen Blumen im Garten pflanzte, anstatt seine Zeit in der Gosse mit Ganoven und Gangstern zu verbringen. Sie brauchte ein sanftmütiges Weichei und keinen eiskalten Vollstrecker wie ihn, der dazu geboren wurde, schwarze Schafe aus dem Verkehr zu ziehen. Diejenigen, die genau wie er in keine Herde passten. Das alles klang total bescheuert irgendwie. Nach einer Mischung aus Mad Max und Dirty Harry, dachte Norde mit seinem betrunkenen Schädel. Aber all das war wirklich wahr.

Freddy Flagranti, sein alter Partner, hatte recht damit gehabt, was er damals zu ihm gesagt hatte, kurz bevor er bei einem Einsatz sein Leben verlor und Konrad in ein tiefes Loch gestürzt war. Er hatte gesagt, dass sie vor die Hunde gehen würden, wenn sie diesen ganzen Scheiß nicht mehr hätten. Er meinte damit, sich zur Ruhe zu setzen, die Angel auszuwerfen und den Rest seines Lebens nur noch in Schürze vor dem Grill zu stehen, wäre das vorzeitige Ende für sie beide. Dann lieber bei einem Schusswechsel draufgehen, hatte er gemeint, als vor Langeweile sterben. Der Wunsch war Freddy erfüllt worden. Drei Kugeln hatten ihn zu den Engeln geschickt. Zwei in die Brust und eine in den Kopf.

Nach dieser Geschichte hatte Norde seine Frau kennengelernt. Sie trafen sich bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Liebe zu ihr hatte etwas Heilendes gehabt. Durch sie konnte er diese schreckliche Geschichte verarbeiten. Sie hatte ihm Trost gegeben, nachdem sie sich gemeinsam aus ihrer Sucht gekämpft und den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Doch das Tier in ihm hatte Gunda nicht zähmen können. Es war immer wieder wach geworden und hatte ihn hinaus in die Dunkelheit getrieben. Dorthin, wo all die Gestalten durch die Nacht huschten, die er mehr brauchte als jede Geliebte in der ganzen weiten Welt.

KAPITEL3

Es war eine dieser Nächte, in denen einfach nichts passierte. Nur drei verkaufte Tankladungen bisher. Dabei war es mittlerweile schon nach Mitternacht. Kurt Kübels Augenlider hingen über seinen Pupillen wie zwei halb runtergelassene Rollläden. Todmüde saß er hinter der Kasse, hörte Radio und spendierte sich eine Zündkerze nach der anderen. Einen Sechser-Karton des leckeren Kräuterlikörs Geiler Keiler hatte er sich schon gegönnt und mit ein paar Rüpel Pils runtergespült. Er hatte ordentlich einen sitzen. Darum trank er nebenher auch immer mal wieder einen Schluck Kaffee. Der war zwar mittlerweile kalt wie die Muschi einer Hure im Winter, aber ließ ihn nicht absaufen.

Der letzte Refrain von I won’t back down von Johnny Cash lief gerade in der Fokko Fresh Show auf Boogaloo FM, als ein Wagen auf das Gelände der Tankstelle fuhr. Kurt blickte aus dem Fenster. Noch hatte er die Ladentür nicht abgeschlossen. Jeder, der kam, konnte ungehindert rein- und rausspazieren. Was natürlich den Vorteil hatte, dass die Kunden, die kamen, auf dem Weg durch den Tankstellen-Shop auch noch etwas mitnahmen. Es war also besser für das Geschäft, aber auch gefährlicher. Zurzeit liefen doch nur noch Verrückte durch die Gegend. Das konnte man ja gerade in der Zeitung lesen. Der Nachtschalter war also absolut notwendig und gut. Er würde ihn in etwa einer Stunde öffnen. Sicherheit ging vor.

Den Typen in dem alten Ford Taunus, der gerade direkt vor der Tür parkte, kannte Kurt. Der würde ihn mit Sicherheit nicht überfallen. Es war der Kommissar aus dem Fernsehen, der die letzten Tage ständig in den Nachrichten zu sehen war. In Oldebeck war richtig was los gewesen. Kaum zu glauben, wenn man jetzt raus auf die trostlosen Straßen guckte. Es sah alles so verlassen aus da draußen. Nie im Leben würde man darauf kommen, dass in diesem Kaff die Kriminalitätsrate von Jahr zu Jahr wuchs. Oldebeck war zwar noch lange nicht Chicago. Doch es zog immer mehr dubioses Volk hierher. Warum auch immer. Da brauchte man einen Sheriff wie den, der gerade aus seinem Wagen stieg. Wie Kurt gehört hatte, war der Kommissar ein verdammt harter Hund. Man erzählte sich, dass der Bulle in der Vergangenheit so einigen üblen Gesellen das Handwerk gelegt hatte. Er hatte seine Hand angeblich immer am Abzug. Der Ruf eines gnadenlosen Jägers eilte ihm voraus.

Die Glöckchen über der Tür klingelten. Der Kommissar trat in den Laden. Er steuerte direkt auf die Kühlschränke zu, nahm sich dort einen Träger Bier heraus und kam vor zur Theke.

»Nabend«, knurrte er knapp und stellte das Bier auf dem Verkaufstresen ab. Dabei sah er Kurt kaum an.

»Nabend«, erwiderte der, ebenso knapp. »Sonst noch was?«

»Eine Flasche Buddy Bourbon und eine Schachtel Teerina.«

Kurt drehte sich um zum Regal. Der Bourbon stand auf der Borte oben rechts. Die Zigaretten waren gleich darunter. Er tippte den Gesamtbetrag in die Kasse und nannte dem Kommissar die Summe:

»46,50 Euro, bitte!«

Der Gesetzeshüter fing an, in seinen Taschen zu wühlen. Schließlich zog er sein Portemonnaie aus der Innentasche seines Caban-Mantels. Er legte einen Fünfziger auf den Tresen, bekam das Wechselgeld und ließ die Glöckchen beim Rausgehen ein weiteres Mal erklingen. Als der Beamte mit seinem Taunus vom Hof gefahren war, wurde es wieder still in Kurts Tankstellenhäuschen. Draußen vor der Tür bewegte sich nichts außer ein paar Motten, die unter den Lichtern der Zapfsäulen flatterten. Im Radio spielten sie gerade den Titeltrack zu Midnight Cowboy – Everybodys talkin’. Ein hammermäßiger Song zu einem hammermäßigen Film. Vielleicht die beste Performance von Dustin Hoffmann, dachte Kurt, der Filme über alles liebte. Okay, in The Graduate war er ebenso klasse. Das waren aber definitiv seine beiden besten Filme, ohne Frage. Wenn Kurt noch mal jung wäre, dann würde er auch gern einfach so drauflosfahren und sein Glück in irgendeiner Weltstadt suchen, wie Joe Buck in Asphalt Cowboy – das war der deutsche Titel des Films. Aber die Zeit würde er nicht mehr zurückdrehen können. Er war schon zu alt für solche Abenteuer. Früher, als er noch in den Zwanzigern war, da war er eine richtige Wildsau gewesen. In jedem Laden der Stadt hatte er Hausverbot gehabt. Das waren noch Zeiten. Die Mädchen lagen ihm zu Füßen, und das, obwohl er nie auch nur einen müden Pfennig auf der Tasche hatte. Mann oh Mann, wenn er so zurückdachte an seine Jugendtage, da wurde ihm doch glatt ein wenig wehmütig ums Herz. Er stellte das Radio lauter und ließ sich von dem Rhythmus des Songs und den Promille in seinem Blut zu einem Tänzchen verleiten. Gekonnt bewegte er seine Hüften zu dem Song von Harry Nilsson und tanzte von der Ladentheke zu den Kühlschränken an der Wand rüber. Scheiß drauf, ist doch eh nichts los, dachte er und nahm sich noch ein eisgekühltes Bier. Er war der Chef der Tacho-Tanke